Samstag, 26. Januar 2019

Brief 513 vom 22. und 25.01.1944


Herzliebster Schatz!                                                                            22.1.44  
     
In den letzten Tagen kann ich mich ja nicht beklagen über mangelhaften Posteingang. Nachdem ich die vergangenen Tage immer ziemlich warten mußte, kommt jetzt nun wieder alles zusammen. So erhielt ich heute Deine lieben Briefe vom 10. und 12.1. Dann ging ein Brief vom Pfarramt Bautzen ein, wohin Du vor einiger Zeit die 9,30RM gesandt hattest Es ist ein ganz schönes Stück, was wir damit wieder geschaffen haben. Es sind mir noch weitere 8 Auszüge angekündigt worden, die ich mir schicken lassen werde. Die Kosten werde ich gleich von hier ersetzen. Es sind wieder 7,80 RM, die ich vorerst in meiner Aufstellung mit aufführe. Wenn Du die anderen Beträge auch alle schon aufgenommen haben solltest, dann kannst Du diesen ja auch in der Liste vermerken. Ich habe schon alle Einträge bei mir in meiner Übersicht gemacht, so daß ich Dir diese Auszüge schon heute gleich mitsenden kann. Ich denke doch, daß sie Dich ebenfalls interessieren wird. Wie Du aus den Auszügen sehen kannst, war der mit dem verfänglichen Vornamen sogar Oberältester der Schlösser von Bautzen, das war für damalige Begriffe schon immerhin etwas. Wenn man in Betracht zieht, wie das Handwerk vor 100 Jahren noch organisiert war. Aber ich muß immer wieder feststellen, daß die Vorfahren unserer Kinder doch im überwiegenden Maße Handwerker waren. Auch die bis jetzt wieder festgestellten Dinge lassen das ganz klar erkennen. Schlosser, Schneider und Fleischhauer. Es ist wieder einiges zum Eintragen.  Dein Vater wird sich ja auch wundern, was da mit der Zeit alles herauskommt. Ich nehme an, daß er das auch nicht gewußt und erahnt hat. Ich muß nun erst die neuen Eingänge von Bautzen abwarten, um weitere Schritte zu unternehmen.
Wie ich aus Deinen Briefen feststellen kann, bekommst Du fleißig Post. Ich bin froh, daß das ziemlich klappt. Auch die Päckchen sind anscheinend ganz schön gerollt. Nach meinen Feststellungen sind jetzt die bis zum Jahresschluss von mir abgesandten Päckchen alle angekommen.  Das freut mich sehr, das kannst Du Dir wohl vorstellen. Wenn von den Apfelsinen bzw. Mandarinen einmal eine schlecht geworden ist, dann ist das weiter nicht bedeutsam. Mit den in diesen Tagen abgeschickten Apfelsinen habe ich zwar große Bedenken, aber ich habe es noch einmal versucht. Vielleicht kommen doch noch einige gut an. Wenn nicht, dann kann man es auch nicht ändern. Ich habe mich mit dem Nummerieren anscheinend vergaloppiert. Ich bin nicht ganz mehr im Bilde. Ich denke aber, daß ich bis jetzt richtig notiert habe. Wenn das stimmt, dann hätte ich 13 Päckchen abgesandt und morgen kann ich das 14. Päckchen mit Maimehl fertig machen, das ich wieder gekauft habe, nachdem ich gelesen habe, daß Du so praktische Verwendung dafür hast. Es sind wieder einige Päckchen davon, die Du dann zum Aufbessern Eures Frühstücks verwenden kannst Wie bist Du denn auf das Rezept gekommen? Hast Du das in Deinen Büchern gehabt? Man kommt auf manche Dinge, wenn man auf alles Obacht geben muß, was man früher doch nicht in diesem Maße nötig hatte. Aber wie gesagt, ich bin recht froh, daß Du eine solche gute Verwendung dafür hast, denn gegenwärtig kann man nichts weiter kaufen. Rosinen und Korinthen kann man im freien Handel nicht mehr kaufen, weil die Preise dermaßen hoch sind, daß man davor zurückschreckt. Dann steht das Gekaufte in keinem Verhältnis zu dem Preis, den man dafür anwendet. Zudem habe ich Dir ja jetzt erst wieder Rosinen geschickt und einige Vorrat mußt Du ja auch noch da haben. Ich werde deshalb jetzt erst einmal abwarten, bis sich wieder dafür eine günstige Gelegenheit ergibt Für ein Päckchen Maismehl muß ich heute 10 000 Drachmen zahlen. Unser Index ist jetzt von 15ooo pro Reichsmark festgesetzt worden. Dann kannst Du dir ja ausrechnen, was diese Sachen kosten. Ein Kilo Rosinen kostet 70 000 Drachmen. Ich halet es daher für angebrachter, 7 Päckchen von diesem Mehl zu kaufen, weil Ihr davon meines Erachtens mehr habt wie von diesen Rosinen. Man kann sich hier nicht einseitig auf diese Dinge festlegen, denn heute kauft man das und morgen jenes im Verhältnis günstig. Ich wünsche Dir zu allem wieder guten Empfang.
Was unser Geld anbelangt, so kannst Du wieder einmal 80 RM auf das Buch anlegen. Ich habe das mit Absicht unterlassen, gleich einen hohen Betrag einzuzahlen, damit das nicht weiter auffällt. Du hast ja jetzt erst die 80 RM von Erna dazugelegt. Das summiert sich jetzt auch ganz ordentlich. Ich werde demnächst auch von mir aus wieder etwas haben. Die Urlauber bekommen ohne weiteres Kreditscheine, doch nur so weit diese verfügbar sind. Wenn die Kassen keine da haben, dann sieht man eben in den Mond. Diese Kreditscheine kann ich hier schlecht umtauschen, weil hier ein besonders strenger Maßstab angelegt wird. Das kann nur dann umgetauscht werden, wenn ich eine Dienstreise gemacht habe oder wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme. Du siehst, man schiebt uns überall Riegel vor, damit wir nicht zu üppig werden.
Daß unsere Helga einmal ausgelassen sein kann, das ist auch ganz richtig so. Sie soll sich ihrer Kindheit nur freuen, denn die paar Jahre sind bald herum, wo dann der Ernst des Leben an sie herantritt. Die Schule fordert auch ihr Recht. Ich meine, die Kinder werden schon ziemlich angespannt. Darum muß man ihnen diese kleinen Freuden lassen. Daß Du unseren beiden Borzels keine Beschränkungen auferlegst, das ist mir ja schon immer bekannt. Ich glaube, daß Dir das auch Spaß macht, wenn sie dann einmal so herumkaspert. Daß sie aber auch für die Wohnung und für die Hauswirtschaft Sinn hat, das ist sehr erfreulich. Man kann es nicht in so strengem Maße von ihr verlangen wie von einem Erwachsenen. Denn wie gesagt, es kommt dann schon alles von selbst, wenn die Anforderungen an sie herantreten.
Bleibt mir schön gesund und laßt Euch recht herzlich grüßen und vielmals küssen. Dein Ernst.

Meine liebste Annie!                                                                               25.1.44 
           
Nachdem Du für das Maismehl so eine nützliche Verwendung hast, habe ich mich heute nochmals auf den Weg gemacht und habe weitere 8 Päckchen davon erstanden. Erst vor wenigen Tagen konnte ich davon 6 Packungen absenden. Ich kann Dich doch nun nicht im Stich lassen, wenn Du mit Deinem neuen Rezept Dir Euren Speisezettel erweitern könntest. In den nächsten Tagen werde ich das zusammenpacken, damit ich es hier aus den Händen bekomme, denn mir ist es immer angenehmer, wenn ich weiß, es ist bei Dir, als daß ich immer noch damit rechnen muß, daß diese Dinge den ungewissen Transport bis zu Dir  noch vor sich haben. Einer meiner Kameraden, der vor einigen Wochen nach hause auf Urlaub fuhr, hatte sich hier etwa 15 l Öl zusammengespart. Er hatte immer davon abgesehen, dieses Öl bei einem Transport mitzugeben. Er dachte, daß er es nur selbst sicher nach hause bringen könnte. In Belgrad hat er sich nur einmal umgedreht, als er seine Kanister auf dem Bahnsteig stehen hatte und schon war das Öl geklaut. Man ist, wie Du daraus ersehen kannst, keine Minute sicher, daß einem diese Sachen gestohlen werden. Einige Korinthen, diesmal sollen es aber Bessere sein als die gesandten, habe ich auch wieder in Aussicht. Wenn Du jetzt mehre davon brauchst, dann muß ich auch in verstärktem Maße zusehen, die entstandene Lücke wieder aufzufüllen. Man muß wie Fuchs und Hase sein, wenn man etwas haben will. Aber wie Du siehst, wird immer wieder einmal etwas.
Wie ich lese, habt Ihr Euren Weihnachtsbaum in diesem Jahre ziemlich lange behalten. Ich weiß, daß es Euch immer leid tat, wenn Ihr ihn wegstellen solltet. Wenn ich Deine Zeilen lese, dann muß ich an die eine Geschichte denken von dem armen hässlichen Bäumchen, das verworfen wurde. Ich glaube, daß Dir diese Geschichte in den Sinn kommt.  Ihr habt ihm ja nun noch die Ehre angetan, daß er im Sommer als Tomatenstange dienen darf, das ist ja noch ein kleiner Trost. _ Dein Entschluss, mit den Kindern in die Konditorei zu gehen, muß denn Kindern recht unerwartet gekommen sein. Ich kann mir aber vorstellen, wie sich die Gesichter aufgeheitert hatten, als Du zum Eingang einschwenktest. Das war für sie wieder ein kleines Fest. Wenn sie sich nur dann entsprechend brav einige Zeit hinterher aufgeführt haben, dann hat es doch für Dich auch sein Gutes.
Unser Mädel war sicherlich stolz, daß ihre Grüße beim Basteln gewonnen hat. Wenn aber auch die Mutter mithilft, dann muß ja etwas fertig werden. Wie viel hatte dann unser Mädel insgesamt abgeliefert?
Ich glaube, daß Du froh warst, als Du wieder solche Kleinigkeiten wie Gummi  und Borte bekommen hattest. Das sind so alltägliche Kleinigkeiten, die man doch immer nötig braucht und die man sehr vermißt, wenn man sie nicht hat.
Hast Du noch den Briefumschlag, den ich einmal herausgesucht hatte und den ich Kuster zeigen wollte noch da? Lege ihn doch bitte einmal gut beiseite. Nach meiner Feststellung hat dieser Umschlag jetzt einen Wert von 200,RM. Vielleicht bekomme ich dafür einen Interessenten. Ich wäre nicht abgeneigt, diesen Umschlag gegen entsprechenden Gegenwert umzutauschen. Mit nutzt das eine Stück auch nicht viel, wenn ich aber meine Sammlung damit verbessern könnte, dann hätte ich auch etwas davon. Ich bin hier wieder auf eine Spur gekommen, die ich benutzen werde, um vielleicht damit wieder etwas zu erreichen. Vielleicht werde ich diesen Umschlang in nächster Zeit einmal bei dir anfordern. Ganz durch Zufall hört man, daß es Leute gibt, die sich für solche Sachen interessieren. Erst beachtet man sowas nicht und dann gewinnen die Dinge Bedeutung, wenn man ihren Wert erkannt hat. Doch, wie gesagt, ich muß erst einmal die Lage peilen. Ich habe hier wieder drei Serien Marken erstanden, die Du bitte wieder mit einreihen wirst. Aber, wie ich schon einmal sagte, nicht einkleben, sondern nur mit aufheben. Mit den griechischen Marken bin in nun bald soweit, daß mir nur noch die ganz teuren Werte fehlen. Wie ich nun an die kommen, das wird in dieser Hinsicht meine nächste Aufgabe sein. Es ist nämlich bald so, daß ich mit diesen Marken besser versorgt bin wie mit meinen deutschen. Das ist aber nicht so schlecht. Alles kann man eben nicht haben. Ich hätte mir hier auch schon manchmal gern die eine oder andere Marke gekauft, aber bei der Umrechnung kommt sie dann zu teuer zu stehen, so daß man sich das wieder verkneifen muß. Aber man darf die Geduld nicht verlieren, es wird schon mit der Zeit werden. Da hat es in Deutschland eine Marke gegeben, 10 Jahre NSV. Habe ich die schon? Wenn nicht, dann teile es mir bitte mit. Vielleicht erkundigst Du Dich bei Höllinger, was sie kostet, wenn sie dort billiger ist, dann kann man sie ja dort kaufen, andererseits hole ich sie mit hier.
Nun habe ich Dir wieder soviel von Briefmarken geschrieben, das wird Dir mit der Zeit über werden. Aber es gibt da immer einiges zu klären, wenn man sein Geld nicht geradezu hinauswerfen will. Das liegt ja schließlich auch nicht in Deinem Interesse.  Jetzt setzt es sich hier nun auch durch, daß wir bei Fliegeralarm Kinos und andere Betreuungseinrichtungen der Wehrmacht verlassen müssen. Wir haben uns dann sofort zu unserer Dienststelle zu begeben. Heute hat man uns den Film schon nicht gezeigt, weil vorher Alarm gegeben wurde. Das wird dann hier so sein, daß man abends überhaupt nicht in den Film gehen kann, weil mit wenigen Ausnahmen jeden Abend Alarm ist.
Euch alle grüße ich recht herzlich und füge viele liebe Küsse dazu. Dein Ernst.


