Donnerstag, 7. Mai 2015

Brief 1 vom 19.05.1940



Meine liebe Annie, liebe Kinder!       Göding, 19.5.1940



Gestern früh um 4 Uhr haben wir es nun geschafft. Meine 4 Karten von unterwegs wirst Du wohl inzwischen erhalten haben, so daß Du über den Verlauf der Fahrt ziemlich unterrichtet bist. Wir sind, wenn man so sagen soll, aus Versehen statt von Immendingen nach Ulm direkt erst über Stuttgart gefahren. Aber das machte ja schließlich nichts, denn das geht ja von unserer Zeit ab.
Die Fahrt haben wir alle soweit gut überstanden. Verpflegung war, wir ich Dir schon geschrieben hatte, gut und reichlich. Angeschlossen sende ich Dir einen Speisezettel für unsere Marschverpflegung, die wir in Ulm erhalten hatten. Zweimal haben wir warmes Essen erhalten. Es war ja nicht schlecht, aber stellenweise sehr scharf.
Das Wetter ist seit Immendingen schlecht und seit wir hier sind sogar sehr schlecht. Im Verhältnis zu dem Wetter, wie es bei uns war, sogar ziemlich kalt.
Gestern früh wurden wir nun eingeteilt, so daß ich wahrscheinlich der Maschinengewehr Kompanie zugeteilt werden werde. Den Eindruck, den ich bis jetzt hier gewonnen habe, ist zwar nicht gerade überzeugend, doch muß man alles so hinnehmen, wie es an einen herankommt. Gestern früh hatten wir zwei Stunden Bettruhe und anschließend fing dann schon die erste Lauferei an. Am Nachmittag haben wir dann unsere Ausrüstungsstücke in Empfang genommen. Die meisten Sachen, die wir erhalten haben, sind neu und zwar 2 Uniformen, je 1 Paar Marsch- und Ausgehstiefel, 1 Paar Ledersportschuhe, 1 Mütze, 1 Stahlhelm, je 2 Paar Nacht- und Taghemden, 2 Paar Unterhosen.
Du siehst also, daß wir mit allem recht versorgt sind. Verschiedene Wäschestücke werde ich wohl hier behalten, aber was ich dann nicht unbedingt brauche, werde ich Dir im Koffer wieder zugehen lassen. Die Wäsche wird hier wöchentlich zurückgegeben und in der folgenden Woche können wir sie wieder abholen. Sonst sind wir als neue zu sechst auf eine Stube gekommen, wo schon mehrere Soldaten liegen, die schon länger hier sind. Sie gehen uns von Fall zu Fall zur Hand.
Morgen werden wir untersucht und vielleicht geht dann das Einzelexerzieren an. Mal sehen, wie das wieder ausfällt und wie sich alles anlässt. Nähen und Schuhputzen habe ich also schon gelernt und für den Feldwebel habe ich auch schon die Sachen putzen müssen. Du siehst also, ich mache mich.
Heute Nachmittag ist nun frei und die anderen haben soweit sie nicht auf Dienst sind, Urlaub. Ich habe mich nun gleich her gesetzt, um Dir gleich Bescheid zukommen zu lassen.
Die Bevölkerung beträgt etwa 14ooo Einwohner, sonst macht sie einen miesen Eindruck. Wie sie sonst im Umgang sind, wird sich dann zeigen, wenn wir in etwa 14 Tagen Ausgang haben.
Die Verpflegung ist, wie ich schon geschrieben habe, gut und reichlich. Heute hat jeder eine Flasche Bier erhalten, die ich aber verschenkt habe. Eines möchte ich Dich bitten, schicke mir ja nichts zu lesen, denn wir können hier alles in der Kantine kaufen. Schokolade oder sonstiges ist alles zu haben. Die erste Löhnung werden wir in den nächsten Tagen erhalten, so daß ich auch Geld auf der Hand haben werde.
Heute werde ich noch an Kurt und auch nach Leipzig schreiben. Ob ich Dir dann in den nächsten Tagen so viel und ausführlich schreiben kann, ist sehr fraglich, weil es dann ziemlich strenger werden wird.
Meine Anschrift lautet und muß auf dem Umschlag wie folgt aussehen:
                           
 F E L D P O S T         
über Deutsche Dienstpost Böhmen - Mähren         
An den Schützen Ernst Rosche         
4 Komp.Inf.Ers.Batl.460          
Göding (Mähren)         
 Postsammelstelle Prag.

Wie geht es Euch, seid Ihr etwa auch in Mitleidenschaft gezogen worden bei den feindlichen Einflügen, die im Radio gemeldet wurden. Das ist mir eine der größten Sorgen, die ich mir um Euch mache, das andere hier werde ich schon überstehen.
Ist Jörg auch brav und macht er Dir auch keinen Ärger? Helga wird ja sicher ihre Sache machen. Wenn beide mit schreiben würden, so würde ich mich sehr darüber freuen. Kommst Du mit Deiner Arbeit nach? Wenn nicht, so übernimm Dich nur nicht dabei und laß lieber etwas liegen. Die Sachen mit der SA hast Du wohl erledigt und was ist mit den Stiefeln geworden, hat die der Hantke geholt?- Bleibt mir alle zusammen gesund und sei Du herzlicht gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst. - Die Kinder grüßt und küßt herzlich Ihr Vater. - Grüße bitte Vater von mir und sage ihm, er soll mir Bitte ein weiteres Schreiben ersparen.

(Speisezettel  Kalte Kost für 2 Tage:  Mittag:   1. Tag = 200g Krakauerwurst,  2. Tag 200 g ger. Schinkenwurst oder Kochsalami. Abend:   1. Tag = 100 g Edamerkäse,   2. Tag 150 g Weichkäse.  Morgen:  1. Tag = 100 g Butter, 2. Tag 100 g Butter  )

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