Freitag, 22. Februar 2019

Brief 522 vom 17.02.1944


Du mein herzliebes Mädel Du!                                                                 17.2.44           

Herzlichen und vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 7.2. Er kam heute an und ich habe mich recht über Deine Zeilen gefreut. Einen späteren Brief hatte ich ja schon bekommen. Dieser hat wieder die Lücke ausgefüllt. Deine Mitteilung, daß eine Sendung mit Maismehl angekommen ist, freute mich wieder sehr, denn es ist doch nach hiesigen Geldbegriffen ein kleines Kapital, was man da anlegt. Wenn Du erst nach und nach die Sachen verwenden wolltest, so ist das ja gut, denn so habe ich mir das gedacht. Wie ich Dir ja schon schrieb, habe ich noch weitere Pakete erstanden und Dir zugeschickt. Hoffentlich bekommst Du auch alles.
Nachdem Du nun meine vernichtende Kritik aber den Film „Der weiße Traum“ erhalten hast, musstest Du auch zu einer Erklärung ausholen, die ich an sich voll und ganz verstehe. Du hast recht, daß man in der heutigen Zeit das Verlangen nach einer leichten Unterhaltung hat. Das vertrete ich vol und ganz, daß die Menschen, die heute soviel Schweres miterleben, sich entspannen müssen. Aber Du kennst mich ja, daß ich gegen eine Verpflichtung bin, die aber recht leicht eintritt, wenn man sogenannte Kunstwaren vorgesetzt bekommt, die in einem Stil gehalten sind, den man vor Jahren bei uns vollkommen abgelehnt hat. Man rechnet aber mit der Vergesslichkeit der Menschen. Ich entsinne mich in diesem Zusammenhang an einen meiner ersten besuche in einem französischen Kino. Dort wurde ein amerikanischer Film gezeigt mit einem ganz großen bekannten amerikanischen Filmstar. Da wurde getanzt und es wurden Gesangseinlagen gebracht und die Handlung war gleich Null. Ich habe mir das angesehen und mir gedacht, ist das der Kulturbeitrag, den Amerika liefert? Bei uns in der Presse hatte man vorher auch diese Art der Filmkunst besprochen und abgelehnt. Kurz nach der Olympiade  in Berlin ging die Eiskunstläuferin Sonja Hennie nach Amerika, um ihm Film als Eisstar aufzutreten. Sie verdiente eine Menge Geld damit und man sagte allgemein, das sei doch wirklich erbärmlich, daß man in Amerika keine anderen Filmideale hätte. Nimm Dir diese beiden Beispiele und sieh Dir heute unser Filmschaffen an. Ist das nicht kopiert, was man vor längerer Zeit als Kitsch hinstellte? In unserer Zeit sind wir ja so schnell vergesslich. Gut ist das, denn wir brauchen das, um all das Schwere zu überwinden. Ich kann es aber nicht verstehen, wie man in Bezug auf Kunstgeschmack und Richtung so schnell umschalten kann und wenn man versucht, womöglich einem vorzureden, daß Grün eben nicht mehr Grün sondern rot sei. Ich bin weder ein Kunstbanause noch künstlerisch so vorgebildet, daß ich sagen kann, das muß nun genau so sein, weil die Regeln es so verlangen.  Das kann ich nicht. Aber wenn ich meinen gesunden Geschmack dabei entwickle, so muß ich mir sagen können, das ist gut und das ist flach und seicht. Kannst du Dich noch an die Zeit erinnern, als in Deutschland die Tom Mix Filme liefen? An diesen unwirklichen Sachen konnten sich Tausende von Jungens begeistern. Ich weiß noch, daß Dein Bruder ständiger Zuschauer war, wenn einer dieser Filme gezeigt wurde.  Ich habe diese Filme genauso abgelehnt wie diese Indianerbücher, die die Fantasie in einer unnatürlichen Weise anregen. Warum ging man nicht daran, die Sachen von Karl May zu verfilmen. Wäre das nicht eine dankbare Aufgabe gewesen? Aber die Filme kamen aus Amerika und lenkten den Geschmack in eine Richtung, die ich für mich ablehne. Man könnte dem gegenüberhalten, die Jungens sind alle ordentlich geworden und sind alle gute Soldaten. Das stimmt, aber vielleicht hat hier schon die Erziehung der HJ einer anderen Entwicklung entgegengewirkt. Denn gerade wir haben die Zeit kennen gelernt, in der man zum großen Teil eine Belastung des persönlichen Ich ablehnte.  Wenn man heute mit jungen Menschen über diese Dinge spricht, so kann man die tollsten Ansichten hören. Ich habe vorhin schon betont, daß es nicht meine Auffassung ist, daß man ungehemmt Kritik übt, aber man kann manche dieser Erzeugnisse ohne weiteres in den Ofen stecken, denn der Menschheit fehlt dadurch nichts, im Gegenteil, man hat ihr einen Dienst erwiesen. Ideale muß ein Mensch haben, doch es dürfen nach meiner Meinung keine falschen sein. Ich glaube, daß das eine heitere und beschwingte Angelegenheit genauso zustande bringen kann wie eine Sache mit ernstem Charakter. Es ist nicht notwendig, daß man nur mit ernsten und strengen Themen aufwarten muß. Denn das eine wie das andere kann anregen, aber gleichzeitig Entspannung bringen. Ich kann mir vorstellen, daß man lange Zeit sich über irgendetwas nicht im Klaren ist und sich immer wieder Gedanken macht, ob man in diesem oder jenen Fall richtig gehandelt hat. Diese Unklarheiten bringen gewisse Spannungen mit sich, die aufgehoben werden können, wenn man durch eine Anregung von außen her  in diesem Fall durch den Film oder durch ein Buch oder einen Artikel  klar bewusst wird.  Damit löst sich dann gerade das, was einem auf der Seele gelegen ist. Von Natur aus ist der Mann stärker veranlagt und ich stelle diese Forderung auch in erster Linie an die Männer, denn diese müssen sich eher mit solchen Problemen befassen können. Daß das aber nicht der Fall ist, das ist ein Zeichen der Entwicklung aber auch der Erziehung. Damit wird nun die Kette wieder geschlossen, wenn ich sage, daß die Forderung nach mehr Inhalt notwendig ist. Daß wir nun einmal nicht einer Meinung über eine Sache waren,.  empfand ich in diesem Falle insofern als gut, weil es uns Anregung gegeben hat, um sich einmal über den täglichen Rahmen des Briefeschreibens hinauszugehen. Man ist nicht jeden Tag dazu aufgelegt, daß man sich mit diesen Sachen auseinandersetzt. Immer kann man nicht darum herumgehen. Wenn Du nun schreibst, es sei keine Feigheit, wenn Du die anderen Dinge meidest, so weiß ich das genau. Denn Du bist ja von Natur aus nicht so. Aber wenn man sich manches leichter machen kann, so soll man das tun. Dieser Lebensauffassung stimme ich gerade für Dich besonders zu. Auch ich werde mich nicht offensichtlich in eine Sache hineinbegeben, von der ich weiß, daß der Einsatz sich dafür nicht lohnt und bei der ich voraussehen kann, daß sie zu meinem Schaden ausläuft. Sollte der Einsatz aber in einem Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg stehen, dann gibt es auch bei mir kein Zögern mehr. Ich bin mir nur nicht im klaren, ob es gut ist, wenn man immer nur die Vernunft walten läßt. Aber eine Frage muß ja immer offen bleiben und sie bleibt immer offen. Doch dazu sind sie ja da, damit man an sich arbeiten kann. Doch eines bitte ich Dich nun, lasse Dich von meinen Gedanken in dieser Beziehung nicht zu sehr gefangen nehmen, denn ich will es nicht haben, daß Du Dich unnötig damit belastest. Ich habe aber angenommen, daß Du meinen Standpunkt in dieser Hinsicht kennen lernen wolltest. Ich bin einmal etwas ausführlicher geworden und über den sonstigen Rahmen hin ausgegangen. Doch wie schon oben erwähnt
Doch wie schon eben erwähnt, bin ich Dir für Deine Fragen dankbar, denn Du hast mir wieder einige Anregungen gegeben, die ich ja in verschiedener Weise wiedergegeben habe.  Ein Teil Marken ist auch wieder angekommen. Wenn Du sie nicht einsortierst, weil Du keine Zeit dazu hast, dann ist das nicht weiter schlimm,.  denn dazu wird sich schon einmal Gelegenheit finden, wenn ich wieder einmal nach hause komme, wenn das auch noch in der grauen Zukunft liegt. Vielleicht schickst Du mir doch noch die beiden hohen Werte der jetzt laufenden Marken mit zu. Das Geld nimmst du aber von meinem Vorrat. Du schreibst, daß Du glaubst, daß mich der Briefmarkenhändler schon als festen Kunden ansieht, so muß ich Dich in dieser Richtungleider etwas verbessern. Du mußt schon sagen, die Briefmarkenhändler, denn wenn ich mich nur an einen halte, so haut der mich übers Ohr. Die eine Sache bekomme ich bei dem günstig und die anderen bei jenem. Das ist recht unterschiedlich. Ab besten ist es, wenn man dem einen sagt, daß der andere die Marke billiger hergibt. Das hilft meist etwas. Damit habe ich schon manches heruntergehandelt. Trotz allem verdient dieser Mann noch schön, aber wenn ich das nicht gemacht hätte, dann hätte ich diesen Betrag auch noch mit dazugezahlt. Das gehört hier mit zum guten Geschäftston.  Heute hatte ich wieder beobachtet, wie sich einige geschäftlich auseinandersetzten. Ich dachte, sie gehem im nächsten Augenblick aufeinander los. Doch als sie sich trennte, schieden sie im besten Einvernehmen lachend voneinander. Daß  ich das kleine Tauschheft schon erhalten habe, das schrieb ich Dir ja schon. Sage einmal, hast Du noch Zulassungsmarken für Päckchen daheim? Wenn ja, dann hebe doch bitte eine für meine Sammlung mit auf. Jetzt kommt nähmlich eine neue Sorte heraus und die gezähnten gibt es wahrscheinlich nicht mehr. Ich lasse Dir dafür das nächste Mall eine mehr mit zugehen, dann ist ja alles wieder ausgeglichen. 
Daß von Siegfried kein Bescheid kommt, ist wohl langsam besorgniserregend. Ich hoffe aber doch fest, daß inzwischen Erna von ihm wieder Nachricht erhalten hat. Das ist nun nicht immer leicht in solchen ernsten Situationen, zum Schreiben zu kommen. Heute ist es wieder einmal etwas mehr als sonst geworden. Aber ich denke, daß Du daran keinen Anstoß nimmst. Bleibt mir alle recht, recht gesund und laß Euch vielmals küssen in treuen Gedanken, Dein Ernst. 
Einige Marken habe ich wieder mit beigefügt.

Brief 521 vom 15./16.02.1944


Liebester und bester Schatz!                                                                    15.2.44

