Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 347 vom 2./3.12.1942


Mein liebstes Mädel !                                                                     2.12.42. 
   
Die letzte Post habe ich am Sonntag erhalten. Ich hoffe, daß ich morgen am Donnerstag etwas von Dir bekomme. Wenn man einige Tage beim Postverteilen übergangen wird, so empfindet man das schon ziemlich. Daß man nicht an jedem Tag drankommen kann, das ist verständlich, weil die Post nicht immer so gleichmäßig anliefern kann. Drei oder vier Tag merkt man dann schon eher. Ich bin aber schon längeres Warten gewohnt, Du hast es ja auch schon zu spüren bekommen. Eigentlich hätte ich heute nichts zu berichten. Von der neuerlichen Zusammenlegung habe ich Dir schon berichtet. Mit unserem Inspektor bin ich in einem Schreibzimmer, welches wir ausgeräumt haben, vorläufig einquartiert. Es geht wohl ziemlich eng zu, aber wir haben uns eingerichtet, weil es besser ist, als in dem uns zur Verfügung gestellten Bau, der noch nicht eingerichtet ist. Und in dem die übereifrig eingezogenen anderen Herren gefroren haben wie die Schneider. In meinem Zimmer wird noch der Sonderführer untergebracht. Das wird sich noch einige Tage hinziehen, denn da muß erst noch gestrichen werden. Ich habe es mir noch nicht angesehen, es soll aber sehr notwendig sein, daß an dem in Aussicht genommenen Zimmer noch verschiedenes hergerichtet wird. Das geht schon daraus hervor, daß man das ohne unseren Antrag bewilligt hat.  Für Euch habe ich nun nicht weiter zu Weihnachten. Ich kann weiter nichts senden wie etwas Geld. In diesen Tagen werde ich es an Dich absenden. Ich dachte mir, daß die Kinder jedes 20,RM erhalten. Was Du davon noch beschaffen kannst und willst, liegt ganz und gar bei Dir. Der Rest mit 60.RM ist dann für Dich bestimmt. Ich bedauere sehr, daß ich mit keiner Überraschung aufwarten kann, wie ich es immer so gern gemacht habe, aber unter den schwierigen Verhältnissen, die hier bestehen, kann ich es leider nicht anders einrichten.  Die Jahre vorher ging es immer noch, denn da konnte ich immer noch etwas kaufen. Wo soll man hier aber etwas kaufen, das ist bei dem großen Warenhunger der Bevölkerung ganz ausgeschlossen.  Erstens kriegt man nichts, wenn es einem tatsächlich gelingen sollte, etwas zu kaufen, dann werden dafür derartig unverschämte Preise verlangt, daß es eine Sünde und eine Schande wäre, das Geld dafür hinauszuwerfen. Ich denke deshalb, daß ich es zweckmäßiger Euch in bar zugehen lasse, dann kannst Du etwas dafür kaufen, wenn er Bedarf für etwas vorliegt und wenn etwas zu bekommen ist. Nehmt darum diese Geldgabe, die ich trotz allem ungern mache, weil sie sehr nüchtern wirkt, hin in dem von mir vorgesehenen Sinn und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Umstände. Was ich Euch für Weihnachten sonst mitzuteilen habe, das schreibe ich Dir in einem besonderen Brief.  Was es heute zum Mittagessen gegeben hat, muß ich Dir noch schreiben. Ich weiß zwar, daß es bei Euch daheim nicht den Anklang gefunden hätte, wie bei mir. Ich glaube, Du kannst Dir denken, was es gegeben hat. Stroh und Lehm. Das war wirklich sehr gut zubereitet und zum Erbsenbrei gab es noch eine schöne Buttersoße. Ich habe mich fest rangehalten und bin auch vollauf auf meine Rechnung gekommen. Ich bilde mich hier bald so zu einem Vielfraß aus. Das ist schon nicht mehr schön, wenn das so weitergeht. Ich glaube, daß ich beim nächsten Urlaub mit einem Schmerbauch nach hause komme, wenn ich so weitermache. Man muß aber sehen, daß alles sehr gut zubereitet ist. Und daß wir von allem reichlich bekommen. Manchmal denke ich mir, das kann man sich daheim gegenüber nicht verantworten, denn die Zuteilungen sind doch wesentlich größer wie die bei Euch. Ich würde gern manchmal etwas davon zurücklegen und es Euch zuschicken, aber das geht an sich schlecht, weil es einem verdirbt. Mit der Butter, die ich noch bekommen sollte, bin ich Euch etwas voreilig gewesen, denn die ist inzwischen schon von anderen abgeholt worden. Ich werde aber trotz allem aufpassen, um für Euch etwas zu erhalten.  Recht viele herzliche Grüße und gleich viele Küsse sendet Dir, mein liebes Mädel, Dein Ernst.


Meine liebste Annie !                                                                        3.12.42            
Was ist das nur mit der Post. Auch heute ist nichts für mich eingegangen. Ich hatte bestimmt mit etwas gerechnet, nachdem ich seit Sonntag keine Post mehr erhalten habe. Ich weiß, Du kannst nichts daran ändern, denn an Dir liegt es bestimmt nicht. Im ersten Moment will man dann auch nicht schreiben, weil man etwas verärgert ist, aber das wäre dann ja die Schuld Dir zuzuschieben und das ist doch nicht der Fall. 
Heute über Mittag habe ich mir einmal meine neue Unterkunft angesehen, Bis jetzt sieht es sehr gewitterig aus. Es ist direkt ein Saal, in dem 20 Mann untergebracht werden können. Bevor diese Räume nicht hergerichtet sind, ziehe ich dort nicht ein, denn dieser Bau ist lausig kalt.  Nach neuer russischer Weise stehen die Öfen gleich beim Fenster.  Der Abzug wird zum Fenster hinausgelegt. Ich kann Dir sagen, das ist ein herrliches Bild, wenn aus jedem Fenster ein Stück Ofenrohr in die Luft ragt und es qualmt dann lustig darauf los. Die ganze Front ist schon verrußt und verbessert dann das Bild in eindrucksvoller Weise.
Ich bleibe vorerst in meiner augenblicklichen Notunterkunft, bis sich die Lage wieder klärt.  Das Wetter bei uns ist hier ziemlichen Schwankungen unterworfen. Viel unter den Nullpunkt geht es ja nicht, aber die Unterschiede sind doch fühlbar. Heute fing es wohl einmal zu regnen an, bald darauf schneite es aber wieder. Die Straßen sind teilweise sehr glatt. 
Ich bin heute nicht in der richtigen Briefschreibstimmung. Ohne Gruß wollte ich Dich aber nicht lassen. Darum bitte ich Dich, schon schließen zu dürfen. Bleibe gesund, mein Schatz und grüße die Kinder. Du selbst sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

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