Montag, 27. Februar 2017

Brief 228 vom 21./22.2.1942


Mein liebes Mädel, lieber Schatz !                                      21.2.42      

Es ist schon 11 Uhr vorbei, aber einen Brief will ich Dir trotz der späten Nachtstunde doch noch senden und Dir vor allem erst einmal für Deinen lieben Brief vom 16. danken, den ich heute erhalten habe. Ich hatte hier verschiedene Sachen herumliegen, die ich erst noch eingepackt habe. Es hat 5 Päckchen wieder gegeben, die ich mit der nächsten Päckchensendung abschicken werde.  Es ist nochmals die restliche und letzte Seife, die ich Dir senden kann, dann noch Zwieback, Apfelsinen, Käse, dann von den Fruchtstangen einige. Es sind zwar keine teuren Sachen, aber Du kannst sie nach meiner Ansicht alle brauchen, darum hoffe ich, daß sie alle gut ankommen. Es handelt sich um die Nummern 14 bis 18.
3 von den großen Briefen habe ich auch vorbereitet. Ich habe noch etwas Papier organisiert und auch noch einige Briefumschläge. Es sind welche mit dabei, die haben einen Aufdruck, die habe ich auch mit gesandt, damit Du etwas für Notfälle hast. Du mußt dann die Druckerei überkleben, aber wie gesagt, ich habe sie nur zur Reserve mitgeschickt.  Du hast vor allem recht, wenn Du schreibst, daß es nicht nach unseren Wünschen geht, wegen des Urlaubs und daß diese Wünsche regelrecht durchgekreuzt worden sind. Da es nun nicht einmal mehr zu diesem Monat langt, habe ich Dir ja bereits geschrieben. Aber Du wirst es sehen, daß ich doch einmal kommen werde. Es wird sich ja herausstellen, wer die größere Geduld und die längere Ausdauer hat. Ich denke doch, sicherlich ich. Es war schon verhängnisvoll wie es diesmal zuging. Ich lasse mich erst dann davon überzeugen, daß ich in Urlaub gekommen bin, wenn ich bei Euch sein werde. 
Unsere Stromer haben ja fast keine Schule mehr. Immer und immer wieder eine weitere Woche. Die sind auf eine Art fein raus. Nur mit dem Lernen geht es schlecht vorwärts. Ich denke doch, daß Du sie immer oder besser gesagt jeden Tag ein wenig heran nimmst, damit sie nicht ganz herauskommen. 
Ja, mit der Fastnacht ist es schon komisch. Da merkt man im Kriege so gut wie nichts davon. Alle diese Gefühle des Ausgelassenseins müssen unterbleiben und sich anderen Interessen unterordnen. Den Kindern macht so was schon Vergnügen und sie hätten sicher Freude daran, wenn sie im Freien herumturnen könnten. Aber das muß jetzt alles wegfallen. Wenn sie daheim herumkaspern, ist das doch ein kleiner Ersatz.
Daß sich unser Junge an die Näherei heranmacht ist ja allerhand. Das war ja immer sein Vergnügen, etwas zu basteln, aber das fällt nun doch schon in ein anderes Gebiet. Aber er weiß sich immer zu beschäftigen.  Dir sende ich recht herzliche Grüße und recht herzliche Küsse. Den Kindern richte sie ebenfalls aus und gib jedem wieder einen kräftigen Kuß. An Vater richte bitte auch einen herzlichen Gruß aus. Dir aber wieder und nochmals recht herzliche Grüße von Deinem Ernst.

