Mittwoch, 24. Juni 2015

Brief 19 vom 24./25.6.1940


Meine liebe Annie!                                                                                  U.H., den 24.6.1940

Ich habe mich heute noch geärgert, daß mir der Mantel weggekommen ist, aber das war so, daß wir in den ersten Tagen verschiedene Male umziehen mußten und jedes Mal konnte das nicht schnell genug gehen. Zudem waren wir sehr durch den Dienst in Anspruch genommen. Es kann aber nicht anders sein, als daß er mir gestohlen worden ist, denn sonst hätte ihn der Finder ja abgeben können. So geht´s eben beim Kommis und das kommt auch daher, weil es verschiedenerlei Leute hat, die da zusammen kommen. Es läßt sich zwar nicht mehr ändern, doch man kann sich schon darüber ärgern.
Das Telegramm wird sich ja auch erledigt haben. Ebenso ist ja unser Einsatz auch vorläufig zurückgestellt. Ob wir bei der jetzigen Lage noch drankommen, wird sich zeigen.
Jede Übung ist bei uns jetzt mit einem längeren Marsch verbunden. So auch heute wieder, als wir beim Scharfschießen mit Gewehren waren. Erfüllt habe ich, wie auch die meisten anderen, nicht.
Morgen kommt wieder MG-Scharfschießen dran, während die anderen Kameraden, die keine MG-Schützen sind, wieder einen Ausmarsch haben.
Langweilig wird es uns zwar nicht, wenn auch der Dienst bei dem Marschbataillon nicht mehr so streng ist wie in der Kaserne, doch dafür fehlen uns manche Annehmlichkeiten, die man dort hat.
Mit unserem Ausgang ist es so, daß wir nach Befehlsausgabe, bei der auch die Post verteilt wird, und das ist meistens etwa um 7 Uhr, bis um 10 Uhr für uns dienstfrei ist. Um 10 Uhr muß aber alles in der Falle liegen und manchmal  wird es auch später, so daß man dann lieber da bleibt.
Wenn Du meinst, Du willst den Wein nicht trinken, so überlasse ich Dir dies ganz und gar, ich möchte aber nicht haben, daß Du durch die Photos in Geldknappheit gerätst.
Reicht Dir eigentlich das Geld, was Du jetzt bekommst?
Jörg danke ich wieder für seine Malerei und Helga für ihr Geschriebenes. Sie soll sich nur weiter anstrengen. Sagst Du ihr eigentlich die Fehler, die sie macht, oder wie ist das?
Am Samstag Abend haben wir anläßlich der Kapitulation von Frankreich nach Zapfenstreich von Zimmer zu Zimmer Unterhosen-Prozession gehabt, das war ein erhebendes Bild, kann ich dir sagen.
Das Wetter ist bei uns immer noch sehr schön, aber sehr heiß, so daß wir heftig schwitzen müssen. Aber die Kommiszeit wird auch vorübergehen, womit ich mich immer wieder tröste.
Meine liebe Frau gute Nacht und sei Du wie auch die Kinder herzlich gegrüßt und geküßt und Du nochmals besonders von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                                  U.H., den 25.6.1940

Diesmal war es ein postreicher Tag.
Deinen Brief vom 21. kam heute an, Dein Brief vom 9.6. beigefügt. Weiter erhielt ich je einen Brief von Kurt und vom Kollegen Rieck. Außerdem kam noch ein Päckchen von Dora an. Alle diese Sachen sind erst nach Göding gegangen. Jetzt habe ich nun alles erhalten und muß nun viel beantworten.
Diese Sachen lasse ich Dir alle mit zugehen. Dora ist übrigens nicht ganz gesund, wie sie schreibt.
Deine Briefe haben mich alle beide wieder erfreut, besonders auch die Berichte über die Kinder, ersehe ich doch daraus, was die beiden treiben. Daß Jörg so stark ist, ist ja sehr erfreulich, da wird er sicher sehr stolz sein. Daß sich beide beim Schreiben nicht so stark beteiligen, kann ich ihnen wirklich nicht übel nehmen. Sie sollen sich nur im Feien tummeln, denn das glaube ich, daß sie ihren Vater nicht vergessen.
Wegen der Fahrt von Helga nach Leipzig habe ich Dir ja meine Meinung schon geschrieben, es würde sich nun noch darum handeln, wann sie Ferien bekommt, denn es kann ja gut möglich sein, daß bei dem Tempo der Kriegsführung bis dahin schon Frieden ist. Wollen wir also das Beste hoffen.
Wegen meinem Geburtstag habe ich Dir ja schon geschrieben.
Die Erdbeerernte ist in diesem Jahr also nicht sehr reichlich ausgefallen, nachdem Du aber so wenig Zucker hast, trifft es sich ja auch wieder gut.
Wir haben heute, wie ich Dir gestern schon schrieb, MG-Scharfschießen gehabt. Diese Übung habe ich wieder erfüllt und mein Nimbus, daß ich auch zu etwas brauchbar bin, ist wieder etwas gestiegen. Ebenfalls hatte wieder ein Großteil diese Übung nicht erfüllt. Am Nachmittag war bei uns Sport angesetzt. Ein großer Teil der Kameraden hatte es hierbei vorgezogen, die Badegelegenheit in der March zu benutzen. Diese ist etwa 30 m breit, sehr lehmig und hat ziemliche Strömung. Ich bin zwei Mal durchgeschwommen, was ich als wahre Wohltat empfunden habe. Na, Du kennst ja meine Schwäche fürs Wasser. Heute Abend fühle ich mich aber danach etwas müde, weil ich es nicht mehr so gewohnt bin.
Darum brauchst Du Dir also keine Sorge zu machen, wenn mein Geldverbrauch jetzt etwas gesteigert ist, das ist auch so eine Kommisangewohnheit, die daheim wieder verschwindet. Ich werde mich jedenfalls bemühen, Dich nicht um Geld anzupumpen, damit Du und die Kinder nicht darunter leiden müßt. Ich werde wieder einige Abende daheim bleiben und schon ist das Geld wieder gespart. Sei Du liebe Mädel vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Küsse die Kinder von ihrem Vater und grüße unseren Vater.

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