Sonntag, 31. Mai 2015

Brief 9 vom 31.05.1940


31.5.40                                                                                                                                                                             
Meine liebe Annie und Kinder!

Es ist nach 2 Uhr und endlich hat man wieder ein paar Minuten für sich.
Gerade wollte ich mich hinsetzen zum Schreiben, als es hieß „Postempfang“. Es kam das Päckchen mit Eurem Sonntagsblumengruß, sowie das Päckchen mit den Briefbogen. Das ist für mich nun die einzige Sonntagsfreude. Ich habe aus Deinen Briefen so richtig unsere Verbundenheit entnommen, wenn Du mir von den Spaziergängen  erzählst, die wir auch früher miteinander unternommen haben.
Ich freue mich aber, daß Ihr diese Spaziergänge weiter unternehmt, könnt Ihr Euch doch am besten an das erinnern, wo wir gemeinsam gewesen sind. Haltets nur weiter so.
Gestern habe ich Dir nicht geschrieben, weil ich zu abgespannt war. Früh hatten wir unseren Marsch, wobei wir richtiges Marschwetter hatten.
Mittags hatten wir jetzt die letzte Impfung bekommen. Am Nachmittag war wieder Revierreinigen.
Dann wurden wir noch zum Bataillon abkommandiert zum Stubenreinigen. Es waren 15 Zimmer zu machen. Ich war jedenfalls am Abend abgespannt.
Heute früh hatte ich Flurdienst, dann war Unterricht. Um 12 Uhr waren wir soweit fertig, doch dann mußte ich für unsren Unteroffizier die Stiefel putzen. Jetzt kann ich mich nun im Geiste wieder Euch widmen.
Nach Deinen Mitteilungen habe ich Deine Briefe bis zum 28.5. alle erhalten. Ich hoffe, daß Du auch alles von mir bekommen hast. Zuerst kam ja das Päckchen mit den Tabletten. Von diesen nehme ich mir meistens früh eine mit, wenn wir früh abmarschieren, damit  ich einigermaßen frisch bleibe.
Dann erhielt ich ja Deinen Brief mit den Bildern, den ich Dir auch schon bestätigt hatte. Die Bilder hatten ja bei mir eine große Freude ausgelöst. Als nächstes kam dann das Päckchen mit dem Gebäck an, was mich wiederum erfreut hat; und heute kamen wieder Deine Grüße.
Jedes mal ein Gruß der Kinder war auch dabei, der mich immer an den Ehrgeiz unserer Beiden erinnert, selbständig etwas zu schaffen. So auch die Zeichnungen unseres Sohnes. Sein Vorschlag, daß Du das Datum vom Brief weglassen sollst, damit er es schreiben kann, ist ja für Dich ohne weiteres von großer Bedeutung. Auch die Schreiben der Helga sind nicht schlecht, vor allem, wenn man bedenkt, daß sie es selbständig macht.
Nun möchte ich der Reihe nach noch alles beantworten, was nötig ist.
Daß auch Euch der Abschied schwer gefallen ist, kann ich mir denken, waren wir doch alle zusammen immer eins. Ich glaube aber, daß Ihr Euch an das Getrenntsein etwas gewöhnt habt. Wenn Ihr meinen Platz daheim immer frei laßt, so bin ich doch symbolisch bei Euch.
Das war ja schön, daß Dir die Kinder den Muttertag so schön gestaltet haben. Mit den Tomaten ist es so, daß Du den Haupttrieb und 2 Nebentriebe stehen läßt und die anderen Triebe, die sich an den Blättern rausschieben, schneidest Du weg.
Wenn Jörg jetzt etwas länger schläft, so ist das ja nicht so schlimm und es kommt ihm ja nur zu gute. Auch die Spende der Kinder für Vater  und Mutter ist ja rührend.
Wenn die Möglichkeit besteht, so ist gehe nur ruhig ins Kino, damit Du auch am Zeitgeschehen teilnehmen kannst.
Wie geht es eigentlich Vater, hat er sich wieder erholt. Das ist ja sehr schade, daß wir mit dem Film so Pech gehabt haben. Ich weiß, daß ich alles in gute Hände gegeben habe und ich mache mir auch wegen dem, was daheim zu machen ist, keine Sorgen, denn Du hast ja früher schon immer Deine Pflicht getan.
Ich billige Deinen Kauf der Kartoffelhacke ohne weiteres, denn die war ja notwendig. Wenn sonst etwas notwendig ist, so schaffe das nur ruhig nach Deinem Gutdünken an, denn ich weiß ja, daß Du nichts Unnützes kaufst.
Wenn jetzt die neuen Leute oben eingezogen sind, so möchte ich noch darauf hinweisen, laß Dir nur auch da nichts gefallen.
Zeitungen oder sonstiges Lesbares brauchst Du mir nicht zu senden, denn wenn ich Dir immer schreiben will, so habe ich zum Lesen keine Zeit.
Die Blumen waren noch ziemlich frisch und waren ein freundlicher und herzlicher Gruß von Euch und aus der Heimat. Der Karton war wohl ziemlich demoliert, aber die Blumen noch in Ordnung. Jedenfalls war ich sehr erfreut über Eure Aufmerksamkeit.
Gelegenheit zum frei baden haben wir hier wahrscheinlich nicht, man säubert sich aber so gut man kann im Waschraum.
Auch an Dora werde ich noch schreiben, ebenso schreibe ich heute noch an Deine Eltern.
Nun mache die Funzel endlich aus und schlafe gut und schreibe mir bald wieder. Es grüßt und küßt Dich vielmals Dein Ernst. Grüße Vater und Kurt von mir herzlich. Dein Gebäck habe ich mir heute teilweise vorgenommen und habe mich dabei in einen Sonntag bei uns daheim rein versetzt.
Bei unserem gestrigen Ausmarsch haben wir gesehen, wie dreckig die Bevölkerung ist und wie verwahrlost die Dörfer aussehen.
Bei unserem Heimmarsch ist uns ein Mädel auf dem Rad begegnet. Die hat uns aus lauter Haß die Zunge rausgestreckt. Aber mit lautem Gelächter wurde das von uns quittiert. Sonst habe ich den Marsch aber gut überstanden.