Meine liebste, beste Annie !                                          22.2.42        

Deine Klage, daß ich noch nicht bei Euch bin, die Du mir in Deinen lieben Briefen immer wieder wiederholst, kann ich sehr gut nachfühlen. Denke aber, mir geht es genau so und Du mußt noch dazu rechnen, daß ich eine weitere Enttäuschung erlebt habe. Ich verliere die Hoffnung und den Glauben doch nicht, daß ich es soweit bringe, in Urlaub zu kommen. Gestern hatte ich kleine Päckchen gepackt, die ich wegschicken will und heute habe ich ausprobiert, wie ich mit den größeren Sachen zurechtkomme. Es langt aber hinten und vorne nicht und ich weiß noch nicht, wie ich alles wegtransportieren kann. Ich bin schon in Erwartung der Reise und bereite mich diesmal zeitig vor. Hoffentlich ist alle Mühe nicht umsonst. 4 Gepäckstücke habe ich bis jetzt schon zusammen. Mehr dürfte es auf keinen Fall werden, denn sonst kann ich nicht mehr zupacken. Ich wünsche mir nur noch Urlaub und daß ich alles richtig heimbringe. 
Deinen lieben Brief vom 17. habe ich heute bekommen. Ich danke Dir vielmals dafür. Das eine Päckchen mit Butter hast Du nun bekommen. Das freut mich, denn Du wirst es gebrauchen und verwenden können. Wie ich lese, hast Du Dir geholfen. Das Salz ist ja bereits unterwegs. Es wird nichts schaden. Ich denke, daß es nicht schlecht werden wird.  Ich denke nicht, daß ich über Friedrichshafen fahren werde, doch es ist gut, daß Du mir schreibst, daß diese Strecke jetzt gesperrt ist, damit ich nicht erst unter Umständen doch nicht noch dort hinüberfahre.  Ich glaube, daß Dir das Warten auf die Nerven fällt, aber wenn ich es ändern könnte, würde ich es gern tun. Es liegt aber leider nicht in meiner Macht. Sobald ich es aber ermöglichen kann, komme ich, darauf kannst Du Dich verlassen.  Ich habe heute etwas Kopfschmerzen, ich will jetzt schließen und Dir gute Nacht sagen. Schlafe gut und wache gesund wieder auf.  Ich sende Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

Sonntag, 19. Februar 2017

Brief 227 vom 18./20.02.1942


Meine liebe, kleine, gute Annie !                                     18.2.42                                                              

Es ist alles ….. , und hier müßte nun ein kräftiges Soldatenwort stehen, das zwar nicht helfen, aber doch befreiend wirken kann.  Aber ich ändere dadurch an den bestehenden Tatsachen wenig, doch irgendwo muß diese neuerliche Enttäuschung wieder hinaus. Bevor ich weiter und still vor mich hinfluche und mich der Resignation hingebe, will ich Dir doch erst schildern, was mich zu all diesem Groll veranlaßt.
Seit gestern ist mit gewissen Einschränkungen die Urlaubssperre aufgehoben worden. Das wußte ich schon seit einigen Tagen. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, daß ich noch zu diesem Sonntag zu Euch in Urlaub ankommen könnte. Aber durch diesen Plan ist schon ein strich gemacht worden. Ich hatte absichtlich davon nichts mehr geschrieben, denn diesmal wollte ich Dich und die Kinder überraschen. Auch das ist mir nicht geglückt. Ich hatte mein Schreiben schon seit Anfang dieser Woche eingestellt und nur die Zeitungen und die anderen Sachen ohne weitere Zusätze abgeschickt in der Hoffnung, meine Grüße an Dich und die Kinder persönlich überbringen zu können. Es soll einfach nichts daraus werden. Ich weiß nicht mehr, wie ich es nun anstellen soll. Man hat mir nun versprochen, daß ich bestimmt zum 1. März hier wegfahren könnte, ich glaube aber an nichts mehr. Ich schreibe Dir dies nicht, um Dir neue Hoffnung zu machen, sondern um Dir nur zu zeigen, wie schwer es ist, immer wieder auf Urlaub zu rechnen und dann immer wieder vor derartige neue Überraschungen gestellt zu werden. Ich will mich aber damit trösten, daß es am Samstag über eine Woche doch noch klappt. Ich halte jedenfalls den Daumen so steif wie nur möglich. 
Nun habe ich mir schon Gedanken gemacht, daß ich meine Schreiberei unterbrochen habe und Dir auch Deine verschiedenen Briefe nicht beantwortet und Dir dafür gedankt habe. Aber es ist nun schon so, daß man nicht denken sondern nur handeln soll. Ich sehe aber ein, daß ich weder das eine noch das andere getan habe, oder beides. Ich danke Dir aber recht herzlich, daß Du mit mir die gleiche Freude über meine Gesundung von meiner „Erkrankung“ teilst, löst bei mir nochmals Freude darüber aus, denn ich sehe daraus immer wieder, wie Du mit mir fühlst und lebst.
Da haben sich unsere beiden Lauser ja ein Stückchen geleistet, wenn sie auf die Benutzung unserer alten Schieferkasten so großen Wert legen. Wenn sie aber daran ihre Freude haben, dann hast Du ganz recht, wenn Du sie ihnen gibst.  Es ist ja manchmal so einfach, den Kindern eine Freude zu machen und ich kann es ihnen genau nachfühlen. Nachdem Du an meinem die Reparatur vorgenommen hast, wird es wieder ganz annehmbar aussehen. Du alter Bastler. Für heute aber nun gute Nacht, Du mein liebes Mädel. Sei recht herzlich geküßt und vielmals gegrüßt von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie !                                                         20.2.42              

