31.5.40
Meine liebe Annie und Kinder!
Es ist nach 2 Uhr und endlich hat man
wieder ein paar Minuten für sich.
Gerade wollte ich mich hinsetzen zum
Schreiben, als es hieß „Postempfang“. Es kam das Päckchen mit Eurem
Sonntagsblumengruß, sowie das Päckchen mit den Briefbogen. Das ist für mich nun
die einzige Sonntagsfreude. Ich habe aus Deinen Briefen so richtig unsere Verbundenheit
entnommen, wenn Du mir von den Spaziergängen
erzählst, die wir auch früher miteinander unternommen haben.
Ich freue mich aber, daß Ihr diese
Spaziergänge weiter unternehmt, könnt Ihr Euch doch am besten an das erinnern,
wo wir gemeinsam gewesen sind. Haltets nur weiter so.
Gestern habe ich Dir nicht geschrieben,
weil ich zu abgespannt war. Früh hatten wir unseren Marsch, wobei wir richtiges
Marschwetter hatten.
Mittags hatten wir jetzt die letzte
Impfung bekommen. Am Nachmittag war wieder Revierreinigen.
Dann wurden wir noch zum Bataillon abkommandiert
zum Stubenreinigen. Es waren 15 Zimmer zu machen. Ich war jedenfalls am Abend
abgespannt.
Heute früh hatte ich Flurdienst, dann war
Unterricht. Um 12 Uhr waren wir soweit fertig, doch dann mußte ich für unsren
Unteroffizier die Stiefel putzen. Jetzt kann ich mich nun im Geiste wieder Euch
widmen.
Nach Deinen Mitteilungen habe ich Deine
Briefe bis zum 28.5. alle erhalten. Ich hoffe, daß Du auch alles von mir
bekommen hast. Zuerst kam ja das Päckchen mit den Tabletten. Von diesen nehme
ich mir meistens früh eine mit, wenn wir früh abmarschieren, damit ich einigermaßen frisch bleibe.
Dann erhielt ich ja Deinen Brief mit den
Bildern, den ich Dir auch schon bestätigt hatte. Die Bilder hatten ja bei mir
eine große Freude ausgelöst. Als nächstes kam dann das Päckchen mit dem Gebäck
an, was mich wiederum erfreut hat; und heute kamen wieder Deine Grüße.
Jedes mal ein Gruß der Kinder war auch
dabei, der mich immer an den Ehrgeiz unserer Beiden erinnert, selbständig etwas
zu schaffen. So auch die Zeichnungen unseres Sohnes. Sein Vorschlag, daß Du das
Datum vom Brief weglassen sollst, damit er es schreiben kann, ist ja für Dich
ohne weiteres von großer Bedeutung. Auch die Schreiben der Helga sind nicht
schlecht, vor allem, wenn man bedenkt, daß sie es selbständig macht.
Nun möchte ich der Reihe nach noch alles
beantworten, was nötig ist.
Daß auch Euch der Abschied schwer gefallen
ist, kann ich mir denken, waren wir doch alle zusammen immer eins. Ich glaube
aber, daß Ihr Euch an das Getrenntsein etwas gewöhnt habt. Wenn Ihr meinen
Platz daheim immer frei laßt, so bin ich doch symbolisch bei Euch.
Das war ja schön, daß Dir die Kinder den
Muttertag so schön gestaltet haben. Mit den Tomaten ist es so, daß Du den
Haupttrieb und 2 Nebentriebe stehen läßt und die anderen Triebe, die sich an
den Blättern rausschieben, schneidest Du weg.
Wenn Jörg jetzt etwas länger schläft, so
ist das ja nicht so schlimm und es kommt ihm ja nur zu gute. Auch die Spende
der Kinder für Vater und Mutter ist ja
rührend.
Wenn die Möglichkeit besteht, so ist gehe
nur ruhig ins Kino, damit Du auch am Zeitgeschehen teilnehmen kannst.
Wie geht es eigentlich Vater, hat er sich
wieder erholt. Das ist ja sehr schade, daß wir mit dem Film so Pech gehabt
haben. Ich weiß, daß ich alles in gute Hände gegeben habe und ich mache mir
auch wegen dem, was daheim zu machen ist, keine Sorgen, denn Du hast ja früher
schon immer Deine Pflicht getan.
Ich billige Deinen Kauf der Kartoffelhacke
ohne weiteres, denn die war ja notwendig. Wenn sonst etwas notwendig ist, so
schaffe das nur ruhig nach Deinem Gutdünken an, denn ich weiß ja, daß Du nichts
Unnützes kaufst.
Wenn jetzt die neuen Leute oben eingezogen
sind, so möchte ich noch darauf hinweisen, laß Dir nur auch da nichts gefallen.
Zeitungen oder sonstiges Lesbares brauchst
Du mir nicht zu senden, denn wenn ich Dir immer schreiben will, so habe ich zum
Lesen keine Zeit.
Die Blumen waren noch ziemlich frisch und
waren ein freundlicher und herzlicher Gruß von Euch und aus der Heimat. Der
Karton war wohl ziemlich demoliert, aber die Blumen noch in Ordnung. Jedenfalls
war ich sehr erfreut über Eure Aufmerksamkeit.
Gelegenheit zum frei baden haben wir hier
wahrscheinlich nicht, man säubert sich aber so gut man kann im Waschraum.
Auch an Dora werde ich noch schreiben,
ebenso schreibe ich heute noch an Deine Eltern.
