Meine liebe Annie! U.H.,
den 24.6.1940
Ich habe mich heute noch geärgert, daß mir
der Mantel weggekommen ist, aber das war so, daß wir in den ersten Tagen
verschiedene Male umziehen mußten und jedes Mal konnte das nicht schnell genug
gehen. Zudem waren wir sehr durch den Dienst in Anspruch genommen. Es kann aber
nicht anders sein, als daß er mir gestohlen worden ist, denn sonst hätte ihn
der Finder ja abgeben können. So geht´s eben beim Kommis und das kommt auch
daher, weil es verschiedenerlei Leute hat, die da zusammen kommen. Es läßt sich
zwar nicht mehr ändern, doch man kann sich schon darüber ärgern.
Das Telegramm wird sich ja auch erledigt
haben. Ebenso ist ja unser Einsatz auch vorläufig zurückgestellt. Ob wir bei
der jetzigen Lage noch drankommen, wird sich zeigen.
Jede Übung ist bei uns jetzt mit einem
längeren Marsch verbunden. So auch heute wieder, als wir beim Scharfschießen
mit Gewehren waren. Erfüllt habe ich, wie auch die meisten anderen, nicht.
Morgen kommt wieder MG-Scharfschießen
dran, während die anderen Kameraden, die keine MG-Schützen sind, wieder einen
Ausmarsch haben.
Langweilig wird es uns zwar nicht, wenn
auch der Dienst bei dem Marschbataillon nicht mehr so streng ist wie in der
Kaserne, doch dafür fehlen uns manche Annehmlichkeiten, die man dort hat.
Mit unserem Ausgang ist es so, daß wir
nach Befehlsausgabe, bei der auch die Post verteilt wird, und das ist meistens
etwa um 7 Uhr, bis um 10 Uhr für uns dienstfrei ist. Um 10 Uhr muß aber alles
in der Falle liegen und manchmal wird
es auch später, so daß man dann lieber da bleibt.
Wenn Du meinst, Du willst den Wein nicht
trinken, so überlasse ich Dir dies ganz und gar, ich möchte aber nicht haben,
daß Du durch die Photos in Geldknappheit gerätst.
Reicht Dir eigentlich das Geld, was Du
jetzt bekommst?
Jörg danke ich wieder für seine Malerei
und Helga für ihr Geschriebenes. Sie soll sich nur weiter anstrengen. Sagst Du
ihr eigentlich die Fehler, die sie macht, oder wie ist das?
Am Samstag Abend haben wir anläßlich der
Kapitulation von Frankreich nach Zapfenstreich von Zimmer zu Zimmer Unterhosen-Prozession
gehabt, das war ein erhebendes Bild, kann ich dir sagen.
Das Wetter ist bei uns immer noch sehr
schön, aber sehr heiß, so daß wir heftig schwitzen müssen. Aber die Kommiszeit
wird auch vorübergehen, womit ich mich immer wieder tröste.
Meine liebe Frau gute Nacht und sei Du wie
auch die Kinder herzlich gegrüßt und geküßt und Du nochmals besonders von
Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! U.H.,
den 25.6.1940
Diesmal war es ein postreicher Tag.
Deinen Brief vom 21. kam heute an, Dein Brief
vom 9.6. beigefügt. Weiter erhielt ich je einen Brief von Kurt und vom Kollegen
Rieck. Außerdem kam noch ein Päckchen von Dora an. Alle diese Sachen sind erst
nach Göding gegangen. Jetzt habe ich nun alles erhalten und muß nun viel
beantworten.
Diese Sachen lasse ich Dir alle mit
zugehen. Dora ist übrigens nicht ganz gesund, wie sie schreibt.
Deine Briefe haben mich alle beide wieder
erfreut, besonders auch die Berichte über die Kinder, ersehe ich doch daraus,
was die beiden treiben. Daß Jörg so stark ist, ist ja sehr erfreulich, da wird
er sicher sehr stolz sein. Daß sich beide beim Schreiben nicht so stark
beteiligen, kann ich ihnen wirklich nicht übel nehmen. Sie sollen sich nur im
Feien tummeln, denn das glaube ich, daß sie ihren Vater nicht vergessen.
Wegen der Fahrt von Helga nach Leipzig
habe ich Dir ja meine Meinung schon geschrieben, es würde sich nun noch darum
handeln, wann sie Ferien bekommt, denn es kann ja gut möglich sein, daß bei dem
Tempo der Kriegsführung bis dahin schon Frieden ist. Wollen wir also das Beste
hoffen.
Wegen meinem Geburtstag habe ich Dir ja
schon geschrieben.
Die Erdbeerernte ist in diesem Jahr also
nicht sehr reichlich ausgefallen, nachdem Du aber so wenig Zucker hast, trifft
es sich ja auch wieder gut.
Wir haben heute, wie ich Dir gestern schon
schrieb, MG-Scharfschießen gehabt. Diese Übung habe ich wieder erfüllt und mein
Nimbus, daß ich auch zu etwas brauchbar bin, ist wieder etwas gestiegen.
Ebenfalls hatte wieder ein Großteil diese Übung nicht erfüllt. Am Nachmittag
war bei uns Sport angesetzt. Ein großer Teil der Kameraden hatte es hierbei
vorgezogen, die Badegelegenheit in der March zu benutzen. Diese ist etwa 30 m
breit, sehr lehmig und hat ziemliche Strömung. Ich bin zwei Mal durchgeschwommen,
was ich als wahre Wohltat empfunden habe. Na, Du kennst ja meine Schwäche fürs
Wasser. Heute Abend fühle ich mich aber danach etwas müde, weil ich es nicht
mehr so gewohnt bin.
Darum brauchst Du Dir also keine Sorge zu
machen, wenn mein Geldverbrauch jetzt etwas gesteigert ist, das ist auch so
eine Kommisangewohnheit, die daheim wieder verschwindet. Ich werde mich
jedenfalls bemühen, Dich nicht um Geld anzupumpen, damit Du und die Kinder nicht
darunter leiden müßt. Ich werde wieder einige Abende daheim bleiben und schon
ist das Geld wieder gespart. Sei Du liebe Mädel vielmals herzlich gegrüßt und
geküßt von Deinem Ernst. Küsse die Kinder von ihrem Vater und grüße unseren
Vater.