Heute bekam ich Deinen lieben Brief vom 9./10.2.Ich danke Dir recht dafür. Dann trag noch ein Schreiben vom Pfarramt Bautzen mit den Urkunden ein, von denen ich Dir im gestrigen Brief schon schrieb. Es sind wieder schöne Unterlagen und ein Schritt im Dunkeln hat sich weiter aufgeklärt. Dadurch sind wir in der Linie Miersch 250 Jahre zurück. Wenn auch die Geburtsdaten nicht ganz feststehen, so sind doch die Namen bekannt, die zu jener Zeit geboren worden sind. Ich schreibe wieder die Nummern oben in die Ecke. Du kannst sie ja Deinem Vater auch in Deiner Abschrift wieder mitteilen, dann wird er sich in diesen Dingen dann besser auskennen. Denn wie ich aus seinem letzten Brief zu schließen glaube, wirft er alles durcheinander. Das liegt ihm weniger, sich in eine Sache hinein zu vertiefen. Das ist ja nicht weiter schlimm, wenn man ihm die Sucherei abnehmen kann. Ich hoffe, daß ich auch Dir damit eine Freude bereite. Die Eintragungen bei mir habe ich wieder provisorisch vorgenommen, damit ich jederzeit bei mir weiß, was noch zu machen ist und was erledigt ist. Ich werde ab er nochmals hinschreiben, ob ich von der Nebenlinie Schmied noch etwas erfahren kann. Aber erst mit Deiner Linie ist in diesen Ahnenreihen von diesen alltäglichen und gebräuchlichen Namen in die Linie hineingenommen. So erscheinen jetzt die Namen Meier und Schmied. Aber wie Du weiter aus diesen Auszügen siehst, war der eine wieder Oberältester der Fleischhauer. Das muß sicherlich auch ein angesehener Mann gewesen sein.
Heute erhielt ich auch Dein kleines Päckchen mit dem Einsteckheft für die Briefmarken. Es ist gut angekommen. Ich danke Dir dafür. Ich kann wahrscheinlich noch einige Marken davon verwenden. Es ist also nicht ganz um sonst gewesen, daß Du es mit zugesandt hast. Ich habe Dir ja in den letzten Tagen einige schöne Sachen zugesandt. Jetzt wird für mich die Sache schon schwieriger, meine griechischen Marken zu vervollständigen, denn jetzt fehlen meist nur noch dieselben Marken, aber hin und wieder findet sich die eine oder andere Marke dazu,. Was nun die eine Marke „10 Jahre WHW“ betrifft, so muß ich feststellen, daß ich mich verhau en habe, wenn ich NSV schrieb. Durch meine Unaufmerksamkeit bist Du nun wieder ziemlich rumgelaufen . Es ist aber nicht absichtlich geschehen. Entschuldige bitte darum._ Es ist nicht notwendig, daß Du mir die Durchschläge der Briefe Deines Vaters zusendest, denn ich erhalte sie ja schon immer von ihm mit zugeleitet. Ich bin also über alles im Bild, was zwischen uns allen geschrieben wird, und es hat alles seine Ordnung.
Heute habe ich das Brotpäckchen abgesandt, das ich vorgestern fertiggemacht hatte. Es trägt die Nummer 31. Ich bekomme in den nächsten Tagen wieder eine Kleinigkeit an Rosinen, die ich Dir wieder zugedacht habe. Solche Sachen finden sich immer wieder einmal ein, so daß man die Päckchensendungen nicht ganz und gar aufgeben braucht. Es ist nun schon wieder ein Jahr her, seit wir unseren Rückzug von Poltawa nach Kiew fortsetzten. An diesen Dingen merkt man doch immer besonders, wie die Zeit verrinnt. Damals konnte ich Dir noch eine Kiste fertig machen. Das wäre wieder einmal an der Zeit, daß man sowas bekommen könnte. Ich glaube, Du würdest auch nicht nein sagen. Doch es gibt nun einmal nichts anderes wie Rosinen und Korinthen.  Sie sind ja auch ganz gut, doch die Nährkraft wie in Butter oder Eiern steckt nicht darin. Ich habe in Erinnerung an diesen Jahrestag meinem Freund Finessen den Brief beantwortet. Es ist doch eigenartig, wie solche gemeinsamen Erlebnisse miteinander verbinden. Wie ich Dir schon einmal schrieb, er war mir einer der besten mit, die ich kennen gelernt habe.
Ich bin mächtig müde und muß mein heutiges Schreiben daher beenden. Bleibt mir alle gesund und grüße bitte Vater von mit recht herzlich. Sei Du selbst vielmals geküsst von Deinem Ernst.

Du meine liebste Annie!                                                                           16.2.44 
       
Ich will Dir heute noch meinen heutigen Gruß zugehen lassen, denn morgen reise ich ja, wie ich Dir schon mitteilte, für einige Tage nach Saloniki. Im Getriebe des täglichen Betriebs ist dies eine ganz nette Abwechslung. Die Erlebnisse sind ja bei mir täglich immer fast die gleichen. Früh steht man auf, macht sich fertig und dann geht es zur Dienststelle. Einmal fährt die Straßenbahn und ein andermal muß man laufen. Frühstück wird dann im Hause der Dienststelle eingenommen. Das ist insofern verbessert worden, als wir jetzt in recht angenehme Räume gekommen sind, die Unterbringung bis jetzt war zwar nicht schlecht, aber man hat schnell gegessen und dann ist man aber auch bald wieder abgerückt. Hier haben wir jetzt wirklich nette Räume, wo man gern sitzt. Seit längerer Zeit höre ich wieder einmal Radio. Wenn es auch nur während der Essenszeit ist, so macht das doch Laune. Gestern Mittag oder besser gesagt, kurz vor Mittag, erhielt ich Bescheid, daß der Chef unseres Stabes sich mit uns zusammensetzen will.  um mit uns zu Mittag zu essen. Ich war wie aus allen Wolken gefallen, daß ich ausgerechnet zu den wenigen Auserwählten gehörte, die an seinem Tisch mit Platz zu nehmen hatten. Ich war erst der Meinung, daß ich bei den Offizieren mitessen müßte und habe erst einmal Radau gemacht, weil man mich früher abgelehnt hatte. Es stellte sich dann aber heraus, daß es bei uns sein sollte, was mich dann etwas beruhigte. Ich haben diesen Gnadenbeweis dieses hohen Herrn nun auch gebührend anerkannt. Du kennst mich ja, wie ich sowas immer kritiklos hinnehme.
In den letzten Tagen habe ich immer einige Marken mit beigefügt, die ich mir wieder eingetauscht habe. Auch diesmal kann ich wieder einige Stücke beilegen. Ich kann wohl sagen, daß ich in den vergangenen Wochen meine Sammlung erheblich bereichern konnte. Auch was meine deutschen Marken anbelangt, so konnte ich verschiedene neue Erwerbungen machen, die mir selbst viel Spaß machen, weil verschiedene schöne Stücke dabei sind. Daß das Tauschheft angekommen ist, das habe ich Dir wohl schon mitgeteilt. Sollte das noch nicht geschehen sein, dann ist es ja hiermit nachgeholt. Doch danken muß ich Dir dann noch dafür. Einige Marken habe ich davon auch schon unterbringen könne. Aber auch die griechischen Marken fülle ich so nach und nach auf. Ich kann jetzt schon bald sagen, daß ich die deutschen Marken nicht so komplett beieinander habe wie die griechischen Marken, wenn ich noch Gelegenheit habe, in nächster Zeit einige Sachen zu bekommen.
Mit meiner Fahrt hat es eine kleine Panne gegeben, denn ich sollte mit einem Transportzug reisen, was ich aber abgelehnt habe, denn für diese kurze Strecke hätte ich dann zwei Tage benötigt. Nun mache ich es auf andere Weise und komme am übernächsten Tag doch mit dem Zug weg, den man mir für morgen versagt hat. Mit Schlichen kommt man schon dahin, wohin man will. Vorhin war ich im Kino, um mir den Film „Gabriele Dambronn“ anzusehen. Es ist nun schon 23 Uhr vorbei, doch diesen Brief wollte ich doch noch beenden. Ich bin ja öfter in der Zwischenzeit im Kino gewesen, doch was soll ich immer davon erzählen, denn vielfach trifft man leichte und seichte Filme an, über die man doch nichts erwähnen braucht. Wenn einer bemerkenswert ist und aus dem üblichen Rahmen herausfällt, dann kann man schon eher darüber sprechen. Dieser hat zwar einige Stellen, die mir etwas schwach erscheinen, doch im großen und ganzen gesehen ist er nicht schlecht und es lohnt sich schon, dass man ihn sich ansieht. Auffallend ist, daß ja die Wochenschau jetzt ziemlich vom eigentlichen Kampfgeschehen abrückt und vielfach Bilder von der Ausbildung oder von der Reserve bringt. Das ist auch gewissermaßen ein Spiegelbild der augenblicklichen Ereignisse. Aber ich habe das feste Vertrauen, daß es in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommen wir. Wie sie zwar ausgeht, das kann man nicht vorhersagen, doch bin ich auch hier der Überzeugung, daß sich das Gewicht wieder mehr und mehr auf unsere Seite begeben wird. Die Anstrengungen dazu werden nicht klein sein und auch die Opfer, die zur Erkämpfung des Sieges notwendig sind, werden noch erheblich sein, doch am Ende wird wohl doch unser Sieg stehen. Auch die Zuversicht bei unseren Soldaten ist recht groß, denn jeder rechnet mit einem gewaltigen Gegenschlag. Wenn dieser sitzt, dann kann sich unser Schicksal entscheiden.
Post bekam ich heute von Dir keine. Doch es wird schon wieder einmal welche geben. Zeitungen gingen wieder ein. Ich muß schon sagen, daß es jetzt geradezu beängstigend ist. Aber ich werde schon wieder Ordnung in diesen Laden bringen.  Ich bin froh, daß ich jetzt die Zeitung bei Deinem Vater abbestellt habe, denn ich komme doch meist nicht dazu, sie zu lesen. Dann ist es doch hinausgeworfenes Geld.  Jetzt will ich aber für heute schließen. Mit recht herzlichen Grüßen und vielen lieben Küssen für Dich und die Kinder bin ich immer Dein Ernst. 

Donnerstag, 14. Februar 2019

Brief 520 vom 13./14.02.1944


 Mein liebster Schatz!                                                                     13.2.44

Es geht zwar schon auf 11 Uhr nachts, aber ich will Dir doch noch meinen Tagesgruß entbieten. Am Vormittag hatte ich meinen üblichen Dienst und am Nachmittag war ich heute wieder einmal mit einem Teil der Kameraden im Offiziersheim in Piräus. Ich schrieb Dir ja schon früher einmal davon, daß man dort immer so nett angenommen wird. Es gab zwei Stückchen Streuselkuchen, der wirklich sehr gut war. Dann Kaffee mit Zucker. Dann konnte man Cognac und Wein bekommen. Auch das Abendessen war ganz ordentlich. Man muß ja bedenken, daß man dies alles zusätzlich erhält außer der Verpflegung, die einem bei der Truppe zusteht. Ich kann es nur feststellen, daß ich heute wieder einmal ordentlich versorgt worden bin. Wenn es einem auch nicht jeden Tag gleich gut gehen kann, so findet sich immer wieder eine Gelegenheit, einmal über den üblichen Rahmen hinaus zu leben. Wir sind dann mit der Untergrundbahn in die Stadt gefahren und waren bis jetzt noch im Wehrmachtstheater. Das wäre mein Sonntag gewesen. Da kann ich doch bestimmt nicht klagen. Es ist aber bestimmt eine Entspannung, wenn man solch einen Nachmittag erlebt und einmal das tägliche einerlei nicht hat und aus dem täglichen Trott heraus ist.  Über Deine Mitteilung über unser Mädel, daß sie zwei ordentliche Arbeiten in der Schule abgeliefert hat, habe ich mich sehr gefreut. Daß sie sich mit Rechnen so gebessert hat, ist doch sehr erfreulich. Vor längerer Zeit war es doch, wo sie gar keinen Sinn für das Rechnen hatte. Aber das ist nun einmal so. Jeder Mensch hat so gewisse Krisenzeiten. Man ist nicht immergleich leistungsfähig. Das geht nicht nur uns Erwachseen so, sondern auch die Kinder sind diesen Schwankungen unterworfen. Daß jemand dauernd Spitzenleistungen hervorbringen soll, kann man normalerweise nicht verlangen. Wenn sie aber eine gleichmäßige gute Durchschnittsleistung hervorbringt, dann ist das sehr gut. Wie die Zeugnisse ihm allgemeinen besehen bei unseren Beiden zeigen, ist die Breitenleistung in allen Fächern gut und das ist schließlich entscheidend. Gelacht habe ich darüber, daß sich unser Fräulein in der Schule eine Strafarbeit geholt hat. Sie ist wenigstens kein Duckmäuser und sie verreißt sich auch einmal den Rand. Wenn es auch heißt, sie führt sich schlecht auf, so ist mir das lieber, wie wenn sie nur zu allem Ja und Amen sagt. Sie sollen ja auch selbständig denken lernen. Wenn sie in der Form einmal danebengreifen, so kann das schon einmal vorkommen. Dafür bekommt sie ja auch eins aufs Dach. Das ist nicht schlecht, wenn sie sich einmal irrt. Solch eine Strafarbeit ist ja noch lange kein Beinbruch. Wenn sie sonst ihre Sachen macht, kann man über sowas ohne weiteres hinwegsehen. Anders dagegen wäre es, wenn sie faul und dumm wären, unsere Beiden. Dann müßte sie schon etwas bescheidener sein. Jedenfalls freut es mich, daß sie sich anstrengt und daß man das Schulgeld nicht für umsonst hinauswirft, sondern daß es einen Zweck hat, daß man es für etwas aufwendet. Sag ihr, daß sie bei der nächsten 1 wieder 2,RM von mir erhält. Gib ihr besonders für diese Arbeit bitte von meinem Geld. Man muß ihnen doch einen kleinen Ansporn geben. Wenn unser Junge wieder einmal gut abschneidet, dann werde ich selbstverständlich auch an ihn wieder denken. Der Schwamm und die anderen Sachen scheinen Eure Zustimmung gefunden zu haben. Daß die Feigen und Apfelsinen Euch Spaß gemacht haben und daß sie Euch schmecken das freut mich immer besonders. Es sind nun solche kleinen bisschen, die man in der gegenwärtigen Zeit nirgends erhält. Darum bekommen sie schließlich auch diesen Wert. Für die anderen Sachen hast Du ja auch Verwendung, wie Du schreibst, wenn Du auch nicht alles auf einmal brauchst, so muß man sich doch immer sagen, daß ein kleiner Vorrat doch sehr von Nutzen ist. Wenn ich weiß, daß alles richtig angekommen ist und daß Du für alles Verwendung hast, dann habe ich bestimmt schon eine große Freude an meinen Besorgungen. Denn ich sage mir immer, darum soll ich zusehen, daß andere Leute sich noch und noch etwas beschaffen und ich soll womöglich dabei zusehen, ohne daß meine Familie etwas erhält und womöglich Hunger leidet. Solche Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden, soweit die Möglichkeiten dazu bestehen. Darum sehe ich das immer als eine selbstverständliche Pflicht an, in dieser Hinsicht für Euch zu sorgen, soweit das in meinen Kräften steht. Wenn Du mir schreibst, daß alles eine freudige Aufnahme gefunden hat, dann ist mir das Dank genug.
Ich nehme Dich nun wieder im Geiste in meine Arme und drücke Dich recht herzlich. Bleibt mir alle gesund und seid vielmals allesamt geküsst von Deinem Ernst.  Manche der beigefügten Marken scheinen doppelt zu sei. Du musst aber Obacht geben, es ind andere Ausgaben dabei. Einzelne sind doppelte, doch das macht ja nichts weiter, denn die kann ich womöglich gut wieder vertauschen. Es heißt also scharf dabei aufzupassen. Die ungestempelten brauchst Du ja nur einzulegen, wie wir es kürzlich schon besprochen haben.


