Freitag, 29. Mai 2015

Brief 7 vom 29.5.1940


Meine liebe Frau!                                                                                 Göding, 29.5.1940                         

 Wie ich Dir gestern schon geschrieben habe, war es für mich eine große Freude, als ich Dein Päckchen erhielt und weiter hat es mich gefreut, daß Du mir so schnell meinen Wunsch erfüllt hast. Ich bin nur gespannt, wann Dein anderer Brief hier eintrifft.
Den Blumengruß habe ich auch mit dankbarer Freude aufgenommen. Helga und Jörg haben sich aber angestrengt.
Heute früh sind wir mit unseren Geräten auf den Exerzierplatz marschiert, dabei habe ich eine Last von etwa 6o Pfund auf dem Rücken zu tragen gehabt. Ich war gerade froh, als wir draußen waren.
Wenn man dann den Vormittag damit exerzieren und herumspringen muß und die Sonne prasselt die ganze Zeit dabei auf den Kopf, so weiß man, was man bis Mittag geschafft hat.
Das Mittagessen hat mir nicht gerade geschmeckt, denn wir hatten Eintopf, wo Kartoffeln, Nudeln und Fleisch zusammengekocht waren. Das ist aber so, daß es sich ein anderes Mal ausgleicht. Ich habe aber von einem Kameraden noch ein Stück Wurst erhalten, so kann man wieder für den Nachmittag ausgleichen.
Jetzt habe ich mir wieder eine Flasche Limonade hergestellt, und fange gleich wieder den Brief an Dich an. So eine Flasche kostet hier 12 Pfennig und macht auch nicht so schlapp, wenn man den Nachmittag wieder schaffen muß.
Der Kaffee, der von früh übriggeblieben ist, ist für die vielen Leute etwas knapp und Leitungswasser soll man nicht trinken wegen der Typhusgefahr, denn das Wasser sei nicht einwandfrei.
Auch bei der heutigen Postverteilung war Dein angekündigter Brief nicht dabei. Ich werde mich eben doch noch etwas gedulden müssen. Bekommst Du eigentlich meine Briefe regelmäßig oder brauchen die auch so lange, bis sie Dich erreichen?
Es ist nun wieder Feierabend und ich habe auch wieder heute daran gedacht, daß ich vor 14 Tagen bei Euch abgeruckt bin. Während dieser Ausbildungszeit merkt  man erst so richtig, wie man es schön daheim gehabt hat, doch unterkriegen lasse ich mich deswegen nicht und ich werde, wie Kurt schreibt, die Zähne aufeinander beißen.
Es ist zwar schon viel Schweiß geflossen, ich glaube, daß es noch manchen Tropfen kosten wird, bis wir soweit sind. Die Ausbildung an den Geräten geht schnell vor sich und dadurch wird der Dienst auch interessanter.
Heute Vormittag, als wir wieder auf dem Exerzierplatz waren, gibt es immer wieder einmal eine Gelegenheit, etwas privates zu denken. So konnte ich heute wieder beobachten, wie so unbekümmert eine Lerche zum Himmel aufstieg und ihr Lied aus voller Kehle in die Luft schmetterte. Ich werde es also unterlassen, meinen alten Gepflogenheiten untreu zu werden.
Gute Nacht liebe Annie und küsse unsere Kinder vielmals und sei Du selbst oftmals von mir gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst. Grüße Vater  und Kurt von mir.

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