Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 348 vom 4./5.12.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                               4.12.42      

Drei Briefe in zwei Umschlägen habe ich heute von Euch bekommen. Von Dir einen Gruß und von unseren beiden Stromern je einen. Das war eine nette Überraschung. Ich habe mich gefreut, wie Helga voller Stolz von ihrem Auftreten im Theater erzählt. Das muß ihr doch mächtige Freude machen. Es ist ja nun schon übermorgen. Im Gedanken werde ich bei Euch sein. Sie ist sicher wieder mit großem Eifer dabei. Da ist ja nicht viel notwendig, um einem Kind eine Freude zu bereiten. Wenn man dann von ihr weiter liest, wie sie sich mit ihren neuen Schuhen gefällt und was sie wiederum stolz ist, als sie mir von ihren neuen Schwimmkünsten berichten kann, dann hat man selbst seinen Spaß daran. Von dem Weihnachtsgeschenk für Dich haben sie mir auch schon berichtet. Dir mache es nichts aus, wenn Du es schon wüsstest, schreibt sie mit kindlicher Naivität. Unsere Beiden müssten einmal hier sein, dann könnten sie sich manchmal an Pudding dick essen. Wir bekommen öfter welchen und dazu noch eine solche Portion, daß man sie nach dem an sich kräftigen und reichlichen Mittagessen kaum noch verzwingen kann.  Jetzt haben doch unsere beiden Lauser auch etwas vom Radio.  Nachdem sie schon eher etwas Verständnis haben, bleiben sie einmal beim Radio sitzen, wenn ein Märchen spiel gegeben wird, vor allem, wo man die Sachen jetzt deutlicher hört und nicht auf jedes Wort spitzen muß. Das Lied „Wovon kann der Landser denn schon träumen?“ habe ich kürzlich über Mittag bei uns im Rundfunk gehört. Ich dachte gleich an Euch daheim. Ich weiß noch, wie Du mich beim Urlaub das erste Mal darauf aufmerksam gemacht hast und dann fest mitgesungen hast. Für unseren Jungen ist das so das richtige Geschäft, für die Lehrerin das Brot zu holen. Soviel wie ich ihn einschätze, ist er ja nicht darauf aus, vom Unterricht wegzukommen, sondern es klommt ihm mehr darauf an, vor den anderen Schülern ausgezeichnet zu sein. Das macht ihn ja sehr stolz, genau so wie seine Noten im Schönschreibheft. Mich freut es aber auch, und ich bin stolz auf sie, wenn sie so fleißig in der Schule mitmachen. Ich will zwar nicht fest behaupten, daß sie diesen Fleiß von Dir geerbt haben, aber ich kann mir nicht erklären, wieso sie es von mir hätten. Ich war doch nicht übermäßig fleißig. Ein Faulpelz zwar auch nicht, doch wenn ich mich so zurückerinnere, habe ich doch nicht mehr gelernt, als was unbedingt sein musste. Mir scheint es zwar, als ob sie das auch so machten. Wenn das so ist, dann haben sie etwas mehr drauf wie ich. Stilistisch und auch in der Form geben sie sich alle Beide ganz gut. Sie sollen nur beide so weitermachen, dann kann man sich schon fest darüber freuen.  Ihr macht mich direkt neugierig. Ihr seid ja ganz geheimnisvoll, wie Ihr von Weihnachten schreibt. Daß Du vom Weihnachtsmann so mit Beschlag belegt bist, hatte ich nicht gedacht. Er muß Deine Hilfe aber ziemlich nötig haben. Ich bin ja gespannt, was Ihr da im Schilde führt. Aber Du weißt ha, ich bin nicht so wissbegierig, um schon vorzugreifen. Im Gegenteil, ich lasse mich gern von Euch überraschen. Ich bin Dir bestimmt nicht böse, wenn Du einmal so stark von anderer Seite in Anspruch genommen bist. Zudem haben die Kinder ihr Teil beigetragen, Dich zu entlasten.  Heute habe ich wieder einer sehr schönen Theatervorstellung beigewohnt. Ich habe mich für einige Stunden entspannt und es war wirklich schön. Es wurde, wie Du aus dem beiliegenden Theaterzettel siehst „Tosca“ gegeben. Meinem Kameraden Türk, mit dem ich immer die Vorstellungen besuche, hat es auch gut gefallen. Als ich nach hause kam, fand ich Euren Brief vor, so daß ich nochmals aus dem Einerlei, was man hier tagtäglich hat, schön abgelenkt wurde.  Ich danke Euch allen vielmals für Eure Zeilen. Den Kindern antworte ich bald wieder.  Dir und ihnen sende ich recht viele Grüße und gleichviel Küsse.
Dein Ernst.