Heute regnet es was nur runter will und unser Dienst wird im Trockenen abgehalten. Wir hatten das gar nicht erwartet.
Wie ich Dir schon oben geschrieben habe, hat mich Dein Schreiben sehr erfreut und Eure Bilder muß ich immer und immer wieder ansehen. Die hast Du aber wirklich fein gemacht.
Unsere Kinder sind so richtig wie sie leiben und leben. Das frischt immer wieder etwas auf, wenn man sich so etwas immer wieder ansehen kann. Helga hat aber fein geschrieben und auch alles richtig und Jörg hat sich mit seiner Malerei sehr angestrengt.
Das Gebäck habe ich probiert und schmeckt wieder ausgezeichnet. Daß aber unsere 2 solche Opfer bringen und ihre Sparbücher sogar leeren, um ihrem Vater etwas zu schenken, zeugt schon von großer Liebe zu ihrem Vater. Ich danke Euch nochmals für alles, doch ich bitte Euch, behaltet das, was Ihr für Euch auf die Marken bekommt, denn wir werden ausgezeichnet versorgt.
Aus Deinem Brief habe ich weiter ersehen, aus welchem Grund Kurt wieder heimgekommen ist. Ja, bei der Infanterie muß viel getippelt werden und das stellt auch große Anforderungen an die Füße. Er muß eben warten, bis er wieder gerufen wird. Ist er wieder in der Zahnfabrik?
Auch  Deinen Brief an Siegfried billige ich in jeder Weise, doch daß wir unseren Standpunkt vorher geschrieben haben, war schon in Ordnung.
Mit dem Garten hast Du Dir aber große Mühe gegeben. Ich will aber immer wieder betonen, übernimm Dich nicht dabei. Daß Du mir so viel über den Garten  schreibst, entspricht ganz und gar meinen Wünschen; steckt doch ein ganzer Teil unseres gemeinsamen Schaffens darin.
Was so in Deinem Brief noch einzeln zu beantworten wäre, behalte ich mir auf den Sonntag vor, weil ich da annehme, mehr Zeit dazu zu haben. Heute  schreibe ich nur das, was mir gerade in den Sinn kommt.
Ja, das mit Bautzens ist so typisch, so wie sie immer waren. Doch lassen wir die Leute so, wir ändern sie doch nicht. Ihre Adresse kannst Du mir ja einmal mitteilen, dann werde ich eine Karte schreiben.
Ob ich an Lämmels eine schreiben soll, ist mir noch nicht ganz klar.
Der Brief von Deinen Eltern hat mir diesmal bedeutend besser gefallen, wie die letzten, weil er mehr auf diese Stimmung gepaßt hat. Ob wir Helga nach Leipzig schicken, ist mir selbst noch nicht ganz klar. Ich weiß nicht, ob du sie jetzt missen kannst und wie sich Helga mit der ganzen Reise abfindet. Gib mir darüber noch Bescheid, dann werden wir sehen, was wir machen.
Mit der heutigen Abendpost erhielt ich von Deinen Eltern den beigefügten Brief, ich habe mich darüber gefreut, auch über das Gebäck und die Bonbons.
Eines muß ich aber gleich feststellen, mit solcher Sorgfalt und Liebe, wie Du alles verpackt hast, war es nicht eingepackt. Ich werde auch schreiben, daß ich Sonderverpflegung nicht brauche, weil ich ja genügend zu essen bekomme. Ich werde mich selbstverständlich dafür bedanken.
Hast Du übrigens mein Päckchen erhalten, was ich am 24. abgesandt habe. Ich habe also jeden Tag geschrieben, außer am 28.5., was ich Dir ja schon begründet habe.
Morgen haben wir zur Übung einen 20km Marsch zu machen. Mal sehen, wie ich davon wieder zurückkehre. Ich glaube aber, daß mir das nicht viel ausmachen wird. Heute ist man ziemlich human mit uns umgegangen, wir haben bei diesem Regenwetter unsere Übungen im Zimmer machen können. Wir haben es dankbar angenommen.
Wenn ich wieder so die vergangenen Tage überblicke, haben wir doch in dieser Zeit viel gelernt und es wird auch noch vieles kommen. Den Brief der Eltern füge ich nächstens bei, wenn ich ihn beantwortet habe.
Morgen haben wir auch wieder Löhnungsappell, das ist ein wichtiger Tag und der muß vermerkt werden. Auch an Gerhard werde ich wahrscheinlich bald wieder schreiben.
Schlafe gut mein liebes Mädel und bleibt alle gesund und seid vielmals gegrüßt und geküßt von Eurem Ernst.


