Dienstag, 17. Oktober 2017

Brief 333 vom 13.10.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                    13.10.42       
      
Nun sind wir wieder einmal umgezogen. Der Start erfolgte nicht erst am Montag sonder wir haben uns bereits am Sonntag ins Zeug gelegt und haben es zum großen Teil geschafft. Es ist keine Kleinigkeit, wenn man so mit allem Drum und Dran abrückt. Wir haben einen eigenen LKW, auf den wir alle verladen hatten. Das hat zwar allerhand Wege gekostet, vor allem wenn man einziehen muß und es ist noch nichts fertig. Wie es bei uns der Fall ist.  Ich rege mich über diese Dinge nicht mehr weiter auf, aber die anderen waren alle aus dem Häuschen und sind es heute noch. Mir macht das so gut wie nichts mehr aus. Ich denke nur an unseren Umzug von Mirgorod nach Kschen. Das war doch noch ein größerer Unterschied. Hier ist es so, daß zwanzig Mann zu befehlen haben und keiner übernimmt die Verantwortung für etwas. Wie ich Dir schon mitteilte, sind wir im Rathaus untergekommen. Dort wohnen wir im 5.Stock. Höher geht es nicht mehr, kann man da sagen. Wenn auch in allernächster Nähe der Ausblick nicht besonders schön ist, so ist der Überblick als ganz schön zu bezeichnen. Er erinnert mich in mancher Beziehung an zuhause. Nur mit dem Unterschied, daß hier eine ausgedehnte Stadt vor einem liegt, was bei uns nicht der Fall ist. Ein großer Teil der Stadt liegt auf einem Höhenrücken. Die Stadt streckt sich dann weiter durch ein Tal und geht wieder auf den gegenüberliegenden Höhenrücken. Wenn man sich verschiedenes wegdenkt, kann man meinen, man sei zuhause. Vor allem sind es einige Dinge, die einem die Erinnerung daran wach halten lassen. Das ist an sich der gegenüberliegende Höhenrücken, denn bei entsprechender Beleuchtung sieht man das Leuchten der verfärbten Blätter des Waldes. Abends aber ist es die Sonne, die hinter diesem Berge zur Neige geht. Die verschiedenen Kirchtürme wirken zum Teil etwas fremdländisch, aber sie geben dem Stadtbild etwas Leben und ein besonderes Gepräge. Bauten, die in der Neuzeit geschaffen wurden, haben wohl etwas Modernes an sich, aber vieles ist zerstört und zeugen vom Krieg und den Kämpfen.  Die Unterkunft als solche teile ich noch mit einem Sonderführer, der wenig davon erbaut ist, ein Zimmer mit noch einem anderen teilen zu müssen. Ich bin in diesen Dingen nicht so kleinlich. Die Räume sind für uns alle sehr groß, so daß wir für die Zeit, wenn es kalt wird, allerhand Bedenken haben. Eine Dampfheizung ist wohl vorhanden, die ist aber von dem Elektrizitätswerk abhängig, weil es eine Fernheizung ist. Der Strom geht aber nicht immer, so daß wir auch mit der Wärme nicht ganz zurecht kommen werden. Vorsichtshalber sind schon kleine Kanonenofen eingebaut worden. Auf das müssen wir uns am meisten einstellen. Die Beleuchtung klappt auch noch nicht. Wasser haben wir auch noch keines. Man sieht an allem, daß noch alles im Bau begriffen ist und wir zu zeitig gekommen sind. An Schreiben ist abends nicht zu denken. Im Büro ist es das gleiche. Die Räume sind noch nicht sauber und im ganzen Haus wird noch gebaut, gestrichen, Leitungen gezogen, Lampen montiert und alles steht noch herum und macht einen unfertigen Eindruck. Im Büro ist es gleich kalt wie in der Wohnung.  Das ist alles andere, nur nicht gemütlich. Im Kasino kann man sich noch etwas aufwärmen. Das ist noch der einzige Aufenthaltsort, an dem man nicht gerade mit   ?  braucht. Wenn erst einmal alles in seinem Gleis ist, dann wird es auch gehen, aber es ist anzunehmen, daß das noch einige Tage dauern wird. Es ist immer dasselbe, man muß sich erst einrichten und wenn der Apparat angelaufen ist, dann findet man wieder alles in Ordnung. Da kann man erst sehen, was der Mensch die Gewohnheit nötig hat. Ich selbst habe mich, wie schon öfter habe feststellen müssen, vielmals in andere Verhältnisse gewöhnen müssen. Ich denke, daß mir das auch hier wieder gelingen wird. Die anderen maulen zwar immer, es wird ihnen aber nicht viel helfen.  Ich grüße Dich vielmals und sende Dir und den Kindern recht viele Küsse. Dein Ernst.


Mein herzlieber Schatz !               14.10.42          211 
In unseren Umzugstagen haben wir ordentlich Betrieb gehabt. Für uns selbst wird es hoffentlich bald soweit sein, daß wir unseren alltäglichen Betrieb haben. Durch solche Änderungen kommt man ganz aus dem Geleise. Unseren Behelfsofen haben wir heute angezündet, weil es zu kalt zum längeren Sitzen ist. Ich habe Dir früher einmal geschrieben, daß wir beim Backen von Puffern bei meiner letzten Einheit so eine schöne Räucherbude hatten. Dieses Ofenanzünden  erinnerte mich sehr stark an dieses Intermezzo. Im Büro hatten wir gestern Abend kein Licht. Mit noch anderen Kameraden hatte ich die Gelegenheit wahrgenommen und bin mit ihnen ins Kino gegangen. Seit längerer Zeit wieder zum ersten Mal. Ich kannte den Film schon, denn ich sah ihn in Frankreich zweimal, aber es hat mir trotzdem gefallen. Er wurde schon von langen Jahren in Deutschland gespielt und heißt „Kora Terry“. Dann habe ich auch die Wochenschau gesehen in der von dem Landungsversuch in Tobruck die Rede war. Ich hoffe, in nächster Zeit ab und zu einmal hingehen zu können, denn das Kino ist nicht weit von uns.  Es hat mir sehr gut gefallen, vor allem, wenn man einige Wochen nichts gesehen hat. Im Anschluß an das Kino sind wir zum Essen gegangen. Als wir aber nach hause kamen, da war es aus mit dem Licht. Wo jetzt alles erst eingerichtet wird, da muß man mit Pannen immer rechnen. Es ist reichlich unangenehm, wenn man im dunklen fünf Stockwerke hinauftappen muß und dann ist im Zimmer auch alles dunkel.  Heute früh erhielt ich nun Deinen Brief vom 4.10 ausgehändigt, für den ich Dir recht herzlich danke. Wie ich lese, hast Du Dich über die Schuhe der Kinder wieder einmal hergemacht. Ich weiß, daß sie allerhand Zeug zusammenreißen. Ich bedauere nur, daß ich nichts mehr für sie kaufen kann. Das wäre doch immerhin eine Erleichterung für Dich, wenn ich diese Sachen gleich kaufen könnte.  Daß Du durch die Besuche und die Gartenarbeiten die ganze Schusterei aufschieben mußtest, das kann ich mir denken, denn da ist ja viel von Deiner Zeit darauf gegangen.  Aber ich bin froh, daß Du durch die Besuche einige Ablenkung hattest. Ich denke, daß sie Dich auch aus dem täglichen Einerlei herausgehoben haben, das ist für mich immerhin eine Beruhigung gewesen, denn Du hast damit eine Kleine Abwechslung gehabt, die Dir nichts schaden konnte. Vor allem, wenn ich noch lesen konnte, daß der Besuch Deines Vaters nicht ganz so aufregend verlief, wie wir alle anfänglich  dachten. Von Deinem Vater erhielt ich gestern einen Brief, den Du in Durchschrift ja auch erhalten hast.  Auch aus diesem, sowie aus dem Schreiben an Dich, das er mir im Durchschlag zugehen ließ, muß ich entnehmen, daß es ihm eine Freude und eine Erholung war, als er zu Besuch bei Dir weilte.  Mit Freude habe ich auch davon Kenntnis genommen, daß Helga in der Schule bei ihrer Lehrerin das Vertrauen genießt, daß sie ihr in der unteren Klasse mithelfen darf. Ich denke, daß es sie auch mit besonderem Stolz erfüllt. Daß es Helga gefällt, da mit behilflich zu sein, das kann ich  mit gut denken. Ich glaube auch, daß ihr das dann bei der neuen Lehrerin mehr Spaß macht, wenn sie auf diese Weise ausgezeichnet wird. Ich kann darum auch ihre Bitten verstehen, wenn sie gern dort mitmachen will. Ich kann nur eines sagen, daß die Lehrerin wohl sagt, sie will erst Deine Genehmigung haben, ob Helga länger in der Schule bleiben darf. Es ist aber so, es kann einem an diesem oder an jenem Ort etwas passieren. Hoffen wollen wir aber, daß weder dort  als auch zuhause etwas zustößt. Ich muß schon sagen, daß es auch mich gewundert hat, daß Ihr am hellen Mittag Alarm hattet. Man sollte es kaum glauben, aber es muß schon so sein. DAß daheim die Aussichten auf den Winter allgemein anders beurteilt werden, ist auch für uns hier alle eine Beruhigung. Man macht sich doch hier auch Sorge, wenn die Ernährung so knapp ist, daß es gerade für die heranwachsenden Kinder fast zu wenig ist. Hoffen wir, daß die angekündigte Besserung anhält und sich durchsetzt. Dir und den Kindern wünsche ich heute Gesundheit und ich hoffe, auch einmal persönlich die Grüße und Küsse übermitteln zu können. Bis dahin bin ich immer wieder Dein Ernst.