Brief 512 vom 20. und 21.01.1944


Mein liebster Schatz !                                                                  20.1.44  
         
Ich kann heute wieder zufrieden sein um meinen Postsegen. Von Dir erhielt ich den Brief vom 9., von Deinem Vater kam der Rundbrief Nummer 10 vom 9.  und Siegfried schrieb mir am 3. einen Brief, den ich mit der gleichen Post erhielt. Das ist doch wieder einmal was. Über Deinen netten Brief habe ich mich wieder besonders gefreut und ich darf Dir dafür wieder recht danken.
Den zurückgesandten Brief an Nannie werde ich nun schreiben. Als Anrede würde ich dann schreiben „Liebe Frau Nannie“. Weißt Du, dann hast Du gerade das Mittelding gewählt. Maßgeblich ist ja, wie sie sich zu Dir äußert, wenn sie es tut. Ich denke aber, daß ich dieses Problem einmal anschneiden mußte, dann gibt es keine Unklarheiten mehr. Wenn Du dann mit „Ihre Annie“ unterschreibst, dann geht es auch glatt. Es ist nun einmal bedauerlich, wie die Dinge bei uns in diesem Fall liegen. Manchmal will es mir scheinen, als wäre es eine Schwäche von mir, daß ich mich gegenüber meinen Verwandten nicht anders behauptet habe. Aber Du kennst ja die Entwicklung selbst am besten. Du weißt, daß ich für Dich immer eingetreten bin und daß ich unter Zurückschiebung aller Bedenken mit Paula damals gebrochen habe. Daß mein Vater die ganzen Jahre sich so benommen hat, das war auch nicht meine Schuld, denn ich hatte ihm wiederholt den Vorschlag gemacht. Du weißt aber auch in diesem Fall, wie komisch er die ganzen Jahre war. Ja und nun mit Nannie, das liegt doch wohl daran, daß wir sie die Jahre hindurch nicht gesehen haben. Das Persönliche des Kontaktes fehlt ganz und gar, was ja auch von ziemlicher Bedeutung ist. Mit Vater hat sich das ja nun im Laufe der vergangenen Jahre eingerenkt. Das hier mit Nannie diese heikle Frage noch offen ist, das hat mich schon ganze zeit gewurmt. So oder so will ich jetzt einmal Bescheid wissen. Weil diese Geschichte so verworren ist, habe ich Dir diesen Brief erst zugesandt, damit Du im Bild bist. Ich bin beruhigt, daß Du Dich darüber gefreut hast, daß ich Dir meinen beabsichtigten Brief erst zum Lesen gesandt habe.
Daß sich unser Herr Sohn in so lieber Weise seines Vaters erinnert hat und mir die Briefmarken kaufte, finde ich recht lieb von ihm. Sage ihm doch, daß ich mich recht darüber gefreut habe. Er soll aber solche Marken nicht wieder kaufen. Ich habe solche Sachen ja x-mal doppelt. Er kann aber solche Sachen von mir haben, wenn er damit bei sich in der Klasse tauschen kann. Meinetwegen kann er diese auch verkaufen. Dann kann er meinetwegen zum Lolliner gehen und mir dort welche kaufen, die ich noch nicht habe. Ich habe doch so viele Umschläge voll mit doppelten Marken von Deutschland, davon kannst Du ihm welche heraussuchen, wenn er welche haben will. Er kann sich aber auch das Geld sparen, dann hat er auch seine Freude daran.
Ich muß nochmals auf den Päckchen Eingang zu sprechen kommen. Du schreibst, daß Du bis Nummer 21 alle Päckchen erhalten hättest. Ich habe bei mir Nummer 14 noch nicht abgehakt. Es kann sein, daß ich sie übersehen habe. Ich wollte dies nur nochmals bestätigt wissen. Es ist nur darum. daß ich Ordnung in meiner Buchführung habe.
Daß sich Helga in ihren Ferien so erholt hat, das freut mich besonders. Die Umstellung auf die neuen Anforderungen der Schule ist ja auch nicht leicht, denn es wird doch gleich mehr verlangt, ganz abgesehen davon, was außer den Schularbeiten noch nebenbei gemacht werden soll. Sie sind ja noch Kinder und man kann doch von ihnen nicht das verlangen, was bei einem Erwachsenen möglich ist. Sie will ja auch noch spielen und sich einmal aus tollen. Ich glaube, daß Dein Spaziergang über die Feiertage in den Wald schon etwas ausgemacht haben. Es ist doch etwas Schönes für ein Kind, wenn es sich wieder einmal frei und ungebunden ausspringen und austollen kann.  Dazu gibt es doch so herrlichen Gelegenheiten bei uns.
Deine Sorge wegen des ominösen Samuel ist jetzt doch fehl am Platze. Ich kann doch nichts mehr machen, denn eine Anfechtung unserer Ehe ist wohl kaum mehr möglich. Also muß ich mich in mein trauriges Schicksal ergeben. Du fragst mich, was ich wohl dazu sagen würde, wenn es kein Arier wäre. Na, das ist ja eine goldige Frage. Du weißt doch selbst, daß Du das Wort bei uns führst, und daß ich nichts zu melden habe. Willst Du mich etwa herausfordern? Nein, aber nun einmal Spaß beiseite, Ernst komme wieder her. Mache Dir deshalb keine Gedanken, das hat nach meinem Dafürhalten nicht auf sich. Also haben wir auch keinen Grund, über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die für uns nicht bestehen.  Wegen der Angelegen heit mit dem Zeugnis, das wäre vielleicht ratsam, wenn Du Dich doch einmal mit der Schule in Verbindung setzt. Jetzt unter diesen Umständen wie sie nun gegeben sind, wäre es vielleicht doch angebracht, wenn man feststellen läßt, ob sie tatsächlich so schwach ist, wie es aus dem Zeugnis erscheint. Es handelt sich ja nicht allein darum, daß man mehr oder vielmehr, die Sache besser haben will als es tatsächlich ist. Sondern wenn man als verantwortungsbewusster Erzieher auf die Entwicklung seines Kindes Obacht gibt, dann muß man wissen, wie es wirklich um die Fähigkeit des Kindes bestellt ist. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß sie im Gegensatz zu früher, jetzt ausgerechnet in Deutsch so abfallen soll. Und in Rechnen bekommst sie eine bessere Note, wo sie nicht ganz so fest war. _ Lasse mich für heute wieder mit recht herzlichen Grüßen an Dich und die Kinder schließen. Ich bin immer Dein Ernst.