Samstag, 30. Mai 2015

Brief 8 vom 30.5.1940


Meine liebe Frau!                                                          Göding, den 30.5.1940     


 Nun habe ich auf einmal Dein erstes Paket mit den vielen Briefen und auch den Brief, den Du am 24. abgesandt hast.
Ich habe mich riesig gefreut, als ich soviel auf einmal zu lesen von Dir erhielt. Diese viele Leserei hat mich davon abgehalten, heute den Brief an Dich fertig zu machen. Zudem bin ich wieder außerordentlich müde, weil wir wieder einen sehr langen und anstrengenden Dienst hinter uns haben.
Wir hatten heute schießen mit M.G. (Scharfschießen) wobei ich 4 Schuß von 5 Schuß direkt  auf dem Schützen hatte. Die Bedingung war also erfüllt.
Dann hatten wir schießen mit dem Karabiner. Erstens 3 Schuß, 8, 11, 10 also 29 Ringe sitzend aufgelegt. Dann bei liegend aufgelegt hatte ich 10, 9, 11 also 30 Ringe zusammen. Mit diesem Ergebnis war ich ganz zufrieden. Ich will nur hoffen, daß alles weiter so klappt.
Wir sind viel dabei rumgetrampelt. Doch es wird sich alles geben.
Auf Deinen Brief werde ich morgen näher eingehen, soweit es der Dienst zuläßt.
Laß mich heute Schluß machen.
Gute Nacht, lieben Mädel.

Freitag, 29. Mai 2015

Brief 7 vom 29.5.1940


Meine liebe Frau!                                                                                 Göding, 29.5.1940                         

 Wie ich Dir gestern schon geschrieben habe, war es für mich eine große Freude, als ich Dein Päckchen erhielt und weiter hat es mich gefreut, daß Du mir so schnell meinen Wunsch erfüllt hast. Ich bin nur gespannt, wann Dein anderer Brief hier eintrifft.
Den Blumengruß habe ich auch mit dankbarer Freude aufgenommen. Helga und Jörg haben sich aber angestrengt.
Heute früh sind wir mit unseren Geräten auf den Exerzierplatz marschiert, dabei habe ich eine Last von etwa 6o Pfund auf dem Rücken zu tragen gehabt. Ich war gerade froh, als wir draußen waren.
Wenn man dann den Vormittag damit exerzieren und herumspringen muß und die Sonne prasselt die ganze Zeit dabei auf den Kopf, so weiß man, was man bis Mittag geschafft hat.
Das Mittagessen hat mir nicht gerade geschmeckt, denn wir hatten Eintopf, wo Kartoffeln, Nudeln und Fleisch zusammengekocht waren. Das ist aber so, daß es sich ein anderes Mal ausgleicht. Ich habe aber von einem Kameraden noch ein Stück Wurst erhalten, so kann man wieder für den Nachmittag ausgleichen.
Jetzt habe ich mir wieder eine Flasche Limonade hergestellt, und fange gleich wieder den Brief an Dich an. So eine Flasche kostet hier 12 Pfennig und macht auch nicht so schlapp, wenn man den Nachmittag wieder schaffen muß.
Der Kaffee, der von früh übriggeblieben ist, ist für die vielen Leute etwas knapp und Leitungswasser soll man nicht trinken wegen der Typhusgefahr, denn das Wasser sei nicht einwandfrei.
Auch bei der heutigen Postverteilung war Dein angekündigter Brief nicht dabei. Ich werde mich eben doch noch etwas gedulden müssen. Bekommst Du eigentlich meine Briefe regelmäßig oder brauchen die auch so lange, bis sie Dich erreichen?
Es ist nun wieder Feierabend und ich habe auch wieder heute daran gedacht, daß ich vor 14 Tagen bei Euch abgeruckt bin. Während dieser Ausbildungszeit merkt  man erst so richtig, wie man es schön daheim gehabt hat, doch unterkriegen lasse ich mich deswegen nicht und ich werde, wie Kurt schreibt, die Zähne aufeinander beißen.
Es ist zwar schon viel Schweiß geflossen, ich glaube, daß es noch manchen Tropfen kosten wird, bis wir soweit sind. Die Ausbildung an den Geräten geht schnell vor sich und dadurch wird der Dienst auch interessanter.
Heute Vormittag, als wir wieder auf dem Exerzierplatz waren, gibt es immer wieder einmal eine Gelegenheit, etwas privates zu denken. So konnte ich heute wieder beobachten, wie so unbekümmert eine Lerche zum Himmel aufstieg und ihr Lied aus voller Kehle in die Luft schmetterte. Ich werde es also unterlassen, meinen alten Gepflogenheiten untreu zu werden.
Gute Nacht liebe Annie und küsse unsere Kinder vielmals und sei Du selbst oftmals von mir gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst. Grüße Vater  und Kurt von mir.

Brief 6 vom 27.5.1940


Meine liebe Frau und liebe Kinder!                                             Göding, den 27.5.1940                                                                              
 Soeben habe ich mein Mittagessen verdrückt. Es war wieder ganz gut und zwar hatten  wir Sauerbraten und gebratene Hörnle. Vorher gab noch eine Suppe. Ich bin wieder satt geworden und geschmeckt hat es auch, nur der Sodageschmack liegt einem noch auf der Zunge.
Am Vormittag waren wir auf dem großen Exerzierplatz, der etwa 1/2 bis 3/4 Stunde von hier entfernt ist. Man hat dabei so richtig den Sand der hiesigen Gegend kennengelernt. Alles ist Sand, doch die Kulturen sind noch ziemlich weit zurück. Die Kartoffeln und die Bohnen kommen gerade erst aus dem Boden raus. Die Bevölkerung, die so auf den Feldern arbeitet, nimmt groß keine Notiz von den Soldaten, was diesen Leuten ja auch nicht übelgenommen werden kann.
Am Nachmittag haben wir wieder Unterricht und ein Tag um den anderen geht schnell vorbei.

