Freitag, 19. Juni 2015

Brief 16 vom 17./18.6.1940


Meine liebe Annie!                                                                  U.H., den 17.6.1940

Heute habe ich mein Luderleben einmal unterbrochen, trotz der Kapitulation von Frankreich. Verschiedene Kameraden wollten mich wieder zum Fortgehen verleiten, doch heute will ich einmal wieder sparen.
Wir haben heute früh einen Ausmarsch von 20 km gehabt. Es war wirklich sehr schön heute Vormittag. Unser Leutnant, der die Kompanie führt, war sehr anständig mit uns. Er hat uns in dem einen Ort, es mutete eher wie ein Dorf an, eine Stunde Pause gegeben. Dort war der Sitz eines Bischofs. Eine wunderbare Kirche, die einen gewaltigen Eindruck hinterlassen hatte, konnten wir besichtigen. Anschließend konnten wir uns stärken, was wir auch besorgt haben.
Interessant war dabei, daß man hier den Ursprung der Messe beobachten konnte. Es waren so Jahrmarktbuden aufgebaut, die allen möglichen Kram verkauften.
Am Nachmittag sind wir strenger rangenommen worden. Unsere Ausbildungsvorgesetzten haben keinen günstigen Eindruck bei uns hinterlassen. Wir haben alle nur den einen Wunsch, recht bald irgendwo eingesetzt zu werden. Nach den jetzigen Ereignissen kann es ja sein, daß man uns dann bald braucht. Doch unterkriegen lassen wir uns nicht.
Post habe ich heute keine von Dir erhalten, doch Kameraden, die heute in Göding waren, haben mir einen Brief von Dir angekündigt.
Über eine Woche sind wir nun hier und es wird sich nun zeigen, wie lange wir es hier noch aushalten müssen.
Nach langer Zeit hat es wieder einmal geregnet, was sich beim Putzen der Sachen sehr bemerkbar macht. Da ich heute daheim geblieben bin, habe ich mich wieder einmal einer gründlichen Reinigung unterzogen, was bei den gegebenen Umständen hier nicht so einfach ist, weil man das nur im Schulhof machen kann.
Schlafe gut und bleibe gesund. Sei Du vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Küsse die Kinder herzlich von mir und grüße sie vielmals von ihrem Vater.


 Meine liebe Annie!                                                                          U.H., den 18.6. 1940

Nun habe ich auf einmal 4 Briefe von Dir erhalten.
Ich habe da viel zu lesen gehabt und habe dabei wieder erfahren, wie es Euch geht und was Ihr treibt.
Laßt Euch nun das Obst soweit es heranwächst gut schmecken.
Die Bilder sind wieder durchweg alle gut geraten und Du lachst ja fest auf dem Bild. Da hast Du ganz recht, wenn du das machst, denn das sieht man viel lieber. Jetzt habe ich aber so viele Bilder da, daß ich sie gar nicht alle mehr aufbewahren kann, weil alles aufträgt und Platz habe ich keinen, weil doch alles auf den Abmarsch eingerichtet ist.
Morgen haben wir wieder einen Marsch von 20 km mit Gepäck. Die Füße müssen schon tüchtig herhalten, weil man außerdem den ganzen Tag rumspringen muß. Wenn man sich einmal gründlich ausruhen könnte, wäre das eine Wohltat. Wir müssen aber auf Härte durchgebildet werden und wir wünschen nun, daß wir bald wegkommen von hier, dies vor allem auch deshalb, weil wir bei unserer Sonderausbildung einige Vorgesetzte haben, die nicht gerade sanft mit uns umgehen. Mit Ausdrücken wird dabei nicht gespart.
Mit dem Bild von mir war das bis jetzt so eine Sache. Wie Du weißt, haben wir bis vor kurzem keinen Ausgang gehabt und am Sonntag habe ich die Gelegenheit wahrgenommen und habe mich aufnehmen lassen. Sobald ich die Bilder habe, schicke ich Dir diese zu, Du kannst sie dann verwenden wir Du willst. Ich meine, Du kannst ja dann Deinen  Eltern einige schicken oder sonst wem.
Grüße und küsse die Kinder vielmals von mir und sei Du selbst herzlich und oft gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

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