Meine liebe kleine Frau Karlsruhe, den 2.3.41
Deinen Brief vom
24./26.2. sowie den vom 27.3. und die Karte habe ich bestens Dankend erhalten.
Ich werde Dir also alles der Reihe nach beantworten.
Das Paket,
welches Du am 28.2. an mich ab gesandt hast, ist bereits gestern schon hier
eingetroffen. Auch Dafür Danke ich Dir vielmals. Vorweg nehmen möchte ich, daß
ich Deine Kurzschrift ebenfalls gut lesen kann. Es sind nur einige Sachen, die
etwas störend wirken. Du schreibst (es folgen einige Beispiele der
Kurzschrift). Dies sind aber nur kleine Schönheitsfehler, die sich ja ohne
weiteres beheben lassen. Deine Mitteilung von dem Eintreffen der Päckchen hat
mich gefreut. Doch jedes Mal schreibst Du mir, daß der Schlafanzug nicht Dabei
gewesen sei. Das stimmt auch, denn ich hatte ihn ja erst in die Wäsche gegeben,
als ich dort wegfuhr. Diese Wäsche werden meine Kameraden noch nachsenden, wenn
sie fertig ist. Wenn Du von den
verschiedenen Sachen etwas gebrauchen könntest, so ist mir das sehr recht. Nach
Deinem Schreiben zu urteilen hat Helga ihre Häkelarbeit in der Schule recht
gemacht. Das ist ja erfreulich. Überrascht war ich aber über das Vogelbild von
Jörg. Ich hatte erst geglaubt, es sei
durchgepaust und dann nachgemalt. Du
schreibst mir daß dies nicht der Fall ist. Ich muß beiden mein Lob aussprechen
und ihnen sagen, sie sollen nur so weitermachen.
Nun muß
ich Dir von einer unangenehmen Geschichte berichten, die mir passiert ist. Am
Donnerstagabend bekam ich leichte Rückenschmerzen. Ich hatte sie nicht weiter
beachtet. Am folgenden Morgen merkte ich, was los war. Es ist die gleiche
Geschichte, die ich in Frankreich mit den Nieren auch schon einmal hatte. Ich dachte, das beste ist, wenn ich doch
nicht sitzen kann, ich fahre zu Kurt raus, dann ist der Tag nicht vergeudet.
Mit dem Laufen ging es ganz gut, da hatte ich keine Scherereien. Ich bin dann
nach Blankenloch gefahren, mußte aber feststellen, daß Kurt mit seiner Truppe
schon am Dienstag in Marsch gesetzt wurde. Ich habe mich dann nicht allein bei
den Leuten aufgehalten und bin dann, nachdem ich im Ort zu Mittag gegessen
hatte, 5 km marschiert bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle, so daß ich bald
wieder hier war. Um nicht weiter denken zu müssen, bin ich dann ins Kino
gegangen „Sieg im Westen“. Danach habe ich mich heimbegeben. Meine Wirtsleute
waren sehr nett und hatten mir eine Medizin besorgt, Damit ich bald wieder
flott werden sollte. Am Samstag aber war es noch unvermindert, so daß ich mich
für den Unterricht kaum konzentrieren konnte. Ich bin in die Schule gefahren,
habe mich dort entschuldigt und nachdem ich gegessen hatte, habe ich mich nach
hause begeben. Die Leute haben mich gleich ins Bett schicken wollen. Ich konnte
das zwar nicht, weil man ja hier fremd ist.
Am Abend haben dann die Schmerzen nachgelassen und gleich nach 7 Uhr bin
ich dann in die Falle gegangen. Heute habe ich bis etwa gegen 10 Uhr geschlafen
und nun merke ich, daß es mir bedeutend besser geht und ich glaube hoffen zu
können, daß morgen wieder alles in Ordnung ist. Mit dem Essen habe ich seit
gestern Mittag ausgesetzt, was mir auch ganz gut getan hat. Beunruhigen
brauchst Du Dich deswegen nicht mehr, denn es geht ja alles wieder. Wenn es
nicht besser geworden wäre, hätte ich mich morgen auf die Bahn gesetzt und wäre
heimgekommen. Dies ist aber nicht mehr nötig, was mich auch wieder beruhigt.