Mein liebster Schatz!                                                                                        14.2.44  

Die Post hat mich heute mit keinem Brief von Dir bedacht. Vom Pfarramt Bautzen bekam ich heute einen Bescheid, daß meine angeforderten Urkunden bereitliegen würden, daß jedoch das Geld noch nicht eingegangen sei. Ich muß nun bei unserer Zahlstelle deshalb nochmals nachforschen lassen, damit diese Sache zum Klappen kommt. Nach diesem Schreiben zu schließen, muß aber mit weiteren 7 Urkunden die Reihe Miersch abgeschlossen sein. Doch das wird sich ja zeigen. Ich hatte nachgefragt, ob der Name Miersch heute in der Gegend Bautzen vorkommt, was mir bestätigt wurde mit dem Anfügen, daß es im Adressbuch in Bautzen allein 11 mal vorzufinden sei. Ich denke ja, daß die Ahnenangelegenheit von Deiner Linie Dich interessieren wird. Ich habe ja Deinem Vater in meinem heutigen Brief an ihn entsprechend auch berichtet. Den Durchschlag meines Briefes an ihn füge ich Dir wieder mit bei, wie das bei uns immer so üblich ist. Von der Tabakpfeife hatte ich Dir ja schon geschrieben, ich denke es jedenfalls. Wenn sie bei Dir ankommt, dann kannst Du sie ihm ja zuschicken.  Heute habe ich übrigens mein Päckchen mit Zwiebeln an Dich abgesandt. Es hat die Nummer 30. Wenn es auch nicht gerade besondere Werte sind, die darin enthalten sind, dann freue ich mich doch, wenn ich Euch damit wieder einen kleinen Weg abgenommen habe, abgesehen davon, daß sie zur Mangelware zählen.
Am Donnerstag den 17.  reise ich von hier für einige Tage nach Saloniki. Ich habe, wie ich Dir schon vor einigen Tagen mitteilte, verschiedene dienstliche Dinge zu regeln, doch ich werde die Gelegenheit wahrnehmen und mir die Stadt ein wenig ansehen. Es ist doch immerhin eine willkommene Abwechslung aus dem alltäglichen  Einerlei. Es kann sein, daß ich während dieser Tage nicht so zum Schreiben komme. Ich teile Dir dies mit, damit Du schon heute weißt, daß in den nächsten Tagen weniger Post eintreffen wird. Aber Du bist ja im Bilde, daß ich nach Möglichkeit versuchen werde, Dir Nachricht von mir zu geben. Ich habe heute eigentlich nichts von Bedeutung zu berichten. Lasse mich bitte darum mein Schreiben abschließen mit vielen lieben Grüßen für Dich und die Kinder.  Lasst Euch alle Drei herzlich abdrücken, denn ich bin ja immer im Geiste bei Euch.  Dein Ernst.


Brief 519 vom 11./12.02.1944

Mein liebster Schatz!                                                                                 11.2.44  

Heute habe ich wieder einen Brief von Dir erhalten, wofür ich Dir vielmals Dank sage. Dein Brief vom 2. hat eigentlich nicht lange gebraucht. Wie ich aus diesem Schreiben lese, hast Du nun nach einigen Verwicklungen doch noch Deine Einquartierung bekommen. Wo Du die Leute untergebracht hast, das konnte ich zwar aus Deinen Zeilen nicht ersehen, doch es würde mich, wie ich schon vor einigen Tagen schrieb, interessieren, wie Du es eingerichtet hattest. Wegen der paar Mark brauchst Du ja nicht diese Vermieterei vornehmen. Wenn es Dir nicht darum zu tun wäre, daß Du den Leuten damit geholfen hast, so lege ich keinen besonderen Wert darauf auf Einquartierung. Wir sind nun einmal in dieser Beziehung etwas sehr Einzelgänger, die in ihren Wänden gern allein hausen. Du selbst mußt es Dir auch immer erst überlegen, ob Di einmal eine Ausnahme machen sollst. Wie dem auch sei, Du hast es ja nun gelernt, wie Du mit solchen Leuten auskommst und kannst Dich dann danach richten, wie Du es in künftigen Fällen halten willst.
In Deinem letzten Brief nimmst Du wieder einmal Gelegenheit, mir ein Loblied zu singen. Du weißt ja, daß ich recht wenige auf das Gerede der Nachbarn Sei es nun, daß sie im schlechten oder guten Sinne sprechen.  Wichtiger dagegen ist mir schon, was Du mir zu sagen hast. Es stimmt. die Verhältnisse sind in allen Familien nicht so, wie es immer notwendig sein sollte. Gerade ich hatte ja in meiner früheren Tätigkeit reichlich Gelegenheit, die
Familienzwistigkeiten und andere Missstände zu beobachten. Wie hat man immer wieder gesehen, daß die Kinder schlechte erzogen werden, wie Väter sich ihren Pflichten ihrer Familie gegenüber entzogen und vieles mehr. Daß wir so harmonieren ist aber schließlich nicht allein mein Verdienst. Denn glaube mir, wenn Du nicht mit dazu beitragen würdest, aber alles in allem gesehen, wollen wir froh sein, daß es bei uns bis jetzt immer so geklappt hat, willen wir hoffen und auch dafür arbeiten, daß es so bleiben möge.
Daß Du der Ansicht bist, daß Vater unter den jetzt veränderten Verhältnissen doch besser allein kocht, kann ich verstehen und auch zustimmen. Wenn er eine Tätigkeit erhalten würde, die ihn halbtags in Anspruch nimmt, dann wäre ja der Fall wieder anders. Ich weiß, Vater ist immer streng darauf bedacht gewesen, mit seiner Mark selbst zu wirtschaften, weil er es auch besser einteilt, wie er immer sagt. Aber wenn es soweit kommt, wie er es z.Zt. gemacht hat, daß er überhaupt nichts kocht, dann muß man von sich aus etwas dagegen unternehmen. Daß Helga in die Malschule geht, wäre ja nicht unbedingt erforderlich. Vor allem, wenn es so ist, daß sie dort treiben können, was sie selbst Lust haben. Daß man dafür noch Geld ausgibt, ist dann nicht notwendig. Man muß ja schließlich wissen, wofür man etwas zahlt, ihm übrigen ist sie, wie Du es feststellst und wie ich das auch schon einmal betonte, durch ihre anderen Sachen ziemlich in Anspruch genommen, so daß es gut ist, wenn wie etwas Spielraum hat, um sich einmal auf sich selbst zu besinnen.
Mit der Schwimmerei hat es sich nun so entwickelt, wie es sich im letzten Sommer schon andeutete. Helga war beim Springen recht eifrig, während unser Junge weniger Geschmack daran hatte. Dagegen schwimmt er nun recht ausdauernd. Ich erinnere mich dabei an den Nachmittag, als ich ihm sagte, er soll einmal versuchen, die Strecke zwischen den beiden Pontons in einem Zug zu schwimmen. Dann hat er sich ins Wasser gestürzt und ist statt einmal viermal geschwommen. Ich freue mich immer wieder, daß sie sich so gut hineingefunden haben. Vor allem ist es ja so, daß sie selbst große Freude daran haben. Wie schön wäre das erst, wenn wir alle beieinander wären und das ausnutzen könnten. Doch weichen Gedanken kann man jetzt nicht nachhängen, denn das ist für keinen der Beteiligten gut.
Mit meinem Schnupfen ist es so, daß es am besten wäre, ich würde mir einen Tropfenfänger unter die Nase binden. Ich kann schon sagen, daß bei mir allen Brünnlein fließen. Aber solange eine Erkältung noch so herauskommt, will ich recht zufrieden sein. Ich glaube aber, daß er langsam im Abklingen ist, so daß ich dies auch wieder hinter mir habe, denn Kranksein beim Militär ist doch keine angenehme Angelegenheit, weil man doch recht allein ist und es kümmert sich doch niemand um einem in dem Maß, wie es daheim sonst möglich ist. _ Heute hätte ich nun Anlass, mit Dir wieder einmal zu schimpfen. Nun hast Du wieder ein Päckchen fertiggemacht mit Gebackenem, wo Ihr doch selbst gerade soviel habt, daß es für Euch reicht. Aber es ist immer eine zweischneidige Angelegenheit, wenn ich wegen dieser Dinge schimpfen will, denn Du wirst mir dann dagegenhalten, daß ich ja auch schicke. Doch es ist ja schon ein kleiner Unterschied dabei. Diese Sachen habe ich hier übrig, während Du von der Substanz nimmst. Ich will Dir aber Deine Freude nicht verderben, denn ich weiß, daß Du auch gerne einmal etwas Besonderes senden willst. Ich danke Dir darum schon im voraus recht herzlich für Deine Gabe. Nun schließe ich meinen heutigen Brief mit recht lieben und herzlichen Grüßen und vielen Küssen für Euch Drei. Dein Ernst. 

Du mein gutes Mädel!                                                                            12.2.44   
         
Herzlichen und vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 3./4. und 8.2., die ich heute erhielt. Ich habe mich sehr darüber freuen können. Die gesandten Marken sind alle richtig angekommen, ich werde sie hier entsprechend verwenden können. Gefreut habe ich mich aber auch, die Bestätigung über den Eingang von 8 Päckchen. Das ist ja so, daß man immer eine Sorge darum hat, ob auch alles das, was man so besorgt hat, auch richtig ankommt. Bei diesen Sachen war es ja wieder der Fall und das ist ja schließlich auch ein Anlass zur Freude. Ich habe heute die restlichen  ? aus meinem letzten Pack nachmittags abgesandt. Es sind die Päckchen 28 und 29, die Maismehl und Rosinen enthalten. Zwei weitere habe ich heute mit fertiggemacht, die gleich Anfang der kommenden Woche weggehen. So kommt doch eins zum anderen.
Von Deinem Vater erhielt ich heute den Rundbrief. Er ist anscheinend einmal nicht ganz zufrieden mit mir, nachdem ich Dir von einer Reise nach Leipzig abgeraten habe. Die Argumente, die er anführt, kann ich aber alle nicht gutheißen, denn wie man immer wieder hört, richtet der Engländer seine Angriffe auf die großen Städte Mitteldeutschlands und vor allem in das Rhein-Maingebiet. Zwar sicher ist man heute wohl kaum irgendwo in Deutschland, doch unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist die Gefahr in diesen Gebieten größer wie bei uns daheim. Das muß er verstehen, daß ich meine Familie nicht wissend einer Gefahr aussetzen will, die ich besser vermeiden kann. Zudem ist es doch so, daß Du wahrscheinlich auch keinen allzu großen Wert darauf legst, die Frau kennen zulernen. Außerdem ist doch nicht die Zeit dazu, lediglich nach Leipzig zu fahren, um die Trümmer anzusehen. Dein Vater mache im vergangenen Jahr soviel Theater, als er zu Besuch zu Dir kommen sollte. Ich verstehe nicht, warum es nun im umgekehrten Fall einfacher sein soll. Aber lassen wir das, denn bei diesen Sachen kommt ja doch nichts heraus, wenn man anfängt, sie zu zerpflücken. Auch von meinem Kameraden Finessen aus Rußland, der doch zur Dolmetscherkompanie zurückging, erhielt ich wieder einen Brief. Er ist jetzt mit einem Kosakenverband in Dalmatien eingesetzt worden. Man hat ihm aber den Offiziersdienstgrad genommen. Er ist jetzt als Unteroffizier eingesetzt. Er fühlt sich anscheinend nicht ganz wohl bei der Sache. Er beabsichtigt, sich jetzt eine Frontbewerbung zu holen und dann die Reservelaufbahn einzuschlagen Er ist bis jetzt von allen der fleißigste Schreiber und wenn ich alles noch einmal zurückdenke, so war er der Selbstloseste von allen, mit denen ich bis jetzt zusammen war. Zwar war er das nicht allen gegenüber, aber in besonderem Maße hat er sich mir gegenüber recht selbstlos gezeigt. Auch sonst war er in jeder Beziehung ein freundlicher Kerl. In diesen Tagen ist es ein Jahr her, seit wir uns anlässlich unseres weiteren Rückzuges von Poltawa nach Kiew tiefer kennen lernten. Es war damals auch keine rosige Stimmung, die uns leitete, aber die Lage war doch bei weitem nicht so schwierig, wie sie zum Beispiel jetzt ist. Sie ist zwar noch nicht zum Verzweifeln, denn man könnte fast von einer verdächtigen Ruhe unsererseits sprechen, wie wir jetzt diesen Dingen gegenüberstehen, doch hoffen wir, daß sich unsere Mutmaßungen bestätigen werden und daß wir in nächster Zeit wieder mit einigen Erfolgen aufwarten können.
Heute habe ich wieder einmal Glück gehabt. Auf der Straße traf ich bei einem fliegenden Händler einen Soldaten, der deutsche gegen griechische Marken umtauschte. Der Soldat hatte verschiedene Sachen dabei, für die ich Verwendung hatte.  Also habe ich ihn mit gleich gekapert und mit in mein Hotelzimmer gelotst. Dort habe ich ihm einige von meinen griechischen Doppelten vermacht. Was mir dann einige andere Marken einbrachte.  die meine Sammlung wieder mit bereichern werden. Ich habe dann noch einige vom Protektorat gekauft, die ich auch mit beifüge. Ich hoffe, demnächst noch einige zu bekommen, so daß sich wieder einige Lücken schließen. Man muß ja nicht alles satzweise kaufen, denn so kann man sich jedes mal wieder darüber freuen, wenn man etwas dazu erworben hat. Ich füge sie zum Einordnen wieder mit bei. Ich glaube, daß Du an meiner Stelle weitersammelst, wenn ich einmal mein Album hier haben will. Oder würdest Du es mit doch überlassen? Ja? Das wäre ja recht lieb von Dir.
Wo Du Deine Einquartierung untergebracht hast, glaube ich aus Deinem Brief vom 3. zu lesen, der zwischen den anderen gefehlt hatte. Nun ist diese Sache ja auch wieder überstanden. Wenn Du den Leuten damit geholfen hast, dann soll ja alles recht sein. Gefreut hat es mich, daß die ersten Apfelsinensendung ziemlich unbeschädigt angekommen ist. Ich werde ja nun auch bald erfahren, wie die anderen die Reise überstanden haben werden. Meine Bedenken waren jedenfalls recht groß, doch ich sagte mir, daß man es versuchen muß. Wenn alles ordentlich ankommt, dann ist ja alles gut. Ist dagegen etwas kaputtgegangen, dann ist der Verlust den Wert nicht gar so groß.
Ich schließe mit recht lieben und herzlichen Grüßen und Küssen. Küsse auch die Kinder vielmals von Deinem Ernst.