28.5.40  Wir sind wieder umgezogen und ich war ermüdet von der Schafferei und Schwitzerei.
In dem jetzigen Bau sind Wasch-  und Abortanlagen sehr neuzeitlich eingerichtet, so daß man sich auch richtig waschen kann, ohne daß eine große Drängerei entsteht.
Beim Postverteilen habe ich heute das erste Lebenszeichen wieder von Dir erhalten. Ich habe mich sehr über Deine prompte Erledigung gefreut und danke Dir für die Sendung Energen Tabletten. Die werden wieder für eine Weile reichen.
Für die Grüße der Kinder danke ich vielmals und gib jedem einen Kuß dafür.
Daß Kurt wieder daheim ist, wundert mich und ich glaube, daß das aus Deinem Brief hervorgeht, den Du vor dem 25. geschrieben hast. Auch für seine Grüße danke ich.
Seinen Koffer kann ich aber leider noch nicht zurücksenden, da diese gemeinsam weggeschickt werden.
Heute haben wir bis 21 Uhr von früh 5 Uhr Dienst gehabt. Das war sehr lang und ich bin wieder redlich müde.
Seid Ihr alle herzlich gegrüßt und geküßt und Gute Nacht sendet Euch allen in Treue und besonders Dir
Ernst.

Dienstag, 26. Mai 2015

Brief 5 vom 25./26.5.1940


Meine liebe gute Frau!      Göding, den 25.Mai 1940                                                                                               

 Nun ist tatsächlich die erste Woche um.
Wir haben, wie Du aus meinen anderen Briefen herausgelesen haben wirst, streng Dienst gemacht, doch gerade deshalb wird es so schnell vorbeigegangen sein.
Heute wollen wir nochmals geimpft werden und Gasmasken werden auch noch verpasst. Morgen geht die Vereidigung vor sich, wir haben auch hier am Sonntag Dienst, wenn es mir auch nichts Neues ist, der Sonntag.
Jetzt sitze ich wieder im Bett und möchte meinen Brief fortsetzen, obwohl mir die Glieder durch die Impferei und die Wärme, die heute geherrscht hat, wie abgeschlagen sind.
Heute haben wir eine Spritze von 10 ccm bekommen, das ist das Doppelte von dem, was wir am letzten Mal erhalten haben. Ich hoffe, daß die Reaktion des Körpers in einigen Tagen vorbei ist.
Ich habe mir wieder 1/4 lt. Wein genehmigt, damit ich das besser überstehe und die nötige Bettruhe habe. Morgen früh brauchen wir erst wahrscheinlich um 7 Uhr aufstehen. Ich habe mich an die kurze Schlafenszeit ganz gut gewöhnt und  im Großen und Ganzen macht das mir nicht viel aus.
Was machen meine Strolche und wie geht es Ihnen. Ich hoffe, daß morgen vielleicht von Dir Post eintrifft, was mich sehr freuen würde.
Geht Ihr auch am Sonntag fort? Unterlasse das bitte nicht. Auch das Weintrinken, so wie wir es besprochen haben, führe bitte durch.
Wenn Du das Briefpapier schicken solltest, so lege bitte noch etwas alten bindfaden mit bei, denn hier müssen wir ihn teuer bezahlen.
Gute Nacht, liebes Mädel , und sei Du vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Küsse unsere beiden Rabauzen noch fest von mit und grüße auch Vater herzlich.

26.5.40

Der Brief hätte heute früh weg gesandt werden sollen, doch heute früh ist keine Post abgeholt worden. Aus diesem Grund kommen 2 Briefe in einem.

Geliebte Frau und meine lieben Kinder!             Göding, den 26.5.1940

Wunderbar sonniges Wetter ist heute, die Kastanienbäume prahlen direkt mit ihren schönen Kerzen, die durch den lauen Westwind sanft hin und her geschaukelt werden. Der Wind erinnert mich an Euch, weil er doch aus der Gegend kommt, wo meine Gedanken jetzt sind. Die Schwalben suchen Futter für ihre Jungen, so daß das friedliche Bild ganz abgerundet ist.
Wenn ich nicht wüßte, daß ich gerade wegen des Krieges zum Militär einberufen worden bin, so könnte man kaum glauben, daß im gegenwärtigen Augenblick Tausend bluten müssen.
Ich habe mich aus der Stube geflüchtet und mich auf die Reitbahn verzogen. Heute Nachmittag haben wir nach anstrengender Woche dienstfrei und nun kann ich mich wieder einmal bewegen wie ich will. Nach Tagen des straffen Zwanges tut einem das einmal so richtig gut.
Durch die gestrige Spritze sind bei uns heute alle wie abgeschlagen. Ich ruhe mich nun noch etwas aus, damit ich den Anforderungen der kommenden Woche wieder gewachsen bin.
Unser Stuben- und Flurdienst ist heute Mittag vorbei und gestern hatten wir Revierreinigung. Dabei müssen alle Mann helfen, das ist sozusagen die Generalreinigung der Woche.
Heute früh ist es flott gegangen mit dem Frühstück und mir war es schwummerig bei der Vereidigung. Von den anderen Kompanien sind einige umgefallen, bei uns aber nicht. Mittags hat´s Kartoffeln mit Kalbfleisch und rote Rüben gegeben. Am Abend gibt´s wieder Eier, Käse und Kaffee und Radieschen. Wir leben also nicht schlecht. Wenn auch die räumlichen Verhältnisse primitiv sind, so nehmen wir alles so wie es ist, ohne viel dabei zu überlegen und zu denken.
An Nanni schreibe ich heute auch noch, damit sie von mir auch ein Lebenszeichen erhält.
Dir habe ich nun die ganze Woche geschrieben und Du wirst sicher nicht über mich klagen können. Von dir ist noch nichts eingetroffen, ich denke bald welche von Dir zu bekommen. Zum Teil haben die anderen Kameraden schon Post aus Konstanz erhalten.
Was wir so noch von der Bevölkerung gesehen haben, so fällt einem auf, daß die Frauen vielfach noch in ihrer Volkstracht laufen, die gerne grelle Farben bevorzugen. Ebenfalls ist alles mit reichhaltiger Stickerei versehen. Weiter sieht man Frauen wie Mädchen mit bunten Kopftüchern herumlaufen. Aber neben diesen Trachten sieht man sehr arme Bevölkerung, die auch am Sonntag barfuß herumläuft, doch kann man andererseits feststellen, daß viele Frauen hochmodern herumlaufen und gegen die armen Leute gerade abstechen.
Ich möchte wieder Schluß machen und Dir viele Grüße und Küsse übersenden.
Küsse Helga und Jörg von mir und sei nochmals vielmals gegrüßt von Deinem Ernst.


