Meine liebe Annie! Göding,
den 9.6.40
Morgen müssen wir nun um 5 Uhr von hier
fort. Das ist der letzte Brief von hier.
Vorerst fahren wir nach Ung. Hradisch, das
ist etwa noch 30 km NW von hier, dort werden wir wahrscheinlich zusammen gestellt.
Wir nehmen an, daß wir irgendwo als Besatzungstruppe verwendet werden, ob dies
aber stimmt, wird sich ja zeigen.
Ich schicke heute noch einige Sachen
zurück, die nur hinderlich sind. Das Besteck habe ich mir hier gekauft gehabt
und die Bürste darf ich nicht verwenden.
Die Wäsche ist ordentlich durchgeschwitzt
und bedarf der gründlichen Reinigung.
Es ist eigenartig beim Kommis; heute früh
sind wir fast den halben Vormittag rumgesessen und als wir unsere Sachen gefaßt
hatten, ging wieder alles nicht schnell genug. Doch unseren Appell haben wir
hinter uns und auch alles andere wird sich wieder finden.
Unsere Erkennungsmarke haben wir gefaßt.
Meine lautet 4./Inf.Ers.Vatl.460 A 815.
Eiserne Portionen haben wir auch gefaßt,
es sieht also schon ernst aus.
Gestern hatten wir noch die Gasprobe
machen müssen und ärztliche Massenuntersuchung ist auch schon vorbei. Ich werde
Dir wieder umgehend schreiben. Unsere Märsche habe ich soweit überstanden.
Die angeschlossenen Schecks kannst Du
einreichen und evtl. bei einem Zigarettenhändler einlösen oder direkt
einsenden, das überlasse ich Dir aber ganz allein, ob Du Lust dazu hast.
Heute von 4 Wochen waren wir auf dem
Haldenhof, da war es aber doch schöner wie hier. Das war doch ein schöner Tag,
den wir uns da geleistet hatten.
Was machen unsere Bäume, tragen die eigentlich
etwas oder ist alles runtergefallen?
Helga hat sich aber wieder fest
angestrengt mit ihrem Schreiben, auch Jörg. Gib beiden einen festen Kuß von
mir.
Herzlich grüßt und küßt Euch alle in Liebe
Euer Vater und Ernst.
An die Kommismanieren habe ich mich auch
schon gewöhnt; aus der Flasche kann ich jetzt trinken und essen kann ich mit
dem Taschenmesser. Ja, da staunst Du, wie man da das Heikelsein aufgibt.
Gute Nacht und schlafe gut.
Mein liebe Annie! U.H.,
den 10.6.1940
Wir sind in einer tschechischen Schule
untergebracht und zwar behelfsmäßig.
Wir wurden hier zu einem
Ers.Marsch-Batall. zusammengestellt, das dann in Frankreich eingesetzt werden
soll. Wir werden demnächst sehr viel marschieren müssen, doch werden wir
vorher noch verschiedene Appelle über
uns ergehen lassen müssen.
Meine Anschrift lautet jetzt:
Schütze E.R. 3/J.E.B. 470(IV) Ung.
Hradisch.
Das andere alles wie sonst. Ich habe heute
Mittag die beiliegende Karte geschrieben, doch ich möchte Dir gleich meine neue
Anschrift mitteilen, damit Du weißt, wo ich stecke. Ich habe deshalb einem 20
Pfennig gegeben, damit er meine Stiefel mit putzt und ich Dir dafür schreiben
kann.
Sei herzlichst gegrüßt und geküßt von
Deinem Ernst .
Küsse die Kinder von mir und grüße Vater
von mir, denn Kurt wird ja schon wieder fort sein bis mein Brief ankommt. Dora
hat doch demnächst Geburtstag, schreibe ihr nur noch. Die Schokolade, die Du
mir mitgegeben hast, habe ich erst heute angefangen mit essen, bin ich da nicht
sparsam?
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