Du
liebste Annie! 10.1.44
Für das lange Warten bin ich heute recht belohnt worden. Ich bekam nun Deine Briefe vom 19./20., 21. 31.12 und 3.1. Das war eine Freude und zu lesen habe ich auch daran gehabt. Ich bin aber ganz bestimmt nicht böse darüber, denn ich habe ja schon lange genug danach lechzen müssen. Die Zunge ist mir schon zum Hals herausgehängt. Hast Du das nicht gesehen? Ich habe mir schon fast selbst leid getan. Dann erhielt ich zwei Päckchen mit Briefmarken, den Brief von der Bausparkasse und die Adventskalender. Ich danke Dir für alles recht herzlich und vielmals. Mit den Briefmarken habe ich Dir viel Mühe bereitet, denn das Abschreiben war doch keine Kleinigkeit. Ich glaube aber, daß Du einen Teil übersehen hast, oder dieser Teil ist in den Briefen, die noch ausstehen. Da will ich erst nochmals den einen fehlenden Brief abwarten. Dafür mußt Du selbstverständlich auch einen Extrakuss bekommen. Den bitte ich auch mit auf das Konto zu setzen. Ich glaube gern, daß Du Verlangen danach hast. Mir geht es aber genauso. Ich bin froh, daß ich mit den Briefmarken immer abends noch etwas Ablenkung habe. Für alles in allem sage ich Dir nochmals meinen herzlichen Dank.
Einen Teil der Briefmarken habe ich heute umgesetzt. Die anderen muß ich erst abweichen und vorbereiten, dann werde ich sie auch noch an den Mann bringen. Ich habe bis jetzt ungefähr 250 verschiedene Marken von Griechenland. Das ist doch ganz schön. Daheim habe ich ja auch noch welche im Album, doch die werde ich alle noch einmal in dieser Sammlung mit vertreten haben. Das macht aber nichts.
Doch nun will ich erst einmal auf Deine Briefe eingehen, die ja zum großen Teil schon vor Weihnachten geschrieben sind. Aus allem klingt doch trotz der Schwere der Zeit immer noch etwas Weihnachtsstimmung heraus. Sei es nun, daß Du von dem Weihnachtsverkauf der HJ erzählst, oder wenn Du von den anderen kleinen Vorbereitungen auf das Fest berichtest. Das ist ja nun alles schon hinter uns. Du hast ja auch erfahren, wie es mir gegangen ist und antwortest ja schon in den anderen Briefen darauf. Das Zeugnis von Helga ist also schon vor Weihnachten noch herausgekommen. Die 4 wirkt etwas störend und vor allem auch noch deshalb, weil es in Deutsch ist. Es ist auch mir unerklärlich, daß sie ausgerechnet in diesem Fach schwächer sein soll als in allen übrigen Fächern. Das ist jedenfalls recht auffallend. Wenn dieser Herr meint, er könnte hier mit seinen Lehren herumexperimentieren, dann ist er, wie es scheint, nicht ganz im Bild. Man müßte diesen Bruder einmal in ein Rüstungswerk stecken, wenn er glaubt, er kann hier machen was er will. Wir leben nun einmal nicht mehr in einer Zeit, wo sich jeder nach demokratischen Grundsätzen benehmen kann wie es ihm paßt. Ich will bestimmt nicht den gekränkten Vater unseres Kindes spielen. Ich habe auch nicht die Absicht, aus unserem Mädel mehr zu machen als was in ihr steckt, doch ist es genau so unsinnig, das Gegenteil mit einem Kind anzustellen und etwa zu versuchen, ob man durch Anschnauzen und Anfahren ein Kind zum Lerneifer erziehen kann. Unsere Kinder gehören wahrscheinlich nicht zu der Kategorie Menschen, bei denen man damit etwas erreicht. Vielleicht ist es doch ratsam, wenn Du in der Schule Rücksprache nimmst. Du mußt Dich ja nicht mit diesem Hammel in Verbindung setzen. Das will ja nichts heißen, wenn dieser Schlawiner sagt, die Direktion hat nach den Feiertagen keine Zeit für solche Dinge. Entweder ist ein Kind zu schwach, daß es den Anforderungen dieser Schule nicht gewachsen ist; dann nimmt man es wieder heraus. Ist das nicht der Fall, dann muß man nicht solche Mätzchen treiben. Doch für alle diese Frage ist einmal die Direktion zuständig. Wie sind denn die Zeugnisse in Deutsch der anderen Mädchen? Sind die auch so kraß abstechend.? Du hast ja beabsichtigt, nach Schulanfang dort vorzusprechen. Vom Ergebnis Deines Vorstoßes wirst Du mich ja wieder unterrichten. Ich bin ja gespannt, was dabei herauskommt.
