Meine
liebste, beste Frau !
6.12.42
Am
heutigen Nikolaustag habe ich fest an Euch gedacht und als Dank dafür bekam ich
Deinen liebe Brief vom 23., über den ich mich sehr gefreut habe. Du bist heute
mit den Kindern im Theater gewesen. Ich denke, daß Du Dich über alles hast
freuen können, vor allem wird unsere Helga sehr stolz gewesen sein, daß sie
diesmal etwas mehr in den Vordergrund gerückt ist. Ich bin überzeugt, daß sie
sich angestrengt und ihre Sache gut gemacht hat, denn da kennt ihr Eifer keine
Grenzen. Ich hoffe, daß mein Brief, den ich für den heutigen Tag gedacht hatte,
rechtzeitig angekommen ist, dann passt er doch in den Rahmen hinein und trägt
zur Hebung der Stimmung mit bei. Es ist mir ja selbst ein Vergnügen, den Kindern
diesen kleinen Spaß zu machen, der von ihnen wohl auch so gewertet wird. Ich hatte am Anfang gleich zwei
Luftpostbriefe geschrieben. Ist der zweite so lange gegangen? Wie ich sehe, hat
Dir mein Brief auch zugesagt und Du nimmst auf diese behelfsmäßige Weise an
meinem Erleben teil. Der Ausschnitt aus dem „Schwarzen Corps“ ist sehr
treffend. ER zeigt in diesen wenigen Bildern, wie so eine Fahrt in Wirklichkeit
aussieht. In Berlin sind die Züge überfüllt, daß kein Mensch mehr Platz
bekommt. Auf den Gängen liegen dann die Landser herum. Die Schlafgelegenheit
ist sehr treffend. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Platz man auskommen kann,
um sich „hinzulegen“. Meist muß man sich aber mit dem Sitzen begnügen. Auch das
ist schon sehr vornehm, denn viele müssen eben wegen Zugüberfüllung stehen.
Jeder will und muß zur Zeit wieder an Ort und Stelle sein. Trotz allem hört man
fast kein krummes Wort. In Karlsruhe, wo schon ein ganze Schwung von Soldaten
aus dem Osten zusammenkommen, sagte
einer: “Wenn man bedenkt, daß man wieder 22 Monate hinaus muß, war der Urlaub
doch ein bissel kurz.“ Das kann man aber auch verstehen und wir hoffen alle,
daß es bis zum nächsten Mal nicht so lange dauern wird. Bis jetzt habe ich den Kopfschützer noch
nicht notwendig gehabt. Wie es aber weiter wird, weiß ich nicht. Besser wäre es schon, ich würde den
Kopfschützer nur so oft brauchen wie meinen Fliegenschleier. Ich freue mich,
daß Du Dich so schnell daran gemacht hast und daß Du so sehr um mich besorgt
bist. Vielen Dank, mein lieber Schatz, für Deine Mühe, die Du Dir wieder
gemacht hast. Mit dem Kameraden konnte
ich bis jetzt zufrieden sein, denn er hat sich immer in anständiger Form
gezeigt. Von dem Neuen kann ich das nicht im entferntesten erhoffen. Ich werde
mich aber schon durchbeißen. Ich habe ja schon weniger angenehme Sachen
durchgestanden, dann werde ich auch mit dieser aus irgendeine Weise zu Rande
kommen. Daß Euch das mitgesandte Bild eine kleine Freude gewesen ist, ist ja
schön. Ich mache zwar ein komisches Gesicht darauf. Im Vertrauen kann ich Dir
dazu aber verraten, daß es mir in diesem Moment nicht zum Fotografieren zumute
war, denn da drückte mich etwas und die Möglichkeit zum Austreten lag noch in
weiter Ferne. Wenn man genau hinsieht, kann man es vielleicht merken, doch das
ist nur Eingeweihte. Andere brauchen das wohl auch nicht zu wissen. Du mußt nun deshalb nicht lachen und genau
hinsehen, das könnte Dir den ganzen Eindruck, den ich bisher Dir auf diesem
Bild gemacht habe, verderben. Ich muß feststellen, daß Ihr wieder allerhand
Alarm habt. Kann man denn da nichts dagegen machen. Das gehört doch bald einmal
abgestellt. Man muß eben die Geduld, aber auch den Humor nicht dabei verlieren.
Laßt es Euch aber nicht so hart ankommen. Ich bin ja schon immer froh, wenn ich
lese, daß nichts ernstliches passiert ist.
Die Geschäftstüchtigkeit unseres Jungen ist ja wirklich interessant.
Bisher habe ich mir zwar immer sagen lassen, die Malerei sei eine brotlose
Kunst. Bei unserem Jungen scheint dies wohl nicht ganz zuzutreffen. Sie ernährt
zwar noch nicht ihren Mann. Er versteht es aber, sie an den Mann zu bringen.
Das ist auch schon etwas wert. Anscheinend versteht er sein Geschäft. Daß er
auch immer gleich einen passenden Namen für seine Erzeugnisse hat, ist sehr
zweckmäßig. Die Kunstsachverständigen, die diese Sachen abnehmen, brauchen sich
dann nicht groß Gedanken darüber zu machen, was es darstellen soll. Er weiß
jedenfalls, die anderen dafür zu interessieren, das ist wohl sehr
wesentlich. Ich glaube, daß das
Erfragen meiner Anschrift durch das Amt auf meine Reklamation zurückzuführen
ist. Als ich auf dem Amte war, hatte
ich doch gesagt, daß es auffallend sei, wie wenig Interesse man an den Leute
hätte, die schon jahrelang nicht mehr ihren Dienst an ihrem alten Posten
versehen. Das ist wohl die Auswirkung
davon. Es ist bestimmt nicht notwendig, daß die Leute sich in Unkosten stürzen,
wenn man aber ab und zu erfährt, was sich so im Laufe eines größeren
Zeitabschnitts ergeben hat, dann verliert man nicht ganz und gar den Kontakt. Daß sich Dein Vater immer wieder in
anständiger Weise unserer Gräber annimmt, danke ich ihm sehr. Ich finde dies
sehr anständig und ich fühle mich in gewisser Weise ihm gegenüber
verpflichtet. Geld nimmt er bekanntlich
keines. Ich habe hier für etwa 15,-RM Zigarren. Davon kannst Du ihm welche zu
seinem Geburtstag übersenden, denn zu Weihnachten reicht es ja nicht mehr. Ich
muß sie hier teuer bezahlen, ich denke aber, daß ich sie für unsere Raucher in
der Familie immer mitkaufe, denn die bekommen doch nicht zuviel. Meine
Zigaretten gebe ich schon immer an die Kameraden hier ab, die darauf luchsen.
Wenn Du Vater welche gibst, dann mußt Du aber vorsichtig damit umgehen, denn
die kosten die meisten 30 Pfennig das Stück.
Für die Zeitungsausschnitte danke ich Dir. Ich habe sie gelesen und
gefreut haben sie mich, wie Du Dich wahrscheinlich selbst darüber gefreut hast.
Aber eine Liebe ist die andere wert. In unserer Zeitung stand dieser Tage auch
ein netter Artikel, den ich für Dich extra aufgehoben habe. Er wird Dich
bestimmt auch freuen, denn ich finde ihn originell. Für heute noch einen herzlichen Sonntagsgruß‘, verbunden mit
einem kräftigen Sonntagskuss für Dich und die Kinder. Dies für heute von Deinem
Ernst.
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