Durch die Umgruppierung haben wir eine neue Feldpostnummer bekommen, die ich zu berichtigen bitte.  E P Nr. 37 700

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Brief 332 vom 9./10.10.1942


Mein liebstes Mädel !                                                    9.10.42         

Gestern habe ich Dir nach langer Zeit wieder einmal einen Brief mit der Maschine geschrieben. Ich habe bei mir im Zimmer nicht gerade, was gute Beleuchtung ist. Da läßt es sich besser mit Maschine schreiben, denn das strengt die Augen nicht so sehr an.  Dann hatte ich noch zwei Briefe an die Kameraden in Maschine zu schreiben. Mit dem Schreiben an den Hugo Michel und den Brief, den ich gestern an Siegfried geschrieben habe, ist die meiste nicht beantwortete Post wieder erledigt. Jetzt habe ich noch auf den Brief von Kurt zu antworten, dann ist alles wieder glatt. Die Durchschläge von den Briefen, die Dich interessieren könnte, habe ich beigefügt. Auch den Schriftwechsel, der dazu gehört. Das Schreiben von dem Hugo Michel bitte ich wieder zurück zu senden, weil das zu den Vorgängen gehört, die ich hier sammle. In dieser Sache habe ich festgestellt, daß da eigentlich etwas nicht stimmen muß. Der August Michel soll nach den Aufzeichnungen 1821 gestorben sein und nach der von mir beschafften Urkunde 1837.  Kläre mir das doch bitte einmal mit auf. Habe ich noch aus den Nebenlinien weitere Daten oder sind nur die vorhanden, die Du mir von der Linie Michel aufgeschrieben hattest. Ich muß schon sagen, daß Dein Vater einem gewaltigen Irrtum anheim gefallen ist. Mir hatte er doch der zählt, wie weit Dein Verwandter mit seinen Forschungen zurück sei. Ich sehe nun aus seinen Aufzeichnungen, daß sie sich mit denen Deines Onkels Kurt genau decken. Das ist alles, was er hat. Ich habe wenigstens inzwischen einige Daten zusammengetragen, aber er hat das alles so gelassen wie es war.  Ich will sehen, was er mir auf meinen Brief antwortet. Den Durchschlag kannst Du behalten, denn ich habe einen weiteren für mich gemacht. Interessant ist, daß eine Tochter Deines Verwandten nach Dessau geheiratet hat. Wie sich auf so eigenartige Weise doch wieder ein Kreis schließt. Meine Eltern sind aus Dessau und die Kinder Deines Verwandten lassen sich dort nieder. Das wäre das, was ich in dieser Angelegenheit zu berichten hatte.  Ob ich morgen zum Schreiben komme, ist fraglich, denn wir ziehen morgen um. Heute steht schon alles durcheinander. Ich lasse mich aber noch nicht beeindrucken. Ein kleines Päckchen mit Tabak für Vater habe ich heute noch abgesandt. Es trägt keine Nummer, weil es mir zu klein schien. Vater wird aber nicht böse auf mich sein, wenn ich in dieser Weise an ihn denke. Alle Rauchwaren sind hier begehrt, aber etwas verwerte ich nun für meinen Familienkreis.  Alles kann man ja nicht hergeben.  Wenn ich mir Deinen letzten Brief nochmals ansehe, dann kann ich nur sagen, daß ich über die Apfelernte erfreut bin. Bis jetzt habe ich hier nur einige Äpfel bekommen. Diese sind aber mit unsren daheim überhaupt nicht zu vergleichen. Aber über alles ist man schließlich froh. Diese werden hier stückweise bezahlt und kosten, wenn man sie aus guter Quelle erhält, etwa 10 Pfennig. Obst bekommen wir ab und zu im Kasino als Kompott, das ist dann immer etwas Gutes. Nur die Melonen sind billig. Das Stück kostet etwa 20 Pfennig, wo wir sie herbekommen. Ich kann mir nur nicht viel davon ab ? , sie schmecken weder wie Gurken und sind auch keine Kürbisse. Vor allem fehlt uns der Zucker dazu, der die Melone schmackhaft macht. Da war es in Frankreich im letzten Jahr um diese Zeit doch noch besser. Da bekam man noch Südfrüchte und anderes Obst in ausreichendem Maße. Ich denke nur an die schönen Weintrauben. Das gibt es hier alles nicht.  Post erhielt ich heute noch keine von Dir.  Ich will aber nicht ungenügsam werden. Gestern erhielt ich ja gleich zwei Briefe von Dir ohne die anderen. Ich sende Dir und den Kindern recht viele herzliche Grüße und bin mit vielen Küssen Dein Ernst.


Mein lieber, lieber Schatz !                                                    10.10.42    
   
Mit dem Umzug wird es nun vor Montag nichts. Ich kann also heute ungehindert schreiben. Es ergaben sich eben allerhand Schwierigkeiten, die mit in Kauf genommen werden müssen. Die Räume, in die wir einziehen sollen, sind noch nicht fertiggestellt. Auch am Montag sind sie nicht viel weiter. Es überstürzt sich so vieles, so daß es da schon allerhand Überschneidungen gibt. Man nimmt sowas schon mit einem gewissen Gleichmut hin. Manchmal muß ich mich über mich selbst wundern, wie ich mich in vieles hineingefunden habe, ohne noch viel gegen solche Sachen zu meckern. Das sind die Einwirkungen des Kommis.  Post hat es gestern keine gegeben. Ich will sehen, ob ich heute welche bekomme. Mein Schreiben habe ich unterbrechen müssen. Ich hatte inzwischen verschiedene Sachen zu erledigen. Bis ich damit fertig war, traf nun Dein lieber Brief vom 29./30.9. ein. Recht herzlichen Dank dafür. Ich muß Dir schon sagen, daß ich mich immer freue, wenn ich von Dir erfahre, daß Dich wieder eines meiner Päckchen erreicht hat. Gerade die letzte Flasche mit Butter hatte ziemlich mehr Gewicht und dann hat man etwas Bedenken, ob auch alles ankommt. Ich denke, daß es Dir auch eine Beruhigung ist zu wissen, einen kleinen Vorrat zu haben. Die Frischbutter kommt hoffentlich auch gut an. Ich habe wahrscheinlich Aussicht, weitere 2 kg Butter zu erhalten. Das wäre ja sehr schön, denn das macht ja schon Eure Monatsration aus. Ich weiß zwar nicht genau, was Ihr erhaltet, aber viel mehr wird es nicht sein.  Man kommt aus diesen Kartensachen ganz und gar heraus. Wie gesagt, hoffentlich kommt alles gut an und könnt Ihr alles bei guter Gesundheit verzehren. Ich weiß nur, daß die Kameraden alle sehr scharf auf solche Sachen sind und man muß immer zusehen, daß man das möglichst wenig Aufsehen erregend wegtun kann. Ich habe hier mir immer einen Kameraden etwas warm gehalten, denn sonst würde ich das hier in der Stadt auch nicht so ohne weiteres erhalten. Die Preise bewegen sich in normalen Grenzen, denn für Wucherpreise bin ich auch nicht zu haben.  Heute war ich über Mittag ein Stück noch durch den Park gelaufen. Man sieht, wie es auch da sehr herbstlich wird. Einzelne Bäume stehen schon teilweise kahl da und die anderen haben verfärbte Blätter. Das Laub liegt auf der Erde und die Luft ist doch noch sehr warm. Man erinnert sich dann des Herbstes daheim. Wie schön ist jetzt der Wald. Das braune Buchenlaub fällt so langsam und bei diesem Wetter, wie es hier ist, würde der Wald die wohlige Wärme der schönen Herbsttage ausströmen. Wie schön wäre das, wenn man einmal wieder über den Bodanrück streifen könnte.  Wie sind wir manchmal mit dem Rad losgefahren. Was haben wir für eine Freude gehabt, als wir uns einige Äpfel erbeutet hatten. Vor allem fällt mir die eine Fahrt ein, wo wir über Liggeringen nach Bodman die Schlucht durchfahren haben. Wir hatten uns unseren Rucksack voller Äpfel gestopft und hinter uns kam dann so eine Art Aufseher. Wie wir uns dann als ganz harmlose Radfahrer wieder aufgesetzt haben und weitergefahren sind. Dann der anschließend schöne Abend auf der Überlinger Seite. Man darf sich seinen Gedanken nicht so sehr hingeben. Gleichzeitig gedenke ich aber auch des schönen Herbsttages, den wir im vergangenen Jahr auf dem Haldenhof erlebt hatten. Was war das für eine Wärme, als wir dort an der Gletschermühle waren. Das sind alles die schönen Erinnerungen und ich möchte sie nicht missen.  Zum Besuch von Filmen bin ich schon lange nicht mehr gekommen. Unser Kino, was bei uns eingerichtet ist, ist durch verschiedene Mißverständnisse nicht mehr in letzter Zeit zum Spielen gekommen. Meine einzige Kulturverbindung ist bis jetzt das Theater gewesen. Morgen habe ich auch die Absicht, wieder hinzugehen. Morgen ist eine Tanzvorführung. Sie nennt sich „Schwanensee“. Das Programm lasse ich Dir wieder mit zugehen.  Ich denke, daß Du die Schuhe für Helga schon bekommen mußt. Wir haben bis jetzt noch nichts in dieser Beziehung verlangt. Mach Deinen Antrag nur mit dem nötigen Nachdruck. Es kommt ja nicht darauf an, daß Du das eine Paar von Helga angibst. Daß das alles einmal ein Ende hat, ist ja schade. Wenn ich noch in Frankreich wäre, hätte ich wieder ein Pass besorgt, aber das ist nun leider nicht mehr möglich.  Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Brief 331 vom 8.10.1942


Mein liebes, gutes Mädel!                                        O.U., den 8.10.1942