Sonntag, 10. Februar 2019

Brief 518 vom 09./10.02.1944

Meine liebste Annie!                                                                              9.2.44          

Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 2.2., der mir heute zugegangen ist. Ich freue mich jedesmal, von Dir die täglichen Ereignisse zu erfahren , um dann auch gleichzeitig zu wissen, wie es Euch so geht. Die letzten Auszüge aus den Registern des Pfarramtes Bautzen hast du nun auch bekommen. Es ist doch schon eine ganz nette Ergänzung unserer bisherigen Unterlagen. Wenn man so Stück für Stück heranbekommt, so macht das schon Spaß. Ich habe inzwischen wieder in Amelsheim angemahnt, weil die nicht von sich hören lassen. Aus Dietersbach bekam ich Bescheid, das sämtliche Register ab 1810 bombensicher verpackt sind und daß ich wohl keine Aussicht hätte, in der gegenwärtigen Zeit über dieses Datum hinaus etwas zu bekommen. Das zuständige Pfarramt wurde mir auch mitgeteilt. Trotz dieser Mahnung habe ich es doch noch einmal versucht, und bei dem ordentlich zustehenden Pfarramt meine Frage wiederholt. Eine neue Anfrage habe ich nach Dobriilak  ?  gerichtet wegen der Familie Kobert. Das zuständige Pfarramt habe in inzwischen erfragt. Dieses Mosaik läßt sich doch nach und nach mit jedem Stein vervollständigen. Weitere Urkunden sind ja wieder unterwegs, wie ich annehme, so daß alles noch schön im Fluß ist. Daß ich dieses Geld schon von hier aus überwiesen habe, das braucht Dich nicht gleich zu erbosen, denn ich kan das machen. Wir bekommen doch nur die Hälfte unseres Geldes in Landeswährung, die wir für unsere Käufe hier verwenden können. Die andere Hälfte erhalten wir in Behelfsgeld, für das wir uns nichts kaufen können. Aus dieser Rücklage habe ich nun dieses Geld entnommen, so daß das bestimmt nicht wehtut. _ Wie Du nun mit Deiner Einquartierung zurecht gekommen bist, darauf bin ich gespannt.  Bei uns ist das nun einmal so, daß wir nicht gern andere Leute bei uns in der Wohnung haben, doch für die Kinder ist das nun eine Abwechslung, die ihnen aus dem alltäglichen heraus recht willkommen ist. Doch eine Sorge hat man dabei immer, daß die Leute anständig sind. Um die 2,RM muß man ha heutzutage nicht weiter froh sein, denn die Arbeit, die damit zusammenhängt. ist ja nicht damit bezahlt, wenn man berücksichtigt, daß man schon wegen den zwei Tagen die Wäsche wieder in Ordnung bringen muß, ganz abgesehen davon, daß man sich sonst noch einige Ungelegenheiten dafür in Kauf nehmen muß. Wenn man jemand damit wieder helfen kann, dann geht es ja auch wieder. Wir selbst haben dies ja nicht in Anspruch genommen und wir haben uns in unserem Fall auch an eine Pension wenden müssen. Wir haben damit niemanden Ungelegenheiten bereitet und doch sind wir gut weggekommen. Wenn man daran zurückdenkt, dann muß man sich immer wieder sagen, was waren doch zwei schöne Tage. 80,RM willst Du wieder einmal auf mein Sparbuch tun, Ich bitte Dich, sende mir doch einmal 20,RM in Reichskreditscheinen mit hierher, denn ich denken, daß ich sie hier mit verwenden kann. Mehr aber auf keinen Fall. _ Unser armes Mädchen tut mir wirklich leid, daß sie von ihrer Mutter nicht verstanden wird. Was kann man denn nur dagegen tun? So ist das. Kaum glaubt die Bande, sie kann die Flügel schon selbst ein bißchen heben, dann ist ihr Selbständigkeitsdrang so groß, daß sie ganz ohne die Älteren auszukommen glauben. Das sind aber Erscheinungen der Entwicklung, die an sich noch nicht weiter tragisch zu nehmen sind. Am besten ist es, wenn man die Herrschaften darauf aufmerksam macht und sie von Zeit zu Zeit etwas zurecht stutzt. Anscheinend hat Dein Hinweis in diesr Beziehung auch wieder klare Verhältnisse geschaffen.  Manchmal ist es ja auch so, daß sie irgenwo etwas aufschnappen und meinen, daß sie es bei passender Gelegenheit anbringen müssen. _ Unser Prietzel hat sich also doch über die Marken hergemacht und verkauft sie in der Klasse. Mir ist es im Grunde nicht darum zu tun, daß er nun Geschäfte macht, denn die paar Kröten retten ihn und uns auch nicht weiter. Wenn er aber Spaß daran hat, dann kann er sich ja selbst andere Marken erstehen. Wenn er mir aber in meiner Sammlung weiterhelfen will, dann kann er ja dagegen einiges erstehen. Dann bekommt er womöglich auch etwas mehr Interesse an diesen Sachen. Vorerst liegtja nach Deiner Schilderung das Interesse mehr auf Landkarten undKriegsbildern. Es ist ja so, daß die Kinder ziemlich über Geld verfügen, und daß es dabei nicht weiter auffällt, wenn sie sich das oder jenes erstehen. Einige von mir erworbenen Marken füge ich Dir mit bei, die zum Aussortieren sind. Mit der Zeit summiert sich das doch, was ich hier im Laufe der Zeit erwerbe.  Ich glaube, daß Du auch langsam Spaß daran bekommst, wenn Du siehst, wie sich das nach und nach ergänzt. _ Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder. Bleibt mit alle schön gesund und laßt Euch alle fest abdrücken von Deinem Ernst. 

 Mein liebstes!                                                                                                                 10.2.44         

Heute habe ich ja eigentlich nichts zu erichten. Einige Zeitungen von Dir und von Deinem Vater habe ich erhalten. Ich danke Dir vielmals dafür.  Trotz aller meiner Anstrengungen bin ich doch nicht um meinen Jahresschnupfen gekommen. Diese Erkältung hat mich nun nach den langen Wochen, die wir hier im Freien zugebracht haben, doch gepackt. Das Alter macht sich langsam schon bemerkbar. Ja, ich höre Dich schon lachen. Es ist aber so. Die Jahre, die man aus seiner Ordnung herausgekommen ist, machen sich nun schon bemerkbar. Ich bekomme schon das Reißen in den Gleidern und im Kreuz. Das ist eine Geschichte, wie weniger angenehm ist, doch man kann sich schlevht unter diesen Umständen dagegen wehren. Am besten ist es, wenn man sich die Sonne auf den Buckel brenn läßt. Das nützt vielleicht etwas dagegen. Oder ich müßte mich wieder einmal von einer Biene stechen lassen. Das soll sich doch gut dagegen auswirken. In diesen Tagen will ich dir wieder einige Hefte zusenden, die ich gelesen habe. Ich muß dazu bemerken, daß sie mir fast ohne Ausnahme recht gut gefallen haben. Wenn sie auch nicht besonders eingebunden sind, so habe ich doch mein Gefallen daran gehabt. Von „Claudius, ein Sermon an die Mädchen“ ist doch recht schön abgefaßt. Die deutschen Reimsprüche sind sehr gut empfunden. So treffend finde ich ge schrieben, weil sie immer das Richtige treffen. Man kann wirklich manches aus diesen Dingen entnehmen und oft und oft lesen, ohne daß es einem über wird. Das eine Heft von Gotthelf „Der Besenbinder von Richswil“ ist mir in zu belehrender Form geschrieben und trifft mehr den Geschmack um die Jahrhundertwende und kommt mir etwas verstaubt vor. Die Bilder von Richter sind ja recht nett dazu. Das andere Heft „Im Tal der Sterne“ hat auch einige nette Gedichte. Die Zusammenstellung über die Regengedichte ist auch so geschrieben, daß man sie gern lesen kann und mit einem kleinen Lächeln beiseitelegt. Alles in allem betrachtet kann man sagen, daß man aus jedem ein kleines Stückchen mitnehmen kann. Mir haben sie Freude bereitet. Ich hoffe, daß es Dir gleich gehen wird. Daß nun alles nicht so sein kann, wie man es gerne haben will, das ist ja verständlich, aber immerhin kann man vieles aus diesen Sachen schöpfen. Ich habe noch einige Hefte hier, die ich, wenn ich sie gelesen habe, Dir mit zugehen lasse.  _ Die Post hat mich ja im Stich gelassen, so daß ich mich wieder im Wartezustand befinde. Das ist ja eine Angelegenheit, die mir nicht neu ist, doch ich weiß, daß es Dir von Zeit zu Zeit ähnlich geht. _ Am Anfang der kommenden Woche werde ich einmal nach Saloniki reisen, weil ich dort einen dienstlichen Auftrag zu erledigen habe. Dies sich mir bietende Gelegenheit habe ich gleich wahrgenommen, weil ich auf diese Weise wieder eine bedeutende Stadt dieses Landes kennenlerne. Wahrscheinlich werde ich mich einige Tage dort aufhalten müssen. Ich sage mir, daß man solche Gelegenheiten ausnutzen muß, weil man nicht weiß, wann sie sich einem wieder wird. Die Fahrt in einer Richtung dauert ja schon 24 Stunden, wenn keine Komplikationen eintreten. Bis ich dann meinen Auftrag erledigt habe, vergehen sicherlich ein bis zwei Tage. Ich bin froh, daß ich einige Tage aus diesem Betrieb herauskomme, denn hier geht es ja auch fast Abend für Abend bis gegen 10 Uhr. Man muß entweder etwas anderes vorschützen oder man rückt beizeiten ab, um sich dann ins Bett zu legen. Dann geht man dieser ländere Arbeit aus dem Wege. Man kann sich meist nicht einmal abends hierhersetzen, um einen privaten Brief zu schreiben, ohne daß man dabei dienstlich in Anspruch genommen wird. Immer kann man dem nicht ausweichen, aber auch nicht jeden Abend will man hier zur Verfügung sitzen bleiben. Einmal hat man ja auch für sich etwas zu erledigen. _ Lasse mich bitte heute schließen. Mit liebem und recht herzlichen Gruß und vielen Küssen an Dich und die Kinder bin ich Dein Ernst.