Du mein liebster Schatz !                                                                       21.1.4.44 

Ich kann Dir heute schon wieder den Eingang Deiner Briefe vom 15.  und 16.1. bestätigen. Die haben mich wieder richtig gefreut. Vielen herzlichen Dank dafür. Die sind aber diesmal schnell gegangen, wenn ich die anderen zum Vergleich dazu heranziehe.
Ich will aber erst einmal der Reihe nach die anderen Sachen beantworten. Du fragst mich, was Du machen sollst wegen dem Schlittschuhlaufen der Kinder.  Ganz ohne Anziehen der Klemmen an den Absätzen wird es wohl nicht gehen, denn die Riemen allen halten den Schlittschuh nicht. Wenn das jetzt solche Schwierigkeiten bereitet, dann muß man das in dieser Zeit, wo die Schuhbeschaffung derartige Schwierigkeiten bereitet, zurückstellen. Am Anfang ist es immer das gleiche, daß man mit den Füßen umknickt, das gibt sich dann aber, sobald man etwas Sicherung gewinnt. Aber das kann man sich jetzt nicht leisten, wenn man keine Schuhe erhält. Wenn sich Jörg aber dafür so interessiert, dann muß er mit diesem Wunsch zurücktreten, bis es sich wieder eher machen läßt. Ich selbst sähe es ja auch gern, wenn sie sich in dieser Beziehung betätigten. .Für das pünktlicher und prompte Erledigen meiner Briefmarkenwünsche habe ich mich ja schon bei Dir bedankt. Du hast ja schon selbstgeahnt, was ich noch alles wohl brauchen könnte. Ich muß Dir bestätigen, daß Du das recht fein gemacht hast. Ich kann nur nochmals sagen, daß mir diese Aufstellung bis jetzt schon eine rechte Hilfe war.  Meine Ansicht über das Verhältnis zu Nannie habe ich Dir ja in meinem ersten Bericht zum Ausdruck gebracht. Ich habe sie gestern noch einmal kurz angedeutet. Heute habe ich ihr nun den Brief geschrieben. Ich hoffe, daß unser Brief nun so verstanden wird, wie ich ihn gemeint habe. Doch das müssen wir jetzt abwarten. Den Durchschlag lege ich Dir bei. Ich hoffe, daß Du mit meinem Schreiben zufrieden bist, denn ich muß sagen, daß ich einen Brief nicht zweimal vorher in Konzept geschrieben habe. Die müssen sitzen möglichst gleich beim ersten Mal. Wenn ich sie schon einmal abändern muß, dann aber nur einmal, denn sonst verliere ich die Lust zum Weiterschreiben. Dies ist aber ein Sonderfall und eine Ausnahme, deshalb will ich mich darüber nicht weiter grämen.
Wenn Vater mit seinem Bruch wieder Beschwerden hat, dann soll er aber einmal unbedingt einen Arzt aufsuchen. Ich weiß ja nicht, wie schwer die Sache ist, aber ich denke, daß ihm eine solche Befragung nichts schaden kann. Es kostet ihm ja immer erst allerhand Überwindung, bis er sich dazu aufrafft. Er ist zwar in mancher Hinsicht einsichtiger geworden, daß er sich vielleicht mit weniger Worten überreden läßt.
In seinem letzten Brief fragt Dein Vater nach, ob Du wieder einmal mit den Kindern nach Leipzig kommen willst. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen fällt das ja flach. Erstens ist es ja schon wegen der Schule nicht möglich, denn es ist ja aus Gründen der Sicherheit nicht ratsam, jetzt dort hinzufahren. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist es ja so, daß Ihr in Konstanz besser aufgehoben seid, wie wenn Ihr in die Großstadt fahrt. Das sind nun einmal die Angriffsobjekte unserer Gegner. Das läßt sich nun nicht bestreiten. Ich hätte nichts dagegen, wenn Ihr Euch irgendwo an einem anderen Ort zur Erholung treffen würdet, der weniger als Angriffsziel unserer Freunde angesehen werden kann. Dann ist es aber doch so, daß Du selbst wohl keinen besonderen Wert darauf legst, seine Frau kennen zu lernen. Nach all diesen Erwägungen wird ein solches Angebot wohl nicht diskutabel sein. Ich nehme an, daß Du ihm das von Dir aus auch schon selbst angeregt hast. Er hat ja, wie ich lese, selbst einige Bedenken geäußert, so daß eine Absage nicht ganz unerwartet kommt. Daß er gern einmal wieder mit Euch zusammen wäre, das kann ich mir denken, denn das möchte ich ihm trotz allem zu seiner Ehre nachsagen, daß er an allen sehr hängt. Ich habe jedenfalls das Gefühl, und ich glaube nicht, daß ich mich da täusche.  Weil ich nun einmal bei den Leipzigern bin, so kann ich gleich die Sache wegen Erna noch einmal anrühren. Du schreibst mir, daß Du evtl. Erna mit dem Kinde aufnehmen würdest. Ich will Dir das nicht aufdrängen, denn ich bin mir vollkommen bewusst, daß bei unseren Wohnverhältnissen manche Einschränkung in Kauf genommen werden müßte. Aber ich bin auch wie Du der Ansicht, daß man diesen Angebot machen muß, denn wenn einmal etwas passieren würde, machte man sich Vorwürfe, daß man diese Möglichkeit nicht angeregt hätte. Siegfried schreibt mir auch darüber. Er sagt, daß bei seiner Schwiegermutter in Rehau nicht genügend Platz wäre, um Erna und das Kind dort unterzubringen. Dann hätte er die Absicht, einige Möbel von Leipzig wegzubringen und für die Unterstellung dieser Sachen hätte er keine Möglichkeit. Ich kann diese Einwendungen alle verstehen und weiß, daß es nicht leicht ist, sich von seinen Sachen zu trennen. Aber was nutzen einem alle Sachen, wenn man eine Familie in Gefahr weiß, und wenn man damit rechnen muß, daß ihr unter diesen Umständen etwas zustößt. Vielleicht könnte man folgendes tun, daß wir Vater mit einschalten, daß bei ihm einiges untergestellt wird. Weniger an Mobilien, sondern an Dingen, die man für diese Zeit in Sicherung wissen will und die man braucht. Es ist doch so, daß es auch für ihn besser ist, wenn er eigene Leute in seiner Wohnung verkehren läßt als das er, wenn die Dinge sich weiter so zuspitzen, einmal andere Leute zu sich nehmen müßte. Ich denke, daß dann Erna, solange ich nicht daheim bin, bei Dir mit wohnt, und daß man ihr vielleicht das kleine Zimmer mit einrichtet, das bei Vater ist. Dort könnte sie sich dann bewegen, wenn ich einmal heimkomme. Sprich doch einmal mit Vater darüber. Ich glaube, daß er für die Erfordernisse Verständnis haben wird, wenn Du ihm das richtig klarstellst. Er steht ja auch  auf dem Standpunkt, daß man sich gegenseitig helfen muß. Ich werde von mir aus auch an Siegfried in entsprechendem Sinn schreiben, damit wir die Sache nicht zu sehr hinauszögern. Der letzte Ausweg wäre ja der, daß man versuchen müßte, eine größere Wohnung zu bekommen, dann wäre allem abgeholfen. Aber das wird unter den augenblicklichen Umständen sehr schwer fallen. Ganz abgesehen davon, daß wir nicht gern in die Stadt ziehen. Aber vielleicht unternimmst Du einmal bei Ganahl einen derartigen Vorstoß und schilderst ihm unsere Absicht. Ich sage mir nur, , daß man da etwas unternehmen muß. Es ist doch schließlich so, daß Erna keine Verpflichtungen in Leipzig hat und daß sie sonst doch nichts weiter hält. Sie geht keine Arbeit nach, die sie dort nicht aufgeben könnte. Überdenke Dir das doch auch noch einmal und teile mir dann Deine Ansicht über alles mit. Du kannst a von Dir aus ach schon das tun, was Du für angebracht hältst. Eines wollen wir aber bei allem nicht außer Acht lassen, wenn nach unserem Angebot wieder eine negative Antwort kommt, dann lassen wir es sein, wenn wir haben dann unsere Pflicht getan. Es ist nur so, daß man uns hinterher nicht sagen kann, ja wenn wir das gewußt hätten, dann hätten wir das und das schon getan. Ich denke, daß Dir meine Einstellung zu dieser Angelegenheit klar ist. Wenn Du noch irgendwelche Fragen hast, dann werde ich mich sofort dazu äußern, wenn Du mir schreibst.
Ich will es für heute wieder genug sein lassen. Ich grüße Dich recht herzlich und sende Euch allen recht liege Küsse. Dein Ernst. 

Brief 511 vom 18.01.1944


Mein liebster Schatz!                                                                        18.1.44 
       
