Dienstag, 26. Mai 2015

Brief 5 vom 25./26.5.1940


Meine liebe gute Frau!      Göding, den 25.Mai 1940                                                                                               

 Nun ist tatsächlich die erste Woche um.
Wir haben, wie Du aus meinen anderen Briefen herausgelesen haben wirst, streng Dienst gemacht, doch gerade deshalb wird es so schnell vorbeigegangen sein.
Heute wollen wir nochmals geimpft werden und Gasmasken werden auch noch verpasst. Morgen geht die Vereidigung vor sich, wir haben auch hier am Sonntag Dienst, wenn es mir auch nichts Neues ist, der Sonntag.
Jetzt sitze ich wieder im Bett und möchte meinen Brief fortsetzen, obwohl mir die Glieder durch die Impferei und die Wärme, die heute geherrscht hat, wie abgeschlagen sind.
Heute haben wir eine Spritze von 10 ccm bekommen, das ist das Doppelte von dem, was wir am letzten Mal erhalten haben. Ich hoffe, daß die Reaktion des Körpers in einigen Tagen vorbei ist.
Ich habe mir wieder 1/4 lt. Wein genehmigt, damit ich das besser überstehe und die nötige Bettruhe habe. Morgen früh brauchen wir erst wahrscheinlich um 7 Uhr aufstehen. Ich habe mich an die kurze Schlafenszeit ganz gut gewöhnt und  im Großen und Ganzen macht das mir nicht viel aus.
Was machen meine Strolche und wie geht es Ihnen. Ich hoffe, daß morgen vielleicht von Dir Post eintrifft, was mich sehr freuen würde.
Geht Ihr auch am Sonntag fort? Unterlasse das bitte nicht. Auch das Weintrinken, so wie wir es besprochen haben, führe bitte durch.
Wenn Du das Briefpapier schicken solltest, so lege bitte noch etwas alten bindfaden mit bei, denn hier müssen wir ihn teuer bezahlen.
Gute Nacht, liebes Mädel , und sei Du vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Küsse unsere beiden Rabauzen noch fest von mit und grüße auch Vater herzlich.

26.5.40

Der Brief hätte heute früh weg gesandt werden sollen, doch heute früh ist keine Post abgeholt worden. Aus diesem Grund kommen 2 Briefe in einem.

Geliebte Frau und meine lieben Kinder!             Göding, den 26.5.1940

Wunderbar sonniges Wetter ist heute, die Kastanienbäume prahlen direkt mit ihren schönen Kerzen, die durch den lauen Westwind sanft hin und her geschaukelt werden. Der Wind erinnert mich an Euch, weil er doch aus der Gegend kommt, wo meine Gedanken jetzt sind. Die Schwalben suchen Futter für ihre Jungen, so daß das friedliche Bild ganz abgerundet ist.
Wenn ich nicht wüßte, daß ich gerade wegen des Krieges zum Militär einberufen worden bin, so könnte man kaum glauben, daß im gegenwärtigen Augenblick Tausend bluten müssen.
Ich habe mich aus der Stube geflüchtet und mich auf die Reitbahn verzogen. Heute Nachmittag haben wir nach anstrengender Woche dienstfrei und nun kann ich mich wieder einmal bewegen wie ich will. Nach Tagen des straffen Zwanges tut einem das einmal so richtig gut.
Durch die gestrige Spritze sind bei uns heute alle wie abgeschlagen. Ich ruhe mich nun noch etwas aus, damit ich den Anforderungen der kommenden Woche wieder gewachsen bin.
Unser Stuben- und Flurdienst ist heute Mittag vorbei und gestern hatten wir Revierreinigung. Dabei müssen alle Mann helfen, das ist sozusagen die Generalreinigung der Woche.
Heute früh ist es flott gegangen mit dem Frühstück und mir war es schwummerig bei der Vereidigung. Von den anderen Kompanien sind einige umgefallen, bei uns aber nicht. Mittags hat´s Kartoffeln mit Kalbfleisch und rote Rüben gegeben. Am Abend gibt´s wieder Eier, Käse und Kaffee und Radieschen. Wir leben also nicht schlecht. Wenn auch die räumlichen Verhältnisse primitiv sind, so nehmen wir alles so wie es ist, ohne viel dabei zu überlegen und zu denken.
An Nanni schreibe ich heute auch noch, damit sie von mir auch ein Lebenszeichen erhält.
Dir habe ich nun die ganze Woche geschrieben und Du wirst sicher nicht über mich klagen können. Von dir ist noch nichts eingetroffen, ich denke bald welche von Dir zu bekommen. Zum Teil haben die anderen Kameraden schon Post aus Konstanz erhalten.
Was wir so noch von der Bevölkerung gesehen haben, so fällt einem auf, daß die Frauen vielfach noch in ihrer Volkstracht laufen, die gerne grelle Farben bevorzugen. Ebenfalls ist alles mit reichhaltiger Stickerei versehen. Weiter sieht man Frauen wie Mädchen mit bunten Kopftüchern herumlaufen. Aber neben diesen Trachten sieht man sehr arme Bevölkerung, die auch am Sonntag barfuß herumläuft, doch kann man andererseits feststellen, daß viele Frauen hochmodern herumlaufen und gegen die armen Leute gerade abstechen.
Ich möchte wieder Schluß machen und Dir viele Grüße und Küsse übersenden.
Küsse Helga und Jörg von mir und sei nochmals vielmals gegrüßt von Deinem Ernst.


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