Freitag, 22. Mai 2015

Brief 1a vom 20.05.1940 (nachträglich eingefügt)


Liebe Annie + liebe Kinder!

Heute hat nun der 2. Tag unserer eigentlichen Ausbildung angefangen. Ich kann Dir nun mitteilen, daß das, was bis jetzt schon verlangt wurde, sehr viel ist und daß wir schon manches Mal im Dreck gelegen sind. Bis jetzt hat mich diese Schleiferei aber noch nicht erschüttern können, denn man merkt, daß die SA-Ausbildung schon etwas ausgemacht hat.
Gestern wurden wir gegen Pocken und Typhus geimpft. Bis jetzt macht mir nur die eine Spritze, die wir erhalten haben, etwas Beschwerden, doch im Großen und Ganzen haben wir nicht viel Gelegenheit, darüber nachzudenken.
Früh um 5 Uhr muß alles raus aus der Falle, denn da ist Wecken, was ziemlich geräuschvoll vor sich geht. Dann müssen wir Betten bauen und anschließend Waschen und Kaffeetrinken. 1/2 7 Uhr fängt der Dienst an, der dann in der Regel durch Unterricht und Exerzieren ausgefüllt ist.
Die Lernmittel sind etwas sehr primitiv, aber beim Kommis kommt dies ja nicht so genau darauf an, denn da muß man eben mitmachen und mitschaffen. Fällt dann einer irgendwie aus dem Rahmen, so muß eben alles dafür büßen. Aber, wie gesagt, das kann mich ja nicht reizen, denn ich bin ja schöner wie die.
Der Vormittagsdienst geht dann bis 12.30 Uhr. Anschließend Mittagessen. aber unsere Speisefolge schreibe ich dir ein anderes Mal. Von 14.30 Uhr bis Abend um 18 Uhr geht dann der Dienst weiter. Nach dem Abendessen ist dann wieder Sachenreinigen, was übrigens am Tage auch einmal vorgenommen werden muß, damit man beim Appell nicht auffällt. Um 10 Uhr abends ist dann Zapfenstreich und alles hat wieder in der Falle zu sein.
Das wäre in großen Zügen der Ablauf unseres Tages. Am Abend legt man sich beruhigt ins Bett mit der Gewissheit, seine Pflicht getan zu haben.
Gestern haben wir unsere Gewehre erhalten und fangen schon mit den Gewehrübungen an. Es sind Gewehre, die im Polenfeldzug erbeutet wurden. Es wird nun sehr schnell gehen, bis wir mit Schießen anfangen. Heute haben wir wahrscheinlich noch Löhnung, bei der wir bis zum 31.5.  25,-Rm wahrscheinlich in tschechischer Währung ausbezahlt erhalten.
Sonst bin ich jetzt auch zu Deiner Methode übergegangen und bürste mir abends die Füße ab, damit sie bei dieser Springerei mithalten können. Es ist wie gesagt nicht viel Zeit  am Tage, um noch über etwas nachzudenken und man muß sich gerade dazu halten, daß man einmal die Bilder seiner Lieben daheim wieder ansehen kann. Wenn Du mir schreibst, so sende doch bitte noch einen Abzug eines Bildes der Kinder mit.
Inzwischen ist Abend geworden und der Dienst ist wieder zu Ende. Die Reitbahn haben wir heute verschiedene Mal wieder ausgemessen, weil einige nicht auf Draht waren und geschlafen haben. Aber bei jedem Male muß man eben denken „Du kannst mich“. Es gibt immer wieder einige, die nicht aufpassen und die anderen müssen dafür büßen.
Löhnung haben wir heute empfangen und zwar 250 CKr. Ich muß heute noch verschiedenes kaufen, damit ich nicht mehr Geld wie 20 RM bei mir habe. - Den Brief muß ich immer in Raten schreiben und liege z.Zt. im Bett und gleich ist Zapfenstreich. Du siehst wieder, daß ich jede Gelegenheit benutze, an Dich zu denken. - Eines möchte ich Dich bitten, schicke mir nichts zu lesen, da die Verpflegung wirklich reichlich und bis jetzt auch gut ist. Eines kannst Du mir aber einmal schicken und zwar solche Dextropur Energen Tabletten und einige alte Wollappen, die ich zum Putzen brauche. - Daß ich immer jetzt mit Tintenstift schreibe, aber für mich ist das günstiger und das geht auch schneller. - Was machen die Kinder und ist auch Jörg immer brav, oder muß ich ihn zur Ordnung rufen. Wenn irgendetwas in dieser Beziehung vorliegt, dann laß mich das bitte wissen. - Heute früh geht nun die Post fort und ich will auch jetzt Schluß machen. Du meine liebe Frau sei jetzt herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Rekruten. Übernimm Dich nicht bei der Arbeit und trinke den befohlenen Rotwein. Nochmals viele herzliche Grüße und Küsse an Dich und die Kinder sendet Dir Dein Ernst.

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