Wieder war einmal Posttag, der mich wieder einmal zufriedengestellt hat. Deinen Brief vom 28.9. und Deinen Luftpostbrief vom 2.10. kann ich Dir bestätigen. Für beide danke ich Dir recht herzlich. Erfreuliche Nachrichten erhielt ich auch von Kurt. Die SA hat mir auch geschrieben, wie immer aber sehr nichtssagend.
Vorausschicken möchte ich, dass ich Dir heute zwei Päckchen fertig machen konnte. In einem habe ich heute früh Eier wegschicken können. Diesmal sind es nur 9 Stück. Heute Nachmittag hatte ich dann noch einen guten Fang gemacht, der mich sehr gefreut hat. Ich habe ein Kilo Butter bekommen. Die habe ich gleich verpackt und abgesandt. Ich hoffe wieder, dass Dich das alles gut erreicht. Die Nummern der Päckchen sind 46 und 47. Die besten Wünsche begleiten diese Päckchen wieder, das kannst Du mir glauben. Die Butter habe ich diesmal nicht ausgelassen, denn jetzt kann man sie ja wieder so versenden, ohne dass man denken muss, dass alles aus dem Papier läuft.
Wie ich aus Deinem ersten Brief entnehme, hast Du schon die ersten Arbeiten des Aberntens des Gartens hinter Dir. Bald wird auch die restliche Arbeit getan sein. Ich schrieb in meinem gestrigen Brief schon, was es doch für ein schönes Gefühl ist, wenn man weiß, für was man diese Arbeit getan hat. Man sieht bei dieser Arbeit doch den Erfolg, jedenfalls viel eher wie beispielsweise bei einer solchen Papiertätigkeit, die ich immer Tag für Tag verrichten muss. Die Vorbereitungen für den Winter sind schon notwendig. Es ist besser, als wenn man sich von ihm überraschen lässt. Wir hatten gestern auch in unserem Hause wieder die Dampfheizung etwas laufen. Heute war es aber mit der Herrlichkeit schon wieder zu Ende. Gestern sah es so aus, als wäre es mit dem schönen Wetter vorbei. Mittags klärte es sich jedoch wieder auf und seither ist wieder das schöne Wetter, das man jetzt schon nicht mehr anders gewohnt ist. Ihr könnt also in das gleiche Lied mit einstimmen, das ich jetzt auch singe. Mit meinem Schnupfen geht es wohl nun doch dem Ende zu. Er hat sich so richtig ausgetobt. Helga wird nun ihren Stolz mit ihrer Nachttischlampe haben. Eins beruhigt mich ja jetzt doch dabei. Obwohl du hast viel laufen müssen und ich das erste Mal die ganze Geschichte versaut hatte, dass ich jetzt weiß, warum dies alles sein musste. Ich wusste schon, warum ich das tat und den Krach mit der Frau Elektrogeschäft herbeigeführt hatte. Merkst Du denn das nicht selbst? Die erste Lampe hatte doch keinen leuchtenden Knopf.
Aus Deinem zweiten Brief sehe ich, dass Du außer der Wäsche auch noch die Apfelernte hinter Dir hast. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dich das geschlaucht hat. Eins beruhigt mich aber, dass Du diese Angelegenheit auch wieder hinter Dir hast. Der Erfolg ist doch wirklich sehr erfreulich. Er dankt es uns doch immer wieder, der Baum, dass wir ihn doch nicht umgelegt haben, wenn wir auch schon oft die Absicht hatten. Man müsste nur mehr die Möglichkeit haben, ihn zu pflegen. Man würde noch mehr Erfolg haben. Ich freue mich wirklich sehr darüber, dass Du eine Obstrücklage hast. Es ist sehr nett von dem Manngewesen, dass er dir mitgeholfen hat bei der Ernte. Du weißt, dass ich das selbst sehr gerne getan hätte, aber ich kann Dir doch nur immer wieder dasselbe vorklagen, dass es nicht möglich ist. Wenn Du in solchen Ausnahmefällen einmal nicht zum Schreiben kommst,  so ist das doch ohne weiteres entschuldbar.
Wenn Dir mein Brief so richtig zugesagt hat, dann soll es mir recht sein. Ich kann ja schließlich nicht anders, als Dir im Alltag das schreiben, was passiert. Die Stimmung ist nicht immer die zum Briefeschreiben. Aber wenn es einem dann mal so richtig festtäglich zumute ist, dann kann man auch mal über die üblichen Verhältnisse hinaus schreiben. Immer kann man auch sein Innerstes nicht nach außen kehren, das würde sich dann mit der Zeit so abgreifen, dass man gar keine Freude mehr daran hätte. Wenn Du aber einmal nach einem anderen Wort verlangst, wie so letzthin, dann sucht man sich wieder einmal zu sammeln und zu besinnen. Manchmal ist man auch dann nicht so ganz zufrieden, weil man das Gefühl hat, es drückt doch nicht das aus, was man eigentlich sagen will. Zufriedener wird man aber dann, wenn man weiß, auf der anderen Seite ist das aufgeklungen, was man schließlich erreichen wollte.
Dass ich nun nicht das Gegenteil von dem schreibe, was ich denke, das ist ja auch Dir ganz klar zum Bewusstsein gekommen. Andererseits ist es nun doch so, dass Du Dich in letzter Zeit so zu Deinem Vorteil herausgeschält hast und so viel noch für Deine äußere Erscheinung getan hast, sodass durchaus nur noch von einer Veränderung zu Deinen Gunsten gesprochen werden kann. Ich kann mir das alles ja nur anhand der letzten Bilder vorstellen. Doch ich glaube, ich würde es nicht verschmähen, Dich wieder einmal fest in den Arm zu nehmen.
Vater besucht Dich immer noch regelmäßig. Das ist ja nett von ihm. Du hast zwar auch nicht viel von ihm. Denn über Vieles kannst du doch mit ihm nicht sprechen. Er selbst hat ja meist seine eigenen Sorgen, die sich mehr oder weniger immer noch um die gleichen Dinge drehen, von einigen kleinen Abänderungen abgesehen, wie früher auch. Es freut mich aber, dass er in mancher Beziehung sich so um Euch sorgt. Ich kann nur feststellen, dass Du so ein Bindeglied bist zwischen uns Jungens und unserem Vater. Unserem Vater, der Dich anfangs wohl abgelehnt hat und nun im Laufe der Jahre doch eingesehen hat, wie er Dich schätzen muss. Du nimmst ihm ja auch manchen Weg ab, der ihm teilweise nicht möglich wäre und der ihm so eine Hilfe ist, die er auch dankbar zu schätzen weiß.
Bedauerlich ist, dass sich Deine Annahme, Helgas Geschichte mit der Brust würde sich nun rückwärts entwickeln, als irrig erwiesen hat. Hoffentlich bekommt sie keine Komplikationen damit. Lass Dich nur von dem Arzt beraten, damit nichts versäumt wird.
Wie ich Dir schon mitteilte, werden wir taktisch anders eingegliedert. Wir beziehen hier andere Räume und andere Wohnungen. Dies wird übermorgen vonstattengehen. Beim Essen komme ich aus dem jetzigen Kreis heraus. Ich bin nicht böse drum. Bisher hatte man nur Gelegenheit, etwas Trinkbares ab und zu zu erhalten. Das wird ja wieder weg fallen. Dann spart man eben wieder das Geld. Man muss sich jeweils mit den Dingen abfinden, wie sie gelagert sind. Unsere Feldpostnummer ändert sich auch damit. Ich bekomme meine Post aber trotzdem laufend weiter, weil man sie bei der jetzigen Einheit immer täglich abholen lassen kann. Wenn es soweit ist, lasse ich Dich es wissen.
Kurt geht es soweit gut. Er scheint wieder sich in die Dinge hineingefunden zu haben. Mir macht es jedenfalls so den Eindruck. Sobald ich ihm geantwortet habe, lasse ich Dir seinen Brief mit zugehen.
Recht viele Grüße sende ich Dir und den Kindern, Dein Ernst.

Samstag, 7. Oktober 2017

Brief 330 vom 6./7.10.1942


Mein liebes Mädel !                                                         6.10.42       
Mein Schnupfen hat nun wohl den Höhepunkt überschritten. Ich bemerke das deshalb, weil ich mich nicht entsinnen kann, daß ich ihn seit meiner Militärzeit jemals in so ausgiebigem Maße gehabt habe. Ich will fast sagen, daß mir die ganze Zeit eigentlich etwas gefehlt hat, denn zuhause bekam ich ihn doch mit ziemlicher Regelmäßigkeit. Man wird viele andere unangenehmen Sachen damit los, die dann nicht erst in Erscheinung treten. Darum ist sowas immer noch leichten und eher zu ertragen, wie etwas anderes, weil man doch hier immer wieder auf fremde Menschen angewiesen ist.  Nachdem ich seit einigen Tagen keine Post von Dir mehr bekommen hatte, traf heute Die Brief vom 24.9. ein, für den ich Dir viele Dank sage. Ich hatte auch daran gedacht, als der Todestag Deiner Mutter war. Gleichzeitig dachte ich aber auch daran, daß ich vor einem Jahr in Urlaub bei Euch war und vor zwei Jahren war das auch der Fall. Vor zwei Jahren waren wir noch einmal mit Kurt zusammen. Seither habe ich ihn nicht wieder gesehen. Ich habe ihm heute einen kurzen Brief geschrieben, denn ich hätte immer noch den Auszug hier über die Urlaubsregelung, die für ihn zutrifft.  Ich wollte immer erst abwarten, bis er mir auf meinen Brief vom 30.8. antwortet. Nun hat es mir zu lange gedauert. Ich habe ihm darum dies so zugesandt.  Aus dem beigefügten Schreiben Deines Vaters ersehe ich, daß es ihm ausnehmend gut bei Dir gefallen haben muß. Es kann ja sein, daß Du es auch besser verstehst wie Erna. Alles in allem ist ein einziges Lob, das auch mich letzten Endes freut. Ich will ja nicht sagen, daß das nur auf den guten Einfluß zurückzuführen ist, den ich immer auf Dich ausgeübt habe, aber Du hast Dir ja schon früher immer mühe gegeben, es mir recht zu machen. Wenn es auch ab und zu Dresche gegeben hat, so merke ich doch immer wieder, daß Du es mir nicht nachgetragen hast und daß alles seinen guten Einfluß auf Dich nicht verfehlt hat.  das ist lustig gemeint   Über Helga machte ich mir schon etwas Sorge. Daß Du ihr alles gibst, was Du zur Verfügung hast, das glaube ich Dir gern, aber ob Dir all das zur Verfügung steht, was für sie nun gerade notwendig ist, das ist doch fraglich. Ich gebe zu, daß ich mir vielleicht manchmal ein anderes Bild über Eure Ernährungslage mache, wie sie eigentlich ist. das wird Dir auch verständlich sein, denn wir essen doch im Verhältnis besser wie Ihr daheim. Dann legt man immer seinen Maßstab an das, was man hier erhält und vergleicht es mit dem, was Ihr daheim bekommt.  Dann erscheint einem das eben wenig. Man darf dabei nicht vergessen, daß das Brot nicht den Nährwert hat, wie in normalen Zeiten, weil es mit allen möglichen Sachen gestreckt wird. Mit vielen anderen Sachen ist es ebenso. Man würde doch sonst auch vieles kaufen, wenn man es bekommen könnte, aber man ist doch überall gebunden. Mit dem Lehrgang ist es ja nun nichts geworden. Was die Sicherheit vor Fliegern anbelangt, so kann man bald sagen, daß es hier sicherer ist wie dort, denn solange ich hier bin, habe ich außer deutschen Flugzeugen kein feindliches gehört geschweige denn gesehen.  Daß sich jemand bereit erklärt hat, Dir bei der Apfelernte mit zu helfen, das ist mir in gewisser Hinsicht eine Beruhigung.  Im Laufe dieser Woche werden wir ein neues Quartier beziehen und neue Büroräume erhalten wir auch. Unsere Unterkunft befindet sich jetzt hier im Rathaus. Wie es aussieht, weiß ich noch nicht. Mit unserem Sonderführer, der als Dolmetscher bei uns tätig ist, soll ich wahrscheinlich ein Zimmer beziehen. Mir macht das ja nichts aus, denn ich bin das ja von der FAK her noch gewohnt, da habe ich ja längere Zeit mit einem Kameraden zusammen gewohnt.  Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich. Hoffentlich seid Ihr mir alle gesund, das ist mit meine größte Sorge, denn Ihr sollt mir in keiner Beziehung Not leiden, ich sehe darum auch, was ich für Euch erhalten kann. Dir sende ich aber noch recht viele Küsse. Dein Ernst.


