Mittwoch, 9. März 2016

Brief 109 vom 4./6.3.1941


Mein liebes Mädel!                                                                               Karlsruhe 4.3.41            

 gestern früh erhielt ich auch noch Deine Postkarte vom Sonntag, ebenso sind die 60,-RM eingetroffen. Du hast also schon vorausgeahnt, wie viel ich etwa brauchen werde. Meine Miete habe ich nun bis zum Ende dieses Monats bezahlt und mit dem Rest werde ich gut auskommen. Gesundheitlich geht es wieder einigermaßen. Ich war, wie ich ja oben schon erwähnte, gestern wieder im Kurs. Ich werde mich die nächsten Tage noch etwas schonen und dann wird es wieder gehen und alles wieder in Ordnung sein.
Wegen des Briefes der Frau Frick habe ich Dir ja geschrieben. Ich sende ihn Dir heute wieder zurück. Wie mir die Frau sagte, sollen sie wahrscheinlich nach Brest, das liegt in der nordwestlichsten Ecke Frankreichs.  Brest ist früher französischer Kriegshafen gewesen. Ob das stimmt, wird sich ja später erweisen. Am Sonntag hatte ich noch eine Karte an die Eltern und eine an Nannie geschrieben, Damit sie wissen, wo ich jetzt bin.
Das Wetter ist hier gegenwärtig sehr unbeständig, heute will es offenbar schön werden, zwar ist es etwas frisch draußen.
Bis jetzt stehe ich noch nicht schlecht mit meinen Marken. Doch diese verfallen ja nicht, weil es noch Urlaubermarken sind. Ich werde sie mir vorerst aufheben, falls ich sie sonst einmal brauche. In der nächsten Woche habe ich dann auch die gewöhnlichen Marken wie ihr sie bekommt. 
Unseren beiden Stromern gib wieder einen herzlichen Kuß (selbstverständlich jedem einen), sage ihnen wiederum, sie sollen parieren, denn sonst gibt es keinen mehr. Dir wünsche ich alles Gute und Danke Dir nochmals für die gesandten Sachen. Ich sende Dir gleichzeitig recht herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.  

Meine liebe Annie!                                                        Karlsruhe , den 6. März 1941

