Donnerstag, 3. März 2016

Brief 108 vom 02.03.1941


Meine liebe kleine Frau                                                        Karlsruhe, den 2.3.41       

Deinen Brief vom 24./26.2. sowie den vom 27.3. und die Karte habe ich bestens Dankend erhalten. Ich werde Dir also alles der Reihe nach beantworten.
Das Paket, welches Du am 28.2. an mich ab gesandt hast, ist bereits gestern schon hier eingetroffen. Auch Dafür Danke ich Dir vielmals. Vorweg nehmen möchte ich, daß ich Deine Kurzschrift ebenfalls gut lesen kann. Es sind nur einige Sachen, die etwas störend wirken. Du schreibst (es folgen einige Beispiele der Kurzschrift). Dies sind aber nur kleine Schönheitsfehler, die sich ja ohne weiteres beheben lassen. Deine Mitteilung von dem Eintreffen der Päckchen hat mich gefreut. Doch jedes Mal schreibst Du mir, daß der Schlafanzug nicht Dabei gewesen sei. Das stimmt auch, denn ich hatte ihn ja erst in die Wäsche gegeben, als ich dort wegfuhr. Diese Wäsche werden meine Kameraden noch nachsenden, wenn sie fertig ist.  Wenn Du von den verschiedenen Sachen etwas gebrauchen könntest, so ist mir das sehr recht. Nach Deinem Schreiben zu urteilen hat Helga ihre Häkelarbeit in der Schule recht gemacht. Das ist ja erfreulich. Überrascht war ich aber über das Vogelbild von Jörg.  Ich hatte erst geglaubt, es sei durchgepaust und dann nachgemalt.  Du schreibst mir daß dies nicht der Fall ist. Ich muß beiden mein Lob aussprechen und ihnen sagen, sie sollen nur so weitermachen. 
Nun muß ich Dir von einer unangenehmen Geschichte berichten, die mir passiert ist. Am Donnerstagabend bekam ich leichte Rückenschmerzen. Ich hatte sie nicht weiter beachtet. Am folgenden Morgen merkte ich, was los war. Es ist die gleiche Geschichte, die ich in Frankreich mit den Nieren auch schon einmal hatte.  Ich dachte, das beste ist, wenn ich doch nicht sitzen kann, ich fahre zu Kurt raus, dann ist der Tag nicht vergeudet. Mit dem Laufen ging es ganz gut, da hatte ich keine Scherereien. Ich bin dann nach Blankenloch gefahren, mußte aber feststellen, daß Kurt mit seiner Truppe schon am Dienstag in Marsch gesetzt wurde. Ich habe mich dann nicht allein bei den Leuten aufgehalten und bin dann, nachdem ich im Ort zu Mittag gegessen hatte, 5 km marschiert bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle, so daß ich bald wieder hier war. Um nicht weiter denken zu müssen, bin ich dann ins Kino gegangen „Sieg im Westen“. Danach habe ich mich heimbegeben. Meine Wirtsleute waren sehr nett und hatten mir eine Medizin besorgt, Damit ich bald wieder flott werden sollte. Am Samstag aber war es noch unvermindert, so daß ich mich für den Unterricht kaum konzentrieren konnte. Ich bin in die Schule gefahren, habe mich dort entschuldigt und nachdem ich gegessen hatte, habe ich mich nach hause begeben. Die Leute haben mich gleich ins Bett schicken wollen. Ich konnte das zwar nicht, weil man ja hier fremd ist.  Am Abend haben dann die Schmerzen nachgelassen und gleich nach 7 Uhr bin ich dann in die Falle gegangen. Heute habe ich bis etwa gegen 10 Uhr geschlafen und nun merke ich, daß es mir bedeutend besser geht und ich glaube hoffen zu können, daß morgen wieder alles in Ordnung ist. Mit dem Essen habe ich seit gestern Mittag ausgesetzt, was mir auch ganz gut getan hat. Beunruhigen brauchst Du Dich deswegen nicht mehr, denn es geht ja alles wieder. Wenn es nicht besser geworden wäre, hätte ich mich morgen auf die Bahn