Donnerstag, 10. Januar 2019

Brief 506 vom 1./2.01.1944


Mein liebster Schatz !             1.1.44 

Nun haben wir es, das neue Jahr. Was uns das alte brachte, das wissen wir jetzt restlos, was uns das neue bringt, das liegt noch im Dunkel. Wir wollen glauben und hoffen, daß es uns Kraft gibt, allen Fairnissen zu begegnen, sie sich uns entgegenstellen. Daß es uns Segen zu unseren Bemühungen gibt, den Sieg zu erringen. Den Glaube an das gute Recht unseres Strebens dürfen wir nicht verlieren.  Doch solange wir nicht die Hand in den Schoß legen und darauf warten und darauf warten, was uns das Schicksal wohl zugedacht haben wird, dann werden wir es schon meistern.
Mein Silvesterabend ist etwas anders ausgefallen, wie ich es mir erst vorgenommen hatte, aber immerhin ich bin nicht unzufrieden, wie er verlief. Wir hatten erst die gemeinsame Feier, die um 11 Uhr abgebrochen wurde, weil allgemein Zapfenstreich auf diese Zeit festgesetzt war. Ich wollte auch erst nach hause gehen, aber ein Kamerad fragte mich, ob ich noch einen anderen Kameraden mit besuchen würde. Weil es mir zu zeitig war, ins Bett zu gehen, habe ich zugesagt. Bis wir an Ort und Stelle waren, hatte sich noch ein Oberstleutnant zu uns gesellt, der auch hier im Stab tätig ist. Er lud uns dann auf sein Zimmer ein. Dort haben wir dann Mitternacht abgewartet. Wir hatten einiges zu trinken da. Auf das neue Jahr haben wir sogar mit Sekt angestoßen. Aber nicht Trinken allen, sondern auch einige Kleinigkeiten zu essen hat es gegeben. In Bezug auf Bewirtung waren wir bestimmt nicht zu kurz gekommen. Allgemein unterhielten wir uns über die Heimat im allgemeinen und im besonderen über die Familie. Es war auch in dieser Beziehung ein ganz harmonisch verlaufener Abend. Bis ich dann nach   hause kam, war es mittlerweile 5 Uhr geworden. Ich muß sagen, daß ich mich trotz dieser kurzen Nacht noch ganz frisch und munter fühle. Am Nachmittag habe ich nun etwas geschlafen. Daraufhin bin ich wieder voll einsatzfähig geworden. Zum Jahresanfang spielt hier das Rundfunkorchester öffentlich. Es gab ein nettes, flottes Programm, das mich voll und ganz befriedigt hat. Mit Tempo und Schwung ist es ins Neue Jahr gegangen. Vom Nachmittag müsste ich noch erwähnen, daß ich im Offiziersheim Kaffee und Kuchen gehabt habe. Ich muß doch meine Vorräte etwas sparen, damit ich recht lange davon habe. Ich komme mir langsam vor wie ein Flegel, der nicht weiß, was sich gehört. Ich bin noch nicht einmal weiter auf die