Mein liebstes Mädel !                                                  7.10.42        
Am gestrigen Abend erhielt ich noch Deinen Brief vom 27.9. und zwei Sendungen mit Zeitungen. Für alles sage ich Dir wieder recht herzlichen Dank. Wie ich lese, bekommst Du ziemlich laufend meine Post, was mich im besonderen eine Beruhigung ist. Das ist ja nur die einzige Verbindung, die über die Lücke , die besteht, hinweg hilft. Man merkt immer erst dann richtig, was einem fehlt, wenn man einige Tage keine Post erhält. Sonst nimmt man das so selbstverständlich hin, daß die Briefe laufend eingehen müssen. Das läßt sich aber nicht immer so genau und regelmäßig durchführen.  Gut ist, daß man weiß, daß der andere Teil sich genau so an das tägliche Schreiben hält, es sei denn, daß etwas Äußerliches dazwischen kommt.  Du wunderst Dich also auch, daß hier ein Tiergarten besteht. Das ging mir auch so. Im letzten Winter war man dabei und wollte die Tiere schlachten, weil kein Futter vorhanden ist. Im Zusammenwirken mit den verschiedenen Dienststellen hat man es dann doch ermöglicht, den an sich nicht allzu großen Tierbestand zu erhalten. Im Laufe dieses Sommers haben sich nun viele Landser wieder dran erfreut und auf diese Weise hat sich der Einsatz wieder gelohnt. Wie es im kommenden Winter wird, das muß man erst wieder abwarten. Überfüttert sehen die Tiere sowieso nicht aus. Wie es mit unserer Freizeit steht, habe ich Dir ja schon wiederholt geschrieben. Das hat sich auch in der Zwischenzeit nicht gebessert. Du liest schon aus meinen Briefen, wie oft ich aus dem Bau herauskomme.  Die Röhrengeschichte für unseren Apparat lasse ich noch nicht aus dem Auge. Ich werde bei Gelegenheit nochmals mit anfragen. Es ist recht, daß Du mich daran erinnerst, aber wie gesagt, ich vergaß es nicht. Daß Du soviel Freude am Radioapparat hast, ist mir immer eine Genugtuung. So weiß ich doch, daß Du wenigstens in dieser Beziehung etwas Ordentliches hast. Bei uns ist es ja auch so, daß wir den Belgrader Sender nicht immer rein empfangen können, Wir nehmen dann entweder den Prager oder den Wiener Sender. Ärgerlich ist, wenn man abends die Nachrichten hört, daß dann einer immer dazwischenquatscht mit einem Störsender. Es sind hier die Russen, die anscheinend auf dem letzten Loch pfeifen.   Meine Bedenken wegen der Hereinnahme der Nähmaschine in die Küche haben nun Anlaß zu einer neuen Umräumung gegeben, die schon wieder mehr Platz in der Wohnung geschaffen hat. Ich getraue mir bald nichts mehr zu sagen, denn sonst muß ich damit rechnen, daß vor lauter Platzmachen eines Tages nicht mehr in der Wohnung ist. Das ist so neben dem Radiohören Dein einziges Vergnügen noch, das Du hast, darum will ich auch nichts hineinreden. Die Kinder haben nun auch wieder etwas Platz mit dem Regal, was Du ihnen erstanden hast.  Daß Du das Regal gekauft hast, wußte ich noch nicht. Ich denke aber, dass es schon praktisch ist. Da ist doch allerhand Zeug untergebracht. Bücher haben sie auch genügend, das kann man wohl sagen. Ihre Ersparnisse haben die Kinder in letzter Zeit ziemlich gesteigert. Man hofft, daß sie es später einmal gut verwenden können. Dein Vater hat es sich also nicht nehmen lassen, ihnen etwas zu geben, als Du eine Bezahlung abgelehnt hattest.  Seit längerer Zeit haben wir heute trübes Wetter und es regnet sogar etwas.  Aber bis jetzt kann man bald von einem ewigen blauen Himmel sprechen, wie er in Italien sein muß. Auch sonst ist es sehr herbstlich geworden. Die Blätter fallen von den Bäumen. Bald werden sie ganz kahl dastehen und aus ist es mit der ganzen Herrlichkeit. Aber jeder Sommer geht einmal zuende, so auch hier.  Du wartest auf schönes Wetter, damit Du Deine Gartenarbeiten abschließen kannst. Dann ist auch dieses Gartenjahr abgeschlossen. Es hat wieder allerhand Arbeit und viel Mühe gemacht, aber ich denke, daß der Erfolg doch nicht ganz unbedeutend war.  Das ist ja das, was einem dann die Freude an dieser Arbeit bringt.  Ich weiß jedenfalls, wie mir es früher gegangen ist.  Recht viele herzliche Grüße sende ich Dir und den Kindern  und bin immer Dein Ernst.

Brief 329 vom 3./5.10.1942


Mein liebster Schatz !                                                       3.10.42      
Das Wochenende ist wieder heraus gekommen und man merkt nicht weiter davon. Nur das eine kann man wieder machen, man kauft sich für den Sonntag eine Theaterkarte, dann weiß man, daß Sonntag ist. Morgen wird „La Traviata“ gegeben. Das sind alles Sachen, die ich noch nicht kenne. Man bekommt auf diese Weise wieder einmal etwas mit. Anfang der kommenden Woche ist hier ein Symphoniekonzert. Ob ich zwar dorthin gehen werde, weiß ich noch nicht, denn das ist hier immer die Frage, ist es möglich, daß man sich während des Dienstes freimacht. An sich könnte das schon vertreten werden, aber wenn man dann als einziger sich immer vom Dienst freifragt, so sieht das mit der Zeit eigenartig aus. Aber von früh bis spät abends sitzt man auf der Bude. Das schöne Wetter, das immer noch anhält, lockt manchmal dazu, dass man gern etwas ins Freie ginge, aber da wird nichts draus. Man findet sich mit der Zeit mit allem ab. Nach dem Mittagessen setzt man sich entweder hin und schreibt, oder man legt sich etwas um, damit man Zeitung liest und schläft etwas. Bis zum Feierabend ist es dann wieder Nacht. Man sieht und hört fast nichts. Wenn bei uns nicht ab und zu Leute durchkommen, die etwas von dem großen Leben von draußen mitbringen, dann käme man ganz und gar aus der Reihe. Die verschiedenartigsten Leute aus der Heimat und von den verschiedenen Kommandanturen geben sich hier immer von Zeit zu Zeit ein Treffen. Dadurch kommt man mit verschiedenen Dingen in Berührung, die zu erfahren ganz interessant sind. Aber man muß sich auch in das hineinfinden. Wichtig ist, daß man den bevorstehenden Winter wieder hinter sich bringt, denn dem sehe ich schon mit einigen Kümmernissen entgegen. Wenn es jetzt tagsüber auf der Straße auch noch sehr schön warm ist, so bleibt es bei uns auf dem Büro immer kalt. Was sollte das den Winter über werden. Es ist nur gut, daß wir andere Büroräume bekommen. Durch die Kälte, die bei uns auf dem Büro herrscht, habe ich jetzt meinen Schnupfen weg, der aber schon wieder im Abklingen ist. Die Kameraden, die bei der FAK gewesen sind, haben es aber in mancher Beziehung noch wesentlich schlechter. Wie sie mir mitteilen, haben sie sich auch schon auf den Winter eingerichtet und haben entsprechend Räume bezogen, die heizbar sind. Wegen Feuerholz brauchen sie sich zwar keine Sorge zu machen. Alte Häuser, die abgebrochen werden können, sind genügend da. Bäume stehen auch noch in der Gegend, die man verfeuern kann. Die Gegend selbst ist ja trostlos und Abwechslung haben die noch weniger als wir. Wenn man Vergleiche ziehen kann, dann merkt man doch, was man hat. Die eine Feststellung muß ich immer wieder treffen, daß keiner mit der Einheit zufrieden ist, bei der er sich befindet. Das ist eine Tatsache, die ich immer wieder feststellen muß.  Ich hoffe, daß Ihr auch noch solche schöne Herbsttage habt, dann kannst Du Deine Gartenarbeiten noch in aller Ruhe beenden. Ich will nun heute, oder morgen meinen Einspruch an die Stadt noch fertig machen. Ich habe zwr auch jetzt keine große Hoffnung, aber ich will mich nicht so bald geschlagen geben. Man muß sich rühren, damit man nicht vergessen wird. Durchschlag sende ich Dir wieder mit zu. Es ist immer wieder eine Arbeit. Für sich kann man viel schwerer ein Gesuch verfassen, wie wenn  es für jemand anders ist. Mir geht es jedenfalls so.  Herzlichen Gruß sende ich Dir und den Kindern zum Sonntag und Dich küsse ich vielmals Dein Ernst.