Brief 517 vom 06./08.02.1944


Meine liebe, gute Annie!                                                                                       6.2.44

Eingangs will ich gleich erwähnen, daß ich heute keine Post von Dir erhalten habe. Aber es ist insofern nicht so schlecht, weil ich ja noch allerhand Sachen zu beantworten habe, was ich auch gleich machen will. Du sprichst auch von Deinen Kinobesuchen und erzählst mir von dem Film „Der weiße Traum“. Sonderbarerweise sind wir diesmal fast entgegengesetzter Meinung. Ich habe so für mich lächeln müssen, nachdem ich eine solch vernichtende Kritik über diesen Film kürzlich agegeben hatte. Nun schreibst Du mir, daß Ihr so begeistert gewesen seid. Ich habe mir das alles noch einmal überlegt und bin zu folgendem Schluß gekommen. Inhaltlich ist und bleibt dieser Film für mich eine Niete. Ausstattungsmäßig wird allerhand geboten, doch drängt sich alles auf einen solch kurzen Zeitraum zusammen, daß man nicht genug sehen kann um alles zu erfassen. Was nun die Leistungen der einzelnen Eisläufer anbelangt, so kann man da bestimmt nichts sagen, was diese Leute herabsetzt. Aber, wie gesagt, inhaltlich ist es nach meiner Meinung ein Schmarren. Ich habe hier auch viele Kameraden gehört, die waren restlos begeistert. Ich hatte in dieser Woch nochmals Gelegenheit gehabt, mir diesen Film anzusehen, weil er hier auch zwei Wochen lief, aber es hat nicht geklappt. Schon deshalb hatte ich ihn mir noch einmal angesehen, um mein Urteil darüber vielleicht etwas zu revidieren. Nun mag es auch daran gelegen haben, daß gerade hier zu gleicher Zeit zwei Filme liegen, die meinem Empfinden und meinem Geschmack sehr entgegenkamen und daß ich deshalb besonders kritisch in diesem Fall war. Aber wir sprachen uns auch über den Film „Großstadtmelodie aus, und da fand ich hier in der Zeitung eine Besprechung, die diesen Film als über den Durchschnitt hinaustretend schildert. Aber die Auffassungen sind eben nun einmal allgemein recht unterschiedlich. _ Was ist denn unser Bursche für ein alter Mann geworden, daß er mit Schlafmütze zu Bett geht? Will er Obacht geben, daß ihm seine paar Haare nicht wegfliegen? Wenn das der Fall ist, dann ist das schon in Ordnung, denn sonst müßte er ja an seiner Glatze frieren. Da hat er es jetzt ja fein, da kann er sich an der Mütze hochziehen, wenn er aus dem Bett steigen will und braucht sich nicht so sehr dabei anstrengen, der alte Mann. Daß unsere Beiden so um die FAstnachtszeit herumkommen ist ja für sie schade. Ich muß dabei an die Bilder denken, die wir einmal gemacht hatten, als sie noch klein waren. Unser Rotkäppchen und unser Holländer. Sie sahen so lustig aus. Ja, seit dieser Zeit sind schon etliche Jahre vergangen. In unserer Zeitung war ja gerade ein Artikel über die Fastnacht am Oberrhein . Ich lege ihn Dir ebenfalls mit bei, weil ich denke, daß er Dich interessieren wird. Weil ich nun einmal bei den ausgeschnittenen Artikeln bin, so will ich noch den beigefügten über Professor Trost erwänen, dem ein Bild beigefügt ist von der deutschen Kunstausstellung in München. Es soll gewissermaßen ein Gruß und ein stilles Gedenken an die zwei schönen dort verbrachten  Tage sein. _ Daß der Albert INspektor geworden ist, das hat mich richtig gewundert. Daß er nun davon ausgeschlossen ist, daß er noch den nächsten Rang erreicht, verstehe ich auch nicht. Jetzt, wo man doch jeden Menschen braucht, da fängt man beim Zoll an, die Leute zu entlassen, das finde ich doch recht sonderbar. Aber man sieht in diesem Fall, daß sogar Leute, die doch keine Leuchten weiter sind, doch etwas werden können. Mir selbst tut ja das in diesem Fall nicht weh. Darum brauche ich mich auch nicht weiter darüber zu verbreiten. Daß der kleine Kurt wieder Malaria hat, ist ja eine wenig angenehme Geschichte, das gibt es aber hiervielfach  im Süden und im Osten. Man muß schon recht Obacht geben. Es ist ja meinst nicht lebensgefährlich, wenn man rechtzeitig etwas dagegen macht, aber diese Fieberanfälle wiederholen sich gern und man ist zeitlebens meist damit geplagt. _ Wie es mit der Geldüberweisung geht, das weiß ich noch nicht, vielleicht lasse ich es direkt an Dich oder über unser Girokonto bei der Sparkasse überweisen. _ Was nun das Abdrücken anbelangt, so kann ich nur nochmals betonen, daß das eine echt weibliche Taktik ist, denn wenn man einmal etwas unterlassen hat, dann kann eine Frau auf zwei Arten diese Sachen beibiegen. Entweder sie läßt Tränen fließen, was weniger erfreulich ist, oder sie mache es wie Du in dem infragestehenden Fall, sie versucht es mit Schmusen und Abdrüken. In beiden Fällen muß man vorsichtig sein und erst abwarten, was im Anschluß kommt.  Da aber hier eigentlich alles schon im voraus geregelt ist und das bessere Ende erst nachfolgen soll, habe ich ja nichts mehr zu befürchten. Wenn Du nun dadurch über alles hinweghelfen wolltest, indem Du es mit zweimal abdrücken glaubst, daß alles erledigt sei, so muß ich Dich auf ein Naturgesetz hinweisen, das lautet:“Druck erzeugt Gegendruck“. Was meinst Du nun dazu? In diesem Fall bist Du wohl damit einverstanden. _ Ich will nun diesen Brief beenden und gebe der Hoffnung Ausdruck, daß Ihr alle gesund seid. Verschiedene Erkältungserscheinungen habt Ihr hoffentlich alle wieder überstanden. Was macht nun Vater? Geht jetzt alles in Ordnung? Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder und füge für Euch alle recht herzliche Küsse bei. Dein Ernst.


Mein liebstes Mädel!                                                                                                 8.2.44         

Gesten hatten wir hier Probealarm, da wurde ich schon gegen 5 Uhr aus dem Bett geholt. Das ging bis gegen Mittag. Ich war dann etwas müde und habe mic, nachdem ich erst einige andere Sachen erledigt hatte, etwas umgelegt. Das ist ja in letzter Zeit recht selten bei mir, weil ich doch die meiste Zeit über Mittag mit meinen Briefmarken unterwegs bin. Früher hatte das gewissermaßen dazugehört, wie das Mittagessen ein Bestandteil des Tagesablaufs war. Warum soll ich aber die Zeit immer verschlafen, wenn ich sie auf diese Weise ausnutzen kann. Durch den Ausfall am Vormittag lag nun gleich die Arbeit da, so daß ich mich am Nachmittag tüchtig ranhalten mußte und geben Abend war ich doch etwas abgespannt. Ich bin dann ins Kino gegangen und habe mir den Film „3 Kordones“ angesehen, um mich etwas abzulenken. Zum Schreiben bin ich daher nicht gekommen. Ich habe ja noch einiges zu beantworten, so daß ich mich jetzt gleich daransetzen werde. Vorher muß ich Dir aber noch vom Sonntag berichten, daß ich den wieder zum Päckchenpacken benutz habe. Sechs Päckchen sind wieder vwersandbereit. Ich will sie nicht alle an einem Tag abschicken, weil jka immer noch die Anordnung besteht, daß im Monat 2 Päckchen abgesandt werden dürfen. Ich werde sie aber im Laufe dieser Woche mit abschicken. Ich habe wieder zwei Päckchen mit je sevhs Kartons Maismehl fertiggemacht, dann drei Päckchen mit rosinen und Korinthen. Bei der einen Rosinensendung mußt Du aufpassen, die sind wohl schön groß, aber sind irgendwie vermatscht. Mache sie vorher schön sauber, ehe Du sie verwendest. Ich weiß ja, daß Du das sowieso machst, aber hier mußt Du noch mehr Obacht geben. Ich habe sie geschenkt bekommen, da kann man nicht lange wählen, vor allem, wenn sie sonst gut aussehen. In einem anderen Päckchen habe ich Zitronen, Apfelsinen, Zigaretten ud eine Tabakspfeife für Deinen Vater gepackt. Wie ich aus seinem letzten Brief an Siegfried las, ist ihm eine entzwei gegangen, so daß ihm jetzt daran mangelt. Ich habe hier gleich eine bei unseren Kantine gekauft. Bei Gelegenheit werde ich für Vater auch noch eine erstehen, denn ich glaube, daß er daheim auch nicht gleich eine zu kaufen bekommt. _ Das ist eine richtige Bubengeschichte, auf dem Flugplatz herumzustrolchen. In dieser Hinsicht ist es ka schön bei uns. Alle ist nicht weit und alles ist so schön frei, da kann sich die Rasselbande austoben. Daß er den Wunsch hat, Flieger zu werden, das liegt ja im Zuge der Zeit. Aber das sind manchmal Kinderwünsche, die sich im Laufe der Zeit wieder verlieren. Man kann ihnen noch keine besondere Bedeutung beimessen, denn bis es einmal soweit ist, wenn er sich entscheiden muß, was er vorhat. dann kann sich das noch manchmal ändern. Hauptsache ist ja jetzt, daß er seinen Spaß an diesen Sachen hat, denn mit etwas muß sich ja ein Junge in diesem Alter beschäftigen. Daß er solche Freude am Karten hat, das ist bestimmt nicht Schlechtes. Ich will versuchen, ihm hier noch einige karten, die nicht weiter gebraucht werden, zu beschaffen. Ich denken, daß ich ihm damit auch wieder eine Freude bereite. Es ist doch immer etwas Schönes, wenn man jemanden Freude bereiten kann. Daß er ganz stolz war, als er gleich die richtige Karte zur Hand hatte, als sie in der Schule gefragt wurden, das kann ich mir gut vorstellen. Daß die Panzer, die wir ihm vor Jahren einmal geschenkt hatte, immer noch fest zum Spielen verwendet werden, ist ja ein Zeichen dafür, daß er erstens auf seine Sachen Obacht gibt und sie schont und daß es etwas ist, was immer sein Interesse erweckt. Das weiß ich ja noch von früher, wenn er irgendwas baute, damit diese von seinen Panzern überwunden wurden. Das Flimmern der Funken beim Schießen ist ja nun ganz besonders wirkungsvoll. _ Am 1.  konntest Du Dich über den Postsegen wirklich recht freuen. 5 Briefe und noch zwei Päckchen, da ist schon etwas. Da mußtest Du ja allerhand zu tun gehabt haben. Die haben sich ziemlich angesammelt. Das ist dann auch kein Wunder, wenn du dann vorher so lange warten mußtest, bis Du von mir Nachricht erhieltst. Aber für das Warten wurdest Du ja reichlich entschädigt. _Wie ich sehe, sind wir uns in den allgemeinen Familiendingen wieder klar. Was Nannie auf meinen Brief antwortet, muß ich nun abwarten, wie Du ganz richtig bemerkst. Daß auch Du über das Verhältnis zu Vaterfroh bist, das erleichtert mir in mancher Hinsicht das FErnsein von Euch. Wenn Vater auch nicht so sehr in alles hineingewachsen ist, so gibt er sich doch Mühe, mit Dir in einem guten Verhältnis zu stehen. Man merkt es an verschiedenen Äußerungen, die ich anläßlich meines letzten Urlaubs wieder hören konnte. Er ist selbst etwas stolz, daß Ihr Euch so gut vertragt. Daß er immer einmal eine andere Meinung in dieser oder jener Beziehung hat, das läßt sich nicht vermeiden. Das muß auch einmal sein, denn das ist ja schließlich die ? für das Schaffen. Daß er sich jetzt hat ein Bruchband verschreiben lassen, ist ja sicherlich notwendig gewesen , na ch den Äußerungen vom Steuer.  Hoffentlich heben sich die Beschwerden auf, wenn er ein Bruchband hat. _ Wegen der Umsiedlung der Familie Siegfried Michel machen wir uns vorerst keine Gedanken weiter. Wir müssen erst abwarten, was sie uns auf unser Vorschläge schreiben. Bis dahin werden wir sehen, was zu machen ist. und was getan werden kann. Wir haben unsere Hilfe angeboten, mehr zu tun und daüber hinaus Anordnungen zu geben, steht uns nicht zu. Daß Du schon Sorge um Deine STräucher im garten hast, hat mich direkt belustigt. Recht hast Du ja, daß man an alles denken muß. Ich glaube, den Baum würdest Du nicht gern verschmerzen. Na, wie gesagt, wollen wir erst abwarten. _ Das war nun nicht beabsichtigt, daß ich Dich mit dem Cognactrinken anstecken wollte. Daß Dir der Moselkirsch aber trotz der Nebenerscheinungen in Bezug auf die Linderung Deiner ERkältung gut gewirkt hat, finde ich recht erfreulich. Ich fühle mich zwar frei von jeder Schuld, aber wenn Du es schreibst, dann muß es anscheinend so sein, daß ich die Flasche ausgetrunken habe. Gut ist es ja, daß es jetzt keine Tabletten für Halsweh mehr gibt, denn das ist doch recht praktisch, sich jetzt aufs Trinken zu verlegen ohne daß es weiter auffällt, Denn wie soll man dann das Halswehweh wegbekommen. Ich höre Dich auch schon sprechen „Pfui Teufel, schmeckt das Zeug gut.“ Brauchst Dich auch nicht genieren, ich trinke auch einmal mit, wenn es sein muß, dann fällt es nicht so sehr auf, wenn Du Dich so ranhältst. Du kannst ja dann immer sagen, ich sei es gewesen. . Als Mann muß man ja schließlich auch etwas für seine Frau tun.  Diese Opfer sind ja auch nicht so riesig groß, so daß mir das auch nicht gar so schwerfällt. _ Mit dem Aushändigen von 2/3 Marken an Resi bin ich einverstanden. Mehr ist ja auch nicht notwendig. _ Das getrocknete Brot findet immer neue Verwen dung. Jetzt machen sich also schon die Kinder so darüber her und verdrücken es, wie es ankommt. Wenn sie es beißen können, dann ist das ja auch kein Schade. Das Essen hat doch nicht den Nähr und Sättigungswert wie in Friedensjahren. Wenn sie dann zwischendurch einmal so ein Stück verlangen, dann braucht man es ihnen nicht abzuschlagen, solange etwas im Haus ist. _ Die Einquartierung hast Du ja nun schon gehabt. Ich hoffe, daß Du damit keinen Ärger gehabt hast. Anständige Leute finden sich immer, ganz abgesehen davon, daß wir etwas hohe Ansprüche in dieser Beziehung stellen. Ich frage mich nur, wo hast Du denn diese Leute untergebracht? Wenn man so stockfremde Leute in die Wohnung nimmt, dann finde ich, ist es bei uns doch etwas eng. Ich werde ja von Dir hören, wie alles ausgegangen ist. Wie schon gesagt, ich hoffe, daß Du keine unangenehmen Erfahrungen gemacht hast. Den Kindern war es ja darum zu tun, einmal fremde Einquartierungim Haus zu haben. Die sind ja auch nur zufrieden, wenn sie alle solche Genüsse auskosten dürfen. _ Einige Bilder, die letzten, die ich hier habe, schicke ich Dir noch mit. Sie werden Dir wieder einen kleinen Einblick in manches haben, wovon ich Dir schon schrieb. In den nächsten Tagen fährt ein Kamerad in Urlaub, dem gebe ich einen Teil meiner griechischen Marken mit. Er soll sie dann als Wertbrief an Dich aufgeben und absenden. Ich will mich nicht allzu sehr belasten, weil einem diese Sachen im Laufe der Zeit aufhalten. _ Ich schließe wieder mit meinen herzlichen Grüßen und mit vielen lieben Küssen für Dich und die Kinder. Dein Ernst.