Gestern kam ich nicht dazu, Dir Deinen Brief vom 15. zu beantworten, für den ich Dir zuerst danken möchte. Wir hatten gestern Abend von der Kommandantur einen Kameradschaftsabend, dem eine Vorstellung im Theater vorausging. Es war alles sehr nett und es ist dabei auch ziemlich lange zugegangen. Ich hörte mit den Kameraden schon eher auf zu arbeiten, damit wir auch rechtzeitig zum Theater kamen. Nach 9 Uhr war das beendet und wir sind dann zum Abendessen gegangen, mit dem sich dann das übrige Geschehen verband. Alles in allem war sehr schön gemacht, wenn man bedenkt, wie schwierig alles zu beschaffen ist. Es gab Sauerkraut und Schweinefleisch. Später gab es noch für jeden Hering, zwischendurch wurde für jeden Bier und später Wein verabreicht.  Wichtig war dabei, daß alles kostenlos war. In dem Einerlei war das eine ganz angenehme Abwechslung. 
Mit Deinen Zähnen hast Du immer etwas. Es tut mir leid, daß Du trotz der Plombierung immer noch Schwierigkeiten hast. Hoffentlich gibt sich das noch, andernfalls mußt Du noch einmal vorbeigehen, damit das geändert wird. Daß Du immer sonst zu tun hast, das weiß ich ja und ich kann mich gut hineindenken, wie Du mit den Kindern immer zu arbeiten hast, wenn Du alles bei den jetzigen Verhältnissen auf dem Laufenden halten mußt. 
Ich hoffe, daß Kurt bald schreiben wird, damit man sich einigermaßen vorstellen kann, wo er steckt.  Ich hoffe weiter mit Vater und mit Euch allen, daß ihm nicht zustößt. Ich muß ihm wie Siegfried und Deinem Vater auch noch schreiben, bevor ich in Urlaub fahre, denn die Briefschulden möchte ich nicht mitnehmen. Man hat dann so gar keine Ruhe. 
Daß die Kinder sich manchmal so gut beschäftigen können, und sei es mit den einfachsten Mitteln, das ist doch schön. Sie haben es auch sicher ganz schön gemacht bei der Hochzeitsfeier und die Vorstellung ist offenbar ihnen selbst echt vorgekommen. Vor allem, wenn es noch Kaffee und Kuchen gegeben hat.
Die Kälte gibt hier nicht nach. Das Thermometer steht auch immer noch die meiste Zeit unter Null. Dieser Tage hatten wir wieder 5 Grad minus und dazu einen kalten Wind. Drollig fand ich immer wieder, wenn die Leute einem hier versichern, daß ein solcher Winter selten ist. Es gibt dann aber immer wieder welche, die sagen, daß der Winter, an dem wir noch nicht hier waren, auch sehr kalt war und der letzte Winter hat auch seine Schärfe gehabt. Aber man muß die Menschen bei ihrer Einbildung lassen. 
Nimm du recht viele herzliche Grüße und recht viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Donnerstag, 16. Februar 2017