Das Sprichwort muß wieder fallen. Keine Post von Dir bekommen.  Dagegen erhielt ich den schon verlorengeglaubten Brief Deines Vaters vom 20.12.  Er hat sich recht viel Zeit genommen, aber immerhin ist er doch noch gekommen, das ist ja erfreulich. Die Verhältnisse, die Dein Vater in seinem Brief von Leipzig beschreibt, sind doch recht bezeichnend. Wenn man heute in seinem Haus nicht einmal sicher vor Einbrechern ist, das ist schon schlimm. Diese Sorte Menschen sind doch den Verbrechern aus der Luft gleichzustellen. Wenn man solche Lumpen erwischt, die gehören ohne lange Verhandlung an die Wand gestellt. _ Gestern habe ich Dir zwei Päckchen fertiggemacht. Diese haben die Nummern 5 + 6. Sie enthalten Brot und Feigen. Die Feigen sind wahrscheinlich nicht so besonders. Wenn Ihr sie richtig sauber macht, dann sehen sie sicherlich schon besser aus. Wunschgemäß hatte ich einen größeren Schwamm gekauft.  Den habe ich mit beigepackt. Hoffentlich kommt alles gut an. Ich denke, daß dieser Schwamm besser sein wird wie die anderen. Ich glaube aber, daß Ihr die anderen auch mit verwenden könnt. Mit der nächsten Post schicke ich dann wieder Rosinen und Zigaretten ab. Hast du keine Interessenten dort, der Dir etwas eintauscht gegen etwas zu Beißen? Die Versprechungen, die ich von dem einen Kameraden erhalten hatte, waren wie es meist der Fall ist, leer. Aber mit solchen Enttäuschungen muß man immer wieder rechnen. Ich habe das sehr bedauert, aber leider kann ich es nun nicht mehr ändern. Ich weiß, daß Ihr bis jetzt immer noch ausgekommen seid, aber eine kleine Bereicherung des Küchenzettels wäre nicht abzulehnen. Ich für mein Teil werde immer wieder zusehen, daß ich etwas für Euch erhalte.
Nun kam doch noch ein Brief von Dir an. Es ist der vom 4.1. Ja, man soll nicht vorher meckern. Aber ich nehme alles wieder zurück. Du schreibst, daß Du wieder ein Päckchen mit Früchten erhalten hast. Es geht aber nicht eindeutig daraus hervor, ob alles gesund angekommen ist. Ich glaube aber, annehmen zu können, daß nicht schlecht geworden war. Ich bekomme hier wieder Apfelsinen, davon werde ich Dir einige Kartons voll zugehen lassen, damit Ihr auch etwas davon  habt. Über Deine Bestätigung, daß ich Dir mit meinen Sendungen immer geholfen habe, hat mich sehr gefreut. Und wenn unser Mädel in ihrem großen Wachstum hoch hinaus will, dann muß man zusehen, daß man ihr auf diese Art und Weise etwas zusetzen kann. Man muß eben tüchtig aufpassen, daß alles mitkommt bei diesem Tempo, das sie anschlägt. Aber nicht nur unsere Helga, sonder Dir und dem Jungen ist es ja auch etwas zugute gekommen. Daß sich Helga während der Ferien wieder erholt hat von den anstrengenden Tagen vor Weihnacht, das ist ja recht günstig. So ein bisschen bummeln und faulenzen tut eben doch gut.
Daß Du mir die doppelten Marken gleich wieder mit zugesandt hast, ist mir recht. Ich werde sie gleich wieder mit an den Mann bringen. Ich muß diesen Laden hier ein bisschen durchforschen, damit ich ein wenig vorwärts komme. Mit dem Ergebnis, das sich in diesen vier Wochen gesteigert hat, kann ich ganz zufrieden sein. Ich bin auch viel gelaufen, aber so fülle ich doch meine Freizeit etwas nützlich aus. Ich habe Dir mein Lob darüber schon letzthin ausgesprochen und ich kann es Dir heute nur wieder erneut bestätigen. Daß Du Dich nun auch noch an das Einsortieren der Marken gemacht hast, das ist ja fein. Dann herrscht wenigstens nicht solch eine Unordnung, wenn ich mich einmal darüber hermache. Der Katalog ist einem ja eine tüchtige Hilfe dabei, aber man muß mächtig aufpassen. Hier die Griechen sind ja große Gauner und man muß tüchtig aufpassen, daß sie einem nicht über das Ohr hauen. Die gehen her und machen eine neue Zähnung daran, wenn sie nicht in Ordnung sind und ähnliche Sachen. Kleine Stückchen Papier kleben sie dahinter, damit man nicht merkt, was sie einem aufbinden wollen. Zum großen Teil habe ich solchen Machenschaften aus dem Weg gehen können. Ich habe doch von diesen Sonderausgaben auch noch einige doppelte Sachen daheim. Willst Du Dir das einmal bei Gelegenheit vornehmen? Schreibe mir doch einmal , was ich doppelt habe. Vielleicht auch von dem Kameradschaftsblock der Post kannst Du mir die Sachen schicken, die ich doppelt habe.  Mir kommt das jetzt vor wie ein Inventurausverkauf. Alles, was die langen Jahre herumgelegen ist, wird jetzt einmal geräumt. Aber bitte, überstürze Dich nicht damit. Alles schön nach und nach machen.
Ich schließe wieder einmal mein Schreiben ab.  Halt, mir fällt noch etwas ein. Kann man in Konstanz Briefmarkenkataloge von 1944 kaufen? Die Kataloge Ivert und Seuff sind schon herausgekommen. Es kann fraglich sein, ob Du sie bekommst. Aber versuche es doch einmal. Dann schicke mir bitte sofort einen her. Kosten spielen keine Rolle, denn ich erhalte sie hier vollauf ersetzt. Doch nun recht herzliche Grüße und viele Küsse für Dich und die Kinder sendet Dir Dein Ernst. 


Donnerstag, 10. Januar 2019

Brief 510 vom 10.1.1944


Du liebste Annie!                10.1.44 

Für das lange Warten bin ich heute recht belohnt worden. Ich bekam nun Deine Briefe vom 19./20., 21. 31.12 und 3.1. Das war eine Freude und zu lesen habe ich auch daran gehabt. Ich bin aber ganz bestimmt nicht böse darüber, denn ich habe ja schon lange genug danach lechzen müssen. Die Zunge ist mir schon zum Hals herausgehängt. Hast Du das nicht gesehen? Ich habe mir schon fast selbst leid getan.  Dann erhielt ich zwei Päckchen mit Briefmarken, den Brief von der Bausparkasse und die Adventskalender. Ich danke Dir für alles recht herzlich und vielmals. Mit den Briefmarken habe ich Dir viel Mühe bereitet, denn das Abschreiben war doch keine Kleinigkeit. Ich glaube aber, daß Du einen Teil übersehen hast, oder dieser Teil ist in den Briefen, die noch ausstehen. Da will ich erst nochmals den einen fehlenden Brief abwarten. Dafür mußt Du selbstverständlich auch einen Extrakuss bekommen. Den bitte ich auch mit auf das Konto zu setzen. Ich glaube gern, daß Du Verlangen danach hast.  Mir geht es aber genauso. Ich bin froh, daß ich mit den Briefmarken immer abends noch etwas Ablenkung habe. Für alles in allem sage ich Dir nochmals meinen herzlichen Dank.
Einen Teil der Briefmarken habe ich heute umgesetzt. Die anderen muß ich erst abweichen und vorbereiten, dann werde ich sie auch noch an den Mann bringen.  Ich habe bis jetzt ungefähr 250 verschiedene Marken von Griechenland. Das ist doch ganz schön. Daheim habe ich ja auch noch welche im Album, doch die werde ich alle noch einmal in dieser Sammlung mit vertreten haben. Das macht aber nichts.
Doch nun will ich erst einmal auf Deine Briefe eingehen, die ja zum großen Teil schon vor Weihnachten geschrieben sind. Aus allem klingt doch trotz der Schwere der Zeit immer noch etwas Weihnachtsstimmung heraus. Sei es nun, daß Du von dem Weihnachtsverkauf der HJ erzählst, oder wenn Du von den anderen kleinen Vorbereitungen auf das Fest berichtest. Das ist ja nun alles schon hinter uns. Du hast ja auch erfahren, wie es mir gegangen ist und antwortest ja schon in den anderen Briefen darauf. Das Zeugnis von Helga ist also schon vor Weihnachten noch herausgekommen. Die 4 wirkt etwas störend und vor allem auch noch deshalb, weil es in Deutsch ist. Es ist auch mir unerklärlich, daß sie ausgerechnet in diesem Fach schwächer sein soll als in allen übrigen Fächern. Das ist jedenfalls recht auffallend. Wenn dieser Herr meint, er könnte hier mit seinen Lehren herumexperimentieren, dann ist er, wie es scheint, nicht ganz im Bild. Man müßte diesen Bruder einmal in ein Rüstungswerk stecken, wenn er glaubt, er kann hier machen was er will. Wir leben nun einmal nicht mehr in einer Zeit, wo sich jeder nach demokratischen Grundsätzen benehmen kann wie es ihm paßt. Ich will bestimmt nicht den gekränkten Vater unseres Kindes spielen. Ich habe auch nicht die Absicht, aus unserem Mädel mehr zu machen als was in ihr steckt, doch ist es genau so unsinnig, das Gegenteil mit einem Kind anzustellen und etwa zu versuchen, ob man durch Anschnauzen und Anfahren ein Kind zum Lerneifer erziehen kann. Unsere Kinder gehören wahrscheinlich nicht zu der Kategorie Menschen, bei denen man damit etwas erreicht. Vielleicht ist es doch ratsam, wenn Du in der Schule Rücksprache nimmst. Du mußt Dich ja nicht mit diesem Hammel in Verbindung setzen. Das will ja nichts heißen, wenn dieser Schlawiner sagt, die Direktion hat nach den Feiertagen keine Zeit für solche Dinge. Entweder ist ein Kind zu schwach, daß es den Anforderungen dieser Schule nicht gewachsen ist; dann nimmt man es wieder heraus. Ist das nicht der Fall, dann muß man nicht solche Mätzchen treiben. Doch für alle diese Frage ist einmal die Direktion zuständig. Wie sind denn die Zeugnisse in Deutsch der anderen Mädchen? Sind die auch so kraß abstechend.? Du hast ja beabsichtigt, nach Schulanfang dort vorzusprechen. Vom Ergebnis Deines Vorstoßes wirst Du mich ja wieder unterrichten. Ich bin ja gespannt, was dabei herauskommt.
Das mitgesandte Bild von der Theatervorstellung ist ganz nett geworden. Unsere Helga sieht man ganz ordentlich darauf. Da war sie sicherlich stolz in ihrer Rolle.  Das muß ja auch ganz nett gewesen sein, was da vorgeführt wurde. Das andere Bild wird ja in den nächsten Tagen eintrudeln.
Du schreibst, daß Du von Erna keine Nachricht bekommst. Ich habe von Siegfried schon seit Monaten keinen Bescheid. Ich weiß nicht, ob er sich irgendwie auf den Schwanz getreten fühlt. Ich kann mir jedenfalls nicht erklären, aus welchem Grund er nichts mehr von sich hören läßt. Zu einem kurzen Gruß wird es wohl noch langen. Aber ich lasse eben auch solange nichts von mir hören, bis er mir wieder einmal antwortet. Wie sie es mit ihren privaten dingen halten wollen, das ist ja ihre persönliche Angelegenheit. Ich kenne jedenfalls Deinen Standpunkt, wenn jemals die Anfrage an uns gerichtet werden sollte, ob Erna bei uns unterkommen kann. In erster Linie käme ja auch nach meiner Ansicht ihre Mutter für eine Aufnahme in Betracht. Denn zwei Personen in unserer Wohnung brächte doch allerhand Einschränkung mit sich. Ich sage mir aber, liebe gebe ich meine Wohnung auf und lasse auch einige Klamotten kaputtgehen, als dass ich das Leben meiner Familie auf das Spiel setze. Doch die Verantwortung und das Wollen liegt ja in ihrer eigenen Hand.
Die  Spielzeugausstellung der HJ wäre so eine Angelegenheit für unsere Beiden, das kann ich mir vorstellen. Daß man sich aber schon früh um 6 Uhr hinstellt, nur um etwas davon zu bekommen, das kommt wohl für uns nicht in Frage. Ich weiß nicht, die Leute sind jetzt im Kaufen wie toll. Das wird ein schöner Rummel gewesen sein. Bei uns herrscht ja in diesen Dingen kein großer Mangel, so daß Du auf diesen Einkauf angewiesen wärst. Die Kinder waren ja in gewisser Hinsicht entschädigt, daß Du mit ihnen das Theater besucht hast. Sie werden sicherlich ihre Freude daran gehabt haben.
Eines ärgert mich, daß Du meinen Weihnachtsbrief nicht erhalten hast. Denn bis jetzt hast Du noch nichts davon erwähnt, so daß ich annehmen muß, daß er irgendwo hängen geblieben ist, oder daß er verloren ging. Das fände ich recht schade, denn ich hatte allerhand geschrieben und ausnahmsweise wieder einmal in Langschrift. Ändern kann man es auch nicht.  Ich lege Dir heute wieder einige Päckchenmarken bei, aber nicht mit der Absicht, daß Du mir nun eifrig Kuchen senden sollst. Ich habe wieder die Bitte an Dich zu richten, daß Du mir einige Kartons zugehen läßt, damit ich das Brot an Dich auf den Weg bringen kann, was ich hier habe und was ich im Laufe der kommenden Zeit noch abschicken will. Vielleicht packst Du wieder einmal einige zusammen. Ich habe hier Mangel daran und ich denke, daß nicht alle kaputt gegangen sein werden.
Eben haben wir wieder einmal eine Stunde Fliegeralarm gehabt. Es ist nur gut, daß man sich bis jetzt nicht weiter darum kümmern braucht. In der vergangenen Nacht haben sie auf einem in der Nähe gelegenen Flugplatz ziemlich abgeladen. Da lagen schon die ersten Reihen Bomben auf dem Flugplatz, da kam erst der Alarm. Es hat ziemlich gerummst. Bis jetzt findet man nichts dabei. Hoffentlich bleibt es so, denn das wäre ja wünschenswert.
Den angeregten Kauf eines weiteren Schwammes habe  ich heute getätigt. Ich hoffe, daß der groß genug und ordentlich in der Qualität ist. Bei der nächsten Gelegenheit schicke ich ihn mit ab.
Heute hatten  wir Exerzieren. Ich schrieb ja schon einmal davon. Es war ganz nett. Man braucht nicht böse zu sein, wenn man so einmal am Vormittag aus dem Bau und in die Luft kommt. Es ist ein drolliges Bild, wenn man die verschiedenen Bekleidungen der einzelnen Männer, die doch aus verschiedenen Dienststellen kommen, ansieht. Gut ist es ja, daß nicht nur die unteren Dienstgrade, sondern auch die Räte usw. mitmachen müssen. Manchem kommt es sauer an, aber das betrifft ja uns anderen in gleicher Weise.
Heute habe ich einmal das etwas nachgeholt, was ich in den beiden vergangenen Tagen gesammelt habe. Ich hoffe, daß Du mir nicht böse sein wirst, wenn ich einmal etwas ausgesetzt habe. Ich sende Dir und den Kindern viele liebe und recht herzliche Grüße. Dein Ernst.

