Mein
liebes, gutes Mädel!
3.1.44
Du hast mich mit Hilfe der Post heute aber mächtig überrascht. Ich wollte mir vor einigen Tagen schon eine Glosse erlauben, es ist gut, daß ich es nicht getan habe. Auf einem Päckchen stand die Nummer 5. Ich dachte, Du hättest Dich damals entschuldigt, weil die Nummern nicht stimmen würden. Als Du mir in Deinem Brief mitteiltest, daß etwas nicht ganz richtig sei. Ich dachte, Du hättest Dich um eine Nummer verhauen. Doch ich befand mich in einem vollkommenen Irrtum. Ich hatte mich über das Gebäck gefreut, was ich von Dir erhalten hatte, doch jetzt bin ich leicht erschüttert über den großen Reichtum. Also heute früh kam ein weiteres Päckchen von Dir an, das seit dem 22.11. unterwegs war. Aber die Überraschung sollte noch gesteigert werden, als mit der Nachmittagpost mir ein 6. Päckchen zugestellt wurde. Das hatte ich nun aber nicht erwartet. Das ist ja bald des Guten zuviel. Ich komme mir unendlich reich vor. Ich muß sagen, daß ich in letzter Zeit immer vollständig satt geworden bin, denn über die Feiertage und an den Sonntagen habe ich mich richtig genährt, auch unsere Verpflegung ist in den vergangenen Tagen recht ausreichend . Trotz dr langen Transportdauer ist alles noch schön frisch gewesen. Das feinere Gebäck ist fast kaum zerbrochen. Für alles danke ich Dir recht herzlich. Mehr kann ich leider jetzt nicht tun. Aber ganz leicht darf ich doch drohend den Finger erheben. Erst das nicht ein bisschen über Deine Verhältnisse gegangen, wenn Du gleich 5 Päckchen mit Gebackenem für mich von Euren schmalen Rationen abzwickst? Weil alles für Weihnachten bestimmt war, will ich gerne ein Auge zudrücken, aber sonst bitte ich Dich, etwas kurz zu treten, denn ich versorge mich schon. Wenn es mir wirklich einmal dreckig geht, dann lasse ich es Dich schon wissen. Doch vorläufig ist alles in Ordnung.
In letzter Zeit bekommen wir hier reichlich Apfelsinen zu geteilt, so daß ich schon immer Lust hatte, Euch welche zuzuschicken. Ich habe von Dir aber bis jetzt noch keine Mitteilung erhalten, wie die anderen angekommen sind. Ich mußte hier feststellen, daß sie die lange Reise nicht aushalten. Vor einigen Tagen waren mir schon einige angefault, die nicht lange bei mir gelegen sind. Ich muß daher annehmen, daß die Apfelsinen, die ich Dir gesandt habe, auch schlecht angekommen sind. Wahrscheinlich halten die Mandarinen den Transport besser aus. Aber ich muß schon solange warten, bis ich Nachricht von Dir bekomme. Ich kann gleich bemerken , daß ich Briefpost auch heute nicht erhalten habe. Es ist seit einiger Zeit immer das gleiche Bild. Recht schleppend kommt die Post herein und das ändert sich wohl auch in nächster Zeit nicht weiter.
Ich sende Dir heute einen Brief mit, den ich Dir vor einigen Tagen schrieb. Ich füge Dir außerdem noch einen Durchschlag von einem Brief bei, den ich an Nannie geschrieben hatte. Beides sandte ich noch nicht ab, weil ich erst alles nochmals durcharbeiten und überdenken wollte. Ich habe mir nun alles nochmals überlegt und sende Dir alles erst einmal zur Beurteilung zu. Es ist besser, wenn ich erst einmal mit Dir darüber spreche, denn ich will Dich nicht vor eine vollendete Tatsache stellen. Ich denke, daß Du meine Absicht herausmerken wirst, die ich mit meinem Schreiben bezwecken wollte, so daß ich nicht erst noch weiter erläutern brauche. Wenn Du mit meinem Brief nicht einverstanden sein solltest, dann gib mir Deine Ansicht bekannt, andernfalls müßte ich den Brief auch noch einmal etwas überarbeiten. Denn es sind manche Schönheitsfehler drin, die mir nicht gefallen. Aber das hat ja mit der grundsätzlichen Frage nichts zu tun. Ich mache in dieser Sache, bis ich Deine Antwort habe, nichts.