Brief 226 vom 11./13.2.1942


Mein liebes Mädel !                                                        11.2.42                                                                                 
Gerade habe ich Deinen lieben Brief vom 7.2. erhalten, das ist der Tag, an dem Du erwartet hast, daß ich unterwegs bin. Leider war das nicht möglich, daß ich auf dem Wege zu Dir und zu Euch war. Warum dieser Zwischenfall eingetreten war, habe ich Dir bereits schon geschrieben. Wie es mir in den vergangenen Tagen ergangen ist, habe ich Dir ebenfalls geschildert, aber ich hoffe, genau wie Du, daß diese Sperre nicht ewig anhält und daß es mir ermöglicht wird, doch bald meine Tätigkeit zu unterbrechen  was übrigens sehr notwendig ist aus verschiedenen Gründen  und zu Dir zu kommen. Diesen ganzen Saftladen habe ich wieder einmal gründlich satt. Aber schließlich geht dies auch vorüber und diese Sperre hat auch einmal ein Ende. Sobald sich die Möglichkeit bietet, komme ich dann angerauscht und hier rücke ich ab, sobald als möglich. Es tut mir auch heute wieder leid, daß ich Dir diesen Kummer bereiten mußte, aber Du wirst verstehen, daß ich das nicht gern getan habe. Aber ich habe immer noch Zuversicht, daß der Urlaub noch vor mir liegt und daß ich darum diesen noch mit Dir und den Kinder verbringen kann. Hoffentlich sind dies noch freundliche und ordentliche Tage, die uns beschieden werden.
Unseren Kurt hat es  nun auch getroffen. Er fährt nun auch gen Osten. Ich habe nur den festen Wunsch, daß er gesund wiederkommt, denn mit dem Begriff „Osten“ ist doch eine Härte verbunden, die von einem kommenden Kampf zeugt, wie sie die vergangene Zeit bereits gezeigt hat. Ich bin jedenfalls mit allen meinen Gedanken bei ihm und ich hoffe, daß er alles gut übersteht. Wenn er auch keinen Anhang hat, so ist doch all mein Glaube und mein Wollen und Wünschen, daß er gesund uns alle wiedersieht. Ich kann voll und ganz nachfühlen, was es bedeutet, nach Osten zu fahren. 
Daß die Kinder schon wieder schulfrei haben, ist weniger schön, aber andere Dinge gehen jetzt im Kriege vor. Das die allgemeine Wirtschaft darunter leiden muß, läßt sich wohl einrichten, dagegen ist es weniger tragbar für die Kinder, denn was sie gelernt haben, haben sie gelernt. Hoffentlich wirkt sich diese Beeinträchtigung nicht zu lange aus. 
Eure Zähne sind, wie ich lesen konnte, auch wieder soweit in Ordnung. Das freut mich, denn das heißt viel, wenn man das alles in Ordnung hat.  Sei mir bitte nicht böse, wenn ich Dir die Absage mitteilen mußte. Ich wäre gern gekommen, aber auf die höhere Gewalt hatte ich keinen Einfluß. Der Adjutant hat mir aber gesagt, daß ich der nächste bin, der als Erster nach Aufhebung der Urlaubssperre auf Urlaub fährt, darum sei für heute recht herzlich und vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Mein liebstes Mädel !                                                    13.2.42              