Brief 509 v0m 7./9.1.1944


Mein liebstes Mädle!               7.1.44 
     
Von gestern muß ich Dir noch berichten, daß wir ja gestern unseren ersten Übungstag von unserer Alarmeinheit hatten. Wir hatten einmal Schießen und nächsten Montag , da haben wir eine Übung im Gelände. Das Schießen ging diesmal wieder. Ich merke, daß ich zu wenig Übung habe. Wenn ich die mehr hätte, wäre ich sicherlich auch kein schlechter Schütze. Aber daran mangelt es bei mir meist. Ich habe gestern bei 3 Schüssen wieder einmal ganz ordentlich geschossen. Erst 8, dann 9 und dann als letzten Schuss 11. Das hat mir in dieser Hinsicht wieder ein wenig Auftrieb gegeben und bei mir die Hoffnung auf eine Besserung nicht ganz verschüttet.
Post ist heute wieder nicht angekommen. Was ich sehr bedauere, denn es könnte sich nun langsam wieder einmal ein regelmäßiger Posteingang zeigen. Aber das sind alles schöne Wünsche, die nicht so gleich in Erfüllung gehen.
Das Schicksal geht manchmal eigene Wege und ich muß gleich dazu setzen, es gibt auch boshafte Menschen. Ich habe schon lange eine Leipziger Zeitung bei mir in der Schublade liegen. Ich kam bisher noch nicht dazu, sie zu lesen. Der Zufall  denn ich wollte sie erst zu Verpackungszwecken benutzen  spielt mir ein Artikel in die Hand, der mich so lebhaft an Dich erinnerte. Nun wäre es ja nicht schön von mir, wenn ich etwas über Dich lese und es Dir nicht selbst zur Kenntnis gebe. Ich füge Dir den Artikel bei. Man könnte fast glauben, er hätte meine Annie gekannt, dieser Zeitungsschreiber und wollte sie nur ärgern. Du mußt nun nicht denken, daß ich gleich zu so drastischen Mitteln greife, wie dieser Mann in der Geschichte. Im Gegenteil, dieser Schreiber hat anscheinend noch nicht erkannt, welche Abwechslung in einer solchen Veränderung der Wohnung liegt. Der Mann hat wahrscheinlich noch nicht gemerkt, was Wohnkultur ist.  Solange ich mich nicht in einem solchen Zustand nach hause bewege, wie in diesen Ausführungen die Rede ist, solange brauche ich ja auch keine Befürchtungen haben, daß mir etwas dabei zustößt. Immerhin, ich glaube, daß auch Du Deinen Spaß an meine Entdeckung haben wirst. Oder bist Du mir etwa böse?
Ich werde mich überhaupt, wie Du das in letzter Zeit schon gemerkt haben wirst, auf die Schreiberei anderer Leute verlassen und damit das ersetzen, was ich selbst nicht kann oder vermiesen lasse. Ich füge Dir noch einen anderen Ausschnitt aus der Zeitung bei, der mit „Geräusche am Morgen“ überschrieben ist. Fast so ähnlich erlebe auch ich jeden Morgen. Ich hätte vielleicht das eine oder andere etwas anders geschrieben, aber das ist ja nicht so wichtig. Der Artikel ist so einigermaßen getroffen, so daß ich ihn Dir zur Erweiterung Deiner Kenntnisse über die hiesigen Verhältnisse beifüge. Auch das Bild, das ich mit dazulege, hat mich an etwas erinnert. Das ist doch richtig beobachtet. So ungefähr muß das aussehen, wenn der Briefträger zu Dir die Päckchen bringt. Meinst du nicht auch? Unsere freundlichen Nachbarn waren doch schon die ganze Zeit so besorgt um uns, daß sie sich schon an die Polizei wenden mußten, weil wir unbedingt Wehrmachtsgut verschieben mußten. Denn wo soll denn das ganze Zeug herkommen. Aber dass wir in dieser Beziehung keine Einzelerscheinung darstellen, das kann man schon daran erkennen, daß sich die Zeichner in den Witzblättern mit diesen Figuren beschäftigen.
Ich wollte Dich wieder einmal bitten, nachzusehen, ob es vielleicht wieder Inspiroltabletten gibt. Meine gehen so mit der Zeit aus. Das ist keine eilige Angelegenheit, darum kannst Du Dir damit schon Zeit nehmen.
Gestern Abend habe ich dem Kino wieder einen Besuch abgestattet. Es wurde ein recht netter Film gespielt, der „Die Gefährtin eines Sommers“ hieß. Im Laufe der Woche hatte ich mir den Film „Großalarm“ angesehen, der nichts Besonderes war. Das ganze Thema war so an den Haaren herbeigezogen. Aber es gibt eben solche und solche Filme. Wenn man dann mit Kameraden spricht, dann merkt man, daß gerade ihr Geschmack auf diese Dinge abgestimmt ist. Die wollen gerade sowas sehen und legen weniger Wert auf Filme, in denen Lebensprobleme berührt werden. Doch das ist ja meist so, auch in Kreisen, die von sich behaupten, sie hätten mehr auf dem Kasten wie andere Leute. Mich selbst stört da ja nicht, denn ich habe in dieser Hinsicht doch meine eigene Meinung.
Hier ist es wieder kälter geworden, nachd em es einige Tage vorher geregnet hat. Die Berge haben wieder Schnee. Aber trotz allem laufen die Karrenfahrer, die „carrozies“, noch barfuss herum. Mich friert es wohl schon an den Händen, aber die sind es anscheinend nicht anders gewohnt, ganz abgesehen davon, daß sie keine Schuhe haben. Heute früh hat es in den Pfützen sogar ganz dünnes Eis gehabt. Das will doch für hier schon etwas heißen. Aber die Wärme wird sich ja bald wieder bemerkbar machen.
Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich. Vater ebenfalls. Lasst Euch recht fest küssen von Deinem Ernst. 

Mein liebster Schatz!               9.1.44. 
     
Ist das nicht empörend? Die ganze Tage schon keine Post. Gestern habe ich schon nicht geschrieben, weil ich nicht wußte, was ich schreiben sollte und heute wird es auch nicht viel sein. Ich kann doch schließlich nicht immer schreiben, ich war im Kino und habe das und das, was ja meist sehr nichtssagend ist, gemacht. Davon hast Du ja nichts. Wenn ich Dir des langen und breiten vorjammern soll, daß ich keine Post von Dir bekomme, so können wir beide doch nichts weiter daran ändern. Ich komme mir im Moment wie leer vor. Ich denke doch, daß ich bald einmal wieder etwas von Dir erhalte, damit ich einige Anregungen bekomme und damit ich weiß, auf was ich eingehen kann. Lasse mich daher mit einem kurzen Sonntagsgruß schließen.
Bleibt mir recht schön gesund und haltet den Daumen, daß unser Briefwechsel von der Postseite etwas mehr Antrieb erhält. Ich gebe Euch allen einen kräftigen Schmatz und grüße Euch dazu vielmals und herzlich Dein Ernst.