Sonntag, 24. Mai 2015

Brief 4 vom 24.05.1940


Liebe Annie und liebe Kinder!                                           Göding, den 24.5.1940                                                                                             
Die Tage fliegen nur so dahin und kaum hat man sich´s versehen, so ist eine Woche wieder vorbei.
Morgen ist Samstag und ich werde wahrscheinlich mit dem Stuben- oder Flurdienst drankommen, so daß ich wahrscheinlich kaum zum Schreiben kommen werde. Da habe ich mit anderen Kameraden die Stube oder den Flur zu reinigen und man muß während dieser Tage fest springen, um bei allem mitzukommen.
Also, Du wirst an diesem Tage kurz treten müssen, doch ich glaube, daß diese Gründe zwingend sind.
Wie wir heute erfahren haben, werden wir wahrscheinlich am Sonntag vereidigt. Aus diesem Grunde werden wir noch über die Pflichten des deutschen Soldaten unterrichtet. So greift mit der übrigen Ausbildung alles in einander.
So was wir noch gehört haben, haben wir bis jetzt den Eindruck hinterlassen, als ob der größte Teil schon etwas taugt.
Gestern habe ich mir die erste Halsbinde selber gewaschen und die Strümpfe werden am Sonntag oder gar noch heute drankommen. Es gibt bis jetzt also wirklich noch keine Möglichkeit, daß man Langeweile bekommt.
Ich bin nun für heute bis zum Sonntagmittag zum Reinigen eingeteilt, so daß ich sicher nicht so viel schreiben kann.
Trotz des Sonderdienstes habe ich mir hier ein Viertel Weißwein genehmigt, damit ich besser schlafen kann. Wie ich Dir aber schon einmal geschrieben habe, so sind wir am Abend tüchtig müde. Aber der Dienst geht mir wieder so in Fleisch und Blut über, daß ich nachts schon die verschiedenen Männer antreten lasse und kommandiere.
Auch hier kommt meine alte Schwäche wieder zum Vorschein. Jedenfalls haben mir die Kameraden erzählt, daß ich vorletzte Nacht kommandiert habe.
Ein Kamerad wird mich wahrscheinlich am Sonntag fotografieren, so daß ich Dir bald den Film zukommen lassen kann, von dem Du dann eine Vergrößerung anfertigen lassen kannst. Ich will mal sehen, wie es ausfällt.
Gute Nacht liebes Mädel und sei vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Soldaten Ernst. Küsse die Kinder vielmals von mir und grüße auch Vater.

Samstag, 23. Mai 2015

Brief 3 vom 23.05.1940


Mein liebe Frau!                                                                 Göding, den 23.5.40

Gestern habe ich Dir geschrieben und ich bin bemüht, Dir laufend Nachricht zukommen zu lassen.
Heute ist wieder schönes Wetter und die Kastanien und der Flieder blühen, so daß man auch hier merkt, daß der Frühling eingezogen ist.
Wir haben zwar etwas mehr zu schwitzen, doch die Welt sieht dabei ganz anders aus. Eines habe ich aber festgestellt, daß die Sprüche, die ich früher von anderen gehört habe, stark übertrieben sind. Wenn es nicht schlimmer kommt, komme ich ohne weiteres bei allem mit, ohne daß ich noch nebenbei etwas lernen muß. Ich habe mir es jedenfalls schwerer vorgestellt.
Heute früh war es mir zwar etwas schwummerig, aber wenn man sich ein bißchen zusammenreißt, so geht das schon. Verschiedene sind wieder heimgeschickt worden wegen verschiedener Leiden, andere sind schon wegen ihrer Leiden ins Revier gekommen.
Heute Mittag hatten wir Eintopf zum Essen und zwar so eine Art Spätzle mit Kartoffeln und Fleisch. Es war nicht schlecht, doch der Sodageschmack liegt mir noch auf der Zunge.
Ich leiste mir am Tage immer eine Tafel Schokolade, die wir hier in der Kantine kaufen können, damit es immer ein bißchen Abwechslung gibt. Man muß eben sehen, wie man sich das Leben den Umständen entsprechend einigermaßen angenehm gestaltet.
Übrigens, von Deinem selbstgebackenen Gebäck habe ich noch einiges da liegen und nehme mir hin und wieder etwas davon.
Ist unser Junge auch brav und was macht unsere Helga. Sind beide gesund und wie geht es ihnen? Was machst Du und wie geht Dir`s. Ich hoffe in dieser Woche noch von Dir Nachricht zu erhalten.
Für diesmal will ich es kürzer machen, es kann aber möglich sein, daß es mir heute Abend noch zu einem Gruß im Bett langen wird.
Es ist wieder Abend geworden. Der Dienst ist für heute zu Ende. Heute Abend hat es etwas für Euch seltenes zum Abendessen gegeben und zwar Heringssalat mit Gurkenstücken drin. Das war sehr Appetit anregend. Ich  will Dir den Mund aber nicht wässrig machen.
Ich werde noch an Gerhard und ans Geschäft schreiben, damit die zufrieden sind.
Ein neues Lied haben wir auch wieder gelernt und zwar „Monika“. Das wird jetzt mit großer Begeisterung von uns gesungen. Gute Nacht meine liebe Annie und sei Du herzlich gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst. Küsse die Kinder für mich und sage Ihnen, daß sie Dir parieren sollen, damit ich mir um sie keine Sorgen machen brauche. Grüße auch Vater.  .