Was nun das Schreiben von Kurt anbelangt, so schrieb er einmal an Nannie. Ich
finde, Du machst es am besten, wenn Du ihr in der Duzform schreibst und kannst
ihr ruhig sagen, daß Du erst bei mir angefragt hast, wie Du es halten sollst.
Vor allem muß Du einen Ton anschlagen wie Du ihn mir gegenüber anwendest, dann
wirst Du bestimmt das Richtige treffen. Wenn Du ihr damit ein wenig über trübe
Gedanken hinweggeholfen hast, so denke ich mir, daß auch Du innerlich die
Genugtuung hast, einem einsamen Menschen geholfen zu haben. Vielleicht schreibt
Helga einen Gruß dazu und Jörg malt ihr ein Bild. Wenn Du noch ein Bild von den
Kindern hast, was sie noch nicht kennt, so wird sie ihre Freude daran haben. Du
weißt ja auch, was sie an uns getan hat. Du hast schon ganz andere Sachen
gemeistert, ich bin davon überzeugt, dies wird Dir auch gelingen. Den
Briefträger hast Du ganz richtig abgefertigt, wenn er so geheimnisvoll tun
will.
Mein Besuch
bei Kurts Wirtsleuten war insofern interessant, als sie mir verschiedenes
sagten, warum er diesen und jenen Dienst machen mußte. Du weißt doch, daß er
sich nicht getraut, etwas zu sagen. So hat er gleich am Anfang ein verrostetes
Gewehr bekommen, beim Appell ist er natürlich gleich damit aufgefallen, dann
hat er einen Mantel erhalten, der vor Dreck stand. Beim Antreten war es ihm
dann gleich gegangen wie mit dem Gewehr. Er ist eben einer der Pechvögel, die
immer auffallen. Dafür hat er auch verschiedene Male Wache schieben
müssen. Du brauchst davon Vater nichts
zu sagen, Du weißt ja wie er dann gleich darüber urteilt. Sie haben mir auch
gesagt, daß er seit dem 12.11. bis zu seiner Abreise zweimal abends ausgegangen
sei und dies nur deshalb, weil er gemußt hat. Sie haben ihn sehr gern gehabt
und zu seinem Geburtstag, den sie nur unter schwierigen Umständen erfahren
haben, schicken sie ihm ein Päckchen.
Wie sie mir weiter erzählten, soll er sehr ungern gegangen sein. Ich habe ihm heute zu seinem Geburtstag
geschrieben und ihm auch gut zugesprochen. Vergiß doch bitte nicht, ihm auch
zum Geburtstag zu schreiben. Feldpost-Nummer 19655. Die Frau sagte mir noch,
daß sie Dir geschrieben hätte. Ich nehme an, daß Du diesen Brief inzwischen
erhalten hast. Die deutsche Gemeindeordnung war in einem der Bücher enthalten,
das Du mir hast mit zugehen lassen. Wir brauchen also nirgends mehr betteln.
Die Bescheinigung wegen des Antritts des Kurses werde ich wahrscheinlich am
Montag erhalten, ich sende sie Dir dann umgehend zu. Daß Dir dieser „Lange„
unsympathisch erscheint ist wirklich keine Seltenheit, denn er ist sozusagen
der bestgehassteste bei der ganzen Stadtverwaltung. Wegen der Unterlagen von meinem Kameraden Graser sende ich Dir
den Brief der Frau Graser mit, aus dem Du ersehen kannst, daß es noch andere
Leute gibt, als die der Stadt Konstanz. Ich schreibe ihr heute eine Karte für
die prompte Zusendung. Nun hast Du
Deinen Rock also in Ordnung, das freut mich sehr, daß Dir dies auch gelungen
ist. Wegen des Geldes denke ich mir, daß wir bis zum 15. etwa 50/60,- erhalten,
denn ich muß noch die Miete bezahlen und während dieser Zeit noch leben. Du
bekommst ja dieses Geld wieder am 15., dann geht ja wieder alles klar. Für heute habe ich Dir aber genügend
geschrieben. Ich denke, daß Du mit mir zufrieden bist.
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