Vor einigen Tagen befand sich in unserer Zeitung ein Artikel über unsere Stadt. Ich habe ihn Dir aufgehoben, denn er wird Dich sicherlich interessieren. Das Bild vom Omoniaplatz ist direkt aus der Straße heraus gemacht worden, in der mein Hotel sich befindet. Auch die anderen Bilder zeigen die Gegend, in der ich fast jeden Tag durchkomme. Hebe den Artikel bitte mit auf, denn er ist nach meiner Meinung ganz ordentlich geschrieben. Ein weiterer Artikel über den Tempel der Nike ist auch mit angeschlossen. Ich sandte Dir ja einmal ein Foto von meinem Kameraden und mir vor diesem Tempel. Ich denke, daß Du reichlich genug damit zu lesen hast. Das eine Gedicht ist recht treffend. Von den Hähnen habe ich Dir ja auch schon geschrieben, daß die hier die ganze Nacht durch krähen. Es ist daher ganz richtig, daß sie im Topf ganz gut aufgehoben wären.
Doch nun Schluss für heute. Bleibt mir alle gesund und laß Euch recht herzlich grüßen. Ich drücke Euch allen einen lieben Kuss auf und bin in Gedanken immer bei Euch. Dein Ernst.
Den Brief von Nannie schicke mir doch bei Deiner Antwort wieder mit zurück. Wie auch evtl. den Durchschlag.
Mein herzliebster Schatz ! 4.1.44
Leider habe ich auch heute keine Post von Dir bekommen. Aber es hilft ja nichts, wenn ich mich darum gräme, denn warten muß ich doch, bis die Briefe ankommen. Also warte ich weiter und weiter.
Seit Tagen habe ich nun schon nichts zu beantworten. Ich muß dann schon einmal von mir selbst erzählen. Das sogar noch dienstlich. Anderes erlebe ich kaum, darum kann ich mich auch schon dienstlich mit Dir einmal mit Dir unterhalten. Es muß Dir nicht gleich Angst werden, denn so schlimm ist es nun wieder nicht. Ich schrieb Dir doch, daß unser Oberinspektor vor Weihnachten in Urlaub ging. Wir Beide arbeiten doch zusammen. Ich war ihm gewissermaßen als Unterstützung beigegeben. Stellvertreter gab es für ihn keinen, so mußte ich also ran. Ich habe nun alle Sachen, die sich ergaben so schlecht und recht ausgeführt, wie es mir meine Kenntnisse der Dinge im allgemeinen und im besonderen erlaubten. Der Oberrat, der uns vorgesetzt ist, hat ja im allgemeinen recht wenig Ahnung vom Bau. Ich schrieb Dir doch wohl schon einmal, daß es mich wundert, wie es diese Leute fertig bringen, sich auf solch einer Stelle nicht nur hier, sondern auch im zivilen Leben zu halten. Anscheinend muß es aber in diesen hohen Stellen noch mehr von dieser Sorte geben, weil diese Leute nicht auffallen. Dieser Oberst hatte erst große Bedenken, daß der Oberinspektor in Urlaub geht, weil er doch erst noch neu hier sei und sich in diesen Dingen nicht auskennt. Der Kollege wollte sich seinen Urlaub nun nicht verderben lassen und sagte, ich würde das schon machen. Ich hatte das Gefühl, daß der Oberrat nicht so ganz damit einverstanden war. Nun sind die Ferientage für den Kamera den vorbei. Ich konnte bald wieder meine alte Tätigkeit in früherer Weise aufnehmen. Wir haben zu uns jetzt aber noch einen Beamten bekommen, damit dieser Oberrat nicht gar zu sehr belastet wird. Diesmal und auch schon einmal