Mein lieber Schatz !                                                              5.10.42        
Verschiedenerlei Gründe ließen mich gestern nicht zum Schreiben kommen. Mein Schnupfen hat sich entgegen meiner Erwartung nicht gebessert, sondern verstärkt und er hat mir deshalb gestern viel zu schaffen gemacht. Jetzt ist er aber langsam im Abklingen, so daß Du Dir keine Gedanken weiter machen brauchst. DAs wäre an sich ja auch sonst nicht nötig, denn bis Dich der Brief erreicht, ist das alles schon wieder vorbei und vergessen. Aber nicht allein der Schnupfen, sondern die übliche Sonntagsarbeit, die auffallenderweise am Sonntag in verstärktem Maße auftritt wie in der Woche. Auch sie hat mich stark behindert. Für den Nachmittag hatte ich mir eine Karte für das Theater besorgt. Die wollte ich nicht verfallen lassen und am Abend, als ich dann heimkam war ich froh, daß ich mich zu Bett legen konnte, um meinen Schnupfen pflegen zu können. Das ist zwar viel auf einmal, was ich Dir da als Grund zu meiner Entschuldigung anzuführen habe.  Über den Postverkehr selbst kann ich berichten, daß ich Dir am Samstag 3 kleine Päckchen mit Briefpapier habe zugehen lassen. Heute habe ich nochmals Briefumschläge gekauft, die heute dem Papier gefolgt sind. Von Dir erhalte ich soeben Deine beiden Päckchen mit Marmelade. Ich habe sie noch nicht geöffnet. Ich denke aber, dass alles in Ordnung ist. Recht, recht vielen Dank dafür. Briefpost habe ich schon seit einigen Tagen nicht mehr bekommen. Weder von Dir noch von sonst jemand. Das Programm vom gestrigen Theaterbesuch lege ich Dir wieder bei. Demnächst werde ich mir noch die Oper „Aida“ ansehen, dann habe ich einen großen Teil der Opern von Verdi gesehen. Wenn man den Text auch nicht versteht, so bekommt man doch einmal einen Überblick über das Opernschaffen. Ich bin zwar keine Musikkenner, aber man lernt doch nach und nach Einiges kennen. Ich war zwar gestern nicht in der richtigen Stimmung, doch es hat mir ganz gut gefallen.  Heute habe ich mich nun daran gesetzt, die Antwort an die Stadtverwaltung zu schreiben. Im Entwurf habe ich sie schon einige Tage vorliegen, aber diese Sachen muß ich immer erst noch einmal verdauen. Wenn es mir dann einigermaßen geläufig erscheint, wenn ich es dann nochmals durchlese, dann glaube ich es absenden zu können. Ich denke, daß es so Hand und Fuß hat. Ich verspreche mir auch jetzt noch nicht viel von meinem Schritt, aber ich denke, daß es besser ist, man unternimmt etwas und läßt etwas von sich hören, als daß man sich hinsetzt und wartet, bis die Herren sich meiner entsinnen. Auch wenn man sich gleich beim ersten Versuch abweisen läßt, muß man nicht gleich klein beigeben. In diesem Sinne habe ich nun auch geschrieben. Durchschlag habe ich Dir beigefügt. Den Erfolg muß man nun wieder abwarten.  Das Wetter ist immer noch schön. Geregnet hat es immer noch nicht. Wenn es auch einmal so aussah. In der Sonne ist es so schön warm, daß man noch keinen Pullover anzuziehen braucht. Im Büro ist es aber immer sehr kühl, daß man am Tag nicht so richtig warm wird.  Von mir selbst habe ich nichts weiter zu berichten.  Ich bitte Dich, daß ich heute schon schließen darf. Sei Du recht herzlich gegrüßt. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Gib unseren beiden Lausern einen herzlichen Kuß und sage ihnen, daß ich mich freuen würde, wenn sie ihrem alten Vater wieder einmal schreiben würden. Du selbst nimm viele herzliche Küsse entgegen von Deinem soviel an Dich denkenden Ernst.

Brief 328 vom 1./2.10.1942


Mein liebster Schatz !                                                               1.10.42         
Reiche Posternte hatte ich gestern. Dein Brief vom 22. und Dein Luftpostbrief vom 26. kamen an. Dann erhielt ich ein Schreiben des Hugo Michel. Ein weiterer Brief kam noch von dem Kameraden Drechsler aus Kaschin und der Inspektor der FAK schrieb mir auch.
Doch erst einmal zu Deinen Briefen. Die Verhältnisse bei uns im Haus und in der Nachbarschaft sind ja erhebend. Daß die Luftschutzübung unter diesen Umständen mit solchen Begleiterscheinungen verlaufen, ist dann nur verständlich. Dein Vater hat ja entsprechend reingefunkt. Das ist ja so ein Geschäft für ihn, sich solchen Menschen gegenüber durchzusetzen. Ich hoffe, daß dir diese Leute darum keine Schwierigkeiten machen. Dein Vater fährt weg und ich bin nicht daheim. Lasse Dir aber nichts gefallen, wenn man versuchen wollte, Dir etwas in den Weg zu legen. Nach Kriegsende werden wir dort herausziehen. Nicht allein wegen den Leuten, sondern weil auch die Räume zu klein geworden sind. Eins beruhigt auch mich, daß Du mit den anderen drei Parteien im Haus soweit gut auskommst.  Mit Helgas Geschwulst hat es nun ein komisches Ende gefunden. Ich kann mir vorstellen, daß Dir das am Anfang beängstigend vorkam. Froh bin ich jedenfalls, daß es jetzt vorbei ist und daß nichts davon zurückbleibt. Daß ich den Geburtstagsbrief an Vater in die Wollmatingerstraße geschickt habe, wußte ich ja nicht, als ich mich wunderte über Dein Schreiben, daß Du meinen Brief an Vater überbracht hast. Da sieht man wieder einmal, wie man das Adresseschreiben gewohnt wird. Wenn ich Rosche schreibe, so ist das unlösbar damit verbunden, daß ich dies in die Wollmatingerstraße schicke. Durch Deine Antwort hat sich das ja nun geklärt und ich bin wieder beruhigt und weiß, daß nicht Du sondern ich den Fall gemacht habe.  Wie ich aus Deinem Brief entnehme, ist Jörg am Schwimmenlernen nicht so interessiert, wie es mir immer vorkam. Daß auch er sich daransetzt oder besser gesagt hineinlegt, freut mich ebenso, wie wenn ich von dem Fortschritt der Schwimmkünste unserer Wasserratte lese. Was die Zeitungssendungen anbelangt, so habe ich wieder eine Abbestellung vor. DAS REICH bekommen wir hier auf der Dienststelle. Es ist schade, wenn man die Sachen zweimal hier hat. Ich kann es doch nur einmal lesen. Die übrigen Zeitungen nehme ich aber weiterhin sehr gern in Empfang.  Eines hat mich auch noch gefreut, als ich las, daß die Tage mit Deinem Vater friedlich verlaufen sind. Ich hatte erst angenommen, daß es vielleicht zu kleinen Meinungsunterschieden kommen würde. Besser ist es allerdings, wenn dies  nicht eingetreten ist. Daß Dein Vater noch sehr beweglich ist, habe ich bei meinem Besuch in Leipzig festgestellt. Aber etwas ist auch nicht zu verkennen, daß
unser Schreiben und und unsere Stellungnahme, dies etwas abgebremst haben. Hätten wir das nicht getan, wäre er mit allen Segeln in die neue Ehe hineingebraust. Die Frau hat nun auch gemerkt, daß wir uns nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Ich habe dies alles für sehr gut gehalten, weil doch durch unser Verhalten ein bestimmter Einfluß auf die Entwicklung sich nicht verkennen läßt. Wir haben ihm ja auch grundsätzlich nicht in den Weg legen wollen, nur der Zeitpunkt war für unsere Begriffe etwas verfrüht. Wir lassen ihm seinen Willen, denn wir haben ja nicht die Macht, ihn von seinem Schritt fernzuhalten. Das geht ja aus unseren Schreiben auch immer wieder hervor. Daß wir weder auf den Tod des einen wie des anderen warten, das ist doch für alle ziemlich klar. Wie er sein Testament abschließt, kann uns im allgemeinen gleich sein, denn wir haben das,  was Du haben willst. Das andere müssen wir nicht haben. Wir werden ihm aber auch da nichts in den Weg legen.  Heute möchte ich schließen, denn ich habe heute wieder mehr zu tun. Ich grüße Dich vielmals und sende Dir viele Küsse und bin immer Dein Ernst.


Meine liebe Annie !                                                          2.10.42          
Post erhielt ich heute keine. Ich will darum noch zu den restlichen Dingen in Deinen letzten Briefen Stellung nehmen.  Daß Dein Vater noch sehr regsam ist, zeigt sich ja auch darin, daß er keine Ruhe hat, wenn er einmal an einem Regentag sich ruhig hinsetzen sollte. Er hat Dir, wie ich sehe, an verschiedenen Orten geholfen, wo es einigermaßen ging. Da Holz, was sich so herumtrieb, hat er auch zerkleinert. Nun brauchst Du das nicht zu machen. Ihr Frauen empfindet das vielleicht besser als wir Männer, aber Du kannst schon recht haben, daß es besser für Deinen Vater ist, wenn er bald heiratet. Denn es kann schon sein, daß unter den Umständen, wie das Verhältnis nun einmal daheim ist, es nicht lange gut geht. Anscheinend liegt es auch an Siegfried, daß er das nicht merkt, wenn Dein Vater so als abseitsstehend betrachtet wird. Ich würde mich wohl auch kränken, wenn verschiedene Sachen gekocht werden für die verschiedenen Personen. Daß Erna für Siegfried das macht, sehe ich wohl ein. Darum ist es schon besser, daß sie auseinanderziehen. Die Gegensätze haben sich schon so stark herausgeprägt. Lassen wir den Dingen ihren Lauf. Die Brüderschaft der beiden Väter hat sich nun aus dem Anlaß des Besuches sich ergeben. Ich kann mir vorstellen, daß das für den, der vorher die Einstellung zueinander gekannt hat, sehr belustigend. Das hätte ich gern auch gesehen, wie die Zwei im Omnibus gefahren sind. Mein Vater will nicht in Erscheinung treten und Dein Vater redet unbekümmert drauflos. Daß mein Vater da wie auf Kohlen gesessen hat, das kann ich mir gut vorstellen. Die Heimfahrt hat Dein Vater mit dem Schiff angetreten. Das war sicher noch ganz schön.
Ich würde auch gern wieder einmal über den See fahren. Aber jetzt geht es doch bald dem Winter zu. Ich bin über den abschließenden Bericht über den Besuch Deines Vaters soweit zufrieden, weil ich sehe, daß Dir dadurch kein Ärger entstanden ist und daß er selbst auch mit allem zufrieden war. Daß Du ihm das zu essen gegeben hast, was Du gehabt hast, hat er sicherlich auch gemerkt. Für ihn werden es auch Tage der Erholung gewesen sein.  Eine Hälfte der Dir zustehenden Kartoffeln hast Du im Keller. Das ist mir eine Beruhigung. Die Kohlen hast Du wohl alle da. Dann ist die Hauptsache für den Winter daheim. Das macht einem immer Sorge, die erst dann behoben wird, wenn man weiß, daß alles geregelt ist.  Was unsere Helga anbelangt, so hast du nun mit dem Arzt gesprochen. Er ist auch der Ansicht, daß siech die ganze Geschichte damit erledigt hat. Was ich sonst über Helga gedacht habe, schrieb ich Dir kürzlich in einem anderen Brief. Es wäre nicht gut, wenn sie in der Entwicklung Störungen erfahren würde. Ich denke da auch wieder an mich. Man hat das bei mir seinerzeit auch übersehen. Daß ich dadurch rachitisch geworden bin, war eine Folge davon. Sprich nochmals mit dem Arzt darüber und mit der Krankenkasse. DAß Du es an nichts fehlen läßt, das weiß ich genau, doch vielleicht würde ein solcher Aufenthalt ihr über diese Klippe hinweghelfen. Was nun die andere Frage anbelangt, ob Helga sich die Haare schneiden lassen darf, so muß ich schon sagen, daß ich, wenn ich heute mich ablehnend verhalte, daß ich später, oder besser gesagt im Laufe der Zeit, nachgeben muß, weil Ihr einem keine Ruhe laßt. Vielleicht ist der Zeitpunkt noch etwas verfrüht. Wenn sie sich die Haare schneiden läßt, dann müssen sie auch gepflegt werden Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn sie sich zu einem späteren Zeitpunkt schneiden läßt. Wenn sie aber andere gewichtige Gründe hat, so mußt Du sie mir noch mitteilen. Lediglich, daß sie ein Äffchen sein will, das ist doch nicht ausschlaggebend.  Herzlich grüße ich Dich und die Kinder und sende Dir viele, viele Küsse. Dein Ernst.