Brief 508 vom 5./6.1.1944


Liebste Annie!               5.1.44 
         
Auch heute kam wieder keine Post an. Mit diesem Klagelied fange ich meinen Brief an. Ich hoffe nun wieder zuversichtlich auf morgen, obwohl morgen kein offizieller Posttag ist. Aber das kostet ja nichts, wenn man weiter hofft. _ Ich war heute zu einem Kameraden eingeladen zum Abendbrot. Da habe ich auch wieder ganz ordentlich gegessen. Da gab es recht gute Wurst und Hackbraten kalt. Das war eine ganz ordentliche Sache. Ich kann überhaupt mit ruhigem Gewissen sagen, daß ich seit längerer Zeit nicht mehr hungrig gewesen bin. Ich habe ja auch immer noch das viele Gebäck von Dir da. Das glaubst Du nicht, was das ausmachte. Ich merke das bei mir ja am Brotverbrauch. Ich habe jetzt immer reichlich übrig. Doch sowas ist immer wieder eine willkommene Abwechslung, das kannst Du Dir ja vorstellen. Ja, mit dem Kameraden habe ich mich recht eingehend über Leipzig unterhalten, denn er was jetzt über die Feiertag daheim. Über die Schäden und das Aussehen der Stadt sowie über die Verhältnisse bin ich recht ausführlich unterrichtet worden. Über den Tag habe ich meine übliche Arbeit gehabt, bei der sich nichts Sonderliches ereignet hat, was ich verzeichnen könnte, somit wäre von diesem Tag eigentlich nichts weiter zu berichten.
Ich möchte damit meinen heutigen Gruß abschließen in der Hoffnung, daß ich morgen mehr Stoff zum Schreiben habe. Laßt Ihr Euch recht herzlich grüßen und vielmals küssen von Deinem Ernst.

 Mein liebster Schatz!                  6.1.44

Die Post hat also doch ein Einsehen gehabt und auch an mich einmal gedacht. Dein lieber Brief vom 25./26.12. von den Weihnachtstagen kam vorhin in meine Hände. Ich danke Dir vielmals dafür. Es war mir erstens nach so langer Wartezeit eine Freude, von Euch wieder einmal eine Nachricht zu erhalten. Außerdem konnte ich lesen, wie nett es doch bei Euch daheim zum Weihnachtsfest war. Die Kinder waren also hoch erfreut über die vielen Geschenke, die sie wieder, dank Deiner Bemühungen trotz der Kriegszeit, bekommen haben. Das freut mich ebenso. Ich habe nur mit Bedauern zur Kenntnis genommen, daß mein Brief vom 12.12. nicht rechtzeitig zum Weihnachtsfest angekommen ist. Ich gab ihn extra einem Kameraden mit, damit er beizeiten noch ankommt. Aber das hat anscheinend nichts genutzt. Ich hatte mir das so schön ausgedacht, doch leider ist es anders gekommen. Es tut mir nur leid, daß ich das nicht mehr ändern kann. Doch darüber habe ich ja schon einmal geschrieben.  Ich bin nur gespannt, wann dieser Brief nun eintrifft. Unser Helga-Mädel hat an diesem Bescherungsabend genau das ausgesprochen, was ich mir schon immer gedacht habe.  Bis ich einmal für immer nach hause kommen kann, da sind unser Kinder schon groß und aus der Schule. Man entbehrt sie doch, die Kinder. Was hat man von ihrer Jugend, was hat man überhaupt von ihnen. Wie könnte man in vieler Hinsicht unterstützend eingreifen. Aber es helfen alle Tränen nichts, auch nicht die der Kindern, wir können im Augenblick keine Änderung herbeiführen. Daß alle Beide so eine unbändige Freude gehabt haben, das ist doch sehr schön. Ich höre unsere Helga jubeln und rufen, wie sie sich über alles freut. Unser Bursche hat es jetzt auch sehr schön gehabt. Wenn er so viele Soldaten bekommen hat, dann kann er aber auch stolz und zufrieden sein. Das war ja ein schönes Geschenk für ihn. Auch die anderen Sachen von Deinem Vater sind ja sehr nützlich. Wie gut ist es, daß Du Dich nicht erst um die Besorgung solcher Dinge kümmern musstest. Vater hat sich ja auch wieder nobel gezeigt. Da hat er wieder einmal die Spenderhosen angehabt. Richte doch ihm bitte von mir aus, daß ich von seinem noblen Geschenk gehört habe. und daß ich mich sehr darüber gefreut habe. Ich danke uhm sehr für alles. Einen Kuss kann ich ihm wohl nicht geben, denn das schickt sich nicht in diesem Fall. Da wäre er sicherlich überrascht, als er von Dir einen bekam. Wenn Du aber damit sagen willst, Du bist es nicht mehr gewöhnt, einem Mann einen Kuss zu geben, weil Dir die Lippen von den Bartstacheln weh getan haben, so muß ich schon eine ernste Frage an Dich richten. Tun Dir von mir auch die Lippen weh oder bin ich so gut rasiert, daß Du es nicht merkst, oder willst Du etwa sagen, daß ich keiner wäre?! Oho, das wäre ja noch schöner. Bei passender Gelegenheit muß ich Dir einmal wieder alle Gangarten vorführen, wenn Du Dich nicht zu einer besseren Kritik herbeilässt. Sitten reißen daheim ein, das ist ja schon nicht mehr schön. Man merkt eben doch, wie gleich alles drunter und drüber geht, wenn man einmal den Rücken wendet.  Ich habe gesprochen, how. So steht es doch auch immer in den Karl-May-Büchern. Nur schade ist es, daß Du meine donnernde Stimme nicht dabei vernimmst. Da würdest Du erst zittern.
Eins hat mir aber Freude gemacht. Ich regte doch in meinem Brief an, den ich für Weihnachten geschrieben hatte, daß Ihr einmal in den Wald gehen sollt. Obwohl mein Brief nicht angekommen war, so seid Ihr doch im Wald gewesen, genau wie ich es Euch mitgeteilt hatte. Daß Ihr Euch so schön dabei unterhalten habt, das ist ja wirklich fein. Unserem Helga-Mädel wird es auch Spaß gemacht haben, daß sie sich einmal hat austollen können. Es ist doch so schön, wenn man noch Kind sein kann. Unser Herr Sohn hat sich ja auch entsprechend in seiner Freiheit aufgeführt. Alles in allem besehen, habt Ihr Euch ein paar schöne Feiertage bereitet und das ist recht so.
Fritz Bautz war nun über die Feiertage wieder daheim. Das erinnert wieder so an das vergangene Jahr, als er auch daheim war. Er sprach damals noch mit Kurt, wie ich mich noch aus Deinen Mitteilungen von damals erinnere. Er wird nun auch schlimmsten Anstrengungen der ersten Zeit beim Militär hinter sich haben. Die erste Zeit wird man so oder so sehr geschlaucht. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an all die Strapazen, ganz gleich, ob sie körperlicher oder seelischer Natur sind. Es ist nett, daß er Dich auch einmal mit besucht hat. Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. Er ist ja wieder mit Schreiben dran. Doch ich kann ja nicht immer den Anstoß zum Schreiben geben. Wenn ich einmal dazukomme, werde ich ihm wieder schreiben, doch vorerst muß ich das noch eine Weile zurückschieben.
Den Eingang des Päckchens Nr. 15 habe ich mir vermerkt. Es sind ja alles nur Kleinigkeiten, aber sie sollen Euch ja nicht ernähren, sondern Euren Zuteilungen zur Unterstützung dienen. Darum freut mich jedes mal eine solche Mitteilung, wenn ich weiß, die Sachen sind bei Dir angelangt. Der  Moselkirsch ist aber doch gut. Den hatte ich voriges Jahr noch in Charkow bei meiner Einheit bekommen. Er läßt sich ganz gut trinken. Ich muß immer lachen, wenn Du schreibst, daß es Dir ein bisschen komisch dabei wird. Ja, solche erfahrenen Männer und Trinker wie ich , die finden dabei nichts. Die nehmen sowas auf den leeren Magen vor dem Frühstück. Jetzt wirst Du noch dafür ausgelacht, weil Du Dich so aufgeopfert hast. So geht es nun einmal im Lebwen. Lasse Dich aber nicht verdrießen.
Ich verabschiede mich von Euch allen, meine Lieben, mit recht herzlichten Grüßen und vielen lieben Küssen und bin in treuen Gedanken immer Dein Ernst. 