Weihnachtsgeschenke eingegangen. Als das Kleingebäck ist wirklich sehr gut, das kann ich Dir nur vollauf versichern. Die Stolle habe ich nun angeschnitten. Ich muß Dir sagen, das ist ein Gedicht. Die hast Du bestimmt recht fein gemacht. Ich hatte hier doch auch welche bekommen. Die habe ich zuerst gegessen. Die war auch nicht schlecht gemacht, aber da alles mit Öl gemacht worden war, hatte sie einen kleinen Nachgeschmack, doch das ist im allgemeinen für einen Landsermagen bedeutungslos. Dagegen ist es eine Oase der Gaumenreizung, wenn man so etwas von daheim erhält. Es tut mir immer leid, wenn ich davon abschneide, denn schon der Gedanke daran allein ist ein Genuss. Du wirst mich wohl für ein bisschen blöd halten, wenn ich sowas Abwegiges schreibe, aber glaube mir, es ist bestimmt nicht so abwegig, wenn ich mir vorstellen kann, wie gut das schmecken wird. Ist sie alle und man sieht nichts mehr davon, dann hat man auch keinen Grund sich das erst vorzustellen. Für den Beutel für das Schuhputzzeug danke ich Dir, für die Tasche für das Nähzeug ebenfalls. Ist das eine nicht aus dem einen Umhang gemacht, den ich den Kindern einmal aus Frankreich mitgebracht hatte? In den Büchern habe ich schon etwas herumgelesen, sie sind ganz nett, wenigstens das, was ich bis jetzt gelesen habe. Für alles meinen recht herzlichen Dank nochmals, Du hast mir bestimmt eine große Freude damit bereitet.
Ab Montag ist bei uns hier Waffendienst für uns in Aussicht gestellt worden. Für die Beamten ist dies speziell vorgesehen, die zu den hier aufgestellten Alarmeinheiten hinzugezogen werden. Ein Schade ist das gewiss nicht, denn man weiß ja nie, was einem einmal begegnen kann. Ich bin gespannt, wie das alles aufgezogen werden wird. Die verschiedenen Leute müssen ja dabei auch mitmachen.
Weil ich gestern Abend nicht dazugekommen bin, habe ich mir heute die Kerzen auf meinem Kranz angezündet und mich noch etwas dazu hingesetzt. Das Licht und die roten Kerzen sowie das herbe Grün wirken doch recht stimmungsmäßig. Den Kranz lasse ich nun noch bis 6. Januar stehen, wie ich auch den Kalendern unsere Junge solange hängen lasse. Dann ist ja die Weihnachtszeit endgültig vorbei. Den Kalender sehe ich mir jeden Morgen und Abend wieder an, um mich an den Zeichnungen unseres Jörg zu erfreuen.  Mit vielen Grüßen und recht herzlichen Küssen mache ich für heute Schluss. Im Gedanken an Euch, meine Lieben, bin ich Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel!                2.1.44  
 
