Meine liebe Frau! Göding, 29.5.1940
Wie ich Dir gestern schon geschrieben
habe, war es für mich eine große Freude, als ich Dein Päckchen erhielt und
weiter hat es mich gefreut, daß Du mir so schnell meinen Wunsch erfüllt hast.
Ich bin nur gespannt, wann Dein anderer Brief hier eintrifft.
Den Blumengruß habe ich auch mit dankbarer
Freude aufgenommen. Helga und Jörg haben sich aber angestrengt.
Heute früh sind wir mit unseren Geräten
auf den Exerzierplatz marschiert, dabei habe ich eine Last von etwa 6o Pfund
auf dem Rücken zu tragen gehabt. Ich war gerade froh, als wir draußen waren.
Wenn man dann den Vormittag damit
exerzieren und herumspringen muß und die Sonne prasselt die ganze Zeit dabei
auf den Kopf, so weiß man, was man bis Mittag geschafft hat.
Das Mittagessen hat mir nicht gerade
geschmeckt, denn wir hatten Eintopf, wo Kartoffeln, Nudeln und Fleisch
zusammengekocht waren. Das ist aber so, daß es sich ein anderes Mal ausgleicht.
Ich habe aber von einem Kameraden noch ein Stück Wurst erhalten, so kann man
wieder für den Nachmittag ausgleichen.
Jetzt habe ich mir wieder eine Flasche
Limonade hergestellt, und fange gleich wieder den Brief an Dich an. So eine
Flasche kostet hier 12 Pfennig und macht auch nicht so schlapp, wenn man den
Nachmittag wieder schaffen muß.
Der Kaffee, der von früh übriggeblieben
ist, ist für die vielen Leute etwas knapp und Leitungswasser soll man nicht
trinken wegen der Typhusgefahr, denn das Wasser sei nicht einwandfrei.
Auch bei der heutigen Postverteilung war
Dein angekündigter Brief nicht dabei. Ich werde mich eben doch noch etwas
gedulden müssen. Bekommst Du eigentlich meine Briefe regelmäßig oder brauchen
die auch so lange, bis sie Dich erreichen?
Es ist nun wieder Feierabend und ich habe
auch wieder heute daran gedacht, daß ich vor 14 Tagen bei Euch abgeruckt bin.
Während dieser Ausbildungszeit merkt
man erst so richtig, wie man es schön daheim gehabt hat, doch
unterkriegen lasse ich mich deswegen nicht und ich werde, wie Kurt schreibt,
die Zähne aufeinander beißen.
Es ist zwar schon viel Schweiß geflossen,
ich glaube, daß es noch manchen Tropfen kosten wird, bis wir soweit sind. Die
Ausbildung an den Geräten geht schnell vor sich und dadurch wird der Dienst
auch interessanter.
Heute Vormittag, als wir wieder auf dem
Exerzierplatz waren, gibt es immer wieder einmal eine Gelegenheit, etwas
privates zu denken. So konnte ich heute wieder beobachten, wie so unbekümmert
eine Lerche zum Himmel aufstieg und ihr Lied aus voller Kehle in die Luft
schmetterte. Ich werde es also unterlassen, meinen alten Gepflogenheiten untreu
zu werden.
Gute Nacht liebe Annie und küsse unsere
Kinder vielmals und sei Du selbst oftmals von mir gegrüßt und geküsst von
Deinem Ernst. Grüße Vater und Kurt von
mir.
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