Freitag, 22. Mai 2015

Brief 2 vom 22.05.1940


Meine liebe Annie + liebe Kinder!         Göding, den 22.5.40

Eine Woche ist nun vergangen, seit ich nun von Euch fort bin. Ich sehe Euch 3 noch am Zuge stehen, als wir fort fuhren, was in der Zeit bei Euch vorgefallen ist und wie es Euch geht ist mir noch unbekannt. Ich werde bemüht sein, Euch weiter auf dem Laufenden zu halten, wie es mir geht und wie es mir ergangen ist.
Heute waren wir zur Blutentnahme für Blutproben. Früh sind wir heute wegen Alarmübung mit aus der Falle geholt worden, so daß wir schon 1/4 5 Uhr raus mußten. Weiter hatten wir wieder exerzieren und Unterricht. Der Vormittag ist wieder vorbei und jetzt haben wir Mittagspause. Heute gibt es Kartoffeln, Sauerkraut,  Schweinefleisch und Suppe.
Sonst geht die Ausbildung ziemlich Tempo, Tempo. Gewehrgriffe und Zielübungen werden heute noch durchgenommen und wer da sein bißchen Grips nicht zusammennimmt, der hat schon Schwierigkeiten.
So kann es passieren, daß der betreffende den Kasernenhof durchmessen muß. Das wäre an sich schließlich auch nicht so schlimm, wenn die jungen Oberschützen, Gefreiten oder Unteroffizieren nicht immer dabei grinsen würden. Man muß eben immer wieder denken, wie ich Dir ja schon geschrieben habe, „Du kannst mich“.
Wir haben aber auch unter den Rekruten einige dabei, die sich gerne wichtig machen wollen.
Gestern Abend bin ich schon mit einem zusammengestoßen, weil der sich schon aufspielen wollte. Na Du weißt ja, daß ich mir da nicht gleich etwas gefallen lasse. Über die weiteren Ereignisse werde ich Dir vielleicht heute Abend berichten.
Was machen denn unsere beiden Göhren. Sind sie noch frisch und munter und folgen sie Dir auch richtig. Ich hoffe es jedenfalls und glaube, daß sie Dir nicht viel Schwierigkeiten machen. Geh Du doch bitte, soweit es das Wetter zuläßt, wenigstens am Sonntag raus und nimm Du ruhig einmal eine Fahrt über den See vor.
Ob es Zucker oder so etwas Ähnliches gibt, muß ich dann einmal sehen, ich werde jedenfalls daran denken.
Was  macht der Garten und kommst Du mit allem mit. Aber eines möchte ich immer wieder betonen, sieh Dich vor, daß es Dir nicht zu viel wird.
Von den Tagesereignissen wird man hier eigentlich wenig berührt und zu uns kommt alles später. Aber wir sind froh, wenn wir mit allen mitkommen. - Bei uns auf der Stube sind verschiedene Landleute untergebracht und zwar Dresdner, Sudetendeutsche und wir vom Seekreis. Die verschiedenen Gruppen halten meistens zusammen und so im geheimen sind sie gegeneinander, obwohl wir doch alle zusammen in demselben Dreck liegen müssen. Das  wird sich aber mit der Zeit noch geben.
Der Abend ist herangebrochen und jetzt sollte Feierabend sein. Doch es gibt viele Sonderaufträge, die speziell durch uns Neue erledigt werden müssen. Wir hoffen, daß bald wieder andere neue kommen, die dann das übernehmen müssen. Heute war der erste Tag, an dem wir heute Sonnenschein hatten, doch das macht gleich viel warm.
Sag mal, was hast Du denn Dir erlaubt, mir eine Schokolade mit in den Koffer zu legen. Ich habe sie gefunden, als ich hier den Koffer aufgemacht habe. Ich war aber wirklich freudig überrascht, daß Du Euch diese Tafel noch abgespart hast.
Also euch allen herzlichen Dank dafür. Eins möchte ich nochmals betonen, schickt mir bitte nichts zu essen und verwendet es für Euch, denn Ihr habt mit den Marken doch sehr einzuteilen. Sende mir aber bitte wieder Briefpapier und Umschläge.
Der Muskelkater macht sich bei mir nun auch spürbar, aber auch das wird sich wieder geben. Nun gute Nacht, meine liebe Frau  und sei Du sowie die Kinder herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem -oft an Dich denkenden- Ernst. - Grüße auch bitte Vater recht herzlich von mir und sage ihm daß es mir gut geht.

