Meine liebe Annie! Ung.
Hradisch, den 11.6.1940
Gestern habe ich Dir mitgeteilt, was man
mit uns vor hat.
Morgen kommt das vor uns ausgebildete
Marschbataillon fort. Wir werden dann später nach Vollendung unserer Division
zugeteilt, die wahrscheinlich irgendwo in Frankreich kämpft. Es ist uns
angekündigt worden, daß wir jetzt mit großen Märschen zu rechnen haben und daß
wir daraufhin durchgebildet werden.
Wir waren gestern in einer Schule und zwar
im hiesigen Realgymnasium. Die Reinlichkeit bei den Tschechen scheint nicht
gerade eine hervorragende Rolle gespielt zu haben. Die Aborte sind verschmiert
und schmutzig. Wir müssen uns eben mit diesen behelfsmäßigen Zuständen
abfinden, denn wir sollen morgen sicher wieder umziehen.
Heute bin ich von 18 Uhr bis morgen 18 Uhr
auf Wache, damit ich das auch einmal kennen lerne. Ich habe mich dazu
freiwillig gemeldet. Wir müssen dabei während der ganzen Zeit umgeschnallt
lassen, ebenso die Gasmaske. Es wird einem eben dabei nicht zu leicht gemacht;
das gehört ja auch zur Abhärtung.
Bei unserer neuen Einheit haben wir wieder
andere Vorgesetzte, an die wir uns wieder gewöhnen müssen. Unser letzter
Feldwebel in Göding hat zu uns immer gesagt, so dumme Kerle wie uns hätte er
noch nie gehabt. Obwohl wir mit ihm nun 14 Tage beieinander waren, hat er sich
von uns 3 - 4 Mal verabschiedet und man hat ihm angemerkt, daß es ihm nicht
einerlei war, daß wir wieder fort sind. Man sieht also daraus, daß er mit den
Leistungen von uns alten Knaben zufrieden war.
Hier sind wir mit Leuten zusammen, die
teilweise schon 8 Wochen und länger gedient haben und die zum Teil erst 23 - 28
Jahre alt sind. Es wird sich nun zeigen, ob wir diesen Jungen auch gewachsen
sind.
Ich will es jedenfalls nicht bezweifeln
und ich für meinen Teil werde wie bisher mein äußertest tun; mehr kann man
nicht verlangen. Ob die einzelnen Blindgänger, die ja überall dabei sind,
auffallen, soll mir gleich sein. Vorerst wird es, wie ich Dir ja gestern schon
schrieb, immer wieder Appelle geben, bis alles in Ordnung ist. Hier wird sehr
darauf gesehen, daß jeder seine Sachen hat was ihm zukommt. Auch hier haben wir
bis jetzt gutes und reichliches Essen, wir hoffen, daß es auch so bleibt.
Hier sind sehr ausgedehnte
Kasernenanlagen, die von dem Tschechen noch gebaut worden sind und scheinbar
erst kurz vor der Übernahme durch uns fertig geworden sind. Auch sonst der Ort, wie wir ihn bis jetzt gesehen
haben, macht einen geordneteren Eindruck wie Göding.
Wenn wir ja einmal Ausgang erhalten
sollten, so werden wir das ja feststellen. In Göding sind wir ja nie
fortgekommen, außer einmal, wo wir im Kino waren.
Wenn sich bei Euch irgendetwas ereignet,
gerade so wie die Bombardierung bei Euch, so schreibe mir das bitte, denn es
ist mir nicht recht, wenn ich es von anderen erfahre. Ich bin dann beruhigter,
wenn ich so etwas von Dir gleich erfahre.
Ich muß nun immer wieder feststellen, daß Du dich des Gartens
in ganz intensiver Weise annimmst. Ihr werdet jetzt fest Erdbeeren haben, auch
die Johannisbeeren werden langsam reifen. Sag
mal, trinkst du eigentlich den Wein, wie wir es besprochen hatten?
Weiter möchte ich Euch bitten, geht zum Baden, wenn es nur irgendwie möglich
ist. Schickt mir bitte ja kein Obst, denn das wäre ja doch nur verdorben, bis
es hierher kommt, vor allem, wo man nicht weiß, wie lange man hier ist.
Helga hat sich aber sehr angestrengt mit
ihrem Schreiben und sie hat nicht einmal viel Fehler, vor allem, wenn man
berücksichtigt, daß sie es ganz aus sich heraus geschrieben hat.
An Deine Eltern werde ich heute auch
schreiben, damit sie meine neue Anschrift erhalten. Ebenfalls werde ich sicher
noch an Nanni schreiben.
Das Wetter ist seit dem Regentag, den ich
Dir von Göding gemeldet hatte, hier immer schön gewesen. Der Himmel ist hier
fast den ganzen Tag blau, fast wie im Süden. Eigenartigerweise haben wir hier
schon zeitiger dunkel wie bei Euch und zwar zwischen 9 und 1/2 10 Uhr abends;
doch geht nun diese Zeit der Tag schon um die gleiche Zeit früher an, wie er im
Verhältnis zu Euch aufhört.
Auf Posten nichts neues. Soeben bin ich
von meinem Streifendienst zurück und es ist jetzt Mitternacht. Der Mond und die
Sterne haben auf uns geschienen und wir haben unsere Runden gezogen.
Ausgerüstet mit Gewehr und 10 scharfen Patronen. Leuchtpistole und dazugehörige
Munition. Geschlafen habe ich noch nicht, doch bis zur nächsten Streife um 4
Uhr werde ich mich noch etwas auf die Pritsche legen. Sie ist zwar hart und
umgeschnallt muß man dabei auch lassen, aber man kann sich dabei etwas
ausstrecken. Ihr werdet jetzt sicherlich schlafen und werdet kaum ahnen, daß
ich noch munter bin.
Ihr braucht aber den Schlaf sicher auch,
denn auch an Euch werden am Tage viel Anforderungen gestellt. Schlaft Ihr gut
weiter. Sei Du vielmals und recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Küsse die Kinder vielmals von mir.
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