Brief 327 vom 29./30.9.1942


Meine liebe Annie !                                                           29.9,42            
Ich hatte erst dazu angesetzt, kam aber gestern wegen der vielen vorliegenden Arbeit nicht dazu, Dir zu schreiben. Am Abend war ich dann abgespannt, sodaß ich erst mich heute daran setzten kann. Am Sonntag war ich in einer Vorstellung im Theater. Das Programm liegt wieder bei. Die Aufführung war wieder zufriedenstellend, ich kann bald sagen, daß mich diese Vorstellung mehr befriedigt hat, wie die in der ich im letzten Jahr in Karlsruhe beigewohnt hatte. Die Kräfte sind in gesanglicher Hinsicht nicht schlecht und waren zum Teil besser wie dort in Karlsruhe. Es hat mir gut gefallen und ich habe mich wieder einmal nett unterhalten. Das ist schließlich die Hauptsache. Post bekomme ich schon wieder seit einigen Tagen nicht von Dir. Ich hoffe zwar, daß ich heute welche bekomme. Zu beantworten hätte ich also nichts weiter. Ich glaube aber nicht, daß ich Dir über unser Essen hier geschrieben habe. Über die Tischordnung und wie wir essen habe ich Dir schon berichtet. Im großen und ganzen bekommen wir zum Frühstück 3 Schnitten Brot und Butter. Die Brotzuteilung ist nicht überragend viel, aber man gewöhnt sich daran. Mittags gibt es mit meist nur zwei Ausnahmen in der Woche Suppe und einen Hauptgang. An den Ausnahmetagen gibt es dann Eintopf. Fleisch ist immer reichlich, vor allem wenn ich daran denke, was wir für Fleischportionen daheim verzehrt haben. Zum Abendessen haben wir sehr oft warme Kost. An den anderen Tagen gibt es dann kalte Platte, die fast immer Wurst, Käse und Gurke enthält. Die Wurst sind mehrere Scheiben verschiedener Sorten. Beim warmen Abendessen wird entweder Deutsches Beefsteak, Gulasch mit Kartoffeln oder Kartoffelbrei gereicht. Manchmal sind es aber auch zu Kartoffeln Nudeln. Mittags ist es im allgemeinen abwechslungsreich.  Die Suppe ist immer gut und kräftig. Davon kann man nehmen, soviel man will. Das andere erhält man gleich vorbereitet auf dem Teller. Da kann man nicht nachfassen. Ab und zu gibt es aber auch Gelegenheit, etwas nachzufassen. Wenn es abends Bratkartoffeln gibt, das ist manchmal der Fall, dann denke ich immer an die Zeit von zuhause. Da war das schon unsere Art und ich habe sie seither lange vermissen müssen. Wir bekommen dann immer noch etwas dazu.  Das ist dann gewissermaßen für mich Feiertag. An Sonntagen haben wir einige Zeit lang als Nachspeise Eis bekommen. Du siehst daraus, ich habe allen Grund zu schweigen, wenn Ihr von Eisessen berichtet und ich mokiere mich darüber. Im allgemeinen kann ich nicht sagen, daß ich hätte Hunger leiden müssen. Für Trinken ist soweit auch gesorgt. Am Anfang des Monats bekommt jeder, der im Kasino ißt, ein Gutscheinheft. In dem sind Gutscheine enthalten für Wein, Likör, Cognac und Zigarren und Zigaretten. Ich habe mir davon nichts gespart und habe diese Sachen bis jetzt aufgebraucht. Was mit nicht allein gelungen ist, habe ich mit Unterstützung der Kameraden geschafft. Für besondere Fälle habe ich mir einige Flaschen Sekt aufbewahrt, die mir auch zustanden.  DAß man dann keine großen Ersparnisse vom Wehrsold machen kann, das wirst Du Dir denken können. Das ist ja an sich auch nicht vorgesehen. Ich habe hier sonst außer meiner täglichen Tretmühle nichts weiter. Wenn es gut geht, dann kann man am Sonntag Nachmittag bei uns Kaffee trinken. Es gibt sogar Kuchen. Das ist aber so viel, daß man gerade Appetit davon bekommt. Das ist eine dünne Scheibe Fruchtrolle. Mehr gibt es nicht. Dazu kann man wohl Kaffee bekommen. Das ist wohl guter Kaffee, aber die Preise sind genau wo hoch wie in Deutschland. Du hast somit einen kleinen Einblick in unseren Speisezettel bekommen. Was wir so im einzelnen erhalten, kann man ja nicht aufzählen. Das ist schließlich auch nicht der Zweck.  Von den Ketten, die Du mir gesandt hast, kann ich Dir mitteilen, daß sie ihren Mann gefunden haben.  Der Kamerad hat für alle zusammen 18 RM erhalten. Soll ich Dir diese mit zusenden? Ich lege aber keinen Wert darauf, mich weiter mit solchen Geschäften abzugeben. Es liegt mir einfach nicht. Für heute wäre das alles. Ich sende Dir und allen daheim herzliche Grüße. An Vater richte bitte ebenfalls herzliche Grüße aus. Du selbst nimm aber recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                          30.9.42      
Drei Briefe erhielt ich gestern von Dir. Ich bin zwar nicht so ganz zufrieden, wenn Du mir die zusammengeklappten befriedigen mich auf die Größe ihre Inhalts nicht so ganz.  so steht es hier geschrieben  Ich nehme zwar Rücksicht darauf, daß Du während der Zeit eines Besuches nicht so viel Zeit hast und glaube, daß das von Dir aus auch nur für diese Zeit so gedacht ist. Was den Inhalt anbelangt, so hat mir eines Gedanken gemacht und das ist unser Helga. Du schreibst, daß sie so wächst, und daß sie deshalb immer sehr müde sei. Es macht mir vor allem darum Sorge, weil es bei Dir als Kind genau so gewesen ist. Wir wollen doch nicht, daß ihr das später irgendwie einmal anhängt. Ich dachte da zuerst an einen Erholungsaufenthalt in einem Heim. Ich weiß nicht, in welchem Maße Heime von unserer Krankenkasse noch im Betrieb sind.  Vielleicht kannst Du Dich einmal danach erkundigen. Wenn Du anschließend daran mit Dr. Bundschuh Rücksprache nehmen würdest, ob er seinen solche Antrag unterstützt. Da müßtest dabei aber erwähnen, daß Du durch Dein schnelles Wachsen Schwierigkeiten mit der Lunge bekamst. Die Kosten, die und dadurch entstehen würden, könnten wir jetzt ganz gut bestreiten. Nimm Dich einmal dieser Sache an und berichte mir bei Gelegenheit wieder darüber. Ich möchte nur nicht, daß man etwas versäumt.  Das erste Päckchen mit den Eiern ist bei Dir angekommen. Das war also nicht gerade sehr ergiebig für Dich, wenn von den zehn Eiern vier kaputt waren.  Hoffentlich ist es bei den weiteren mit dem Ausfall nicht ganz so schlimm. Es ist schade darum, aber man kann nur immer wieder versuchen. Ich will sehen, wie es mit den nächsten Päckchen ist, die bei Dir anlangen. Wenn andere Sendungen mit den gleichen beschädigten Eiern ankommen, dann wird es wohl nicht viel Zweck haben. Du kannst mir ruhig Deine Ansicht mitteilen. Wenn Du meinst, dann schicke ich sie gern wieder ab, soweit ich welche bekomme. Für den Rasierklingenschärfer von Deinem Vater danke ich Dir vielmals. Ich denke, daß ich mich damit zurechtfinden werde.  Ich will mein Heil damit versuchen. Für die Zusendung der Marmelade danke ich Dir heute schon vielmals. Das wird mir eine willkommene Abwechslung für mein Frühstück sein. Hoffen wir, daß die Päckchen gut ankommen. Die Brotzuteilung für Helga bedeutet schon etwas. Das macht bestimmt was aus. Wie hoch  wäre dann bei der Kürzung die wöchentliche Ration. Ich bin in Zweifel gekommen, weil Du schreibst von 2000 g und in der Zeitung bei uns stand 1500 g. Was ist denn davon richtig? Die Neuverteilung beträgt jetzt allgemein 2250 g.  Du schreibst immer, daß Dein Vater angeln war, aber nie hast Du erwähnt, daß er eigentlich etwas gefangen hat. Das ist zwar nicht das wesentliche, aber es würde mich interessieren. Aus dem Gruß, den Dein Vater beigefügt hat, entnehme ich, daß es ihm gut bei Dir zu gefallen scheint. Mir ist das zwar unverständlich, denn ich habe da wohl zu wenig Empfinden für solche Dinge. Ich könnte es jedenfalls nicht so lange bei Dir aushalten. Ich sage mir aber, schwieriger ist es , die ganze Zeit ohne Dich zu sein, darum würde ich es noch eher in Kauf nehmen, mit Dir zusammen zu sein. Das langt Dir wohl wieder für diesmal.  Die beiden Väter sind nun nach den langen Jahren endlich auch so weit gekommen, daß sie sich mit Du anreden. Da hat wohl für meinen Vater erst viel Überwindung gekostet. Daß aber die Alkoholmengen in dem Maße fließen, daß Du Deinen erst angefangenen Brief wieder aufgeben mußt, weil er vor Cognac wegschwimmt, das ist doch schon ein starkes Stück. Meinen schönen Cognac. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Du das wieder gutmachen kannst. Daß Du Dich mit Deinem Vater ausgesprochen hast, ist mir auch eine Beruhigung. Ich sehe wohl ein, daß das besser ist, wie alle Schreiberei. Eins steht aber fest, daß dieses Fräulein Ludwig eingesehen hat, daß sie ohne uns nicht fuhrwerken kann. Andererseits kann man aus dem Verhalten Deines Vaters entnehmen, daß es ihm nicht einerlei ist, mit uns zu brechen. Es war gut, daß wir gleich mit schwerem Geschütz aufgefahren sind. Wenn wir zu allem Ja und Amen gesagt hätten, wären wir die Eingewickelten gewesen.  Daß Du auf sein Bitten einen Gruß unter seinen Brief geschrieben hast, ist mir an sich gleichgültig. Wenn es ihm Freude macht, soll es mir sogar recht sein.  Jetzt möchte ich wieder schließen. Mein Maß ist wieder voll. Das ist in diesem Fall der Briefbogen. Ich denke, daß dies für einen Tag ausreichend ist. Herzliche grüße und küsse ich Dich und hoffe, daß Ihr alle gesund seid.  Dein Ernst.

