Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 349 vom 6.12.1942


Meine liebste, beste Frau !                                                        6.12.42          

Am heutigen Nikolaustag habe ich fest an Euch gedacht und als Dank dafür bekam ich Deinen liebe Brief vom 23., über den ich mich sehr gefreut habe. Du bist heute mit den Kindern im Theater gewesen. Ich denke, daß Du Dich über alles hast freuen können, vor allem wird unsere Helga sehr stolz gewesen sein, daß sie diesmal etwas mehr in den Vordergrund gerückt ist. Ich bin überzeugt, daß sie sich angestrengt und ihre Sache gut gemacht hat, denn da kennt ihr Eifer keine Grenzen. Ich hoffe, daß mein Brief, den ich für den heutigen Tag gedacht hatte, rechtzeitig angekommen ist, dann passt er doch in den Rahmen hinein und trägt zur Hebung der Stimmung mit bei. Es ist mir ja selbst ein Vergnügen, den Kindern diesen kleinen Spaß zu machen, der von ihnen wohl auch so gewertet wird.  Ich hatte am Anfang gleich zwei Luftpostbriefe geschrieben. Ist der zweite so lange gegangen? Wie ich sehe, hat Dir mein Brief auch zugesagt und Du nimmst auf diese behelfsmäßige Weise an meinem Erleben teil. Der Ausschnitt aus dem „Schwarzen Corps“ ist sehr treffend. ER zeigt in diesen wenigen Bildern, wie so eine Fahrt in Wirklichkeit aussieht. In Berlin sind die Züge überfüllt, daß kein Mensch mehr Platz bekommt. Auf den Gängen liegen dann die Landser herum. Die Schlafgelegenheit ist sehr treffend. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Platz man auskommen kann, um sich „hinzulegen“. Meist muß man sich aber mit dem Sitzen begnügen. Auch das ist schon sehr vornehm, denn viele müssen eben wegen Zugüberfüllung stehen. Jeder will und muß zur Zeit wieder an Ort und Stelle sein. Trotz allem hört man fast kein krummes Wort. In Karlsruhe, wo schon ein ganze Schwung von Soldaten aus dem Osten  zusammenkommen, sagte einer: “Wenn man bedenkt, daß man wieder 22 Monate hinaus muß, war der Urlaub doch ein bissel kurz.“ Das kann man aber auch verstehen und wir hoffen alle, daß es bis zum nächsten Mal nicht so lange dauern wird.  Bis jetzt habe ich den Kopfschützer noch nicht notwendig gehabt. Wie es aber weiter wird, weiß ich nicht.  Besser wäre es schon, ich würde den Kopfschützer nur so oft brauchen wie meinen Fliegenschleier. Ich freue mich, daß Du Dich so schnell daran gemacht hast und daß Du so sehr um mich besorgt bist. Vielen Dank, mein lieber Schatz, für Deine Mühe, die Du Dir wieder gemacht hast.  Mit dem Kameraden konnte ich bis jetzt zufrieden sein, denn er hat sich immer in anständiger Form gezeigt. Von dem Neuen kann ich das nicht im entferntesten erhoffen. Ich werde mich aber schon durchbeißen. Ich habe ja schon weniger angenehme Sachen durchgestanden, dann werde ich auch mit dieser aus irgendeine Weise zu Rande kommen. Daß Euch das mitgesandte Bild eine kleine Freude gewesen ist, ist ja schön. Ich mache zwar ein komisches Gesicht darauf. Im Vertrauen kann ich Dir dazu aber verraten, daß es mir in diesem Moment nicht zum Fotografieren zumute war, denn da drückte mich etwas und die Möglichkeit zum Austreten lag noch in weiter Ferne. Wenn man genau hinsieht, kann man es vielleicht merken, doch das ist nur Eingeweihte. Andere brauchen das wohl auch nicht zu wissen.  Du mußt nun deshalb nicht lachen und genau hinsehen, das könnte Dir den ganzen Eindruck, den ich bisher Dir auf diesem Bild gemacht habe, verderben. Ich muß feststellen, daß Ihr wieder allerhand Alarm habt. Kann man denn da nichts dagegen machen. Das gehört doch bald einmal abgestellt. Man muß eben die Geduld, aber auch den Humor nicht dabei verlieren. Laßt es Euch aber nicht so hart ankommen. Ich bin ja schon immer froh, wenn ich lese, daß nichts ernstliches passiert ist.  Die Geschäftstüchtigkeit unseres Jungen ist ja wirklich interessant. Bisher habe ich mir zwar immer sagen lassen, die Malerei sei eine brotlose Kunst. Bei unserem Jungen scheint dies wohl nicht ganz zuzutreffen. Sie ernährt zwar noch nicht ihren Mann. Er versteht es aber, sie an den Mann zu bringen. Das ist auch schon etwas wert. Anscheinend versteht er sein Geschäft. Daß er auch immer gleich einen passenden Namen für seine Erzeugnisse hat, ist sehr zweckmäßig. Die Kunstsachverständigen, die diese Sachen abnehmen, brauchen sich dann nicht groß Gedanken darüber zu machen, was es darstellen soll. Er weiß jedenfalls, die anderen dafür zu interessieren, das ist wohl sehr wesentlich.  Ich glaube, daß das Erfragen meiner Anschrift durch das Amt auf meine Reklamation zurückzuführen ist.  Als ich auf dem Amte war, hatte ich doch gesagt, daß es auffallend sei, wie wenig Interesse man an den Leute hätte, die schon jahrelang nicht mehr ihren Dienst an ihrem alten Posten versehen.  Das ist wohl die Auswirkung davon. Es ist bestimmt nicht notwendig, daß die Leute sich in Unkosten stürzen, wenn man aber ab und zu erfährt, was sich so im Laufe eines größeren Zeitabschnitts ergeben hat, dann verliert man nicht ganz und gar den Kontakt.  Daß sich Dein Vater immer wieder in anständiger Weise unserer Gräber annimmt, danke ich ihm sehr. Ich finde dies sehr anständig und ich fühle mich in gewisser Weise ihm gegenüber verpflichtet.  Geld nimmt er bekanntlich keines. Ich habe hier für etwa 15,-RM Zigarren. Davon kannst Du ihm welche zu seinem Geburtstag übersenden, denn zu Weihnachten reicht es ja nicht mehr. Ich muß sie hier teuer bezahlen, ich denke aber, daß ich sie für unsere Raucher in der Familie immer mitkaufe, denn die bekommen doch nicht zuviel. Meine Zigaretten gebe ich schon immer an die Kameraden hier ab, die darauf luchsen. Wenn Du Vater welche gibst, dann mußt Du aber vorsichtig damit umgehen, denn die kosten die meisten 30 Pfennig das Stück.  Für die Zeitungsausschnitte danke ich Dir. Ich habe sie gelesen und gefreut haben sie mich, wie Du Dich wahrscheinlich selbst darüber gefreut hast. Aber eine Liebe ist die andere wert. In unserer Zeitung stand dieser Tage auch ein netter Artikel, den ich für Dich extra aufgehoben habe. Er wird Dich bestimmt auch freuen, denn ich finde ihn originell.  Für heute noch einen herzlichen Sonntagsgruß‘, verbunden mit einem kräftigen Sonntagskuss für Dich und die Kinder. Dies für heute von Deinem Ernst.

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