Donnerstag, 10. Januar 2019

Brief 508 vom 5./6.1.1944


Liebste Annie!               5.1.44 
         
Auch heute kam wieder keine Post an. Mit diesem Klagelied fange ich meinen Brief an. Ich hoffe nun wieder zuversichtlich auf morgen, obwohl morgen kein offizieller Posttag ist. Aber das kostet ja nichts, wenn man weiter hofft. _ Ich war heute zu einem Kameraden eingeladen zum Abendbrot. Da habe ich auch wieder ganz ordentlich gegessen. Da gab es recht gute Wurst und Hackbraten kalt. Das war eine ganz ordentliche Sache. Ich kann überhaupt mit ruhigem Gewissen sagen, daß ich seit längerer Zeit nicht mehr hungrig gewesen bin. Ich habe ja auch immer noch das viele Gebäck von Dir da. Das glaubst Du nicht, was das ausmachte. Ich merke das bei mir ja am Brotverbrauch. Ich habe jetzt immer reichlich übrig. Doch sowas ist immer wieder eine willkommene Abwechslung, das kannst Du Dir ja vorstellen. Ja, mit dem Kameraden habe ich mich recht eingehend über Leipzig unterhalten, denn er was jetzt über die Feiertag daheim. Über die Schäden und das Aussehen der Stadt sowie über die Verhältnisse bin ich recht ausführlich unterrichtet worden. Über den Tag habe ich meine übliche Arbeit gehabt, bei der sich nichts Sonderliches ereignet hat, was ich verzeichnen könnte, somit wäre von diesem Tag eigentlich nichts weiter zu berichten.
Ich möchte damit meinen heutigen Gruß abschließen in der Hoffnung, daß ich morgen mehr Stoff zum Schreiben habe. Laßt Ihr Euch recht herzlich grüßen und vielmals küssen von Deinem Ernst.