gesetzt und wäre heimgekommen. Dies ist aber nicht mehr nötig, was mich auch wieder beruhigt. Was nun das Schreiben von Kurt anbelangt, so schrieb er einmal an Nannie. Ich finde, Du machst es am besten, wenn Du ihr in der Duzform schreibst und kannst ihr ruhig sagen, daß Du erst bei mir angefragt hast, wie Du es halten sollst. Vor allem muß Du einen Ton anschlagen wie Du ihn mir gegenüber anwendest, dann wirst Du bestimmt das Richtige treffen. Wenn Du ihr damit ein wenig über trübe Gedanken hinweggeholfen hast, so denke ich mir, daß auch Du innerlich die Genugtuung hast, einem einsamen Menschen geholfen zu haben. Vielleicht schreibt Helga einen Gruß dazu und Jörg malt ihr ein Bild. Wenn Du noch ein Bild von den Kindern hast, was sie noch nicht kennt, so wird sie ihre Freude daran haben. Du weißt ja auch, was sie an uns getan hat. Du hast schon ganz andere Sachen gemeistert, ich bin davon überzeugt, dies wird Dir auch gelingen. Den Briefträger hast Du ganz richtig abgefertigt, wenn er so geheimnisvoll tun will.
Mein Besuch bei Kurts Wirtsleuten war insofern interessant, als sie mir verschiedenes sagten, warum er diesen und jenen Dienst machen mußte. Du weißt doch, daß er sich nicht getraut, etwas zu sagen. So hat er gleich am Anfang ein verrostetes Gewehr bekommen, beim Appell ist er natürlich gleich damit aufgefallen, dann hat er einen Mantel erhalten, der vor Dreck stand. Beim Antreten war es ihm dann gleich gegangen wie mit dem Gewehr. Er ist eben einer der Pechvögel, die immer auffallen. Dafür hat er auch verschiedene Male Wache schieben müssen.  Du brauchst davon Vater nichts zu sagen, Du weißt ja wie er dann gleich darüber urteilt. Sie haben mir auch gesagt, daß er seit dem 12.11. bis zu seiner Abreise zweimal abends ausgegangen sei und dies nur deshalb, weil er gemußt hat. Sie haben ihn sehr gern gehabt und zu seinem Geburtstag, den sie nur unter schwierigen Umständen erfahren haben, schicken sie ihm ein Päckchen.  Wie sie mir weiter erzählten, soll er sehr ungern gegangen sein.  Ich habe ihm heute zu seinem Geburtstag geschrieben und ihm auch gut zugesprochen. Vergiß doch bitte nicht, ihm auch zum Geburtstag zu schreiben. Feldpost-Nummer 19655. Die Frau sagte mir noch, daß sie Dir geschrieben hätte. Ich nehme an, daß Du diesen Brief inzwischen erhalten hast. Die deutsche Gemeindeordnung war in einem der Bücher enthalten, das Du mir hast mit zugehen lassen. Wir brauchen also nirgends mehr betteln. Die Bescheinigung wegen des Antritts des Kurses werde ich wahrscheinlich am Montag erhalten, ich sende sie Dir dann umgehend zu. Daß Dir dieser „Lange„ unsympathisch erscheint ist wirklich keine Seltenheit, denn er ist sozusagen der bestgehassteste bei der ganzen Stadtverwaltung.  Wegen der Unterlagen von meinem Kameraden Graser sende ich Dir den Brief der Frau Graser mit, aus dem Du ersehen kannst, daß es noch andere Leute gibt, als die der Stadt Konstanz. Ich schreibe ihr heute eine Karte für die prompte Zusendung.  Nun hast Du Deinen Rock also in Ordnung, das freut mich sehr, daß Dir dies auch gelungen ist. Wegen des Geldes denke ich mir, daß wir bis zum 15. etwa 50/60,- erhalten, denn ich muß noch die Miete bezahlen und während dieser Zeit noch leben. Du bekommst ja dieses Geld wieder am 15., dann geht ja wieder alles klar.  Für heute habe ich Dir aber genügend geschrieben. Ich denke, daß Du mit mir zufrieden bist.

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