Freitag, 12. Juni 2015

Brief 14 vom 12.06.1940


Mein liebe Frau!                                                                                   U.H., den 12.6.1940

 Mittag ist wieder vorbei und die meiste Zeit unserer Wache haben wir hinter uns. Jetzt muß ich noch einmal von 4-6 Uhr Streife machen. Müde bin ich ja schon ziemlich, denn die Wärme macht einem schon zu schaffen. Wenn man immer so seine Runden ziehen muß, so wirkt das mit der Zeit erschlaffend, vor allem, wenn man nur so wenig geschlafen hat.
Wie ich Dir gestern schon geschrieben hatte, sind wir jetzt mit anderen Leuten zusammen gekommen, die in ihrem Benehmen fast noch die reinen Kinder sind. Ich habe bis jetzt noch einige Kameraden von Göding hier dabei, mit denen ich mich so einigermaßen verstehe, und ich hoffe, daß ich mit diesen beieinander bleiben kann. Wieder ist eine Woche vergangen und nun sind es 4 Wochen, seit ich von Euch fort bin.
Seit diesem Tage habe ich beim Kommis vieles erlebt und auch gelernt. Ihr habt Euch an die Trennung nun gewöhnt, ich ja schließlich auch, aber, das gegenwärtige Leben wird einem mit der Zeit langweilig, weil es so ein Herumzigeunern ist, weil man immer wieder umziehen muß und keine feste Bleibe hat.
Heute ist unsere Kompanie wieder in eine andere Schule umgezogen, wo wir sicher so lange bleiben werden, bis wir wegkommen.
Über den Zeitpunkt des Abtransports sind die verschiedenen Gerüchte im Umlauf. Es wird aber auch hierbei am besten sein, man läßt die Dinge auf sich zukommen.
Es hat geheißen, unsere Post von Göding sei nachgeschickt worden, wir wollen nun sehen, ob es stimmt. Meine neue Anschrift hast Du ja nun bald und dann wird ja die Post hierher gesandt werden.
An Deine Eltern habe ich soeben geschrieben, damit sie auch wieder wissen, wo ich stecke.
Soeben kommen wir von unserem ersten Ausgang zurück. Ich habe mir heute etwas Wein und Knödel und Ei geleistet. Es hat  ausgezeichnet geschmeckt. Kameraden haben mir gerade 2 Briefe von Dir ausgehändigt, die ich noch nicht lesen konnte, weil gleich Zapfenstreich ist.
Gute Nacht, liebes Mädel, und sei vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


 Meine liebe Annie!                                                                                  U.H., den 13.6.1940

Gestern Abend und heute habe ich Deine Briefe gelesen und mich wieder sehr darüber gefreut, in welch liebevoller Weise Du an mich gedacht hast.
Die Bilder hast Du wieder fein gemacht, auch da muß ich Dir mein Lob aussprechen und für Deine sinnvolle Änderung des Schränkchens ebenfall.
Unseren Wachdienst haben wir nun hinter uns und trotz großer Müdigkeit haben wir gestern die Gelegenheit benutzt und sind ausgegangen. Nachdem wir nun 4 Wochen unter Kommandogewalt stehen, ist es doch angenehm, wenn man in der Freizeit einmal hingehen darf, wo man will.
Wir sind in eine Wirtschaft gegangen und haben etwas getrunken und gegessen, einmal ohne Soda. Der Wein war ausgezeichnet, den ich getrunken hatte. Um 10 Uhr mußten wir wieder da sein.
Wenn wir unsere Soldbücher wieder haben, so können wir bis 11 Uhr ausbleiben. Die anderen Kameraden, die keine Wache hatten, waren gestern durch Dienst nicht gerade sehr beansprucht worden und wir bis heute Mittag auch noch nicht. Es kann aber sein, daß sie uns in den nächsten Tagen schon richtig rannehmen.
Daß Du meine Post so unregelmäßig erhältst, wundert mich , denn ich schicke sie immer laufend weg; woran das liegt, kann ich mir auch nicht recht erklären. Wahrscheinlich wirst Du die 5 Päckchen erhalten haben, was mich sehr freuen würde.
Siegfried hat es ja dann ganz gut getroffen und er hat ja dann Aussicht, nicht mehr direkt an die Front zu müssen, wenn es so bleibt. Das Stiefelputzen und das Putzen der anderen Sachen macht mir auch heute noch keine große Freude, es muß aber ohne Murren getan werden. Im Übrigen gewöhnt man sich ja an alles, was aber nicht heißen soll, daß ich diese Kommisgewohnheit auch noch daheim auszuüben beabsichtige. Ich möchte Dir, wenn ich einmal wieder heimkommen sollte, keines Deiner Privilegien streitig machen.
Heute Nachmittag war ich zum Haareschneiden in der Stadt. Die Leute sind uns freundlich entgegengekommen, mit denen wir zusammen gekommen sind. Untereinander sprechen sie tschechisch aber sonst können sie gut deutsch reden.
Eis habe ich auch gegessen, aber bei uns schmeckt das wieder besser. Jedenfalls ist es wieder einmal ein anderes Gefühl, wenn man mal wieder frei ausgehen kann.
Sie Du vielmals grüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Küsse die Kinder von mir und sage ihnen, sie sollen nur brav sein und Dich nicht ärgern. Grüße Vater ebenfalls.

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