Sonntag, 27. März 2016

Brief 113 vom 26.3.1941


Mein liebes gutes Mädel!                                                 Karlsruhe, den 26. 3. 41 

Gestern war wieder ein voller Posttag. Dein ausführlicher Brief vom 23./24 erreichte mich. Außerdem erhielt ich einen von Kurt und dann bekam ich noch einen vom Tommi. Über alle habe ich mich sehr gefreut.
Deine Schilderung über den Verlauf des vergangenen Sonntags ist sehr lebhaft und ich bin froh, daß ich Dir dazu geraten habe. Bei Deinem einsamen Leben brauchst Du genau so nötig eine Abwechslung, um Dich einmal zu zerstreuen wie andere Menschen auch. Dies war ja eine willkommene Angelegenheit und wie ich aus Deinen Zeilen lese, hat es nicht nur den Kindern gefallen, sondern auch Dir.
Der Ausspruch von Jörg gegenüber Vater wegen es Geldes ist ja wieder treffend.
Am Samstag wart Ihr also doch noch im Wald, um nachzusehen, ob es schon Tee gibt.  Nützlich habt Ihr Euch dadurch gemacht, daß Ihr Tannenzapfen mit heimgenommen habt.
Die Angelegenheit wegen der Kriegssteuer wird sich insofern erledigen, als die beiden anderen Kollegen an ihre Frauen bzw. an das Amt geschrieben haben, daß dieser Abzug nach Auskunft eines Steuerinspektors vom Landesfinanzamt zu Unrecht gemäß des Einkommensteuergesetzes als Aufwand zu betrachten ist. Du brauchst vorerst einmal nichts weiter unternehmen, bis ich Dir wieder Bescheid gebe. Die Abgabe der Bescheinigung über die Kinderzuschläge geht in Ordnung. Die habe ich bisher immer jedes Jahr abgeben müssen.
Kurt schreibt mir, daß mein Brief 17 Tage gegangen sei. Da ist es gut möglich, daß Euer Päckchen auch eine Zeit auf der Post liegt. Dies ist aber in erster Linie dadurch zu erklären, daß durch die Verlegung des Truppenteils bei den zuständigen Postleitstellen die Nummern wieder durchgegeben werden mußten. Nach meiner Ansicht ist es also dort, wo wir neulich ausgeknobelt hatten.
Er empfiehlt mir, die Familie Frick in Blankenloch ein paar Mal zu besuchen. Dies läßt sich nun insoweit schlecht machen, weil ich  nur sonntags Zeit habe. Außerdem kann ich mich dann nicht jeden Sonntag zu den Leuten hinsetzen. Weiterhin erreicht mich sehr eigenartigerweise auf ziemlichen Umwegen die Einladung zum Schlachtfest zu kommen. Die Leute haben Kurt geschrieben, sie hätten meine Adresse hier nicht gewußt, aber er solle mir mitteilen, daß ich zum 20. zum Schlachtfest eingeladen sei. Er schreibt mir dann wörtlich: “Wenn sie Dir etwas anbieten, so kannst Du es ruhig nehmen, die Leute kennen das schon gar nicht anders und würden es vielleicht übel nehmen und falsch auslegen“. Ich habe heimlich dazu lachen müssen wenn ich daran denke, wie mir die Frau erzählt hat, was sie für Mühe gehabt hat, Kurt so weit zu bringen, daß er etwas genommen hat. Was meinst Du dazu. Soll ich am kommenden Sonntag hinaus gehen. Ich dachte mir, daß ich so nach dem Essen um 2/ 3 Uhr hinausginge. Ich hatte die Absicht gehabt, die Leute nochmals aufzusuchen, als Kurt geschrieben hat. Etwas unangenehm ist es mir dabei, weil die Leute vielleicht denken, man kommt nur zum Schlachtfest und will sich etwas holen. Er schreibt weiterhin, daß er gerade wieder so eine Woche hinter sich habe. Ihr Dienst würde meist aus Wachdienst bestehen, der neben der weiteren Ausbildung laufen würde. Der Dienst sei ganz gut zu ertragen, auch sei es in den Steinbaracken ganz wohnlich.