Brief 326 vom 26./27.9.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                 26.9.42          
Gestern war ich etwas erregt, als ich Dir über die Ablehnung meines Gesuches durch die Stadtverwaltung geschrieben habe. Wenn das so einen großen Raum eingenommen hat, dann mußt Du mir das nicht weiter übel nehmen. Ich habe mit meinem Chef darüber gesprochen und er ist auch der Ansicht, daß die Ablehnung ihm nicht begründet genug erscheint. Ich soll nach seinem Anraten ruhig Einspruch dagegen erheben. Er ist in Göttingen auch als Bürgermeister tätig und hat als Stadtkämmerer die persönlichen Sachen mit zu bearbeiten. Beim Abendessen sagte er so beiläufig, daß er es nicht wagen würde, einem Mann, der schon jahrelang Soldat ist, einen solchen Bescheid zu geben. Als ich das hörte, hat mir das genügt. An dem Diktatzeichen habe ich gleich erkennen können, daß mein Freund Sachbearbeiter dieses Briefes war. Auch das genügt. Meinst Du nicht auch. Ich will sehen, was ich mir wieder zusammentüftle.  Wenn das Baden zehren sollte, dann müßten ja daheim nur noch Garderobenständer herumlaufen. Ich habe mich entschlossen, für den, der das Schwimmen kann, eine Geldprämie auszusetzen. Wie viel meinst Du, daß ich ihnen geben soll? Ich dachte 3 bis 4 RM. Das paßt mir nicht, daß Jörg sich dabei so passiv verhält. Vielleicht spornt ihn das auch noch an. Ich habe nicht Lust, ihm das mit Gewalt zu diktieren, denn damit erreicht man weniger wie auf diesem Wege. Du kannst ihnen das einmal eröffnen. Helga wird sie sich bald verdient haben. Es dürfte aber ratsam sein, diese Vorausbelobigung auf eine bestimmte Zeit zu befristen. Das überlasse ich aber Dir. Wenn Du mit schilderst, wie unser Junge so über den Zaun geklettert ist und Du dazu bemerkst, daß man an solchen Sachen sieht, was sie in ihrer Entwicklung für Fortschritte machen, dann merkt man erst, was man in der Zeit alles versäumt. Immer ist man erst wieder erstaunt und wundert sich, was sich alles ereignet hat. Ich freue mich aber, daß er sich so herausmacht und kein Duckmäuser ist. DAß Helga in ihrer Art wieder anders ist, versteht sich aber von selbst. Sie ist ein Mädel und braucht nicht so draufgängerisch zu sein. DAß sie auch einen Willen hat und daß sie sich auf ihre Art durchsetzt, das sieht man schon, wie groß ihr Ehrgeiz ist, das Schwimmen zu lernen.  Die Post hat wieder einmal eine Rekordleistung vollbracht. Es ist schon gut, wenn man einmal per Feldluftpost schreibt. Dein Brief vom 5.7. ist nach bald dreimonatiger Laufzeit schon in meinen Besitz gekommen. Ist das nichts? Man kann aber nur abschließend feststellen, es geht nichts verloren.
Daß Du soviel Lauferei mit dem Nachttischlämpchen hast, hast Du nur mir zu verdanken. Wenn ich nicht in meinem Urlaub mit dem Händler Krach angefangen hätte, wäre dies doch nicht notwendig gewesen. Daß Vater im Geschäft solche Schwierigkeiten wegen seinen Verpflegungsmarken hat, ist schon ärgerlich. Mir scheint, daß aber die Firma keinen Zwang ausüben kann. , wenn er nicht mit essen will. Daß man so und solange arbeiten muß, das ist einen zwingende Vorschrift. Daß einem bestimmte Beträge vom Lohn abgezogen werden, ist gesetzlich festgelegt. Daß man aber gezwungen wird, an einem bestimmten Ort seine Mahlzeit einzunehmen, das geht meines Erachtens zu weit und erinnert stark an bolschewistische Methoden. Meines Erachtens hat niemand ein Recht, die Abschnitte einzubehalten. Darüber hat der Empfänger noch freies Verfügungsrecht. Er soll sich die Bestimmungen zeigen lassen, wenn sie tatsächlich bestehen sollten. Das kann er verlangen.  Daß Dich mein Lob bezüglich Deines Aussehens auf dem Foto gefreut hat, ist auch mir recht. Denn man muß ja zusehen in dieser schwierigen Zeit, dem anderen soviel wie möglich Freude zu bereiten. Ich kann es Dir aber nachfühlen, daß Die das gutgetan hat zu wissen, daß Du auf mich immer noch die gleiche Anziehung ausübst wie früher. Daß man die Bilder nicht immer so aufnehmen kann, wie man sie gern haben will, das ist klar. Aber wenn sie scharf genug sind, kann man ja Ausschnitte machen und dann entsprechend Vergrößerungen herstellen lassen. Ich muß nochmals abschließend sagen, die gut angezogene Frau mit der guten und neuen Frisur hat ein gutes Foto oder besser gesagt ein gutes Bild abgegeben.  Daß durch die Unterbringung des Schrankes die Wohnung nicht enger geworden ist, das kann ich mir nicht so richtig erklären. Du hast ganz recht gehabt, als Du die Mangelkarte genommen hast, denn mit dem Obst und was man so aus dem Garten kriegt, ist es nicht so wild. Andererseits wird Vater auch gern etwas nehmen, was Du für Dich nicht brauchst. DAß das Obst auch zuträglich ist und daß Ihr das holt, ist ganz in Ordnung. Es ist schon so, die anderen holen auch das, was wie bekommen, auch wenn sie ihren Bedarf teilweise aus dem eigenen Garten decken. Laß mich wieder schließen und Dich ganz fest grüßen und drücken. Ich sende Dir außerdem noch viele Küsse Dein Ernst.



Meine liebste, beste Frau !                                                            27.9.42       
Dem Wetter merkt man es noch nicht so an, daß es doch sehr stark auf den Herbst zugeht. Nach dem Wetter zu schließen könnte man meinen, man befände sich im Hochsommer. Wir haben hier gegenwärtig noch Tagestemperaturen von 24 Grad im Schatten. Das erinnert an die heißesten Tage. Man kann es fast nicht glauben, daß in wenigen Tagen bereits der Oktober anfängt. Bei den bis jetzt noch ungeklärten Kohlenverhältnissen ist das aber nur zu begrüßen.  Abgesehen von uns, die wir hier in der Stadt sitzen, ist für den weiteren Verlauf der Kampfhandlungen ist das noch ungemein wichtiger. Wir wünschen nur dazu, daß der Wettersturz nicht allzu plötzlich kommt, denn das wirkt dann genau so plötzlich auf den Gesundheitszustand ein. Wenn auch vieles an die schöne Jahreszeit erinnert, da läßt es sich doch nicht übersehen, daß es Herbst ist. Abends wird es zeitiger dunkel und wenn ich bei uns auf dem Essenstisch sehe, dann zeigt sich das ebenso deutlich. Bei uns daheim vor dem Haus stehen die kleinen Astern. Mit anderen Blumen gemischt stehen sie auf dem Tisch und sehen sehr schön aus. Sie erinnern mich aber nicht nur an den Herbst, sondern auch sehr stark an Euch und an unser gemeinsames Zuhause. Auch Dinge, die einem daheim unscheinbar vorkommen, gewinnen hier, wenn man fern von allem ist, viel mehr Bedeutung.  Siegfried schrieb mir gestern eine Karte aus Eilenburg. Wie es aussieht, wieder er noch eine Weile dort bleiben. Du kannst ihm ja einmal meine volle Anschrift mitteilen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß er, wenn er tatsächlich einmal nach dem Osten versetzt werden sollte, kann er mich einmal aufsuchen.  Hier kann man das schon in der Stadt finden, wenn er sich auf die Frontsammelstelle begibt. Für Siegfried und Erna bedeutet dr weitere Aufenthalt in Eilenburg immer noch die Möglichkeit des Wiedersehens. Sein angekündigter Brief, in dem er über die mit Deinem Vater getroffenen abreden schreiben wollte, hat er noch nicht geschrieben. Er macht es sich überhaupt etwas leicht. Bis jetzt hat er es immer sehr kurz gemacht. Ich muß ihm das einmal mitteilen.  Zu Deinen beiden Briefen, die ich gestern erhielt, hatte ich ja noch nichts geantwortet. Ihr habt also mit Deinem Vater auch eine Pfänderfahrt unternommen. Ich kann mir Deinen Vater dabei so richtig vorstellen. Ihn plagt eine ewige Unruhe. Das ist keine Lebhaftigkeit sondern mir ist dies auf die Dauer gesehen direkt lästig. Ich verstehe darum auch nicht, wie er es dann solange beim Angeln aushält. Es ist ja gut so, daß er das macht, denn bei seiner dauernden Hast kann ihm das nichts schaden. Zeit zum stillen Betrachten fehlt ihm vollkommen.  Aus Deinem Schreiben atmet direkt von dieser Unruhe heraus. Ich weiß nicht, ob sich das auf Dich so übertragen hat, oder hast Du das so plastisch geschildert. Mit dem Wetter habt Ihr ja Glück gehabt, das muß ich schon sagen. Daß unserem Jungen die Wellen auf der Heimfahrt so Spaß gemacht haben, kann ich mir denken. Ich glaubt, da hätte er sich am liebsten hineingestellt. Mit der Angelkarte hat es dann noch gut geklappt. Nach Deinem letzten Brief zu schließen, hast Du wieder gleich einige Briefe auf einmal bekommen. Helga wird sich bald ihre Prämie für das Schwimmenlernen geholt haben. Daß die Schwimmstöße noch etwas schnell gehen, das macht für den Anfang nichts aus. Wenn sie sich nur erst vorwärts bewegen kann. Das Langsame kommt dann von selbst.  Sie soll es mit dann aber selbst melden, wenn Du ihr es bestätigt hast. Wenn Du der Ansicht bist, daß es der Nähmaschine nichts ausmacht, wenn sie in der Küche steht, dann ist es ja gleich.  Vor allem, wenn Du aus Platzrücksichten diese Änderung vornehmen mußtest. Jörg hat mein Brief gefallen. Das freut mich. Wenn er während des Aufenthalts Deines Vaters keine Zeit hat, dann ist mir das vollkommen verständlich. Ich sehe Deinen Vater nach den Würmern wühlen. Das interessiert ihn auch nicht weiter, wenn man damit wieder Arbeit hat. Wenn er so wenig Erfolg gehabt hat, das hat ihm wohl nicht ganz in den Kram gepaßt.  Wenn Du Dir einen Hut kaufen willst, dann hatte ich Dir schon geschrieben, daß ich nicht dagegen einzuwenden habe.  Wir bekommen auch nicht immer den Belgrader Sender. Ab und zu hören wir ihn. Ich selbst habe ja keinen Apparat. Ich muß mich dann immer zu den Männern setzen.  Eine kleine Kiste mit Eiern habe ich wieder abgeschickt. Sie gehen heute mit weg. Das Päckchen hat die Nummer 45. Gute Wünsch begleiten sie wieder. Ich bin gespannt, wie die einzelnen Packungen ankommen.  Ich sende Dir einmal wieder einen Brief, von dem ich hoffe, daß er schneller ankommt und daß es Dir nicht geht wie mir.  Recht viele und herzliche Grüße sende ich Dir und den Kindern und für viele Küsse hinzu Dein Ernst.