Brief 516 vom 03./05.02.1944


Du mein liebes gutes Mädel!                                                                                    3.2.44             

Ich will gleich vorwegnehmen, daß ich gestern wegen anderen wichtigen Unternehmungen nicht zum Schreiben gekommen bin. Ich erhielt gestern Deine Briefe vom 25. und 26.1.  und heute die Briefe vom 22. und 28.1.44. Über alles habe ich mich mächtig gefreut, das kann ich Dir nur immer wieder bestätigen, daß mir ein Brief von Dir immer Freude bereitet und wenn ich gleich 4 Briefe erhalte in zwei Tagen, dann kannst Du Dir ja ausrechnen, wie groß meine Freude war. Aber nicht nur das allen, sondern meine Freude erweitert sich noch dadurch, daß ich einige Kleinigkeiten für Euch organisieren bezw.  dafür vorbereiten konnte. Das hat mir einige Lauferei gekostet, aber das ist ja unwesentlich. Wichtiger ist, daß man etwas bekommt. Aber Zuerst will ich auf Deine letzten Briefe eingehen,. in dem Du mir das Zeugnis von unserem Herrn Sohn mitteilst. Ich muß sagen, daß ich , wenn ich auch weiß, daß er seine SAche in der Schule macht, doch wieder überrascht bin, wie schön gleichmäßig das Zeugnis aus sieht,. Dafür, daß er das geleistet hat, was man von ihm verlangen konnte, gehört er zur Belohnung erst einmal richtig versohlt. Frage ihn, ob er sich über die Belohnung freut. Das ist doch schließlich auch etwas. Ich war schon immer recht froh, daß Helga mit Fleiß und ERnst ihre SAche geleistet hat, denn das ist etwas wert, wenn man aus der Schule herauskommt und man verfügt über ein gutes Wissen. Wenn aber ein Junge den Anforderungen genügt, und das leistet, was man vom Durchschnitt verlangen kann, oder gar noch etwas daürber hinaus, dann ist das noch viel wertvoller, wie bei einem Mädchen, weil er schließlich auf seinem Beruf einmal sein allgemein erworbenes Wissen verwenden muß. Aus diesem Grund bin ich auch froh, daß ich in dieser Bezie hung wohl keine ernste Sorge haben muß, denn an sich ist er praktisch veranlagt und kein Stubenkind, das nicht in Regen und Wind kommen darf, damit es nicht krank wird oder nicht umfällt, weil er anfällig ist. eines steht aber ziemlich fest, daß er das „sehr gut“ in Schreiben nicht von seinem Vater hat. Ich glaube, ich habe es füher schon öfter erzählt, daß ich immer einer von den schlechtesten Schreibern der Klasse war und zur Belohnung von unserem Schreiblehrer immer 3 Stockschhläge über den gespannten Hosenboden bekam. Mein Vater hat ja in der Schule nicht schlecht geschrieben, aber Ihr Michels, Ihr seid ja auch keine schlechten Schreiber. Also alles in allem, ich gratuliere ihm zu seinem Zeugnis und spende ihm aus meinen Rücklagen 5,RMPrämie für gute Leistungen. Ich hoffe, daß ich unserer Helga beim nächsten Zeugnis dafür, daß sie die 4 wegbringt, für die sie vielleicht nis kann, auch eine solche Prämie zuschreiben kann. Aber ein Anreiz muß ja schließlich da sein und wenn ich ihr jezt auch das zubillige, würde ja der Wettbewerb ausbleiben. SAge ihm also, daß er so weitermachen soll, damit er uns weiterhin Freude bereitet. Auf seine Leistungen kann er schon stolz sein. Es werden sicherlich nicht viele in seiner Klasse sein, die ein solches Zeugnis nach hause bringen.  Nun zu der anderen Sache, die mir bis jetzt am Herzen liegt. Das ist die Sache mit Vater. Wie ich aus Deinem Brief ersehe, werden ihm vom Arbeitsamt keine Schwierigkeiten bereitet, daß er seine gegenwärtige Arbeit aufgibt. Wie ich Dir kürzlich schon mitteilte, legen wir großen Weert darauf, daß er sich nicht für uns abrackert. Ich habe ihm das ja auch schon während meines letzten Urlaubs gesagt, daß es nicht notwendig ist, daß er bis zuletzt schafft, um dann nachher so krank zu sein, daß er für immer genug hat. Er soll sich die wenigen Jahre, die ihm noch beschieden sind, soweit es die Zeitumstände gestatten, ein einigermaßen ruhiges Leben gestalten. Wenn er beabsichtigt, sich noch eine leichte Tätigkeit für den halben Tag zu verschaffen, dann finde ich das ganz in der Ordnung. Aber die schwere Schafferei bei Stromeyer, die ist für ihn nichts mehr, das geht über  seine Kräfte, denn seine Reserven sind nun einmal durch die vorangegangenen Jahre nicht mehr so, daß er ohne Schaden zu nehmen daraus schöpfen kann. Daß wir mit der Bausparkasse nicht zu Rande kommen, darüber muß er sich keine Gedanken machen. Für die nächste Zeithaben wir noch einen gewißen Rückhalt, und wir wollen hoffen, daß es uns auch später gelingt, ohne große Schwierigkeiten darüber hinwegzukommen. Ich werde in der Zwischenheit an die Bausparkasse einen hinhaltenden Zwischenbescheid geben.  Ich beabsichtige nicht, ihn aus diesem Vertrag hinauszudrängen und ihn um irgendwelche Rechte zu bringen, im Gegenteil, ich möchte ihn in irgendeiner Weise an allem teilhaben lassen. Es ist ja nun nicht so, wie er von sich aus behauptet, daß er zum alten Eisen gehört, denn es kann ja noch so kommen, daß wir doch das Glück haben, einmal bauen zu können, wo er dann mit uns wohnen kann. Wie sich das alles praktisch auswirkt, kann man jetzt noch nicht im Einzelnen überblicken, aber als Fernziel schwebt mir das jedenfalls vor. So ewig kann der Krieg doch nicht dauern. Um aber in den Genuß der ERnte des Sparens zu kommen, muß man versuchen, keine Lücken in dem Turnus des Sparens eintreten zu lassen. Ich denke, daß wir das gegenwärtig noch ohne weiteres schaffen können und für die spätere Zeit hoffe ich ja, daß uns auch einmal mehr Einnahmen zufließen wie es gegenwärtig der Fall ist, damit wir die Raten ohne große Schwierigkeiten begleichen können. Wenn Du es aber für ratsam hältst, das ich ihm noch einmal persönlich zu diesen dingen schreiben soll, dann mußt Du mir das nur mitteilen. Wenn er es sich aber noch einmal überlegen will, dann will ich ihn auch nicht drängen. _ Ich möchte mein heutiges Schreiben, nachdem ich eigentlich nur zwei SAchen behandelt habe, schon abschließen. Bleibe Du mit den Kindern recht gesund. Übermittle auch Vater viele Besserungswünsche und bleibe Du recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. _ Einige Briefmarken liegen wieder bei.


 Meine Liebste!                                                                                                            5.2.44     
   
