Mein liebes, gutes Mädel ! 4.4.45
An den Tag vor einem Jahr erinnere ich mich deshalb noch so gut, weil ich damals bei Euch in Urlaub war und die Kinder darauf aufmerksam machte, daß das Datum vier Vieren aufwies. Damals sah man zwar noch anders in die Zukunft. Man hoffte auf den Frieden. Alles hat sich anders entwickelt, wie uns das erzählt wurde und wie wir uns das vorgestellt haben. Aber sprechen wir von etwas anderem. Ich war gestern Nachmittag mit Siegfried zusammen. Wir haben die Stätten unserer Jugendzeit aufgesucht und sind durch die verschiedenen Straßen gegangen. Er hatte es ermöglicht, daß ich von hier freikam. Ich bin dann noch zur Dienstausgabe zurückgegangen und anschließend hatte ich die Genehmigung, daß ich die ganze Nacht von hier wegbleiben durfte. Wir sind dann gleich nach der Dienstausgabe losgezogen und sind quer durch die Stadt in die Nordstraße gelaufen. Als wir dort ankamen, war Ursula schon auf dem Damm und wartete auf uns. Erna hat dann gleich mit dem Essen aufgewartet.
Es kommt mir immer etwas peinlich vor, wenn ich da mitessen muß, aber das läßt sie sich nicht nehmen. Wir sind dann noch nett zusammengesessen, haben von früher gesprochen und von dem, was sich in der letzten zugetragen hat.
Wir haben unsere Bilder angesehen, so daß die Zeit ziemlich schnell verflog. Ich sollte ja zur Nacht in der Nordstraße bleiben. Freundlicherweise wurde mir das Zimmer von den Nachbarn zur Verfügung gestellt. Erna hatte alles frisch bezogen, ein Schlafanzug war auch da; es fehlte also an nichts. Heute früh habe ich mich dann um 7 Uhr auf die Straßenbahn geschwungen, nachdem ich erst noch Kaffee trinken mußte. Ich hatte dann noch mit Erna ausgemacht, daß ich heute zu Papa gehen will, damit er nicht vergrämt wird.
Vergessen hatte ich noch anzufügen, daß ich am Nachmittag mit Siegfried Alice programmgemäß besuchte, die sich recht gefreut hatte, als wir Beide auftauchten. Daß Tante Agnes mit dem Onkel nicht minder erfreut waren, das kannst Du Dir wohl denken. Als ich heute früh zum Dienst hier zurückkam, fand ich Deinen lieben Brief vor Nummer 24 vom 18.3. Der war von der Adresse in Dobichau nachgesandt worden. Ich hatte nicht geglaubt, daß das so klappen würde. Es ist zwar aus der Kette der übrigen Briefe herausgerissen, und man muß sich den Zusammenhang etwas zurechtlegen. Du wunderst Dich in Deinem Schreiben darüber, daß das Papa und Lotte so aushalten.
Ich nehme an, daß ich Dir nach meinem Besuch wieder ähnliche Dinge berichten kann.
Ich wundere mich nicht, weil diese Frau, wie mir Erna jetzt erst bestätigte, ihm Sand in die Augen streut. Es ist nur so, daß er es nicht merkt, und daß er glaubt, sie würde alles für ihn opfern unter Hintansetzung ihrer Person.
Manchmal scheint er es zu fühlen oder will es sich nicht merken lassen. Du fragst mich, ob ich nicht hätte in Hamburg eher wegreisen können. Das wäre durchaus möglich gewesen, aber ich dachte, daß ich mir das nicht entgehen lasse, und nach Leipzig zu dem Haufen hier komme ich noch schnell genug. Ich habe mich bei dieser Gelegenheit auch noch etwas umsehen können, wenn auch die Alarme dabei etwas hinderlich waren. Daß jetzt in Konstanz viele Verwundete liegen, das ist vielleicht für Euch von Vorteil, und Ihr braucht dann in diesem Falle mit Bombardierungen weniger zu rechnen. Interessant ist, daß die Schweizer sich in ihre alte Heimat retten, weil Ihnen der Boden bei uns anscheinend zu heiß wird. Man kann es ihnen nicht verwehren, aber man könnte da den Eindruck gewinnen, daß die Ratten das Schiff verlassen, weil es leckt.
Wie sich die militärische Lage in dem hiesigen Raum weiter entwickelt, wird sich bald herausstellen. Was man mit uns plant, ist ja keinem von uns bekannt. Man hat keinen Einfluß auf diese Dinge, denn wir sind ja doch nur Werkzeug. Also machen wir in bewährter Weise weiter mit. Dich und die Kinder grüße ich recht herzlich. Bleibt mir nur gesund, denn meine Aufgabe besteht doch mehr oder weniger darin, für Euch zu schaffen und zu leben. Ich küsse Dich und die Kinder innig und bleibe, wie das schon immer war, Euer Vaterle und Dein Ernst. Bitte neue Post an die Adresse Deines Vaters in Zukunft richten.