Ich Danke Dir recht herzlich für das Päckchen vom 3. dieses Monats, das ich gestern Abend in meiner Behausung vorfand. Ich glaube fast, Du hast den Eindruck, dass ich nahe am Verhungern bin. Erst im letzten Paket schicktest Du mir Wurst und Butter mit. Im gestrigen war wieder welche beigefügt, außerdem noch Käse und Pralinen. Ich möchte Dich herzlich bitten, doch nicht soviel Sachen zu schicken, denn bis jetzt habe ich noch keine Not leiden müssen. Für den Kuchen zeichnest Du ja insoweit nicht mehr verantwortlich, als er schon seine Hin- und Rückreise nach Frankreich angetreten hatte um nunmehr den Empfänger doch noch zu erreichen. Ich Danke Dir nochmals recht herzlich für alles gesandte. Ich freue mich, daß Du es hast möglich machen können, an Kurt noch ein kleines Päckchen zum Geburtstag zu senden.
Du bist also auch an den Tagen nicht auf der Höhe gewesen, wo auch ich nicht richtig beieinander war. Das nennt man Sympathie. Ich freue mich aber, daß es Dir wieder soweit ordentlich geht. Von mir kann ich auch sagen, daß ich es diesmal wieder hinter mir habe. Also aus diesem Grund brauche ich nun nicht heimzukommen.  Wie ich aber gehört habe, soll in der Osterwoche in der Zeit vom 10.- 16.4 Unterrichtsferien sein. In dieser Zeit werde ich ja nach hause kommen.
Neben der Wäsche hast Du Dich auch noch an die Gartenarbeit gemacht und Brombeeren ausgeputzt. Ich glaube schon, dass Du mir wenig Gelegenheit geben wirst, um Dir eine Rüge zu erteilen. Bis jetzt hast Du ja das andere alles ordentlich gemacht. Heute Abend lag ein Brief von Deinen Eltern vor und in der Schule bekomme ich einen von Kamerad Graser ausgehändigt. Als ich ihn daheim aufmachte, enthielt er vier Briefe von Dir, die Du an mich gesandt hattest. Es war sonst nichts weiter dazu geschrieben als „Herzlichen Gruß Dein Richard“.   Diesen Richard Graser haben wir auf unserer Fahrt (Vater, Jörg und ich) in Freiburg besucht.  Wie ich dann aus dem Absender sehen konnte, hat er jetzt eine andere Feldpostnummer. Wahrscheinlich ist er woanders hingekommen. Von Thomas habe ich ja noch keine Nachricht. Ich habe ihm bis jetzt zwei mal geschrieben. Gespannt bin ich ja, was aus unserer Dienststelle geworden ist. Es wird aber so sein, daß sie erst mit ihren eigenen Sachen zu tun haben.
Über den Inhalt des Briefes an die Eltern weißt Du ja Bescheid. Das kann schon stimmen, daß ich mit Briefeschreiben dran bin, doch das hat sich gerade überschnitten mit meiner Abreise in Lille. Das ist für mich auch nicht weiter tragisch. Wegen des Falles Erna wird es wohl am besten sein, Du schreibst ihnen die Angelegenheit so, wie Du sie kennst, fügst aber gleichzeitig hinzu, daß sie Siegfried den Standpunkt klar machen können, doch sollen sie ihm Zeit geben, damit er sich alles nochmals überlegen und durchdenken kann. Im Übrigen ist es doch so, daß es nicht unsere Sache ist, in die wir uns hineinmischen wollen. Beide Teile müssen erst sehen wie sie alles wieder ins reine bringen. Bald ist wieder Sonntag und auch hier werden sie Wochen schnell vergehen. In den letzten Tagen trafen immer noch einige ein, die am Kurs teilnehmen wollen. Wir sind ja etwas über 40 Mann. Gleichzeitig läuft ja noch ein Lehrgang, an dem etwa etwas über 40Mann teilnehmen. In den vergangenen Tagen sind aus diesem Kurs 3 Mann telegrafisch wieder zur Truppe einberufen worden. Es ist anzunehmen, daß dies mit den Ereignissen in Bulgarien zusammenhängt. Es ist ja gut möglich, daß meine Kameraden doch runter gekommen sind.
So langsam gewöhne ich mich nun wieder an das Lernen, wenn es mir auch noch keine ausgesprochene Freude macht, kann ich aber jetzt  doch sagen, daß es schon besser geht wie am Anfang. Ich habe mich mit einem Kameraden der etwa in meiner Nähe wohnt, zusammengetan, mit dem gehe ich fast jeden Morgen, soweit es die Zeit zuläßt, den Stoff einmal durch.  Ich habe dabei festgestellt, daß in manchen Fächern die Sache schon wieder ganz gut geht. Bei dieser Gelegenheit merke ich aber auch, wo es fehlt.
Ich habe Dir heute die Bescheinigung mit beigelegt, daß ich hier den Kurs angetreten habe. Du kannst sie ja dann ja an Frl. Bucher weiterbefördern. 
Das Wetter ist hier seit einigen Tagen ziemlich beständig, was einem nicht gerade unangenehm ist. Aber daß ich am Sonntag raus gehe, glaube ich kaum, denn am Vormittag werde ich bestimmt lernen. Vielleicht gehe ich gegen Abend einmal ins Kino, doch das kommt ganz auf die Stimmung an.
Vorgestern hatte ich nach dem Mittagessen noch etwas Zeit, dann bin ich noch in die Ausstellung „Kunst an der Front“ gegangen, die hier stattfindet. Es sind teils sehr schöne Bilder dabei, die meisten behandeln ja das Kriegsthema. Unter anderem sind auch Bilder von Dünkirchen dabei. So z.B. die versenkten Dampfer, die ich auch fotografiert habe.
Was treiben unsere Strolche? Jeden morgen, wenn ich aufstehe, lachen sie mich an. Ich habe doch unsere Bilder auf meinem Nachttisch wieder aufgestellt. Hoffentlich gehorchen sie Dir einigermaßen, Damit Du nicht gar zuviel dazwischenfunken mußt.
Ich grüße Euch Drei recht herzlich und bitte Dich, gib jedem wieder einen Kuß von mir. Du selbst nimm aber recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von deinem Ernst. Grüße bitte auch Vater von mir. Hast Du ihm schon die Zigarren gegeben?  

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