 Mein liebster Schatz!                  6.1.44

Die Post hat also doch ein Einsehen gehabt und auch an mich einmal gedacht. Dein lieber Brief vom 25./26.12. von den Weihnachtstagen kam vorhin in meine Hände. Ich danke Dir vielmals dafür. Es war mir erstens nach so langer Wartezeit eine Freude, von Euch wieder einmal eine Nachricht zu erhalten. Außerdem konnte ich lesen, wie nett es doch bei Euch daheim zum Weihnachtsfest war. Die Kinder waren also hoch erfreut über die vielen Geschenke, die sie wieder, dank Deiner Bemühungen trotz der Kriegszeit, bekommen haben. Das freut mich ebenso. Ich habe nur mit Bedauern zur Kenntnis genommen, daß mein Brief vom 12.12. nicht rechtzeitig zum Weihnachtsfest angekommen ist. Ich gab ihn extra einem Kameraden mit, damit er beizeiten noch ankommt. Aber das hat anscheinend nichts genutzt. Ich hatte mir das so schön ausgedacht, doch leider ist es anders gekommen. Es tut mir nur leid, daß ich das nicht mehr ändern kann. Doch darüber habe ich ja schon einmal geschrieben.  Ich bin nur gespannt, wann dieser Brief nun eintrifft. Unser Helga-Mädel hat an diesem Bescherungsabend genau das ausgesprochen, was ich mir schon immer gedacht habe.  Bis ich einmal für immer nach hause kommen kann, da sind unser Kinder schon groß und aus der Schule. Man entbehrt sie doch, die Kinder. Was hat man von ihrer Jugend, was hat man überhaupt von ihnen. Wie könnte man in vieler Hinsicht unterstützend eingreifen. Aber es helfen alle Tränen nichts, auch nicht die der Kindern, wir können im Augenblick keine Änderung herbeiführen. Daß alle Beide so eine unbändige Freude gehabt haben, das ist doch sehr schön. Ich höre unsere Helga jubeln und rufen, wie sie sich über alles freut. Unser Bursche hat es jetzt auch sehr schön gehabt. Wenn er so viele Soldaten bekommen hat, dann kann er aber auch stolz und zufrieden sein. Das war ja ein schönes Geschenk für ihn. Auch die anderen Sachen von Deinem Vater sind ja sehr nützlich. Wie gut ist es, daß Du Dich nicht erst um die Besorgung solcher Dinge kümmern musstest. Vater hat sich ja auch wieder nobel gezeigt. Da hat er wieder einmal die Spenderhosen angehabt. Richte doch ihm bitte von mir aus, daß ich von seinem noblen Geschenk gehört habe. und daß ich mich sehr darüber gefreut habe. Ich danke uhm sehr für alles. Einen Kuss kann ich ihm wohl nicht geben, denn das schickt sich nicht in diesem Fall. Da wäre er sicherlich überrascht, als er von Dir einen bekam. Wenn Du aber damit sagen willst, Du bist es nicht mehr gewöhnt, einem Mann einen Kuss zu geben, weil Dir die Lippen von den Bartstacheln weh getan haben, so muß ich schon eine ernste Frage an Dich richten. Tun Dir von mir auch die Lippen weh oder bin ich so gut rasiert, daß Du es nicht merkst, oder willst Du etwa sagen, daß ich keiner wäre?! Oho, das wäre ja noch schöner. Bei passender Gelegenheit muß ich Dir einmal wieder alle Gangarten vorführen, wenn Du Dich nicht zu einer besseren Kritik herbeilässt. Sitten reißen daheim ein, das ist ja schon nicht mehr schön. Man merkt eben doch, wie gleich alles drunter und drüber geht, wenn man einmal den Rücken wendet.  Ich habe gesprochen, how. So steht es doch auch immer in den Karl-May-Büchern. Nur schade ist es, daß Du meine donnernde Stimme nicht dabei vernimmst. Da würdest Du erst zittern.
Eins hat mir aber Freude gemacht. Ich regte doch in meinem Brief an, den ich für Weihnachten geschrieben hatte, daß Ihr einmal in den Wald gehen sollt. Obwohl mein Brief nicht angekommen war, so seid Ihr doch im Wald gewesen, genau wie ich es Euch mitgeteilt hatte. Daß Ihr Euch so schön dabei unterhalten habt, das ist ja wirklich fein. Unserem Helga-Mädel wird es auch Spaß gemacht haben, daß sie sich einmal hat austollen können. Es ist doch so schön, wenn man noch Kind sein kann. Unser Herr Sohn hat sich ja auch entsprechend in seiner Freiheit aufgeführt. Alles in allem besehen, habt Ihr Euch ein paar schöne Feiertage bereitet und das ist recht so.
Fritz Bautz war nun über die Feiertage wieder daheim. Das erinnert wieder so an das vergangene Jahr, als er auch daheim war. Er sprach damals noch mit Kurt, wie ich mich noch aus Deinen Mitteilungen von damals erinnere. Er wird nun auch schlimmsten Anstrengungen der ersten Zeit beim Militär hinter sich haben. Die erste Zeit wird man so oder so sehr geschlaucht. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an all die Strapazen, ganz gleich, ob sie körperlicher oder seelischer Natur sind. Es ist nett, daß er Dich auch einmal mit besucht hat. Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. Er ist ja wieder mit Schreiben dran. Doch ich kann ja nicht immer den Anstoß zum Schreiben geben. Wenn ich einmal dazukomme, werde ich ihm wieder schreiben, doch vorerst muß ich das noch eine Weile zurückschieben.
Den Eingang des Päckchens Nr. 15 habe ich mir vermerkt. Es sind ja alles nur Kleinigkeiten, aber sie sollen Euch ja nicht ernähren, sondern Euren Zuteilungen zur Unterstützung dienen. Darum freut mich jedes mal eine solche Mitteilung, wenn ich weiß, die Sachen sind bei Dir angelangt. Der  Moselkirsch ist aber doch gut. Den hatte ich voriges Jahr noch in Charkow bei meiner Einheit bekommen. Er läßt sich ganz gut trinken. Ich muß immer lachen, wenn Du schreibst, daß es Dir ein bisschen komisch dabei wird. Ja, solche erfahrenen Männer und Trinker wie ich , die finden dabei nichts. Die nehmen sowas auf den leeren Magen vor dem Frühstück. Jetzt wirst Du noch dafür ausgelacht, weil Du Dich so aufgeopfert hast. So geht es nun einmal im Lebwen. Lasse Dich aber nicht verdrießen.
Ich verabschiede mich von Euch allen, meine Lieben, mit recht herzlichten Grüßen und vielen lieben Küssen und bin in treuen Gedanken immer Dein Ernst. 

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