Freitag, 22. Mai 2015

Brief 2 vom 22.05.1940


Meine liebe Annie + liebe Kinder!         Göding, den 22.5.40

Eine Woche ist nun vergangen, seit ich nun von Euch fort bin. Ich sehe Euch 3 noch am Zuge stehen, als wir fort fuhren, was in der Zeit bei Euch vorgefallen ist und wie es Euch geht ist mir noch unbekannt. Ich werde bemüht sein, Euch weiter auf dem Laufenden zu halten, wie es mir geht und wie es mir ergangen ist.
Heute waren wir zur Blutentnahme für Blutproben. Früh sind wir heute wegen Alarmübung mit aus der Falle geholt worden, so daß wir schon 1/4 5 Uhr raus mußten. Weiter hatten wir wieder exerzieren und Unterricht. Der Vormittag ist wieder vorbei und jetzt haben wir Mittagspause. Heute gibt es Kartoffeln, Sauerkraut,  Schweinefleisch und Suppe.
Sonst geht die Ausbildung ziemlich Tempo, Tempo. Gewehrgriffe und Zielübungen werden heute noch durchgenommen und wer da sein bißchen Grips nicht zusammennimmt, der hat schon Schwierigkeiten.
So kann es passieren, daß der betreffende den Kasernenhof durchmessen muß. Das wäre an sich schließlich auch nicht so schlimm, wenn die jungen Oberschützen, Gefreiten oder Unteroffizieren nicht immer dabei grinsen würden. Man muß eben immer wieder denken, wie ich Dir ja schon geschrieben habe, „Du kannst mich“.
Wir haben aber auch unter den Rekruten einige dabei, die sich gerne wichtig machen wollen.
Gestern Abend bin ich schon mit einem zusammengestoßen, weil der sich schon aufspielen wollte. Na Du weißt ja, daß ich mir da nicht gleich etwas gefallen lasse. Über die weiteren Ereignisse werde ich Dir vielleicht heute Abend berichten.
Was machen denn unsere beiden Göhren. Sind sie noch frisch und munter und folgen sie Dir auch richtig. Ich hoffe es jedenfalls und glaube, daß sie Dir nicht viel Schwierigkeiten machen. Geh Du doch bitte, soweit es das Wetter zuläßt, wenigstens am Sonntag raus und nimm Du ruhig einmal eine Fahrt über den See vor.
Ob es Zucker oder so etwas Ähnliches gibt, muß ich dann einmal sehen, ich werde jedenfalls daran denken.
Was  macht der Garten und kommst Du mit allem mit. Aber eines möchte ich immer wieder betonen, sieh Dich vor, daß es Dir nicht zu viel wird.
Von den Tagesereignissen wird man hier eigentlich wenig berührt und zu uns kommt alles später. Aber wir sind froh, wenn wir mit allen mitkommen. - Bei uns auf der Stube sind verschiedene Landleute untergebracht und zwar Dresdner, Sudetendeutsche und wir vom Seekreis. Die verschiedenen Gruppen halten meistens zusammen und so im geheimen sind sie gegeneinander, obwohl wir doch alle zusammen in demselben Dreck liegen müssen. Das  wird sich aber mit der Zeit noch geben.
Der Abend ist herangebrochen und jetzt sollte Feierabend sein. Doch es gibt viele Sonderaufträge, die speziell durch uns Neue erledigt werden müssen. Wir hoffen, daß bald wieder andere neue kommen, die dann das übernehmen müssen. Heute war der erste Tag, an dem wir heute Sonnenschein hatten, doch das macht gleich viel warm.
Sag mal, was hast Du denn Dir erlaubt, mir eine Schokolade mit in den Koffer zu legen. Ich habe sie gefunden, als ich hier den Koffer aufgemacht habe. Ich war aber wirklich freudig überrascht, daß Du Euch diese Tafel noch abgespart hast.
Also euch allen herzlichen Dank dafür. Eins möchte ich nochmals betonen, schickt mir bitte nichts zu essen und verwendet es für Euch, denn Ihr habt mit den Marken doch sehr einzuteilen. Sende mir aber bitte wieder Briefpapier und Umschläge.
Der Muskelkater macht sich bei mir nun auch spürbar, aber auch das wird sich wieder geben. Nun gute Nacht, meine liebe Frau  und sei Du sowie die Kinder herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem -oft an Dich denkenden- Ernst. - Grüße auch bitte Vater recht herzlich von mir und sage ihm daß es mir gut geht.

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