Diese Woche ist nun auch wieder beendet. Eine nach der anderen entschwindet, doch die Dinge nehmen unverändert ihren Lauf. Ich kann heute wieder den Eingang von einigen Briefe verzeichnen und das eine Päckchen mit dem Packmaterial ist auch angekommen. Es hat unterwegs Schiffbruch gelitten und mußte neu verpackt werden. Wie ich aber festgestellt habe, ist das nicht durch Deine Schuld geschehen, denn es muß etwas Schweres daraufgefallen sein, so daß eine Seite ganz aufgerissen und vollkommen beschädigt war. Die Kartons haben auch etwas abbekommen, aber sie lassen sich schon noch verwenden. Den Zettel von dem Päckchenlazarett lege ich Dir einmal mit bei. Bei Deinen Briefen handelt es sich um Deine Schreiben vom 30./31.1. und 1.2. Auch von Deinem Vater kam eine Postkarte vom 31.1. an, in welcher er mir den Eingang meiner beiden letzten Briefe bestätigt. Da kann man wieder einmal sagen, daß diese Post recht schnell gegangen ist. Nun kann es aber wieder leicht passieren, daß ich eine längere Zeit auf Post warten kann. Aber an diese Schwankung hat man sich gewöhnt und man findet sich schon damit ab. Ich bin ja froh, daß ich immer wieder etwas von Dir erfahre, wenn es auch manchmal mit gewissen Unterbrechungen eintritt. _ Doch nun erst einmal zu den Briefen, die ich noch nicht fertig beantwortet habe. Daß Vater es durchgesetzt hat, daß er nicht mehr schafft, ist mir eine Beruhigung. Es wäre zu begrüßen, wenn er sich eine kleine Beschäftigung für halbe Tage suchen bezw.  wenn er eine finden würde. Das schwere Arbeiten, das ist für ihn nichts mehr. Er ist doch zu sehr ausgemergelt. Die Widerstandskraft ist doch nicht mehr da. Er muß sich mehr Ruhe gönnen. Wenn er aber nicht gleich etwas findet, dann braucht er sich auch keine Gedanken zu machen, denn mit dem Moment gehört man doch nicht zum alten Eisen, wie Du schon ganz richtig bemerkst. Die ganzen Jahre früher, wo er doch immerhin noch leistungsfähiger war, hat er doch auch oft lange Zeit feiern müssen und es ist auch gegangen, warum soll das denn jetzt, wo er sich etwas mehr schonen muß, nicht gehen. Da nun in diesem Zusammenhang auch die Frage vom Bausparvertrag eine andere Wendugn genommen hat, erklärt sich ja ganz natürlich. Wenn er aber der Ansicht ist, daß er nichts mehr vom Bauen hätte, so sehe ich das nicht so ohne weiteres ein. Ewig kann dieser Krieg doch nicht mehr gehen. Dann besteht ja auch eher die Möglichkeit, diesen Plänen näher zu treten. Auch ich bin der Meinung, wie ich das früher schon einmal festgestellt habe, daß ich keinen Grund sehe, mich mit ihm zu entzweien. Es kann immerhin einmal Meinungsverschiedenheiten geben, doch die brauchen doch nicht gleich soweit führen, daß man nicht mehr miteinander spricht. Was nun das Weiterzahlen anbelangt, so bin ich mit Deinem Vorschlag einverstanden. Es wird sich so#icherlich einrichten lassen, daß Du diese Raten vorerst entrichten kannst. Wie sich das später entwickelt, das müssen wir dann sehen. Irgendwie werden wir uns schon durchschlängeln. Eine kleine Rücklage haben wir ja noch da, auf die wir dann im Notfall zurückgreifen können. Es muß sich doch auch einmal in meiner Laufbahn eine Wendung ergeben, die dann unsere Einnahmen erhöht. Doch, wie gesagt, darüber müssen wir dann bei Eintritt dieser Fragen entscheiden. Ich schrieb ja schon einmal, daß ich einen Zwischenbescheid geben werde und dann warte ich noch eine Weile, wie es sich Vater überlegt hat. _ Mit der Übersendung von Briefmarken mußt Du wieder etwas abstoppen. Ich hatte nicht, gemeint, daß Du mir  die 8PfennigHindenburgmarken übersenden sollst, sondern nur einmal forschen solltest Du, was ja auch inzwischen geschehen ist. Auvh die andere Reihe von 1926 wollte ich nicht hier haben, sondern nach den 20PfennigMarken wollte ich etwas feststellen. Denn mit den Sondermarken muß ich Dir jetzt schon die Entscheidung überlassen, denn ich kann ja nicht so beurteilen, was mir fehlt und was man weggeben kann. Die Helgolandmarken müssen schon aufgehoben werden. Denn eine ungestempelte und eine gestempelte muß ich schon haben. Soweit noch verschiedene ungestempelte Marken vorhanden sind, so schicke sie nurungehindert her, denn das sind ja nur einzelne Werte, die in ihrer Bewertung keine Geldbeträge darstellen. Da mache Dir nur keine Sorgen. Anders ist es, wenn man die deutschen Marken bogenweise ins Ausland verbringt, das wirkt sich schon anders aus. Hier handelt es sich ja nur um einige doppelte Marken. Auch den einen angeforderten Satz der jetzt laufenden Marken kannst Du mir ohne weiteres übersenden. Daß Du meine doppelten Marken alle einmal geordnet hast, das ist sehr lieb von Dir und dafür danke ich Dir recht sehr. Dann hat man ja nicht mehr große Mühe, wenn alles sortiert ist, dann braucht man ja nur hinzulangen. In den nächsten Tagen sende ich wieder einen Schwung zurück, für den ich hier keine Verwendung habe. Es hat keinen Wert, daß man sich unnötig belastet. Ich Deinen beiden letzten Briefen gingen mir ja wieder einige Marken zu, die ich zum Teil wieder mit verwenden kann. Ich habe hier noch eine kleine Schuld zu begleichen, wofür ich sie verwerten kann. Bei einem anderen Händler habe ich aber noch ein kleines Guthaben. Dafür hole ich mir so nach und nach wieder einige Sachen. _ Das muß schon einmal in unserer Familiengeschichte verzeichnet werden, daß Du Kohlrüben gemocht hast. Ich kann mich aber entsinnen, daß wir, als wir noch bei meinem Vater unten waren, auch welche hatten. In so schlechter Erinnerung habe ich sie jedenfalls nicht. Wenn man nicht hineinkochen kann, dann ist es schon weniger schön. _ Diesen Tag will ich mit dien Grüßen abschließen. Ich grüße und küsse Dich, sowie auch die Kinder recht herzlich. In Liebe, Dein Ernst.

Brief 515 vom 29./30.01.1944


Du mein liebes, gutes Mädel!                                                                       29.1.44          

Wie sagt man. Was lange währt wird gut. Wenn es auch nicht gerade in jeder Hinsicht eine erfreuliche Nachricht ist, war ich doch froh, von Dir wieder einige Zeilen erhalten zu haben. Der Brief, von dem ich spreche, ist vom 24.1. Du teilst mir darin mit, daß es mit Vater zur Zeit nicht besonders gut steht. Ich glaube, daß Dir das auch noch einige Sorge macht. Man merkt, daß sich jetzt die ganzen Kriegsjahrefühlbar machen. Die Ernährung und die anderen Entbehrungen, die dazwischenliegenden Jahre. Er hätte aber auch schon darauf sehen sollen, daß er von der schweren Arbeit wegkommt. Ich kann verstehen, daß ihn das schon geholfen hat, wenn er noch einige Zulagemarken für seine Tätigkeit bekommen hat. Aber was nutzen ihm die wenigen Zusatzmarken, wenn er es sich am Körper abrackern muß. Denn das, was ihm das einbringt, das braucht er doch mehr an Kräften. Dann fehlt ihm noch dazu die Ruhe. Ich habe ja schon immer gesagt, daß es für ihn besser wäre, wenn er bei Dir mit ißt. Wenn er auch immer sagt, er suchte es sich anders heraus, das mag wohl sein, aber wie unregelmäßig lebt er doch. Wie Du mir gerade in diesem Brief mitteilst, hat er sich schon gleich nach 8 ins Bett gelegt ohne sich vorher etwas zu kochen. Ich glaube, daß Dir das an sich nicht viel meher Mühe bereitet, wenn Du für ihn noch mitkochst. Das ist nun einmal so, die Reserven sind zu gering, um über die langen Kriegsjahre hinwegzuhelfen. Ich schreibe das Dir. Du kannst Dir das selbst noch einmal überlegen, ob es Dir möglich ist, für ihn noch mitzukochen. Wenn ja, dann halte ihm das doch noch einmal richtig vor Augen. Daß er zu Dir mit hinauflaufen muß, das ist doch nicht so wesentlich, wie wenn er für jedes bißchen in die Stadt springen muß. Wenn er mittags bei Dir oben ist, dann kann er sich doch das Abendbrot gleich mitnehmen und in der thermosflasche kann er den kaffee auch mitnehmen. Dann hat er doch ein geregeltes Essen. Wie gesagt, wenn Du selbst irgendwelche Bedenken hast, dann regle das nach Deinem Gutdünken, doch ich wollte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das doch für ihn recht gut wäre, wenn er sich danach einrichten würde. Es kommt nur darauf an, wie er sich einrichtet. Immerhin ist es doch so, daß es leichter ist, für eine Gemeinschaft zu kochenm, als für seine einzelne Person. Mit der Länge des Kriegs muß man eben näher zusammenrücken und manches, was einem einmal bequem war, das muß man aufstecken. Ich meine das nicht in Bezug auf Dich, sondern im Hinblick auf Vater. Ich weiß, daß das in mancher Hinsicht eine Belastung für Dich wäre, aber das ließe sich doch einrichten, daß er Dir hin und wieder einiges abnimmt. Also überlege das Dir einmal und antworte mir entsprechend. Daß die Frau Frick hin und wieder an ihn denkt, das ist recht nett von ihr, das wird ihm sicherlich auch guttun. Ich kann es nicht sehen, wenn jemand unter irgendeiner Sache zu leiden hat.  So geht es mir ja auch, wenn ich an Siegfrieds Familie denke. Ich glaube immer, ich müßte helfen. Zwar interessieren mich in erster Linie meine eigenen Angehörigen. Was mir über diesen Rahmen hinaus möglich ist, das kommt aber erst im Anschluß an die obigen Verpflichtungen. Mit der Nachmittagspost erhielt ich nun noch Deine beiden Schreiben vom 18./19, 20.1., für die ich Dir ebenfalls herzlich danke. Ich wollte erst ins Kino gehen und morgen diesen Brief beenden. Doch wegen Fliegeralarm haben wir dort weggehen müssen. Nun sitze ich schon zwei Stunden hier. Ich mache mich nun noch an die Beendigung dieses Schreibens. Ich muß ja mit dem Stoff sparsam umgehen, denn sonst habe ich morgen nichts. Das war ja schon ein Glück für unsere kleine Große, wenn sie 2,RM gefunden hat. Da war sie sicherlicht mächtig stolz. Das passiert einem ja auch nicht jeden Tag. Wenn sie so Gefallen am Malen hat, dann kann man ihr dieses Vergnügen gern lassen. Den Läufer, den sie kürzlich gemalt hatte und den Du mir mitgesandt hattest, hatte sie sehr gut gemacht. Wenn sie Lust hat, dann kann sie ja einmal eine Weile in den Malunterricht gehen. Aber es ist ja so, daß sie schon mit ihren anderen Liebhabereien stark in Anspruch genommen ist. Sie will ja Turnen gehen, dann JM. Ausserdem Schule und Schularbeiten und das Badebngehen darf man auch nicht vergessen. Es ist ja schön, wenn man vielseitig ist, doch auf ein Gebiet sollte man sich doch mehr versteifen, um dann darin mehr zu leisten als was normal ist. Wenn sie sich in ihr Lesen oder in ihre Malerei so vertiefen kann, dann ist das recht schön, dann kann sie sich doch recht daran erfreuen. Daß sie sich zu so einer guten Springerin entwickelt hat, das ist mir zwar neu. Es muß aber anscheinend an dem sein, wenn Du es schreibst, Sie gab sich ja redlich Mühe, als ich noch während meines letzten Urlaubs daheim war. Wenn aber die Anregungen genügt haben, dann kann ich mich ja freuen, daß sie auf so fruchbaren Boden gefallen sind,. Wenn die zwei Mädels zusammen sind, dann ist sicherlich allerhand Gekicher fällig. Das ist doch bei den Gören in diesem Alter so. Die haben doch immer etwas Neues, über das sich sich amüsieren können. Das sind ja alles so harmlose Vergügungen, die sie haben. Es ist ja bedauerlich, daß sie keine ordentlichen Friedensjahre für ihre Entwicklung haben, denn das wäre doch für sie so gut. Gerade unsere Große, die ja so schnell wächst. Sie sind dann auch so leicht anfällig und bei jedem Bißchen liegen sie einem auf der Nase.  Wenn Ihr so regelmäßig das Bad besucht, dann muß das doch bestimmt auffallen, wenn Ihr einmal zu Eurer Zeit nicht kommt. Ich kann mir denken, daß Ihr Eure Freude daran habt. Besser wäre es wohl schon, wenn das Bad richtig durchwärmt wäre. Aber immerhin, es wird sich so einigermaßen aushalten lassen. _ Mit vielen herzlichen Grüßen beschließe  ich mein heutiges Schreiben und küsse Euch, meine Lieben, recht herzlich. Im Gedenken an Euch bin ich Dein Ernst.


Mein liebster Schatz!                                                                                                       30.1.44             