Brief 1a vom 20.05.1940 (nachträglich eingefügt)


Liebe Annie + liebe Kinder!

Heute hat nun der 2. Tag unserer eigentlichen Ausbildung angefangen. Ich kann Dir nun mitteilen, daß das, was bis jetzt schon verlangt wurde, sehr viel ist und daß wir schon manches Mal im Dreck gelegen sind. Bis jetzt hat mich diese Schleiferei aber noch nicht erschüttern können, denn man merkt, daß die SA-Ausbildung schon etwas ausgemacht hat.
Gestern wurden wir gegen Pocken und Typhus geimpft. Bis jetzt macht mir nur die eine Spritze, die wir erhalten haben, etwas Beschwerden, doch im Großen und Ganzen haben wir nicht viel Gelegenheit, darüber nachzudenken.
Früh um 5 Uhr muß alles raus aus der Falle, denn da ist Wecken, was ziemlich geräuschvoll vor sich geht. Dann müssen wir Betten bauen und anschließend Waschen und Kaffeetrinken. 1/2 7 Uhr fängt der Dienst an, der dann in der Regel durch Unterricht und Exerzieren ausgefüllt ist.
Die Lernmittel sind etwas sehr primitiv, aber beim Kommis kommt dies ja nicht so genau darauf an, denn da muß man eben mitmachen und mitschaffen. Fällt dann einer irgendwie aus dem Rahmen, so muß eben alles dafür büßen. Aber, wie gesagt, das kann mich ja nicht reizen, denn ich bin ja schöner wie die.
Der Vormittagsdienst geht dann bis 12.30 Uhr. Anschließend Mittagessen. aber unsere Speisefolge schreibe ich dir ein anderes Mal. Von 14.30 Uhr bis Abend um 18 Uhr geht dann der Dienst weiter. Nach dem Abendessen ist dann wieder Sachenreinigen, was übrigens am Tage auch einmal vorgenommen werden muß, damit man beim Appell nicht auffällt. Um 10 Uhr abends ist dann Zapfenstreich und alles hat wieder in der Falle zu sein.
Das wäre in großen Zügen der Ablauf unseres Tages. Am Abend legt man sich beruhigt ins Bett mit der Gewissheit, seine Pflicht getan zu haben.
Gestern haben wir unsere Gewehre erhalten und fangen schon mit den Gewehrübungen an. Es sind Gewehre, die im Polenfeldzug erbeutet wurden. Es wird nun sehr schnell gehen, bis wir mit Schießen anfangen. Heute haben wir wahrscheinlich noch Löhnung, bei der wir bis zum 31.5.  25,-Rm wahrscheinlich in tschechischer Währung ausbezahlt erhalten.
Sonst bin ich jetzt auch zu Deiner Methode übergegangen und bürste mir abends die Füße ab, damit sie bei dieser Springerei mithalten können. Es ist wie gesagt nicht viel Zeit  am Tage, um noch über etwas nachzudenken und man muß sich gerade dazu halten, daß man einmal die Bilder seiner Lieben daheim wieder ansehen kann. Wenn Du mir schreibst, so sende doch bitte noch einen Abzug eines Bildes der Kinder mit.
Inzwischen ist Abend geworden und der Dienst ist wieder zu Ende. Die Reitbahn haben wir heute verschiedene Mal wieder ausgemessen, weil einige nicht auf Draht waren und geschlafen haben. Aber bei jedem Male muß man eben denken „Du kannst mich“. Es gibt immer wieder einige, die nicht aufpassen und die anderen müssen dafür büßen.
Löhnung haben wir heute empfangen und zwar 250 CKr. Ich muß heute noch verschiedenes kaufen, damit ich nicht mehr Geld wie 20 RM bei mir habe. - Den Brief muß ich immer in Raten schreiben und liege z.Zt. im Bett und gleich ist Zapfenstreich. Du siehst wieder, daß ich jede Gelegenheit benutze, an Dich zu denken. - Eines möchte ich Dich bitten, schicke mir nichts zu lesen, da die Verpflegung wirklich reichlich und bis jetzt auch gut ist. Eines kannst Du mir aber einmal schicken und zwar solche Dextropur Energen Tabletten und einige alte Wollappen, die ich zum Putzen brauche. - Daß ich immer jetzt mit Tintenstift schreibe, aber für mich ist das günstiger und das geht auch schneller. - Was machen die Kinder und ist auch Jörg immer brav, oder muß ich ihn zur Ordnung rufen. Wenn irgendetwas in dieser Beziehung vorliegt, dann laß mich das bitte wissen. - Heute früh geht nun die Post fort und ich will auch jetzt Schluß machen. Du meine liebe Frau sei jetzt herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Rekruten. Übernimm Dich nicht bei der Arbeit und trinke den befohlenen Rotwein. Nochmals viele herzliche Grüße und Küsse an Dich und die Kinder sendet Dir Dein Ernst.