An den Tag vor einem Jahr erinnere ich mich deshalb noch so gut, weil ich damals bei Euch in Urlaub war und die Kinder darauf aufmerksam machte, daß das Datum vier Vieren aufwies. Damals sah man zwar noch anders in die Zukunft. Man hoffte auf den Frieden. Alles hat sich anders entwickelt, wie uns das erzählt wurde und wie wir uns das vorgestellt haben. Aber sprechen wir von etwas anderem. Ich war gestern Nachmittag mit Siegfried zusammen. Wir haben die Stätten unserer Jugendzeit aufgesucht und sind durch die verschiedenen Straßen gegangen. Er hatte es ermöglicht, daß ich von hier freikam. Ich bin dann noch zur Dienstausgabe zurückgegangen und anschließend hatte ich die Genehmigung, daß ich die ganze Nacht von hier wegbleiben durfte. Wir sind dann gleich nach der Dienstausgabe losgezogen und sind quer durch die Stadt in die Nordstraße gelaufen. Als wir dort ankamen, war Ursula schon auf dem Damm und wartete auf uns. Erna hat dann gleich mit dem Essen aufgewartet.
Es kommt mir immer etwas peinlich vor, wenn ich da mitessen muß, aber das läßt sie sich nicht nehmen. Wir sind dann noch nett zusammengesessen, haben von früher gesprochen und von dem, was sich in der letzten zugetragen hat.
Wir haben unsere Bilder angesehen, so daß die Zeit ziemlich schnell verflog. Ich sollte ja zur Nacht in der Nordstraße bleiben. Freundlicherweise wurde mir das Zimmer von den Nachbarn zur Verfügung gestellt. Erna hatte alles frisch bezogen, ein Schlafanzug war auch da; es fehlte also an nichts. Heute früh habe ich mich dann um 7 Uhr auf die Straßenbahn geschwungen, nachdem ich erst noch Kaffee trinken mußte. Ich hatte dann noch mit Erna ausgemacht, daß ich heute zu Papa gehen will, damit er nicht vergrämt wird.
Vergessen hatte ich noch anzufügen, daß ich am Nachmittag mit Siegfried Alice programmgemäß besuchte, die sich recht gefreut hatte, als wir Beide auftauchten. Daß Tante Agnes mit dem Onkel nicht minder erfreut waren, das kannst Du Dir wohl denken. Als ich heute früh zum Dienst hier zurückkam, fand ich Deinen lieben Brief vor Nummer 24 vom 18.3. Der war von der Adresse in Dobichau nachgesandt worden. Ich hatte nicht geglaubt, daß das so klappen würde. Es ist zwar aus der Kette der übrigen Briefe herausgerissen, und man muß sich den Zusammenhang etwas zurechtlegen. Du wunderst Dich in Deinem Schreiben darüber, daß das Papa und Lotte so aushalten.
Ich nehme an, daß ich Dir nach meinem Besuch wieder ähnliche Dinge berichten kann.
Ich wundere mich nicht, weil diese Frau, wie mir Erna jetzt erst bestätigte, ihm Sand in die Augen streut. Es ist nur so, daß er es nicht merkt, und daß er glaubt, sie würde alles für ihn opfern unter Hintansetzung ihrer Person.
Manchmal scheint er es zu fühlen oder will es sich nicht merken lassen. Du fragst mich, ob ich nicht hätte in Hamburg eher wegreisen können. Das wäre durchaus möglich gewesen, aber ich dachte, daß ich mir das nicht entgehen lasse, und nach Leipzig zu dem Haufen hier komme ich noch schnell genug. Ich habe mich bei dieser Gelegenheit auch noch etwas umsehen können, wenn auch die Alarme dabei etwas hinderlich waren. Daß jetzt in Konstanz viele Verwundete liegen, das ist vielleicht für Euch von Vorteil, und Ihr braucht dann in diesem Falle mit Bombardierungen weniger zu rechnen. Interessant ist, daß die Schweizer sich in ihre alte Heimat retten, weil Ihnen der Boden bei uns anscheinend zu heiß wird. Man kann es ihnen nicht verwehren, aber man könnte da den Eindruck gewinnen, daß die Ratten das Schiff verlassen, weil es leckt.
Wie sich die militärische Lage in dem hiesigen Raum weiter entwickelt, wird sich bald herausstellen. Was man mit uns plant, ist ja keinem von uns bekannt. Man hat keinen Einfluß auf diese Dinge, denn wir sind ja doch nur Werkzeug. Also machen wir in bewährter Weise weiter mit. Dich und die Kinder grüße ich recht herzlich. Bleibt mir nur gesund, denn meine Aufgabe besteht doch mehr oder weniger darin, für Euch zu schaffen und zu leben. Ich küsse Dich und die Kinder innig und bleibe, wie das schon immer war, Euer Vaterle und Dein Ernst. Bitte neue Post an die Adresse Deines Vaters in Zukunft richten.
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