Sonntag, 19. Februar 2017

Brief 227 vom 18./20.02.1942


Meine liebe, kleine, gute Annie !                                     18.2.42                                                              

Es ist alles ….. , und hier müßte nun ein kräftiges Soldatenwort stehen, das zwar nicht helfen, aber doch befreiend wirken kann.  Aber ich ändere dadurch an den bestehenden Tatsachen wenig, doch irgendwo muß diese neuerliche Enttäuschung wieder hinaus. Bevor ich weiter und still vor mich hinfluche und mich der Resignation hingebe, will ich Dir doch erst schildern, was mich zu all diesem Groll veranlaßt.
Seit gestern ist mit gewissen Einschränkungen die Urlaubssperre aufgehoben worden. Das wußte ich schon seit einigen Tagen. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, daß ich noch zu diesem Sonntag zu Euch in Urlaub ankommen könnte. Aber durch diesen Plan ist schon ein strich gemacht worden. Ich hatte absichtlich davon nichts mehr geschrieben, denn diesmal wollte ich Dich und die Kinder überraschen. Auch das ist mir nicht geglückt. Ich hatte mein Schreiben schon seit Anfang dieser Woche eingestellt und nur die Zeitungen und die anderen Sachen ohne weitere Zusätze abgeschickt in der Hoffnung, meine Grüße an Dich und die Kinder persönlich überbringen zu können. Es soll einfach nichts daraus werden. Ich weiß nicht mehr, wie ich es nun anstellen soll. Man hat mir nun versprochen, daß ich bestimmt zum 1. März hier wegfahren könnte, ich glaube aber an nichts mehr. Ich schreibe Dir dies nicht, um Dir neue Hoffnung zu machen, sondern um Dir nur zu zeigen, wie schwer es ist, immer wieder auf Urlaub zu rechnen und dann immer wieder vor derartige neue Überraschungen gestellt zu werden. Ich will mich aber damit trösten, daß es am Samstag über eine Woche doch noch klappt. Ich halte jedenfalls den Daumen so steif wie nur möglich. 
Nun habe ich mir schon Gedanken gemacht, daß ich meine Schreiberei unterbrochen habe und Dir auch Deine verschiedenen Briefe nicht beantwortet und Dir dafür gedankt habe. Aber es ist nun schon so, daß man nicht denken sondern nur handeln soll. Ich sehe aber ein, daß ich weder das eine noch das andere getan habe, oder beides. Ich danke Dir aber recht herzlich, daß Du mit mir die gleiche Freude über meine Gesundung von meiner „Erkrankung“ teilst, löst bei mir nochmals Freude darüber aus, denn ich sehe daraus immer wieder, wie Du mit mir fühlst und lebst.
Da haben sich unsere beiden Lauser ja ein Stückchen geleistet, wenn sie auf die Benutzung unserer alten Schieferkasten so großen Wert legen. Wenn sie aber daran ihre Freude haben, dann hast Du ganz recht, wenn Du sie ihnen gibst.  Es ist ja manchmal so einfach, den Kindern eine Freude zu machen und ich kann es ihnen genau nachfühlen. Nachdem Du an meinem die Reparatur vorgenommen hast, wird es wieder ganz annehmbar aussehen. Du alter Bastler. Für heute aber nun gute Nacht, Du mein liebes Mädel. Sei recht herzlich geküßt und vielmals gegrüßt von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie !                                                         20.2.42              

Gestern kam ich nicht dazu, Dir Deinen Brief vom 15. zu beantworten, für den ich Dir zuerst danken möchte. Wir hatten gestern Abend von der Kommandantur einen Kameradschaftsabend, dem eine Vorstellung im Theater vorausging. Es war alles sehr nett und es ist dabei auch ziemlich lange zugegangen. Ich hörte mit den Kameraden schon eher auf zu arbeiten, damit wir auch rechtzeitig zum Theater kamen. Nach 9 Uhr war das beendet und wir sind dann zum Abendessen gegangen, mit dem sich dann das übrige Geschehen verband. Alles in allem war sehr schön gemacht, wenn man bedenkt, wie schwierig alles zu beschaffen ist. Es gab Sauerkraut und Schweinefleisch. Später gab es noch für jeden Hering, zwischendurch wurde für jeden Bier und später Wein verabreicht.  Wichtig war dabei, daß alles kostenlos war. In dem Einerlei war das eine ganz angenehme Abwechslung. 
Mit Deinen Zähnen hast Du immer etwas. Es tut mir leid, daß Du trotz der Plombierung immer noch Schwierigkeiten hast. Hoffentlich gibt sich das noch, andernfalls mußt Du noch einmal vorbeigehen, damit das geändert wird. Daß Du immer sonst zu tun hast, das weiß ich ja und ich kann mich gut hineindenken, wie Du mit den Kindern immer zu arbeiten hast, wenn Du alles bei den jetzigen Verhältnissen auf dem Laufenden halten mußt. 
Ich hoffe, daß Kurt bald schreiben wird, damit man sich einigermaßen vorstellen kann, wo er steckt.  Ich hoffe weiter mit Vater und mit Euch allen, daß ihm nicht zustößt. Ich muß ihm wie Siegfried und Deinem Vater auch noch schreiben, bevor ich in Urlaub fahre, denn die Briefschulden möchte ich nicht mitnehmen. Man hat dann so gar keine Ruhe. 
Daß die Kinder sich manchmal so gut beschäftigen können, und sei es mit den einfachsten Mitteln, das ist doch schön. Sie haben es auch sicher ganz schön gemacht bei der Hochzeitsfeier und die Vorstellung ist offenbar ihnen selbst echt vorgekommen. Vor allem, wenn es noch Kaffee und Kuchen gegeben hat.
Die Kälte gibt hier nicht nach. Das Thermometer steht auch immer noch die meiste Zeit unter Null. Dieser Tage hatten wir wieder 5 Grad minus und dazu einen kalten Wind. Drollig fand ich immer wieder, wenn die Leute einem hier versichern, daß ein solcher Winter selten ist. Es gibt dann aber immer wieder welche, die sagen, daß der Winter, an dem wir noch nicht hier waren, auch sehr kalt war und der letzte Winter hat auch seine Schärfe gehabt. Aber man muß die Menschen bei ihrer Einbildung lassen. 
Nimm du recht viele herzliche Grüße und recht viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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