Ich sitze heute Abend wieder einmal auf OvD. Das kommt auch zwischendrin immer wieder einmal vor. Deinen lieben Brief vom 8.2. habe ich erhalten. Ja, das war der Tag, an dem ich bei Euch sein sollte. Doch da wurde ja nun nicht draus. Ich bin froh, daß ich nicht ernstlich krank war und daß ich das gut hinter mich gebracht habe. Ich hoffe mit Euch, daß diese Sperre nicht mehr so lange dauert, denn ich habe das Empfinden, daß ich einmal eine Weile hier heraus muß.
Das sich Vater wegen Kurt Sorge macht, ist wohl verständlich, doch man kann nur sagen, daß Millionen mit ihm das gleiche Schicksal teilen müssen. Daß er nicht so fest ist, stimmt schon, aber ich nehme an, daß dieses wechselhafte Wetter hier genau so unpassend ist für ihn. Denn wenn man hier nicht Obacht gibt, hat es einen bald gepackt. Ich hätte es für ihn auch lieber gesehen, wenn er hier hätte bleiben können. Aber hoffen wir, daß es bald geschafft ist und daß einmal alles vorbei ist. 
Daß sich unser Junge über die Fruchtstangen jetzt hermacht und daß sie ihm schmecken, ist doch schön.  Ich habe, wie ich Dir wohl schon schrieb, im Revier auch davon versucht und ich habe festgestellt, daß sie schon genießbar sind.  Beim Empfang dieser Stangen habe ich den Satz geprägt „Das ist Italiens Kriegshilfe“, denn bis jetzt hat man doch noch nicht viel gesehen und die Hauptlast lag doch bei uns. Einige von diesen Stangen habe ich auch wieder da liegen. Ich weiß ja nun, daß ich dafür einen freundlichen Abnehmer finde.  Daß ich vom Baum beim Reparieren des Starenhäuschens abrutschte, dürfte aber kaum passieren. Vor allem wenn es noch eine Weile hingeht, bis ich mit meinem Urlaub drankomme. Also deshalb brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Wegen des Geldes habe ich Dir ja schon in einem meiner vergangenen Briefe Bescheid gegeben. Nachdem Du schon den Bescheid von mir hast, werde ich es sicher noch selbst ausgehändigt bekommen.
Wegen der Butter kannst Du Vater sicher bald noch etwas abgeben, wenn Du mein letztes Päckchen erhältst.  Ich hoffe natürlich, daß es ordentlich ankommt. Daß Du auf diese Sachen, die Du von Vater bekommen hast, großen Wert legst, kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich habe mich nochmals wegen etwas Zucker umgesehen. Ich glaube, daß ich noch etwas Zucker bekommen werde. Es ist eben alles bedeutend schwieriger und das wird nicht besser, sondern immer schwieriger mit der Länge des Krieges. 
Daß Du Dir den Sonntag angenehm gestaltest hast und einmal etwas weniger arbeitest, ist doch nur verständlich. Das ist zwar nicht wie in normalen Zeiten, aber etwas soll sich der Sonntag doch von den anderen Tagen unterscheiden. Ich bin heute nicht in der richtigen Schreibstimmung, Du wirst es sicher auch schon am ganzen Brief gemerkt haben. Aber es ist nicht ein Tag wie der andere. Lasse mich bitte heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt. Unseren beiden Stromern gib bitte auch einen herzhaften Kuß. Du selbst sei nochmals recht herzlich geküßt von Deinem Ernst.

Donnerstag, 9. Februar 2017

Brief 225 vom 8./9.2.1942


Mein liebstes Mädel !                                                             8.2.42               
      