Ernst und verschlossen hat der Führer heute Mittag gesprochen. Wir haben wieder einmal den Tag der Machtübernahme erlebt,  doch diesmal in einer ungleich schweren Zeit. Wir hoffen, daß der Heimat und der Front bald die ersehnte und notwendige Entlastung zuteil wird. Die Angriff auf die deutschen Städte und die Offensiven an der Ostfront, sie sind ungeheure Belastungen, die viele Opfer kosten und viel Leid bringen. Hoffentlich gelingt es uns bald, diesen Terror und die Angriffskraft zu brechen. Erst dann wird wieder eine neue Zuversicht durch unser Volk gehen. Wenn das Vertrauen in unsere Führung unverändert ist, so wird man doch hie und da einem begegnen, der recht kleinmütig geworden ist durch die Länge des Krieges.  Aber es nutzt uns alles nicht, wir müssen die Nacken steif halten, wenn wir durch all diese bitternis hindurch wollen.  Das Wehrmeldeamt hat mich also wieder einmal gesucht. die hatte doch meine alte Anschrift. Das muß doch auch ein unordentlicher Laden sein, wenn die diese SAchen nicht beieinander halten. Es wird wieder einmal ein Formular auszufüklen sein, denn Wichtiges gibt es doch dort nicht. _ Wie ich aus Deinem letzten Brief las, hat Dich der Artikel doch mehr berührt als ich dachte und beabsichtig hatte. Mir hatte das Spaß gemacht, daß sich ein Zeitungsschreiber dieses Stoffes bemächtigte. Daß Du das nun auch aus den verschiedenen Gründen gemacht hast, das ist doch mehr reiner Zufall,. Genau so zufällig finde ich ja auch diesen Artikel, was lag dann nähr, als daß ich Dirdiesen Artikel zugehen ließ. Daß Du Dir das nun gleich so zu Herzen nimmst, das war nun wirklich nicht meine Absicht. Ein klein wenig wollte ich Dich ja damit fuchsen, denn das ergab sich ja so ganz beiläufig. Aber es ist mir ja auch bekannt, daß wir daheim bei uns keine Säle hatten, in die man all das hineinstellen könnte, was man will. Die Raumknappheit hat sich bei der Fülle unsere Sachen ziemlich bemerkbar gemacht. DAß Du nun mit Geschick Dich der gerechten Verteilung und Einteilung angenommen hast, das ist ja mehr ein Verdienst. Denn glaube mir, ich selbst habe dafür weniger Gefühl, das liegt mir nicht so. Daß ich nun über Tisch und Stühle gestolpert bin, wenn ich nach hause kam, das ist ja nicht passiert, denn wenn ich nach hause kam, war ja immer schon alles überstanden. Ich habe nun nicht davon geschrieben, um in diesen Dingen Abhilfe zu schaffen, sondern mich hat das vor allen interessiert, weil ich darin sehe, daß Du keine Einzelerscheinung bist. Daß Du nicht allein mit dieser „Krankheit“ dastehst, das wird Dir ja auch eine gewisse Beruhigung sein. Glaube mir nur, daß ich das abgestellt hätte, wenn es mir nicht gepaßt hätte,. Daß ich nun nichts gesagt hatte, wird Dir ja wohl Bestätigung dafür sein, daß ich alles billige. _ Du schreibst dann weiter von unsren Beiden, wie sie sich bei den Haaren haben und wie sie nacheinander fragen, wenn eines von Beiden nicht da ist.  Das muß nun einmal unter Kindern sein, denn das sich nach meiner Ansicht doch mehr oder weniger Äußerungen des Lebenswillens. Wenn nun unser Fräulein Tochter versucht, mit Tränen das zu erreichen, was unser Herr Sohn durch Auftrumpfen oder mit Dickköpfigkeit durchzusetzen versucht, so entspricht das ganz und gar einer natürlichen Veranlagung. Man soll daher das eine wie das andere nicht weiter tiefgründig nehmen. Für Beide ist es das Leben. Ich las kürzlich in einem Heft einen Spruch, den man in diesem Fall auch anwenden kann. „Ein unruhig Gemüte. Ein Mühlstein  und ein Menschenherz wird stets herumgetrieben, wo Beides nicht zu reiben hat, wird Beides selbst zerrieben.“ Auch unsere Beiden müssen sich aneinander reiben, um sich zu prüfen und zu kräftigen. Diese Dinge gehen ja nicht tief. Unser Bengel ist nun einmal ein elendiger Lausekerl und unser Spatz ist in mancher Beziehung etwas sehr empfindlich. Daß das der Lauser ausnutzt, weil er weiß, daß sie sich darüber ärgert, das ist doch recht klar. Das werden wir aber kaum entscheidend ändern. Darum lasse nur ruhig den Dingen ihren Lauf und mache es so, wie Du ganz richtig schreibst, daß Du nur einschreitest, wenn es zu bunt kommt. _ Du fragst an, ob Du die deutschen Briefmarken aus Kurts doppelten Marken heraussuchen sollst. Das ist jetzt im Moment nicht notwendig. Ich will jetzt erst einmal mit meinen Tauschmarken abrechnen und reinen Tisch haben, damit ich die Übersicht nicht verliere. Was ich dann mache, das muß ich erst einmal sehen. Doch wie gesagt, vorerst lasse dies erst einmal eineinander. Die meisten Marken habe ich von Griechenland zusammen. Es fehlen nur noch die ganz teuren Werte und die werde ich mir einmal für später zurückstellen, denn hier sind sie zu teuer, vielleicht kann man sie sich einmal in Deutschland billiger beschaffen. Hier lohnt sich das nicht, denn gegenwärtig muß man das Vielfache des Katalogwertes bezahlen, was sich nicht rentiert. Das muß ja jetzt nicht sein. Man muß auch einmal verzichten können, wenn es darauf ankommt. Es ist ja nicht unbedingt notwendig, daß man alles mit einem Male frißt. Es wird sich schon einmal eine Gelegenheit geben. _ Begrifflich hat das damit zwar nichts zu tun. Aber ich kann Dir heute sagen, daß Dein Gebäck, was Du mir zu Weihnachten geschickt hattest, bis heute gereicht hat. Wenn man aber auch noch so sparsam damit umgeht, es wird doch alles einmal alle. Aber Abend für Abend habe ich immer so einen kleinen Gruß von Dir gehabt. Das war immer recht nett. Es hat sich alles recht ausgezeichnet gehalten. Nachdem alles verdrückt ist, muß ich Dir nochmals meinen besten Dank sagen für Deine Mühe, die Du damit gehabt hast. _ Bleibe recht gesund, Du mit den Kindern. Wünsche auch Vater recht gute Besserung und sage ihm, daß er sich schonen soll, denn für uns braucht er sich nicht zu rackern. Euch Dreien sende ich aber noch recht viele liebe Küsse. Dein Ernst.

Brief 514 vom 27./28.01.1944


Liebstes Maidle !                                                                                 27.1.44         

 Seit Tagen läßt der Posteingang wieder zu wünschen übrig. Das ist immer wenig erfreulich. Aber man kann ja doch nichts dagegen machen. Zu erzählen habe ich heute nichts weiter, denn gestern habe ich schon aus Mangel an Stoff mein Schreiben einstellen müssen. Doch länger wie einen Tag möchte ich meine Schreiberei nicht unterbrechen. Darum muß ich mich also auch einmal ohne besondere Anregung schreiben. _ Ich kann zuerst vielleicht erst einmal vermerken, daß ich Dir heute 3 Päckchen fertiggemacht habe. Wir hatten wieder verschiedene Zitronen bekommen, für die ich hier keine Verwendung habe. Wenn sie hier richtig ankommen, dann wirst Du schon wissen, was Du damit machen kannst. Ich schrieb Dir ja schon davon, daß ich Dir wieder Maismehl gekauft hatte. Es sind 8 Packungen, die ich auch zu einem Päckchen zusammengepackt habe. Dann bekamen wir hier wieder Rosinen zugeteilt. Ich habe sie auch gleich verpackt und an Dich abgesandt. Es hat gerade wieder ein ordentliches Päckchen gegeben. Hoffentlich erreicht Dich wieder alles, denn für jedes Bißchen, was man beschafft, ist man froh, und dann wäre es ärgerlich, wenn es in andere Hände kommt. Die Päckchen tragen die Nummern 15/17. Wenn man in der gleichen Weise Päckchen nach hause schicken könnte, wie es mir im Laufe dieses Monats möglich war, dann wäre das recht erfreulich, doch man weiß ja nicht, was sich im Laufe der Zeit alles ergibt. _ Heute muß ich Dir einmal von meinen Beobachtungen bei Kinobesuchen bezw. nach diesen berichten. Ich habe mir im Laufe der vergangenen Wochen wieder einige Filme angesehen. Man konnte sehr verschiedener Meinung über die einzelnen Filme sein.  Manche waren nach meinem Dafürhalten unter aller Kritik und manche waren davon nach meiner Ansicht als sehr gut zu bezeichnen. Ich sah jetzt hier den Film „Der weiße Traum“. Es ist ein Film vom Eiskunstlauf. Wenn man das so liest, dann denkt man, das kann doch nicht schlecht sein. Aber man hat hier genau die gleichen Wege beschrieben, die man vor Jahren bei dem amerikanischen  abgelehnt hat,. Man macht aus allem eine Revue. Das was an Handlung fehlt, das versucht man durch Ausstattung zu überdecken. Das soll dann wirken, doch man  erreicht dadurch nur eine Entstellung eune eine Verfremdung gegenüber dem natürlichen Empfinden. Manchmal ist es bestimmt schade um den dafür verwendeten Film. Muß dann tatsächlich nur der Film voll gedreht sein, damit man wieder eine Stange Geld verdient hat. Es ist ja traurig, daß man in erster Linie nur diese Interessen verfolgt, aber das ist auch in der gegenwärtigen Zeit bei uns noch geblieben. Das ist doch vollkommen zwecklos, wenn man solche Sachen überhaupt dreht. Man läßt sich dann aber doch immer wieder verleiten und sieht sich diese Sachen an, weil man sie meist noch nicht kennt, aber wie der Geschmack gerade unseren jüngeren Leute verdorben hat, das kann man daran sehen, wenn man an diesen Dreck filmen Kritik übt. Solches Theater wollen ja viele Leute sehen, denn ihen liegt nichts daran, inhaltlich etwas geboten zu bekommen, sondern sie legen mehr Wert darauf, was für das Auge zu haben. Dann haben sie es ja auch nicht notwendig, noch länger nachzudenken, denn von dem Beschauer wird ja nichts verlangt. Ich hatte mirhier jetzt den Film „Immensee“ frei bearbeitet nach der Novelle von Storm angesehen, und auch den Film „Sinfonie eines Lebens“ DEr erste Film gefiel in der ersten Linie deshalb, weil er als FArbfilm gedreht wurde. Auch einzelne Bilder, die recht malerisch wirkten, haben noch dabei großen Gefallen gefunden, doch wie wenige die Menschen über den Sinn und den Inhalt nachdenken, das kann man immer wieder einfach feststellen. Von dem Dichter Storm haben viele Leute keine Ahnung. Daß dieser Mann einmal gelebt hat, das kommt ihnen vielleicht erst jetzt durch diesen Film zum Bewußtsein. Gan geschwiegen muß werden von den anderen vielen Sachen, die dieser Mann geschrieben hat. Wie wenig die Leute Bindung mit allen diesen Sachen haben, geht schon daraus hervor, daß sie schon Ilmensee zum Immensee sagen. Das erstere haben sie schon oft in der Zeitung gelesen und im Radio gehört. Doch von den den übrigen Dingen ist ihnen noch nicht gekannt geworden. Der zweite Film „Sinfonie eines Lebens“ hat auch nicht allgemein Anklang gefunden. Mancher meinte, man müßte schon Musikkenner sein, um dafür Verständnis aufbringen zu können. Ich habe aber selten so klar und fein aufgespalten eine Musik gehört und auch verstanden wie in diesem Film. Mir hat das sehr zugesagt, und ich war wirklich restlos zufrieden.  Doch man kann sas deutlich daran erkennen, wie die ?   bei uns verpflichtet sind und wie man über schönere Kunst in einem gewissen Teile unsers Volkes denkt. Es ist bedauerlich, aber dieser Verpflichtung begegnet man öfter, als man es manchmal glauben will. Ich will damit nun meine Kritik an den Filmen und den Menschen nicht beenden, sondern ich bin der Meinung, dass es bestimmt auch noch andere Menschen gibt, die dafür Verständnis haben. Es liegt ja kein Grund zum Verzweifeln vor. Manchmal muß man aber auch einmal über solche Dinge sprechen, weil man auch in dieser Hinsicht ein Ventil braucht. Du hast ja kürzlich auch so treffend über den berliner Film geschrieben. Man muß sich hin und wieder einmal von diesen Dingen befreien, weil es sonst im Inneren sitzen bliebe. :_ Nach diesen „Kunstbetrachtungen“ will ich mein heutiges Schreiben beenden. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich. Auch Vater richte recht herzliche Grüße aus. Dich, mein liebes Mädel, grüße ich besonders herzlich und bin mit vielen Küssen für Dich und die Kinder Dein Ernst. _


Mein herzliebster Schatz!                                                                             28.1.44

Es ist manchmal nicht mehr schön. Auch heute habe ich ausser den Zeitungen, die Du mir fertiggemacht hast, keine Post weiter. Ich danke Dir recht herzlich dafür. Wenn es auch kein Brief ist, so war es immerhin doch ein kleiner Lichtblick. Ich habe doch heue abend etwas zum Lesen. Auch von Deinem Vater gingen einige Zeitungen ein, die ich auch gleich mit ansehen werde. Dann habe ich wieder meine Abendbeschäftigung. Ich sende Dir diesmal wieder einige Marken mit, die ich mir hier wieder erstanden habe. Es sind alles getauschte Marken, von denen ich wohl die meisten nicht habe. Ich hatte sie gegen deutsche Marken hergegeben. Ich könnte aber einmal eine Serie von den jetzt laufenden Marken brauchen. Vielleicht kaufst Du sie von meinem Geld. Es muß nicht bis zur 5 RM sein, es genügt auch, wenn Du die zwei höchsten Werte wegläßt, Die Marken sollen selbstverständlich ungebraucht sein.  Die heute mitgeschickten hebe mit auf. Man kann sie ja später einsortieren, wenn Du jetzt keine Zeit dafür hast. Bei den ungestempelten muß man ja doch warten, solange man nicht die Spezialkleber dafür bekommt. _ Das Längerwerden der Tage macht sich jetzt schon wieder früh und abends bemerkbar. Die Regenzeit war ja hier nicht bedeutend.  Wenn der Wasservorrat für den ganzen Sommer reichen soll, dann wird es wohl knapp damit werden, denn das Wasser wird schon jetzt nur an drei Tagen in der Woche an den Vormittagen lafen gelassen. Aber das wird sich auch schon in irgendeiner Form wieder einrenken. Das ist ja nicht meine Sorge. Die Wärme der Sonne soürt man schon über die Mittagszeit sehr. Man kann schon wieder ohne Mantel herumlaufen. Dagegen ist es abends doch recht kühl und auch früh, wenn man zum Dienst geht. _ Ich schließe meinen heutigen Gruß an Dich und hoffe, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid.  Laßt Euch alle einen herzlichen Kuß geben von Deinem immer in Liebe an Euch denkenden Ernst.