Brief 507 vom 3./4.1.1944


Mein liebes, gutes Mädel!             3.1.44      
      
Du hast mich mit Hilfe der Post heute aber mächtig überrascht.  Ich wollte mir vor einigen Tagen schon eine Glosse erlauben, es ist gut, daß ich es nicht getan habe. Auf einem Päckchen stand die Nummer 5. Ich dachte, Du hättest Dich damals entschuldigt, weil die Nummern nicht stimmen würden. Als Du mir in Deinem Brief mitteiltest, daß etwas nicht ganz richtig sei. Ich dachte, Du hättest Dich um eine Nummer verhauen. Doch ich befand mich in einem vollkommenen Irrtum. Ich hatte mich über das Gebäck gefreut, was ich von Dir erhalten hatte, doch jetzt bin ich leicht erschüttert über den großen Reichtum. Also heute früh kam ein weiteres Päckchen von Dir an, das seit dem 22.11. unterwegs war. Aber die Überraschung sollte noch gesteigert werden, als mit der Nachmittagpost mir ein 6. Päckchen zugestellt wurde.  Das hatte ich nun aber nicht erwartet. Das ist ja bald des Guten zuviel. Ich komme mir unendlich reich vor. Ich muß sagen, daß ich in letzter Zeit immer vollständig satt geworden bin, denn über die Feiertage und an den Sonntagen habe ich mich richtig genährt, auch unsere Verpflegung ist in den vergangenen Tagen recht ausreichend .  Trotz dr langen Transportdauer ist alles noch schön frisch gewesen. Das feinere Gebäck ist fast kaum zerbrochen. Für alles danke ich Dir recht herzlich. Mehr kann ich leider jetzt nicht tun. Aber ganz leicht darf ich doch drohend den Finger erheben. Erst das nicht ein bisschen über Deine Verhältnisse gegangen, wenn Du gleich 5 Päckchen mit Gebackenem für mich von Euren schmalen Rationen abzwickst? Weil alles für Weihnachten bestimmt war, will ich gerne ein Auge zudrücken, aber sonst bitte ich Dich, etwas kurz zu treten, denn ich versorge mich schon. Wenn es mir wirklich einmal dreckig geht, dann lasse ich es Dich schon wissen. Doch vorläufig ist alles in Ordnung.
In letzter Zeit bekommen wir hier reichlich Apfelsinen zu geteilt, so daß ich schon immer Lust hatte, Euch welche zuzuschicken. Ich habe von Dir aber bis jetzt noch keine Mitteilung erhalten, wie die anderen angekommen sind. Ich mußte hier feststellen, daß sie die lange Reise nicht aushalten. Vor einigen Tagen waren mir schon einige angefault, die nicht lange bei mir gelegen sind. Ich muß daher annehmen, daß die Apfelsinen, die ich Dir gesandt habe, auch schlecht angekommen sind. Wahrscheinlich halten die Mandarinen den Transport besser aus. Aber ich muß schon solange warten, bis ich Nachricht von Dir bekomme. Ich kann gleich bemerken , daß ich Briefpost auch heute nicht erhalten habe. Es ist seit einiger Zeit immer das gleiche Bild. Recht schleppend kommt die Post herein und das ändert sich wohl auch in nächster Zeit nicht weiter.
Ich sende Dir heute einen Brief mit, den ich Dir vor einigen Tagen schrieb. Ich füge Dir außerdem noch einen Durchschlag von einem Brief bei, den ich an Nannie geschrieben hatte. Beides sandte ich noch nicht ab, weil ich erst alles nochmals durcharbeiten und überdenken wollte. Ich habe mir nun alles nochmals überlegt und sende Dir alles erst einmal zur Beurteilung zu. Es ist besser, wenn ich erst einmal mit Dir darüber spreche, denn ich will Dich nicht vor eine vollendete Tatsache stellen. Ich denke, daß Du meine Absicht herausmerken wirst, die ich mit meinem Schreiben bezwecken wollte, so daß ich nicht erst noch weiter erläutern brauche. Wenn Du mit meinem Brief nicht einverstanden sein solltest, dann gib mir Deine Ansicht bekannt, andernfalls müßte ich den Brief auch noch einmal etwas überarbeiten. Denn es sind manche Schönheitsfehler drin, die mir nicht gefallen. Aber das hat ja mit der grundsätzlichen Frage nichts zu tun. Ich mache in dieser Sache, bis ich Deine Antwort habe, nichts.
Vor einigen Tagen befand sich in unserer Zeitung ein Artikel über unsere Stadt. Ich habe ihn Dir aufgehoben, denn er wird Dich sicherlich interessieren. Das Bild vom Omoniaplatz ist direkt aus der Straße heraus gemacht worden, in der mein Hotel sich befindet. Auch die anderen Bilder zeigen die Gegend, in der ich fast jeden Tag durchkomme. Hebe den Artikel bitte mit auf, denn er ist nach meiner Meinung ganz ordentlich geschrieben. Ein weiterer Artikel über den Tempel der Nike ist auch mit angeschlossen. Ich sandte Dir ja einmal ein Foto von meinem Kameraden und mir vor diesem Tempel. Ich denke, daß Du reichlich genug damit zu lesen hast. Das eine Gedicht ist recht treffend. Von den Hähnen habe ich Dir ja auch schon geschrieben, daß die hier die ganze Nacht durch krähen. Es ist daher ganz richtig, daß sie im Topf ganz gut aufgehoben wären.
Doch nun Schluss für heute. Bleibt mir alle gesund und laß Euch recht herzlich grüßen.  Ich drücke Euch allen einen lieben Kuss auf und bin in Gedanken immer bei Euch. Dein Ernst.
Den Brief von Nannie schicke mir doch bei Deiner Antwort wieder mit zurück. Wie auch evtl. den Durchschlag.

Mein herzliebster Schatz !                4.1.44  
 
Leider habe ich auch heute keine Post von Dir bekommen. Aber es hilft ja nichts, wenn ich mich darum gräme, denn warten muß ich doch, bis die Briefe ankommen. Also warte ich weiter und weiter.
Seit Tagen habe ich nun schon nichts zu beantworten. Ich muß dann schon einmal von mir selbst erzählen. Das sogar noch dienstlich. Anderes erlebe ich kaum, darum kann ich mich auch schon dienstlich mit Dir einmal mit Dir unterhalten. Es muß Dir nicht gleich Angst werden, denn so schlimm ist es nun wieder nicht. Ich schrieb Dir doch, daß unser Oberinspektor vor Weihnachten in Urlaub ging. Wir Beide arbeiten doch zusammen. Ich war ihm gewissermaßen als Unterstützung beigegeben. Stellvertreter gab es für ihn keinen, so mußte ich also ran. Ich habe nun alle Sachen, die sich ergaben so schlecht und recht ausgeführt, wie es mir meine Kenntnisse der Dinge im allgemeinen und im besonderen erlaubten. Der Oberrat, der uns vorgesetzt ist, hat ja im allgemeinen recht  wenig Ahnung vom Bau. Ich schrieb Dir doch wohl schon einmal, daß es mich wundert, wie es diese Leute fertig bringen, sich auf solch einer Stelle nicht nur hier, sondern auch im zivilen Leben zu halten. Anscheinend muß es aber in diesen hohen Stellen noch mehr von dieser Sorte geben, weil diese Leute nicht auffallen. Dieser Oberst hatte erst große Bedenken, daß der Oberinspektor in Urlaub geht, weil er doch erst noch neu hier sei und sich in diesen Dingen nicht auskennt. Der Kollege wollte sich seinen Urlaub nun nicht verderben lassen und sagte, ich würde das schon machen. Ich hatte das Gefühl, daß der Oberrat nicht so ganz damit einverstanden war. Nun sind die Ferientage für den Kamera den vorbei. Ich konnte bald wieder meine alte Tätigkeit in früherer Weise aufnehmen. Wir haben zu uns jetzt aber noch einen Beamten bekommen, damit dieser Oberrat nicht gar zu sehr belastet wird. Diesmal und auch schon einmal vorher hat nun mein Vorgesetzter geäußert, daß er mit der Erledigung meiner Aufgaben sehr zufrieden sei und er wäre froh darum, daß das bisher immer so gut geklappt hat. Es ist hier an eine Teilung der Arbeitsgebiete gedacht worden. In diesem Zusammenhang bin ich auch schon gefragt worden, ob ich besondere Wünsche hätte. Ich sagte damals, daß mir das gleichgültig sei, was ich für eine Arbeit zugewiesen bekomme, weil ich mir keine Gedanken zu machen brauche, denn ich könnte sowohl diese wie auch jede Tätigkeit ausüben.  Nach dem Gesicht zu urteilen, meinte dieser Herr, daß ich den Mund wohl etwas zu voll genommen hätte. Ich habe mich deshalb gefreut, daß ich Gelegenheit hatte, ihm das zeigen zu können, was ich kann. Mir liegt ja nicht daran, hier reiche Lorbeeren zu ernten, sondern ich bin ja unter diesen Umständen schon zufrieden, wenn ich meine festumrissene Tätigkeit habe. Doch ein gewisses Gefühl von Genugtuung durchströmt mich, wenn ich ohne große Worte jemand von etwas überzeugen konnte, was  andere zumeist mit dem Mund besorgen. Die Materie ist an sich nicht leicht, die wir bearbeiten, vor allem muß man sehr gewissenhaft dabei sein, aber wenn man erst einmal den Überblick hat, dann ist es nicht so schlimm. Wie ich nun sehe, ist alles auf eine Art Selbstbeweihräucherung hinausgekommen, das wollte ich ja nun auch wieder nicht machen. Ich denke aber, daß Du schon mitkommen wirst, was ich Dir habe erzählen wollen.
Ein kleiner Artikel aus unserer Zeitung liegt auch wieder mit bei. Er behandelt die Gedanken eines Urlaubers, der die Dinge daheim und hier schildert. Diese Gedicht fand ich ganz gelungen, weil an so vieles gedacht ist, was man zwar hier nicht mehr als Mangel empfindet. Das Wasser wird uns am Tag abgesperrt. Es läuft nur früh von 6  10 Uhr. In meinem Hotel ist das ja nicht der Fall, aber in der Stadt sonst allgemein. Ich glaube, daß es Dir ebenfalls, wenn Du auch die hiesigen Verhältnisse nicht kennst, gefallen wird.
Einige Päckchen habe ich wieder fertiggemacht und heute an Dich abgeschickt. Ich hoffe, sie kommen richtig wieder bei Dir an. Meine besten Wünsche begleiten sie jedenfalls wieder. Ich habe mit dem Beginn eines neuen Jahres wieder von vorn angefangen.
Die Nummern lauten 1, 4. Korinthen, die wir zum Weihnachtsfest erhielten, habe ich gesandt. Ein Päckchen Rosinen, die ich mit einmal aufbewahrt hatte, weil ich sie essen wollte, habe ich auch verpackt. Zur Zeit habe ich so viele Sachen, daß sie mir hier nur schlecht werden. Wenn ich welche haben will, dann kann ich mir ja wieder einmal eine Packung kaufen. Dann habe ich das Backpulver und die Gelatine verpackt. Einige Zigarren für Vater und ein paar Haselnüsse für die Kinder habe ich dazugelegt. Ich denke, daß alles eine bereitwillige Aufnahme finden wird.
Ich hoffe nun, morgen wieder einmal einige Zeilen von Dir zu erhalten. Doch wollen wir erst einmal abwarten. Mit vielen lieben Grüßen an Dich und die Kinder und einige herzlichen Küssen bin ich hier wie immer Dein Ernst.