vorher hat nun mein Vorgesetzter geäußert, daß er mit der Erledigung meiner Aufgaben sehr zufrieden sei und er wäre froh darum, daß das bisher immer so gut geklappt hat. Es ist hier an eine Teilung der Arbeitsgebiete gedacht worden. In diesem Zusammenhang bin ich auch schon gefragt worden, ob ich besondere Wünsche hätte. Ich sagte damals, daß mir das gleichgültig sei, was ich für eine Arbeit zugewiesen bekomme, weil ich mir keine Gedanken zu machen brauche, denn ich könnte sowohl diese wie auch jede Tätigkeit ausüben. Nach dem Gesicht zu urteilen, meinte dieser Herr, daß ich den Mund wohl etwas zu voll genommen hätte. Ich habe mich deshalb gefreut, daß ich Gelegenheit hatte, ihm das zeigen zu können, was ich kann. Mir liegt ja nicht daran, hier reiche Lorbeeren zu ernten, sondern ich bin ja unter diesen Umständen schon zufrieden, wenn ich meine festumrissene Tätigkeit habe. Doch ein gewisses Gefühl von Genugtuung durchströmt mich, wenn ich ohne große Worte jemand von etwas überzeugen konnte, was andere zumeist mit dem Mund besorgen. Die Materie ist an sich nicht leicht, die wir bearbeiten, vor allem muß man sehr gewissenhaft dabei sein, aber wenn man erst einmal den Überblick hat, dann ist es nicht so schlimm. Wie ich nun sehe, ist alles auf eine Art Selbstbeweihräucherung hinausgekommen, das wollte ich ja nun auch wieder nicht machen. Ich denke aber, daß Du schon mitkommen wirst, was ich Dir habe erzählen wollen.
Ein kleiner Artikel aus unserer Zeitung liegt auch wieder mit bei. Er behandelt die Gedanken eines Urlaubers, der die Dinge daheim und hier schildert. Diese Gedicht fand ich ganz gelungen, weil an so vieles gedacht ist, was man zwar hier nicht mehr als Mangel empfindet. Das Wasser wird uns am Tag abgesperrt. Es läuft nur früh von 6 10 Uhr. In meinem Hotel ist das ja nicht der Fall, aber in der Stadt sonst allgemein. Ich glaube, daß es Dir ebenfalls, wenn Du auch die hiesigen Verhältnisse nicht kennst, gefallen wird.
Einige Päckchen habe ich wieder fertiggemacht und heute an Dich abgeschickt. Ich hoffe, sie kommen richtig wieder bei Dir an. Meine besten Wünsche begleiten sie jedenfalls wieder. Ich habe mit dem Beginn eines neuen Jahres wieder von vorn angefangen.
Die Nummern lauten 1, 4. Korinthen, die wir zum Weihnachtsfest erhielten, habe ich gesandt. Ein Päckchen Rosinen, die ich mit einmal aufbewahrt hatte, weil ich sie essen wollte, habe ich auch verpackt. Zur Zeit habe ich so viele Sachen, daß sie mir hier nur schlecht werden. Wenn ich welche haben will, dann kann ich mir ja wieder einmal eine Packung kaufen. Dann habe ich das Backpulver und die Gelatine verpackt. Einige Zigarren für Vater und ein paar Haselnüsse für die Kinder habe ich dazugelegt. Ich denke, daß alles eine bereitwillige Aufnahme finden wird.
Ich hoffe nun, morgen wieder einmal einige Zeilen von Dir zu erhalten. Doch wollen wir erst einmal abwarten. Mit vielen lieben Grüßen an Dich und die Kinder und einige herzlichen Küssen bin ich hier wie immer Dein Ernst.
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