Nun mache die Funzel endlich aus und
schlafe gut und schreibe mir bald wieder. Es grüßt und küßt Dich vielmals Dein
Ernst. Grüße Vater und Kurt von mir herzlich. Dein Gebäck habe ich mir heute
teilweise vorgenommen und habe mich dabei in einen Sonntag bei uns daheim rein versetzt.
Bei unserem gestrigen Ausmarsch haben wir
gesehen, wie dreckig die Bevölkerung ist und wie verwahrlost die Dörfer
aussehen.
Bei unserem Heimmarsch ist uns ein Mädel
auf dem Rad begegnet. Die hat uns aus lauter Haß die Zunge rausgestreckt. Aber
mit lautem Gelächter wurde das von uns quittiert. Sonst habe ich den Marsch
aber gut überstanden.
Heute regnet es was nur runter will und
unser Dienst wird im Trockenen abgehalten. Wir hatten das gar nicht erwartet.
Wie ich Dir schon oben geschrieben habe,
hat mich Dein Schreiben sehr erfreut und Eure Bilder muß ich immer und immer
wieder ansehen. Die hast Du aber wirklich fein gemacht.
Unsere Kinder sind so richtig wie sie
leiben und leben. Das frischt immer wieder etwas auf, wenn man sich so etwas
immer wieder ansehen kann. Helga hat aber fein geschrieben und auch alles richtig
und Jörg hat sich mit seiner Malerei sehr angestrengt.
Das Gebäck habe ich probiert und schmeckt
wieder ausgezeichnet. Daß aber unsere 2 solche Opfer bringen und ihre Sparbücher
sogar leeren, um ihrem Vater etwas zu schenken, zeugt schon von großer Liebe zu
ihrem Vater. Ich danke Euch nochmals für alles, doch ich bitte Euch, behaltet
das, was Ihr für Euch auf die Marken bekommt, denn wir werden ausgezeichnet
versorgt.
Aus Deinem Brief habe ich weiter ersehen,
aus welchem Grund Kurt wieder heimgekommen ist. Ja, bei der Infanterie muß viel
getippelt werden und das stellt auch große Anforderungen an die Füße. Er muß
eben warten, bis er wieder gerufen wird. Ist er wieder in der Zahnfabrik?
Auch
Deinen Brief an Siegfried billige ich in jeder Weise, doch daß wir unseren
Standpunkt vorher geschrieben haben, war schon in Ordnung.
Mit dem Garten hast Du Dir aber große Mühe
gegeben. Ich will aber immer wieder betonen, übernimm Dich nicht dabei. Daß Du
mir so viel über den Garten schreibst,
entspricht ganz und gar meinen Wünschen; steckt doch ein ganzer Teil unseres
gemeinsamen Schaffens darin.
Was so in Deinem Brief noch einzeln zu
beantworten wäre, behalte ich mir auf den Sonntag vor, weil ich da annehme,
mehr Zeit dazu zu haben. Heute schreibe
ich nur das, was mir gerade in den Sinn kommt.
Ja, das mit Bautzens ist so typisch, so
wie sie immer waren. Doch lassen wir die Leute so, wir ändern sie doch nicht.
Ihre Adresse kannst Du mir ja einmal mitteilen, dann werde ich eine Karte
schreiben.
Ob ich an Lämmels eine schreiben soll, ist
mir noch nicht ganz klar.
Der Brief von Deinen Eltern hat mir
diesmal bedeutend besser gefallen, wie die letzten, weil er mehr auf diese Stimmung
gepaßt hat. Ob wir Helga nach Leipzig schicken, ist mir selbst noch nicht ganz
klar. Ich weiß nicht, ob du sie jetzt missen kannst und wie sich Helga mit der
ganzen Reise abfindet. Gib mir darüber noch Bescheid, dann werden wir sehen,
was wir machen.
Mit der heutigen Abendpost erhielt ich von
Deinen Eltern den beigefügten Brief, ich habe mich darüber gefreut, auch über
das Gebäck und die Bonbons.
Eines muß ich aber gleich feststellen, mit
solcher Sorgfalt und Liebe, wie Du alles verpackt hast, war es nicht
eingepackt. Ich werde auch schreiben, daß ich Sonderverpflegung nicht brauche,
weil ich ja genügend zu essen bekomme. Ich werde mich selbstverständlich dafür
bedanken.
Hast Du übrigens mein Päckchen erhalten,
was ich am 24. abgesandt habe. Ich habe also jeden Tag geschrieben, außer am
28.5., was ich Dir ja schon begründet habe.
Morgen haben wir zur Übung einen 20km
Marsch zu machen. Mal sehen, wie ich davon wieder zurückkehre. Ich glaube aber,
daß mir das nicht viel ausmachen wird. Heute ist man ziemlich human mit uns
umgegangen, wir haben bei diesem Regenwetter unsere Übungen im Zimmer machen
können. Wir haben es dankbar angenommen.
Wenn ich wieder so die vergangenen Tage
überblicke, haben wir doch in dieser Zeit viel gelernt und es wird auch noch
vieles kommen. Den Brief der Eltern füge ich nächstens bei, wenn ich ihn beantwortet
habe.
Morgen haben wir auch wieder
Löhnungsappell, das ist ein wichtiger Tag und der muß vermerkt werden. Auch an
Gerhard werde ich wahrscheinlich bald wieder schreiben.
Schlafe gut mein liebes Mädel und bleibt
alle gesund und seid vielmals gegrüßt und geküßt von Eurem Ernst.