Meine liebe gute Frau! Göding, den 25.Mai 1940
Nun ist tatsächlich die erste Woche um.
Wir haben, wie Du aus meinen anderen
Briefen herausgelesen haben wirst, streng Dienst gemacht, doch gerade deshalb
wird es so schnell vorbeigegangen sein.
Heute wollen wir nochmals geimpft werden
und Gasmasken werden auch noch verpasst. Morgen geht die Vereidigung vor sich,
wir haben auch hier am Sonntag Dienst, wenn es mir auch nichts Neues ist, der
Sonntag.
Jetzt sitze ich wieder im Bett und möchte
meinen Brief fortsetzen, obwohl mir die Glieder durch die Impferei und die
Wärme, die heute geherrscht hat, wie abgeschlagen sind.
Heute haben wir eine Spritze von 10 ccm
bekommen, das ist das Doppelte von dem, was wir am letzten Mal erhalten haben.
Ich hoffe, daß die Reaktion des Körpers in einigen Tagen vorbei ist.
Ich habe mir wieder 1/4 lt. Wein
genehmigt, damit ich das besser überstehe und die nötige Bettruhe habe. Morgen
früh brauchen wir erst wahrscheinlich um 7 Uhr aufstehen. Ich habe mich an die
kurze Schlafenszeit ganz gut gewöhnt und
im Großen und Ganzen macht das mir nicht viel aus.
Was machen meine Strolche und wie geht es
Ihnen. Ich hoffe, daß morgen vielleicht von Dir Post eintrifft, was mich sehr
freuen würde.
Geht Ihr auch am Sonntag fort? Unterlasse
das bitte nicht. Auch das Weintrinken, so wie wir es besprochen haben, führe
bitte durch.
Wenn Du das Briefpapier schicken solltest,
so lege bitte noch etwas alten bindfaden mit bei, denn hier müssen wir ihn
teuer bezahlen.
Gute Nacht, liebes Mädel , und sei Du
vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Küsse unsere beiden Rabauzen noch fest von
mit und grüße auch Vater herzlich.
26.5.40
Der Brief hätte heute früh weg gesandt
werden sollen, doch heute früh ist keine Post abgeholt worden. Aus diesem Grund
kommen 2 Briefe in einem.
Geliebte Frau und meine lieben
Kinder! Göding, den
26.5.1940
Wunderbar sonniges Wetter ist heute, die
Kastanienbäume prahlen direkt mit ihren schönen Kerzen, die durch den lauen
Westwind sanft hin und her geschaukelt werden. Der Wind erinnert mich an Euch,
weil er doch aus der Gegend kommt, wo meine Gedanken jetzt sind. Die Schwalben
suchen Futter für ihre Jungen, so daß das friedliche Bild ganz abgerundet ist.
Wenn ich nicht wüßte, daß ich gerade wegen
des Krieges zum Militär einberufen worden bin, so könnte man kaum glauben, daß
im gegenwärtigen Augenblick Tausend bluten müssen.
Ich habe mich aus der Stube geflüchtet und
mich auf die Reitbahn verzogen. Heute Nachmittag haben wir nach anstrengender
Woche dienstfrei und nun kann ich mich wieder einmal bewegen wie ich will. Nach
Tagen des straffen Zwanges tut einem das einmal so richtig gut.
Durch die gestrige Spritze sind bei uns
heute alle wie abgeschlagen. Ich ruhe mich nun noch etwas aus, damit ich den
Anforderungen der kommenden Woche wieder gewachsen bin.
Unser Stuben- und Flurdienst ist heute
Mittag vorbei und gestern hatten wir Revierreinigung. Dabei müssen alle Mann
helfen, das ist sozusagen die Generalreinigung der Woche.
Heute früh ist es flott gegangen mit dem
Frühstück und mir war es schwummerig bei der Vereidigung. Von den anderen
Kompanien sind einige umgefallen, bei uns aber nicht. Mittags hat´s Kartoffeln
mit Kalbfleisch und rote Rüben gegeben. Am Abend gibt´s wieder Eier, Käse und
Kaffee und Radieschen. Wir leben also nicht schlecht. Wenn auch die räumlichen
Verhältnisse primitiv sind, so nehmen wir alles so wie es ist, ohne viel dabei
zu überlegen und zu denken.
An Nanni schreibe ich heute auch noch,
damit sie von mir auch ein Lebenszeichen erhält.
Dir habe ich nun die ganze Woche
geschrieben und Du wirst sicher nicht über mich klagen können. Von dir ist noch
nichts eingetroffen, ich denke bald welche von Dir zu bekommen. Zum Teil haben
die anderen Kameraden schon Post aus Konstanz erhalten.
Was wir so noch von der Bevölkerung
gesehen haben, so fällt einem auf, daß die Frauen vielfach noch in ihrer
Volkstracht laufen, die gerne grelle Farben bevorzugen. Ebenfalls ist alles mit
reichhaltiger Stickerei versehen. Weiter sieht man Frauen wie Mädchen mit
bunten Kopftüchern herumlaufen. Aber neben diesen Trachten sieht man sehr arme
Bevölkerung, die auch am Sonntag barfuß herumläuft, doch kann man andererseits
feststellen, daß viele Frauen hochmodern herumlaufen und gegen die armen Leute
gerade abstechen.
Ich möchte wieder Schluß machen und Dir
viele Grüße und Küsse übersenden.
Küsse Helga und Jörg von mir und sei
nochmals vielmals gegrüßt von Deinem Ernst.
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