Donnerstag, 7. Mai 2015

Brief 1 vom 19.05.1940



Meine liebe Annie, liebe Kinder!       Göding, 19.5.1940



Gestern früh um 4 Uhr haben wir es nun geschafft. Meine 4 Karten von unterwegs wirst Du wohl inzwischen erhalten haben, so daß Du über den Verlauf der Fahrt ziemlich unterrichtet bist. Wir sind, wenn man so sagen soll, aus Versehen statt von Immendingen nach Ulm direkt erst über Stuttgart gefahren. Aber das machte ja schließlich nichts, denn das geht ja von unserer Zeit ab.
Die Fahrt haben wir alle soweit gut überstanden. Verpflegung war, wir ich Dir schon geschrieben hatte, gut und reichlich. Angeschlossen sende ich Dir einen Speisezettel für unsere Marschverpflegung, die wir in Ulm erhalten hatten. Zweimal haben wir warmes Essen erhalten. Es war ja nicht schlecht, aber stellenweise sehr scharf.
Das Wetter ist seit Immendingen schlecht und seit wir hier sind sogar sehr schlecht. Im Verhältnis zu dem Wetter, wie es bei uns war, sogar ziemlich kalt.
Gestern früh wurden wir nun eingeteilt, so daß ich wahrscheinlich der Maschinengewehr Kompanie zugeteilt werden werde. Den Eindruck, den ich bis jetzt hier gewonnen habe, ist zwar nicht gerade überzeugend, doch muß man alles so hinnehmen, wie es an einen herankommt. Gestern früh hatten wir zwei Stunden Bettruhe und anschließend fing dann schon die erste Lauferei an. Am Nachmittag haben wir dann unsere Ausrüstungsstücke in Empfang genommen. Die meisten Sachen, die wir erhalten haben, sind neu und zwar 2 Uniformen, je 1 Paar Marsch- und Ausgehstiefel, 1 Paar Ledersportschuhe, 1 Mütze, 1 Stahlhelm, je 2 Paar Nacht- und Taghemden, 2 Paar Unterhosen.
Du siehst also, daß wir mit allem recht versorgt sind. Verschiedene Wäschestücke werde ich wohl hier behalten, aber was ich dann nicht unbedingt brauche, werde ich Dir im Koffer wieder zugehen lassen. Die Wäsche wird hier wöchentlich zurückgegeben und in der folgenden Woche können wir sie wieder abholen. Sonst sind wir als neue zu sechst auf eine Stube gekommen, wo schon mehrere Soldaten liegen, die schon länger hier sind. Sie gehen uns von Fall zu Fall zur Hand.
Morgen werden wir untersucht und vielleicht geht dann das Einzelexerzieren an. Mal sehen, wie das wieder ausfällt und wie sich alles anlässt. Nähen und Schuhputzen habe ich also schon gelernt und für den Feldwebel habe ich auch schon die Sachen putzen müssen. Du siehst also, ich mache mich.
Heute Nachmittag ist nun frei und die anderen haben soweit sie nicht auf Dienst sind, Urlaub. Ich habe mich nun gleich her gesetzt, um Dir gleich Bescheid zukommen zu lassen.
Die Bevölkerung beträgt etwa 14ooo Einwohner, sonst macht sie einen miesen Eindruck. Wie sie sonst im Umgang sind, wird sich dann zeigen, wenn wir in etwa 14 Tagen Ausgang haben.
Die Verpflegung ist, wie ich schon geschrieben habe, gut und reichlich. Heute hat jeder eine Flasche Bier erhalten, die ich aber verschenkt habe. Eines möchte ich Dich bitten, schicke mir ja nichts zu lesen, denn wir können hier alles in der Kantine kaufen. Schokolade oder sonstiges ist alles zu haben. Die erste Löhnung werden wir in den nächsten Tagen erhalten, so daß ich auch Geld auf der Hand haben werde.
Heute werde ich noch an Kurt und auch nach Leipzig schreiben. Ob ich Dir dann in den nächsten Tagen so viel und ausführlich schreiben kann, ist sehr fraglich, weil es dann ziemlich strenger werden wird.
Meine Anschrift lautet und muß auf dem Umschlag wie folgt aussehen:
                           
 F E L D P O S T         
über Deutsche Dienstpost Böhmen - Mähren         
An den Schützen Ernst Rosche         
4 Komp.Inf.Ers.Batl.460          
Göding (Mähren)         
 Postsammelstelle Prag.

Wie geht es Euch, seid Ihr etwa auch in Mitleidenschaft gezogen worden bei den feindlichen Einflügen, die im Radio gemeldet wurden. Das ist mir eine der größten Sorgen, die ich mir um Euch mache, das andere hier werde ich schon überstehen.
Ist Jörg auch brav und macht er Dir auch keinen Ärger? Helga wird ja sicher ihre Sache machen. Wenn beide mit schreiben würden, so würde ich mich sehr darüber freuen. Kommst Du mit Deiner Arbeit nach? Wenn nicht, so übernimm Dich nur nicht dabei und laß lieber etwas liegen. Die Sachen mit der SA hast Du wohl erledigt und was ist mit den Stiefeln geworden, hat die der Hantke geholt?- Bleibt mir alle zusammen gesund und sei Du herzlicht gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst. - Die Kinder grüßt und küßt herzlich Ihr Vater. - Grüße bitte Vater von mir und sage ihm, er soll mir Bitte ein weiteres Schreiben ersparen.

(Speisezettel  Kalte Kost für 2 Tage:  Mittag:   1. Tag = 200g Krakauerwurst,  2. Tag 200 g ger. Schinkenwurst oder Kochsalami. Abend:   1. Tag = 100 g Edamerkäse,   2. Tag 150 g Weichkäse.  Morgen:  1. Tag = 100 g Butter, 2. Tag 100 g Butter  )