Samstag, 13. Juni 2015

Brief 15 vom 14./16.6.1940


Meine liebe gute Frau!                                                       U.H., den 14.6.1940  

Ich hatte die Absicht, nicht auszugehen, doch meine Kameraden und die Preisgabe von Paris haben mich verleitet. Andererseits ist es so, daß wir, wenn wir hier fortkommen, weniger Gelegenheit dazu haben.
Post habe ich noch nicht wieder von Dir erhalten, doch es soll noch welche beim Bataillon liegen, die morgen verteilt werden soll. Ich glaube, daß welche für mich mit dabei sein wird.
Heute hatten wir, wie die letzten Tage, Appell, nur zum Unterschied, daß es einmal wieder ein großer war. Man gewöhnt sich an alles und läßt sich durch nichts mehr erschüttern.
Morgen haben wir wieder exerzieren und am Sonntag auch Gewehrappell. Der Dienst ist bei der Marscheinheit nicht mehr so streng und etwas gelockerter.
Nächste Woche soll bis zu unserem Abtransport der Dienst etwas strenger sein, doch das macht ja nichts, jedenfalls sind wir nicht mehr, wie es in Göding der Fall gewesen wäre, die Rekruten.
Morgen haben wir bis  11 Uhr Ausgang. Wahrscheinlich werde ich dann noch ins Kino gehen, wenn wir nicht, wie angekündigt, durch die Kompanie dorthin geführt werden.
Der Dienst, wie er jetzt ist, ist ohne weiteres zu ertragen nur mit der Einschränkung, daß man bedeutend mehr Geld verbraucht als bisher, doch bis jetzt langt es mir und ich brauche Dich nicht anpumpen, sollte dies doch noch notwendig werden, so werde ich Dir rechtzeitig Bescheid zukommen lassen.
Wir werden, wie unser Hauptmann uns heute wiederum bekannt gab, demnächst bestimmt im Westen eingesetzt, doch wenn sich die Dinge dort so überstürzen, werden wir bald noch zu spät kommen. Wir müssen selbstverständlich den Dingen ihren Lauf lassen.
Sei Du, liebes Mädel, vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Grüße und küsse die Kinder herzlich von mir und grüße Vater von mir.


Meine liebe Frau!                                                                U.H.,den 16.6.1940

Wieder haben wir Sonntag und mich würde jetzt interessieren, was Ihr heute macht, doch bis in einigen Tagen werde ich es ja von Dir wieder wissen.
Ich bin heute Nachmittag mit meinen 2 Kameraden, mit denen ich jetzt immer beieinander bin, wieder von der Kaserne abgerückt und wir haben uns in einen Wirtschaftsgarten gesetzt. Wir haben seit 2 Uhr frei und man sehnt sich doch wieder darnach, aus dem Zwang des Kommis für einige Stunden herauszukommen, obwohl wir uns über zu strengen Dienst nicht beklagen können. Wir wissen ja nicht, wie lange wir noch hier sind und wie lange wir noch Gelegenheit haben, uns so zu bewegen.
Ich nehme an, daß Du Verständnis für mein Verhalten hast. Ich brauche jetzt natürlich mehr Geld, wie es daheim der Fall war.
Gestern erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 10. und 11., sowie auch Dein Päckchen. Das hast Du aber fein berechnet, daß der Kuchen zum Sonntag ankommt. Heute früh habe ich fast die Hälfte gegessen und den Rest werde ich auch bald verzehren. Eines bitte ich Dich aber, schicke mir bitte vorerst keinen Kuchen oder Gebäck, weil ich jetzt keine Gelegenheit habe, es fortzuschließen und alles auf meinem Strohsack aufbewahren muß. Zudem ist es unsicher, ob es mich hier noch erreicht und wenn es länger auf der Post liegt, geht alles nur kaputt.
Deine Frage wegen meiner Waffe hatte sich ja, wie Du selbst schreibst, von selbst erledigt. Es ist aber nicht so, daß man sich dazu meldet, sondern man wird dazu einfach eingeteilt.
Im Laufe der kommenden Woche wird man uns auch an unserer Waffe weiter ausbilden.
Die letzten Tage war es neben der Sonnenhitze auch noch schwül, daß es einem den Schweiß aus allen Poren tritt. Hoffentlich kommt bald die notwendige Abkühlung. In den nächsten Tagen werde ich die überflüssige Wäsche, die mir in meinen Tornister im Wege ist, zurückschicken. Sollte ich hier einen der üblichen Wäschebeutel erhalten, so werde ich Dir wieder darum schreiben.
Gestern waren wir hier zum Theater. Es war das Berliner Lessingtheater mit Lotte Werkmeister zu Gast. Es war ganz unterhaltend und für uns eine angenehme Abwechslung. Sonst ist es nicht so einfach, hier einmal ins Kino zu gehen, denn bis jetzt habe ich nur ein Kino entdeckt, in dem z.Zt. ein tschechischer Film gespielt wird, doch in der kommenden Woche wird der ungetreue Eckehard gespielt, wo ich wahrscheinlich am Samstag hingehen werde, sofern wir bis dahin noch hier sind.
Jörg hat sich jetzt auf die Obstmalerei verlegt. Das ist ja alles wieder ganz nett geraten und ich freue mich jedes Mal darüber, wie er es so genau nimmt. Helga ist, wie mir scheint, durch die unregelmäßige Schule wieder etwas mehr in Anspruch genommen. Sie sollen nur beide richtig parieren. Die Baderei macht ihnen sicher wieder Spaß. Ja, das Baden und den See vermisse ich sehr bei diesem Schwitzen.
Ich möchte  mich nun , nachdem der Tag wieder abgeschlossen ist, zur Ruhe begeben und sage Dir gute Nacht, mein liebes Mädel. Sei vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Grüße Vater herzlich von mir.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen