Sonntag, 24. Mai 2015

Brief 4 vom 24.05.1940


Liebe Annie und liebe Kinder!                                           Göding, den 24.5.1940                                                                                             
Die Tage fliegen nur so dahin und kaum hat man sich´s versehen, so ist eine Woche wieder vorbei.
Morgen ist Samstag und ich werde wahrscheinlich mit dem Stuben- oder Flurdienst drankommen, so daß ich wahrscheinlich kaum zum Schreiben kommen werde. Da habe ich mit anderen Kameraden die Stube oder den Flur zu reinigen und man muß während dieser Tage fest springen, um bei allem mitzukommen.
Also, Du wirst an diesem Tage kurz treten müssen, doch ich glaube, daß diese Gründe zwingend sind.
Wie wir heute erfahren haben, werden wir wahrscheinlich am Sonntag vereidigt. Aus diesem Grunde werden wir noch über die Pflichten des deutschen Soldaten unterrichtet. So greift mit der übrigen Ausbildung alles in einander.
So was wir noch gehört haben, haben wir bis jetzt den Eindruck hinterlassen, als ob der größte Teil schon etwas taugt.
Gestern habe ich mir die erste Halsbinde selber gewaschen und die Strümpfe werden am Sonntag oder gar noch heute drankommen. Es gibt bis jetzt also wirklich noch keine Möglichkeit, daß man Langeweile bekommt.
Ich bin nun für heute bis zum Sonntagmittag zum Reinigen eingeteilt, so daß ich sicher nicht so viel schreiben kann.
Trotz des Sonderdienstes habe ich mir hier ein Viertel Weißwein genehmigt, damit ich besser schlafen kann. Wie ich Dir aber schon einmal geschrieben habe, so sind wir am Abend tüchtig müde. Aber der Dienst geht mir wieder so in Fleisch und Blut über, daß ich nachts schon die verschiedenen Männer antreten lasse und kommandiere.
Auch hier kommt meine alte Schwäche wieder zum Vorschein. Jedenfalls haben mir die Kameraden erzählt, daß ich vorletzte Nacht kommandiert habe.
Ein Kamerad wird mich wahrscheinlich am Sonntag fotografieren, so daß ich Dir bald den Film zukommen lassen kann, von dem Du dann eine Vergrößerung anfertigen lassen kannst. Ich will mal sehen, wie es ausfällt.
Gute Nacht liebes Mädel und sei vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Soldaten Ernst. Küsse die Kinder vielmals von mir und grüße auch Vater.

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