Pünktlich zum neuen Jahr trafen Deine Glückwünsche zum Neuen Jahr ein. Deine Briefe vom 24. und 27. 12. erhielt ich gestern, doch i vergaß es, sie Dir noch mit zu bestätigen. Ich danke Dir vielmals dafür. Es hat mir recht leid getan, daß ich lese, daß Du keine Post die ganzen Tage über bekommen hast. Anscheinend ist mein Weihnachtsbrief auch nicht rechtzeitig eingegangen. Ich habe ihn noch einem Urlauber mitgegeben, weil ich hoffte, ihn noch rechtzeitig zu Dir hinzubekommen. Doch diese Kombination hat nicht geklappt, wie ich feststellen muß. Aber die Bummelei von der Post ist im Moment allgemein so. Ich bedauere nur, daß ich es nicht mehr ändern kann. .
Für die Kinder hast Du noch einige Kleinigkeiten kaufen können, das ist ja nett.  Ich denke, daß sie dann mit allem schon zufrieden sein konnten. Schön fand ich es von Dir, daß Du mit ihnen im Theater gewesen bist. So hat doch Helga die Dinge auch von der anderen Seite wieder einmal erleben können. Das mag schon sein, daß Dir das KdF besser gefallen hat. Auf die Bilder bin ich ja gespannt. Ich will doch auch einmal unsere große Schauspielerin kennen lernen. Das finde ich lustig. Vor einiger Zeit schrieb ich Dir von Kastanien und Du musstest mir mitteilen, das es keine gibt. Nun haben die Kinder welche zugeteilt bekommen. Hoffentlich haben sie auch geschmeckt.
Ich kann mir denken, daß es dem Bademeister auffällt, wenn ihm die regelmäßigen Badegäste ausbleiben. Aber das war schon ein bißchen Vorweihnachten, daß Ihr wieder einmal über den Bach gesprungen seid.
Für die Neujahrswünsche danke ich Dir nochmals. Das, was ich Euch zu sagen hatte, das habe ich Euch ja in meinen verschiedenen Briefen mitgeteilt.
Wie freut es mich, daß Ihr wieder einmal in unserem Wald gewesen sei. Damit habt Ihr meiner Anregung, die ich in meinem Weihnachtsbrief gab, Rechnung getragen. Ich weiß nun nicht, ist das auf meinen Brief hin geschehen oder seid Ihr so gegangen. Das wäre ja sonderbar, wenn Ihr so gegangen wärt und damit schon im Voraus meinem Wunsch nachgekommen seid. Das kann ich mir vorstellen, was wir für ein wildes Pferd haben. Das ist ja auch zu schön, wenn so ein Füllen auf der Weide herumspringen kann ohne sich um den Zwang der Stadt kümmern zu brauchen. Unser Bengel ist einmal so ein Kerl, der zu allerhand Unfug aufgelegt ist, wenn es sich gerade so schön ergibt. Das sind ja alles so harmlose Vergnügen, die man ihnen schon gönnen kann und soll. Daß auch Di ihnen immer viel Verständnis dafür entgegenbringst, das ist ja keine Frage.  Wie Du mir wieder mitteilst, tauscht Ihr Euch immer unsere Sachen etwas aus. Du bist sicherlich froh über das Mehl gewesen. Vater wird sich dagegen über die Apfelringe gefreut haben. Ich glaube, daß Du in diesem Jahr einen ganz schönen Vorrat gehabt hast, der Dir sicherlich eine ordentliche Hilfe war. Ich denke, daß er von Fricks ab und zu eine Kleinigkeit erhält, denn von den wenigen Zuteilungen kann er Dir ja nichts abgeben. Wegen der 1,60 RM kannst Du schon einmal bei der Stadt anfragen, für was die abgezweigt werden. Es gehört sich zumindest, daß einem mitgeteilt wird, aus welchem Anlass diese Abzüge gemacht worden sind. Wenn man dann 1,60 RM auf den Zettel ohne jede Erklärung schreibt, dann ist das schon allerhand. Es ist kein großer Betrag, aber immerhin, eines Tages gehen die her und ziehen 10,-RM ohne eine Erklärung ab. Die Weihnachtszuwendung für die Kinder ist auch wieder eingegangen. Sie wurde ja bisher an alle die ausgezahlt, die ein Einkommen unter 250,RM haben. Das trifft ja bei mir zu. 
Nach diesem Feiertag war nun heute schon wieder Sonntag. Ich war erst ganz durcheinander gekommen.  Ich hatte nicht gemerkt, daß schon wieder Sonntag war. Ich war heute mit zwei Kameraden in dem schönen Heim in Piräus. Dort haben wir einen netten Nachmittag verbracht. Es gab wirklich schönen Streuselkuchen. Der Kaffee war nicht schlecht. Auf den Tischen standen Kerzen und in jedem Zimmer brannte ein Weihnachtsbaum. Es war wirklich recht heimelig. Über die zwei Tage bin ich mit Kuchen wieder einmal auf meine Rechnung gekommen, das kann ich wohl sagen. Jetzt kann die Woche wieder beginnen, denn jetzt geht nach diesen Feiertagen der gewohnte Alltag los.
Heute sind von Dir einige Zeitungen gekommen. Weitere Post habe ich auch nicht erhalten. Einige Briefe von Dir stehen noch aus. Ich denke, daß sie so nach und nach eintreffen werden.  Über die Feiertage ist manches liegengeblieben. Jetzt wird es auch langsam wieder zivilisiert.  Dir und den Kindern sowie Vater sende ich recht viele herzliche Grüße.  Viele Küsse für ich noch hinzu. In innigem Gedanken bin ich Dein Ernst.

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