Meine liebe Frau !                                                                     5.12.42      

Wieder ist der Ofen aus. Wir alle haben keine Post erhalten. Das war nach dem Auftakt von gestern eine sehr betrübliche Tatsache.  Man kann sie nur feststellen, aber weiter hilft es nichts. Ich wundere mich, wie man sich mit seinem Schicksal abfindet. Wenn ich zurückdenke an die ersten Monate meiner Militärzeit. Wie war man da jedes mal ungeduldig, wenn einmal an einem Tag keine Post dabei war. Am liebsten hätte man allem und jedem die Schuld zugeschrieben. Man hat sich darüber geärgert und hat im Stillen geflucht und geschimpft. Es hat alles nichts genutzt, stellt man dann am Ende wie ein Weiser fest. Man muss sich nur schön gedulden und abwarten können. Es wird schon wieder etwas geben, wenn es lange genug gedauert hat. Wenn es gut geht, gibt es dann gleich einen Schwung miteinander, geht es schlecht, dann wartet man eben noch ein paar Tage. Das heimliche Murren kann man sich dabei aber doch nicht so ganz abgewöhnen. Es ist aber durch die Länge der Zeit etwas leiser, etwas ruhiger geworden. Ganz wird es wohl nicht zu vertreiben sein.  Von hier kann ich Dir auch wieder eine Neuigkeit berichten. Man hat mich aus dem Offizierskasino , in dem ich jetzt immer gegessen habe, in das ich mich aber wohlgemerkt nicht hineingedrängt habe, hinauskomplimentiert. Es sind tatsächlich jetzt mehrere Herren dazugekommen. Man begründet es nun damit, daß ja kein Platz mehr sei und ich soll nun im Unteroffizierskasino mitessen. Mir ist das im Grund genommen gleichgültig, wo ich satt werde. Ich habe schon seit einiger Zeit gemerkt, daß ich manchen Herren nicht angenehm bin. Ich habe ihnen zwar nichts getan, aber sie glauben, mehr wie ich zu sein. Wenn sie das glauben, lassen wir ihnen den Willen. Mit solchen Mätzchen kann man mir meine Ruhe nicht nehmen. Einesteils mit Schrecken und andererseits mit Freude habe ich festgestellt, daß wir schon wieder Wochenende haben. Die Zeit verfliegt ungemein schnell. Hier kann man es im allgemeinen gebrauchen. Es ist doch immer am besten, man liegt im Bett und kann schlafen. Dann stört einem nichts mehr. Vor einigen Tagen hatte ich auch damit einige Schwierigkeiten, denn ich hatte den Hexenschuss im Kreuz, das war schon nicht mehr heilig. Es war fast so wie im letzten Jahr, wo ich mich mit den Kartoffelsäcken verhoben hatte. Ich konnte mich fast nicht mehr bewegen. Ein scheußliches Gefühl. Ich konnte zeitweise weder sitzen noch liegen. Inzwischen hat es sich soweit wieder gegeben, daß ich mich soweit bewegen kann, daß es nicht auffällt. Es war sehr schmerzhaft, aber ich habe, wie gesagt, das meiste überstanden. Ohne daß man es merkt, kommt man zu solchen unangenehmen Sachen.  Für unsere beiden Strolche habe ich zwei Puppen gekauft. Sie sind zwar nicht besonders. Es ist nur interessant, saß sie entsprechend der natürlichen Tracht gekleidet sind. Für deutsche Verhältnisse sind sie wohl teuer, aber ich denke, daß sie sich darüber freuen werden. Ob zwar unser Junge sich noch daran ergötzt, weiß ich nicht. Im anderen Fall kann er Helga das Paar überlassen. Zum Weihnachtsfest kommen sie zwar nicht mehr rechtzeitig an, sie werden sich aber auch später noch darüber freuen.
Ich schicke sie an Dich ab. Dir überlassen ich dann alles weitere.  Dir mein lieber Schatz sende ich recht herzliche Grüße und bitte Dich, unseren beiden Stromern von ihrem Vater einige herzliche Küsse zu übermitteln. Sie sollen auch weiterhin und lieb mit ihren Briefen an mich denken wie bisher. Dir sende ich wieder recht viele herzliche Küsse. Dein Ernst.

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