Das mitgesandte Bild von der Theatervorstellung ist ganz nett geworden. Unsere Helga sieht man ganz ordentlich darauf. Da war sie sicherlich stolz in ihrer Rolle. Das muß ja auch ganz nett gewesen sein, was da vorgeführt wurde. Das andere Bild wird ja in den nächsten Tagen eintrudeln.
Du schreibst, daß Du von Erna keine Nachricht bekommst. Ich habe von Siegfried schon seit Monaten keinen Bescheid. Ich weiß nicht, ob er sich irgendwie auf den Schwanz getreten fühlt. Ich kann mir jedenfalls nicht erklären, aus welchem Grund er nichts mehr von sich hören läßt. Zu einem kurzen Gruß wird es wohl noch langen. Aber ich lasse eben auch solange nichts von mir hören, bis er mir wieder einmal antwortet. Wie sie es mit ihren privaten dingen halten wollen, das ist ja ihre persönliche Angelegenheit. Ich kenne jedenfalls Deinen Standpunkt, wenn jemals die Anfrage an uns gerichtet werden sollte, ob Erna bei uns unterkommen kann. In erster Linie käme ja auch nach meiner Ansicht ihre Mutter für eine Aufnahme in Betracht. Denn zwei Personen in unserer Wohnung brächte doch allerhand Einschränkung mit sich. Ich sage mir aber, liebe gebe ich meine Wohnung auf und lasse auch einige Klamotten kaputtgehen, als dass ich das Leben meiner Familie auf das Spiel setze. Doch die Verantwortung und das Wollen liegt ja in ihrer eigenen Hand.
Die Spielzeugausstellung der HJ wäre so eine Angelegenheit für unsere Beiden, das kann ich mir vorstellen. Daß man sich aber schon früh um 6 Uhr hinstellt, nur um etwas davon zu bekommen, das kommt wohl für uns nicht in Frage. Ich weiß nicht, die Leute sind jetzt im Kaufen wie toll. Das wird ein schöner Rummel gewesen sein. Bei uns herrscht ja in diesen Dingen kein großer Mangel, so daß Du auf diesen Einkauf angewiesen wärst. Die Kinder waren ja in gewisser Hinsicht entschädigt, daß Du mit ihnen das Theater besucht hast. Sie werden sicherlich ihre Freude daran gehabt haben.
Eines ärgert mich, daß Du meinen Weihnachtsbrief nicht erhalten hast. Denn bis jetzt hast Du noch nichts davon erwähnt, so daß ich annehmen muß, daß er irgendwo hängen geblieben ist, oder daß er verloren ging. Das fände ich recht schade, denn ich hatte allerhand geschrieben und ausnahmsweise wieder einmal in Langschrift. Ändern kann man es auch nicht. Ich lege Dir heute wieder einige Päckchenmarken bei, aber nicht mit der Absicht, daß Du mir nun eifrig Kuchen senden sollst. Ich habe wieder die Bitte an Dich zu richten, daß Du mir einige Kartons zugehen läßt, damit ich das Brot an Dich auf den Weg bringen kann, was ich hier habe und was ich im Laufe der kommenden Zeit noch abschicken will. Vielleicht packst Du wieder einmal einige zusammen. Ich habe hier Mangel daran und ich denke, daß nicht alle kaputt gegangen sein werden.
Eben haben wir wieder einmal eine Stunde Fliegeralarm gehabt. Es ist nur gut, daß man sich bis jetzt nicht weiter darum kümmern braucht. In der vergangenen Nacht haben sie auf einem in der Nähe gelegenen Flugplatz ziemlich abgeladen. Da lagen schon die ersten Reihen Bomben auf dem Flugplatz, da kam erst der Alarm. Es hat ziemlich gerummst. Bis jetzt findet man nichts dabei. Hoffentlich bleibt es so, denn das wäre ja wünschenswert.
Den angeregten Kauf eines weiteren Schwammes habe ich heute getätigt. Ich hoffe, daß der groß genug und ordentlich in der Qualität ist. Bei der nächsten Gelegenheit schicke ich ihn mit ab.
Heute hatten wir Exerzieren. Ich schrieb ja schon einmal davon. Es war ganz nett. Man braucht nicht böse zu sein, wenn man so einmal am Vormittag aus dem Bau und in die Luft kommt. Es ist ein drolliges Bild, wenn man die verschiedenen Bekleidungen der einzelnen Männer, die doch aus verschiedenen Dienststellen kommen, ansieht. Gut ist es ja, daß nicht nur die unteren Dienstgrade, sondern auch die Räte usw. mitmachen müssen. Manchem kommt es sauer an, aber das betrifft ja uns anderen in gleicher Weise.
Heute habe ich einmal das etwas nachgeholt, was ich in den beiden vergangenen Tagen gesammelt habe. Ich hoffe, daß Du mir nicht böse sein wirst, wenn ich einmal etwas ausgesetzt habe. Ich sende Dir und den Kindern viele liebe und recht herzliche Grüße. Dein Ernst.
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