Und nun zum Brief von Dr.  Thomas. Meinen zweiten Brief vom 4. hat er nachgesandt bekommen.  Durch die Umstellung etwas aus dem Geleise gekommen sei er sich nun schuldbewußt vorgekommen, weil er nicht geschrieben habe. Er ist jetzt 35 km westlich von unserem letzten Standort.  Nach längerem Herumkramen in meinem Gehhirnkasten bin ich nun darauf gekommen, daß es Bethune ist. Ein uns bekannter Inspektor ist mit ihm versetzt worden, so daß es ihm nicht ganz so einsam ist. Die Stadt hat nur 20 000 Einwohner und bietet in keiner Hinsicht etwas, außer dem Soldatenheim. Er bearbeitet jetzt Arbeitseinsatz, Wirtschafts- und Devisenfragen, außerdem noch Ernährung und Landwirtschaft. Die Kameraden sind nicht uneben und der Kommandant sei ganz sympathisch. Von Überarbeitung könnte keine Rede sein, aber man muß sich eben den Verhältnissen anpassen. Die Entscheidung über seine Versetzung ist von Brüssel gekommen. Da die ganze Entscheidung dort liegt, geht schon daraus hervor, daß alle unsere Bonzen, wie der Kommissar und seine Trabanten, 14 Tage bis 6 Wochen Urlaub erhalten haben und dann müssen sie sich wieder zur Verfügung stellen. Das freut mich ja am meisten, daß auch diesen Herrschaften die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Dann schreibt er noch, daß er bedauert, daß unsere alte Dreierkameradschaft aufgeflogen ist. Graser hat dann unsere alte Wohnung aufgegeben. Dies hatte ich Dir ja auch im vorletzten Brief mitgeteilt. In seiner neuen Tätigkeit scheint er sich genau so starr in die Arbeit gekniet zu haben, wie er es früher bei uns getan hatte. Daher kommt auch, daß er nur eine Postkarte hat schreiben können.
So, wie ich die Dinge jetzt übersehen kann, muß ich bei meiner Rückkunft sehen was man höheren Orts über mein Schicksal bestimmt hat.
Wegen meiner Zahngeschichte war ich gestern beim Arzt. Ich hatte eine dicke Backe bekommen. Es wäre dies eine gute Gelegenheit gewesen, um mich fotografieren zu lassen, Damit man sehen kann, wie ich hier zugenommen habe. Der hat mir nun den Zahn aufgebohrt. Ich muß am Freitag wieder hin. Weiterhin ist ein anderer Zahn plombiert worden. Wenn die Schwellung zurückgeht, ist es gut. Andernfalls muß man das Zahnfleisch oben aufschneiden, um zu der Entzündung zu kommen, weil der Heilungsprozeß zu lange dauern würde. Ich will hoffen, daß sich dies vermeiden läßt, weil dies die andere bzw. weitere Behandlung neue Kosten verursachen würde. Wie es mir scheint, geht die Schwellung auch langsam zurück. Wollen wir das Beste hoffen.
Am Donnerstagabend sind wir Gäste der Gemeindeverwaltungsschule. Wir sind eingeladen in das badische Staatstheater, gespielt wird „Rigoletto“ von Verdi.  Man tut also etwas für unsere Entspannung.
Gestern haben wieder zwei Mann Bescheid erhalten, daß sie sich bis spätestens 5.4. bei ihrem Truppenteil zu melden hätten. Nach den neuen politischen Erfolgen kann es ganz gut sein, daß dieser Kurs noch auffliegt. Ich will zwar nicht vorher unken und lasse lieber die Dinge an uns herantreten. Es ist eben alles so ungewiß, daß man sich nicht mehr im Voraus einrichten kann.
Heute ist wieder ein regnerischer Tag, an dem man wenig Lust hat raus zugehen. Bald ist es aber wieder Zeit zum Essengehen und dann kommt ja anschließend gleich wieder der Unterricht. Heute ist nun schon Mittwoch und wie bald sind die paar Wochen noch herum, bis es zu der Prüfung geht. Ich hoffe nur, daß es mir noch zum Osterurlaub reicht.
Für heute will ich wieder einmal schließen. Euch allen sende ich viele herzliche Grüße und bin immer Dein Ernst.

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