Brief 325 vom 24./25.9.1942


Liebstes Mädel !                                                     24.9.42     
Dir sende ich wieder meinen täglichen Gruß. Ich hoffe, daß Ihr daheim alle gesund seid. Bei dem Wechsel der Jahreszeit muß man meinst damit rechnen, daß man eine Erkältung mitbekommt. Ich glaube aber, daß bei Euch das Wetter immer noch ganz schön warm ist. Dein Vater muß nun auch wieder an seine Abreise danken. Ich hoffe, daß Ihr gut miteinander ausgekommen seid. Daß es zu keiner großen Meinungsverschiedenheit gekommen ist, ist auch mein Wunsch. Durch die beiden Besuche hast Du in diesem Sommer wieder etwas Abwechslung bekommen, die Dich aus dem Alltag etwas herausgehoben hat. Der erste Besuch wird Dir mehr Freude und Unterhaltung gebracht haben, wie der letzte. Darum habe ich einige Befürchtungen gehabt, als ich nach der ersten Absage Deines Vaters dann doch las, daß er Dich besuchen will. Wie nun auch alles gegangen sein mag, ich werde Deinen Bescheid abwarten müssen. Ich sitze zu weit weg, um überhaupt aktiv in dieser Angelegenheit eingreifen zu können. Siegfried hat mir in seinem Brief auch in Aussicht gestellt, daß er mir über die Besprechungen daheim Bescheid geben würde. Man macht sich Gedanken und Sorgen, weil man glaubt, daß es zuviel für eine Frau ist, aber in Bezug auf Selbständigkeit hast Du während der Dauer des Alleinseins allerhand hinzugelernt. Es ist wohl kein Schade. Ich werde aber später mich sehr verstecken müssen, weil die Selbständigkeit derartige Formen angenommen hat, daß Du auf meine Hilfe und Unterstützung nicht mehr angewiesen sein wirst.  Das Wetter ist direkt erstaunlich schön. Man kann sagen, daß wir seit Mai, von ganz kurzen Unterbrechungen abgesehen, immer schönes Wetter gehabt haben. Auch jetzt kann man noch von spätsommerlichem Wetter sprechen. Am Tag ist es so schön warm. Ich bin heute mit einem Kameraden über Mittag etwas durch die Straßen gelaufen, weil man am Tag nicht aus dem Bau kommt. Es ist schon gut, wenn man sich etwas verläuft, denn man wird ganz steif, wenn man nur paar hundert Meter am Tag läuft und sich dann wieder ins Büro begibt.  Solange man dann im Büro ist, muß man sich wieder an die Kälte gewöhnen. Es kommt ja soweit, daß wir im Laufe der nächsten Zeit aus unserem jetzigen Bau herausziehen. Wie dann die Heizungsverhältnisse werden, haben wir noch nicht ausgekundschaftet. Rosig sieht es bis jetzt nicht für alle aus. Wir warten auf ein Wunder und hoffen alle, daß es auch mit der Heizung klappen wird.  Wegen des Dienstpakets habe ich mich hier nochmal erkundigt. Das muß an die Dienststelle Feldpostnummer 00220 Abt. VII gerichtet werden. Als zweite Adresse muß innen meine weitere Anschrift sein. Das Paket kann man beim Wehrbezirkskommando bezw. beim Wehrbezirksamt aufgegeben werden. Wenn die irgendwelche Anstände machen, dann ist denen zu erklären, daß es bei der Versetzung nicht möglich war, aus der Heimat die Sachen mitzunehmen, die man hier im Osten braucht. Versuche das bitte und schicke mir meinen Trainingsanzug, die Turnschuhe, die Handtücher und was ich sonst noch aufgeschrieben hatte. Nur keine weitere Decke, denn ich habe hier zwei Decken und ich denke, daß ich noch welche bekommen werde.  Für heute grüßt Dich wieder recht herzlich und sendet Dir viele, viele Küsse Dein Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                    25.9.42          
Wenn man genügend Geduld aufbringt und wartet, erreicht einem doch die Post wieder. Ich dachte erst wieder einmal daß ich von der Postversorgung ausgefallen sei, das ist aber nicht der Fall.  Außer Deinen beiden Briefen vom 14. und 15. 9. traf, zwar nicht direkt an mich, sondern an meine Dienststelle, die Antwort auf mein Beförderungsgesuch von der Stadtverwaltung ein. Wie ich schon mit großer Gewißheit erwartet hatte, ist es abgelehnt worden. Es geht gegenwärtig wieder einmal alles daneben. Erst die Sache mit dem Lehrgang und nun diese Geschichte. Ich lasse mich dadurch aber noch nicht entmutigen. Im Moment des Briefeschreibens hat mein Chef die Antwort noch nicht gesehen, ich weiß nicht, ob er von sich aus noch etwas unternimmt. Ich werde aber auf diese Antwort nochmals schreiben und zum Ausdruck bringen, daß ich die erste Prüfung abgelegt habe. Die Beförderung zum Sekretär setzt aber nicht voraus, daß ich erst die zweite Prüfung abzulegen habe, denn die erste Prüfung ist ja die eigentliche Sekretärsprüfung. Ich verlange damit nicht Unbilliges mit meinem Antrag. Diesmal gebe ich mich nicht so leicht zufrieden. Dies auch im Hinblick darauf, daß andere Herren während des Krieges befördert worden sind, die in der Heimat geblieben sind, während wir, die wir hier draußen sitzen, vergessen werden. Ich denke dabei nur an Maier aus der Siedlung. Er ist ohne irgendwelche theoretische Nachweisungen zum Oberinspektor befördert worden. Es wird noch einen Kampf kosten. Ich bin aber nicht gewillt, nachzugeben; jedenfalls nicht eher, bis man mir stichhaltige Gründe entgegensetzt.  Nach Deiner Aufstellung zu schließen, sind wir mit der Beerenernte ganz gut weggekommen. Die Stachelbeeren haben aber doch noch den Ausschlag gegeben. Im nächsten Jahr werden aber die vielen Johannisbeerstöcke das meiste abgeben. Es sei denn, daß allgemein  die Beeren nichts tragen. Ich freue mich immer wieder über den schönen Erfolg. Im allgemeinen hat man, außer mit den Brombeeren, keine große Arbeit.  Dem Besuch Deines Vaters hast Du schon mit der nötigen Fassung entgegengesehen. Ich hoffe, daß der Predigten, die Du erwartet hast, nicht zuviel geworden sind. Für seinen zweiten Aufenthalt habt Ihr auch gleich Bregenz vorgenommen. Hoffentlich war auch das Wetter hold.  Wie ist er denn mit den Kindern ausgekommen? Mit Büchern hat er Euch aber reichlich bedacht, das muß man sagen. Es scheinen alles gute Sachen zu sein. Man kann ja nur nach dem Schriftsteller oder nach dem Titel beurteilen. Auch am ersten Tag ist er nobel gewesen. Das ist ja seine Art. Wenn er ein paar Pfennig in dr Hand hat, dann gibt er sie in den ersten Tagen gleich aus und dann, wenn es dem Ende zugeht, dann wir ihm das Geld knapp. Diese Eigenschaften sind einem von früher noch so bekannt, daß man immer meint, es hätte sich in dieser Richtung nicht geändert. Ich glaube aber, daß es bald so ist.  Dieser Zwiebackkuchen wird sicher nicht schlecht schmecken. Daß Du aber immer noch welchen davon da gehabt hast, zeugt von einer sparsamen Verwendung. Bei diesen Sache wäre ich auch dabei. Daß Ihr Euch mit diesem Zwieback so schön helfen konntet, freut mich immer wieder, wenn ich davon lese, wie Du ihn verwendet hast. Man hätte das schon früher machen sollen.  Die Blechbüchsen dürfen nicht allzu groß sein, denn mehr wie ein Kilo kann man ja nicht schicken. Ich bin genauso gespannt wie Du, wie die Eiersendungen ankommen. Man muß aber versuchen, das, was irgendwie brauchbar erscheint, zu verpacken und nach hause zu schicken. Man kommt dabei auf die eigenartigsten Gedanken. Die Briefumschläge haben Dich auch wieder erreicht. Ich habe gesehen, daß Du sie schon verwendet hast.  Inzwischen habe ich nochmals welche gekauft und Dir zugehen lassen. Ich freue mich darum, daß Du sie gut gebrauchen kannst.  Die Umschläge von Douai waren also die letzten, die Du gehabt hast. Unser Bedarf ist eben zu groß. Ich habe schon allerhand besorgt davon, aber es reicht immer noch nicht aus.  Das Umstechen des Komposthaufens war sicherlich auch etwas schwer für Dich. Ich würde Dir zu gern diese Arbeit abnehmen. Genau wie das Mistheranholen. Aber man kann das nur immer auf dem Papier niederlegen und steht ganz hilflos in der Ferne. Anscheinend hast Du aber im allgemeinen eine gute Ernte gehabt. Ich glaube, daß die meisten Gläser wieder gefüllt sind. Ich las neulich in der Zeitung, daß man die Ringe für die Einmachgläser gegen neue umtauschen kann. Es ist also ratsam, daß man die alten aufhebt.  Herzliche Grüße und viele, viele Küsse sendet Dir Dein Ernst.