Brief 506 vom 1./2.01.1944


Mein liebster Schatz !             1.1.44 

Nun haben wir es, das neue Jahr. Was uns das alte brachte, das wissen wir jetzt restlos, was uns das neue bringt, das liegt noch im Dunkel. Wir wollen glauben und hoffen, daß es uns Kraft gibt, allen Fairnissen zu begegnen, sie sich uns entgegenstellen. Daß es uns Segen zu unseren Bemühungen gibt, den Sieg zu erringen. Den Glaube an das gute Recht unseres Strebens dürfen wir nicht verlieren.  Doch solange wir nicht die Hand in den Schoß legen und darauf warten und darauf warten, was uns das Schicksal wohl zugedacht haben wird, dann werden wir es schon meistern.
Mein Silvesterabend ist etwas anders ausgefallen, wie ich es mir erst vorgenommen hatte, aber immerhin ich bin nicht unzufrieden, wie er verlief. Wir hatten erst die gemeinsame Feier, die um 11 Uhr abgebrochen wurde, weil allgemein Zapfenstreich auf diese Zeit festgesetzt war. Ich wollte auch erst nach hause gehen, aber ein Kamerad fragte mich, ob ich noch einen anderen Kameraden mit besuchen würde. Weil es mir zu zeitig war, ins Bett zu gehen, habe ich zugesagt. Bis wir an Ort und Stelle waren, hatte sich noch ein Oberstleutnant zu uns gesellt, der auch hier im Stab tätig ist. Er lud uns dann auf sein Zimmer ein. Dort haben wir dann Mitternacht abgewartet. Wir hatten einiges zu trinken da. Auf das neue Jahr haben wir sogar mit Sekt angestoßen. Aber nicht Trinken allen, sondern auch einige Kleinigkeiten zu essen hat es gegeben. In Bezug auf Bewirtung waren wir bestimmt nicht zu kurz gekommen. Allgemein unterhielten wir uns über die Heimat im allgemeinen und im besonderen über die Familie. Es war auch in dieser Beziehung ein ganz harmonisch verlaufener Abend. Bis ich dann nach   hause kam, war es mittlerweile 5 Uhr geworden. Ich muß sagen, daß ich mich trotz dieser kurzen Nacht noch ganz frisch und munter fühle. Am Nachmittag habe ich nun etwas geschlafen. Daraufhin bin ich wieder voll einsatzfähig geworden. Zum Jahresanfang spielt hier das Rundfunkorchester öffentlich. Es gab ein nettes, flottes Programm, das mich voll und ganz befriedigt hat. Mit Tempo und Schwung ist es ins Neue Jahr gegangen. Vom Nachmittag müsste ich noch erwähnen, daß ich im Offiziersheim Kaffee und Kuchen gehabt habe. Ich muß doch meine Vorräte etwas sparen, damit ich recht lange davon habe. Ich komme mir langsam vor wie ein Flegel, der nicht weiß, was sich gehört. Ich bin noch nicht einmal weiter auf die Weihnachtsgeschenke eingegangen. Als das Kleingebäck ist wirklich sehr gut, das kann ich Dir nur vollauf versichern. Die Stolle habe ich nun angeschnitten. Ich muß Dir sagen, das ist ein Gedicht. Die hast Du bestimmt recht fein gemacht. Ich hatte hier doch auch welche bekommen. Die habe ich zuerst gegessen. Die war auch nicht schlecht gemacht, aber da alles mit Öl gemacht worden war, hatte sie einen kleinen Nachgeschmack, doch das ist im allgemeinen für einen Landsermagen bedeutungslos. Dagegen ist es eine Oase der Gaumenreizung, wenn man so etwas von daheim erhält. Es tut mir immer leid, wenn ich davon abschneide, denn schon der Gedanke daran allein ist ein Genuss. Du wirst mich wohl für ein bisschen blöd halten, wenn ich sowas Abwegiges schreibe, aber glaube mir, es ist bestimmt nicht so abwegig, wenn ich mir vorstellen kann, wie gut das schmecken wird. Ist sie alle und man sieht nichts mehr davon, dann hat man auch keinen Grund sich das erst vorzustellen. Für den Beutel für das Schuhputzzeug danke ich Dir, für die Tasche für das Nähzeug ebenfalls. Ist das eine nicht aus dem einen Umhang gemacht, den ich den Kindern einmal aus Frankreich mitgebracht hatte? In den Büchern habe ich schon etwas herumgelesen, sie sind ganz nett, wenigstens das, was ich bis jetzt gelesen habe. Für alles meinen recht herzlichen Dank nochmals, Du hast mir bestimmt eine große Freude damit bereitet.
Ab Montag ist bei uns hier Waffendienst für uns in Aussicht gestellt worden. Für die Beamten ist dies speziell vorgesehen, die zu den hier aufgestellten Alarmeinheiten hinzugezogen werden. Ein Schade ist das gewiss nicht, denn man weiß ja nie, was einem einmal begegnen kann. Ich bin gespannt, wie das alles aufgezogen werden wird. Die verschiedenen Leute müssen ja dabei auch mitmachen.
Weil ich gestern Abend nicht dazugekommen bin, habe ich mir heute die Kerzen auf meinem Kranz angezündet und mich noch etwas dazu hingesetzt. Das Licht und die roten Kerzen sowie das herbe Grün wirken doch recht stimmungsmäßig. Den Kranz lasse ich nun noch bis 6. Januar stehen, wie ich auch den Kalendern unsere Junge solange hängen lasse. Dann ist ja die Weihnachtszeit endgültig vorbei. Den Kalender sehe ich mir jeden Morgen und Abend wieder an, um mich an den Zeichnungen unseres Jörg zu erfreuen.  Mit vielen Grüßen und recht herzlichen Küssen mache ich für heute Schluss. Im Gedanken an Euch, meine Lieben, bin ich Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel!                2.1.44  
 
Pünktlich zum neuen Jahr trafen Deine Glückwünsche zum Neuen Jahr ein. Deine Briefe vom 24. und 27. 12. erhielt ich gestern, doch i vergaß es, sie Dir noch mit zu bestätigen. Ich danke Dir vielmals dafür. Es hat mir recht leid getan, daß ich lese, daß Du keine Post die ganzen Tage über bekommen hast. Anscheinend ist mein Weihnachtsbrief auch nicht rechtzeitig eingegangen. Ich habe ihn noch einem Urlauber mitgegeben, weil ich hoffte, ihn noch rechtzeitig zu Dir hinzubekommen. Doch diese Kombination hat nicht geklappt, wie ich feststellen muß. Aber die Bummelei von der Post ist im Moment allgemein so. Ich bedauere nur, daß ich es nicht mehr ändern kann. .
Für die Kinder hast Du noch einige Kleinigkeiten kaufen können, das ist ja nett.  Ich denke, daß sie dann mit allem schon zufrieden sein konnten. Schön fand ich es von Dir, daß Du mit ihnen im Theater gewesen bist. So hat doch Helga die Dinge auch von der anderen Seite wieder einmal erleben können. Das mag schon sein, daß Dir das KdF besser gefallen hat. Auf die Bilder bin ich ja gespannt. Ich will doch auch einmal unsere große Schauspielerin kennen lernen. Das finde ich lustig. Vor einiger Zeit schrieb ich Dir von Kastanien und Du musstest mir mitteilen, das es keine gibt. Nun haben die Kinder welche zugeteilt bekommen. Hoffentlich haben sie auch geschmeckt.
Ich kann mir denken, daß es dem Bademeister auffällt, wenn ihm die regelmäßigen Badegäste ausbleiben. Aber das war schon ein bißchen Vorweihnachten, daß Ihr wieder einmal über den Bach gesprungen seid.
Für die Neujahrswünsche danke ich Dir nochmals. Das, was ich Euch zu sagen hatte, das habe ich Euch ja in meinen verschiedenen Briefen mitgeteilt.
Wie freut es mich, daß Ihr wieder einmal in unserem Wald gewesen sei. Damit habt Ihr meiner Anregung, die ich in meinem Weihnachtsbrief gab, Rechnung getragen. Ich weiß nun nicht, ist das auf meinen Brief hin geschehen oder seid Ihr so gegangen. Das wäre ja sonderbar, wenn Ihr so gegangen wärt und damit schon im Voraus meinem Wunsch nachgekommen seid. Das kann ich mir vorstellen, was wir für ein wildes Pferd haben. Das ist ja auch zu schön, wenn so ein Füllen auf der Weide herumspringen kann ohne sich um den Zwang der Stadt kümmern zu brauchen. Unser Bengel ist einmal so ein Kerl, der zu allerhand Unfug aufgelegt ist, wenn es sich gerade so schön ergibt. Das sind ja alles so harmlose Vergnügen, die man ihnen schon gönnen kann und soll. Daß auch Di ihnen immer viel Verständnis dafür entgegenbringst, das ist ja keine Frage.  Wie Du mir wieder mitteilst, tauscht Ihr Euch immer unsere Sachen etwas aus. Du bist sicherlich froh über das Mehl gewesen. Vater wird sich dagegen über die Apfelringe gefreut haben. Ich glaube, daß Du in diesem Jahr einen ganz schönen Vorrat gehabt hast, der Dir sicherlich eine ordentliche Hilfe war. Ich denke, daß er von Fricks ab und zu eine Kleinigkeit erhält, denn von den wenigen Zuteilungen kann er Dir ja nichts abgeben. Wegen der 1,60 RM kannst Du schon einmal bei der Stadt anfragen, für was die abgezweigt werden. Es gehört sich zumindest, daß einem mitgeteilt wird, aus welchem Anlass diese Abzüge gemacht worden sind. Wenn man dann 1,60 RM auf den Zettel ohne jede Erklärung schreibt, dann ist das schon allerhand. Es ist kein großer Betrag, aber immerhin, eines Tages gehen die her und ziehen 10,-RM ohne eine Erklärung ab. Die Weihnachtszuwendung für die Kinder ist auch wieder eingegangen. Sie wurde ja bisher an alle die ausgezahlt, die ein Einkommen unter 250,RM haben. Das trifft ja bei mir zu. 
Nach diesem Feiertag war nun heute schon wieder Sonntag. Ich war erst ganz durcheinander gekommen.  Ich hatte nicht gemerkt, daß schon wieder Sonntag war. Ich war heute mit zwei Kameraden in dem schönen Heim in Piräus. Dort haben wir einen netten Nachmittag verbracht. Es gab wirklich schönen Streuselkuchen. Der Kaffee war nicht schlecht. Auf den Tischen standen Kerzen und in jedem Zimmer brannte ein Weihnachtsbaum. Es war wirklich recht heimelig. Über die zwei Tage bin ich mit Kuchen wieder einmal auf meine Rechnung gekommen, das kann ich wohl sagen. Jetzt kann die Woche wieder beginnen, denn jetzt geht nach diesen Feiertagen der gewohnte Alltag los.
Heute sind von Dir einige Zeitungen gekommen. Weitere Post habe ich auch nicht erhalten. Einige Briefe von Dir stehen noch aus. Ich denke, daß sie so nach und nach eintreffen werden.  Über die Feiertage ist manches liegengeblieben. Jetzt wird es auch langsam wieder zivilisiert.  Dir und den Kindern sowie Vater sende ich recht viele herzliche Grüße.  Viele Küsse für ich noch hinzu. In innigem Gedanken bin ich Dein Ernst.