Meine liebe gute Frau! U.H., den 14.6.1940
Ich hatte die Absicht, nicht auszugehen,
doch meine Kameraden und die Preisgabe von Paris haben mich verleitet.
Andererseits ist es so, daß wir, wenn wir hier fortkommen, weniger Gelegenheit
dazu haben.
Post habe ich noch nicht wieder von Dir
erhalten, doch es soll noch welche beim Bataillon liegen, die morgen verteilt
werden soll. Ich glaube, daß welche für mich mit dabei sein wird.
Heute hatten wir, wie die letzten Tage,
Appell, nur zum Unterschied, daß es einmal wieder ein großer war. Man gewöhnt
sich an alles und läßt sich durch nichts mehr erschüttern.
Morgen haben wir wieder exerzieren und am
Sonntag auch Gewehrappell. Der Dienst ist bei der Marscheinheit nicht mehr so
streng und etwas gelockerter.
Nächste Woche soll bis zu unserem
Abtransport der Dienst etwas strenger sein, doch das macht ja nichts,
jedenfalls sind wir nicht mehr, wie es in Göding der Fall gewesen wäre, die
Rekruten.
Morgen haben wir bis 11 Uhr Ausgang. Wahrscheinlich werde ich
dann noch ins Kino gehen, wenn wir nicht, wie angekündigt, durch die Kompanie
dorthin geführt werden.
Der Dienst, wie er jetzt ist, ist ohne
weiteres zu ertragen nur mit der Einschränkung, daß man bedeutend mehr Geld
verbraucht als bisher, doch bis jetzt langt es mir und ich brauche Dich nicht
anpumpen, sollte dies doch noch notwendig werden, so werde ich Dir rechtzeitig
Bescheid zukommen lassen.
Wir werden, wie unser Hauptmann uns heute
wiederum bekannt gab, demnächst bestimmt im Westen eingesetzt, doch wenn sich
die Dinge dort so überstürzen, werden wir bald noch zu spät kommen. Wir müssen
selbstverständlich den Dingen ihren Lauf lassen.
Sei Du, liebes Mädel, vielmals gegrüßt und
geküßt von Deinem Ernst.
Grüße und küsse die Kinder herzlich von mir
und grüße Vater von mir.
Meine liebe Frau! U.H.,den 16.6.1940
Wieder haben wir Sonntag und mich würde
jetzt interessieren, was Ihr heute macht, doch bis in einigen Tagen werde ich
es ja von Dir wieder wissen.
Ich bin heute Nachmittag mit meinen 2
Kameraden, mit denen ich jetzt immer beieinander bin, wieder von der Kaserne
abgerückt und wir haben uns in einen Wirtschaftsgarten gesetzt. Wir haben seit
2 Uhr frei und man sehnt sich doch wieder darnach, aus dem Zwang des Kommis für
einige Stunden herauszukommen, obwohl wir uns über zu strengen Dienst nicht
beklagen können. Wir wissen ja nicht, wie lange wir noch hier sind und wie
lange wir noch Gelegenheit haben, uns so zu bewegen.
Ich nehme an, daß Du Verständnis für mein
Verhalten hast. Ich brauche jetzt natürlich mehr Geld, wie es daheim der Fall
war.
Gestern erhielt ich Deine beiden lieben
Briefe vom 10. und 11., sowie auch Dein Päckchen. Das hast Du aber fein
berechnet, daß der Kuchen zum Sonntag ankommt. Heute früh habe ich fast die
Hälfte gegessen und den Rest werde ich auch bald verzehren. Eines bitte ich
Dich aber, schicke mir bitte vorerst keinen Kuchen oder Gebäck, weil ich jetzt
keine Gelegenheit habe, es fortzuschließen und alles auf meinem Strohsack aufbewahren
muß. Zudem ist es unsicher, ob es mich hier noch erreicht und wenn es länger
auf der Post liegt, geht alles nur kaputt.
Deine Frage wegen meiner Waffe hatte sich
ja, wie Du selbst schreibst, von selbst erledigt. Es ist aber nicht so, daß man
sich dazu meldet, sondern man wird dazu einfach eingeteilt.
Im Laufe der kommenden Woche wird man uns
auch an unserer Waffe weiter ausbilden.
Die letzten Tage war es neben der Sonnenhitze
auch noch schwül, daß es einem den Schweiß aus allen Poren tritt. Hoffentlich
kommt bald die notwendige Abkühlung. In den nächsten Tagen werde ich die
überflüssige Wäsche, die mir in meinen Tornister im Wege ist, zurückschicken.
Sollte ich hier einen der üblichen Wäschebeutel erhalten, so werde ich Dir
wieder darum schreiben.
Gestern waren wir hier zum Theater. Es war
das Berliner Lessingtheater mit Lotte Werkmeister zu Gast. Es war ganz unterhaltend
und für uns eine angenehme Abwechslung. Sonst ist es nicht so einfach, hier
einmal ins Kino zu gehen, denn bis jetzt habe ich nur ein Kino entdeckt, in dem
z.Zt. ein tschechischer Film gespielt wird, doch in der kommenden Woche wird
der ungetreue Eckehard gespielt, wo ich wahrscheinlich am Samstag hingehen
werde, sofern wir bis dahin noch hier sind.
Jörg hat sich jetzt auf die Obstmalerei
verlegt. Das ist ja alles wieder ganz nett geraten und ich freue mich jedes Mal
darüber, wie er es so genau nimmt. Helga ist, wie mir scheint, durch die
unregelmäßige Schule wieder etwas mehr in Anspruch genommen. Sie sollen nur
beide richtig parieren. Die Baderei macht ihnen sicher wieder Spaß. Ja, das Baden
und den See vermisse ich sehr bei diesem Schwitzen.
Ich möchte mich nun , nachdem der Tag wieder abgeschlossen ist, zur Ruhe
begeben und sage Dir gute Nacht, mein liebes Mädel. Sei vielmals gegrüßt und
geküßt von Deinem Ernst. Grüße Vater herzlich von mir.
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