Um einmal wieder richtig etwas zu essen, bin ich gestern Abend nach hause gegangen. Damit der Unteroffizier keine Schwierigkeiten bekommt, bin ich heute früh wieder eingezogen. Ich hoffe nun, daß noch im Laufe des Vormittags das Untersuchungsergebnis eintrifft. denn auf die Dauer ist mir das hier nichts, vor allem, wenn man fühlt, daß einem nichts fehlt. Als einfachem Soldaten wäre mir das bestimmt nicht erlaubt worden, im Gegenteil, man hätte mich unter diesen Umständen die anderen kranken Kameraden bedienen lassen. So bringt mir der Unteroffizier selbst meine Sachen. Er steht dabei stramm. Wenn der Arzt kommt, heißt es bei den anderen „Achtung“, dagegen bei mir kommt der Arzt herein und begrüßt mich und erkundigt sich, wie es mir geht. Es ist doch eigenartig, wie sich durch so ein bißchen Rangerhöhung die Dinge gleich ändern. Bei der Truppe würde ich ja auch nur Schütze sein; vielleicht hätte ich es auch schon zum Gefreiten gebracht. Wir müssen die Dinge eben nehmen wie sie sind, denn ich glaube, man kann in dieser Richtung wenig ändern. 
Als ich gestern Abend heimkam, erhielt ich 4 Briefe, das ist doch gewiß viel. Noch dazu von 4 Seiten. Zuerst der von Dir vom 2.2., dann einer von Siegfried, in dem er mir seine Adressenänderung mitteilt, dann noch einer von Nannie, in dem sie mich bittet, ich soll doch wegen des Päckchens von hier aus etwas unternehmen, was ich übrigens für zwecklos halte, da auffälligerweise gerade bei ihr als Empfänger so viel verloren geht. Wie sie mir schreibt, ist auch ein Päckchen von Kurt, das er an sie geschickt hat, nicht angekommen.  Zuletzt erhielt ich dann noch einen Brief vom Sturm.
Denke einmal an, dort bin ich sogar zum Rottenführer befördert worden. Das entspricht beim Militär etwa dem Dienstgrad eines Gefreiten. Das Tempo meiner Beförderung verschnellert sich in einer Art, die nicht mehr abzusehen ist. Denke einmal an, nach fast 9 Jahren Dienstzeit schon Gefreiter. Ich muß nur lachen, mit welch kindlichem Glauben die Leute das machen. Man soll aber den Anschein wahren, um ihnen diesen Glauben nicht zu nehmen, denn sie freuen sich doch darüber und nehmen dies alles so ernst.  Wenn Du noch bis zum Mittwoch geschrieben hast, dann war dies schon recht und Du hast nach den vorherigen Erfahrungen, die Du mit mir machen mußtest, schon eine richtige Ahnung gehabt. Wie ich nun hier herumgehorcht habe, besteht Aussicht, daß die Sperre bis zum 15.  spätestens bis zum 20. dieses Monats aufgehoben werden soll. Ich hoffe nun stark, daß dem auch so ist, so daß ich dann umgehend hier abdampfen kann. 
Daß sich unser Junge über meinen Brief gefreut hat und daß er ihn allein fließend lesen konnte, war auch mir eine Beruhigung und eine Freude zugleich. Seine Beobachtung wegen des Zeugnisses ist ja gut, vor allem, wenn sie zutreffen sollten.  Mit dem Wetter bei uns ist es gleichermaßen wie bei Euch. Immer kalt und dazu schneit es. In solchen Massen wie bei Euch ja nicht, aber immerhin es schneit und der Schnee bleibt liegen. Übrigens, als ich mich heute früh bei mir waschen wollte, mußte ich feststellen, daß mein Abfluß wieder eingefroren war. Es muß bei uns im Haus etwas los sein, sonst fühlt man sich nicht wohl und es fehlt einem etwas.
Am Nachmittag:
Heute vormittag hat man sich auf mein wiederholtes Drängen nochmals über meinen Befund erkundigt und nun den endgültigen Bescheid erhalten, daß das Ergebnis negativ sei. Nun bin ich sozusagen wieder frei. Es ist doch ein anderes Gefühl, als so dem Zwang zu unterliegen, vor allem, wenn man sich gesund fühlt. 
Ich bin nun wieder in meiner Wohnung, habe erst einmal alle Zeitungen heute Nachmittag durchgelesen, die ich in den vergangenen Tagen nicht bekommen hatte.  Mittags habe ich wieder bei meiner Einheit gegessen, damit ich aus der miserablen Verpflegung herauskam. Post war bis zur Mittagszeit nicht angekommen. Ich muß nun zusehen, daß ich noch auf die Dienststelle hinübergehe. Vielleicht finde ich dort etwas vor. Jetzt habe ich erst wieder einmal Zeitungen zusammengepackt, die ich Dir zusende, damit die Kette nicht abbricht. 
Post kam keine von Dir an, wahrscheinlich muß ich zwischendrin einige Tage warten, weil Du doch mit meinem Kommen gerechnet hattest.  Die Kälte hat wieder zugenommen, das Glatteis will von den Straßen nicht verschwinden. Es ist für alle sehr unangenehm. Doch ändern läßt es sich nicht.
Im Zimmer muß man sich direkt mit dem Rücken an die Dampfheizung setzen, denn das Thermometer zeigt nicht viel über 11 Grad. Ich werde mich deshalb bald zu Bett legen. 
Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende Dir noch dazu recht viele Küsse Dein Ernst.

Mein liebes, gutes Mädel !           9.2.42      

Recht herzlichen und vielen Dank für Dein liebes Schreiben vom 3.2., welches ich vorhin erhielt und über das ich mich wieder recht gefreut habe. Es tut mir ja so leid, daß ich Deine Hoffnung, die Du in diesem Brief zum Ausdruck bringst, wieder habe zuschanden machen müssen. Es hat mir selbst weh getan, daß ich Dir wieder diesen Schmerz habe zufügen müssen, aber es war ja nicht meine Schuld. Du hast ja selbst gesehen, wie schnell es geht, daß man unverschuldet eingebuchtet wird, wegen einer Harmlosigkeit. Ich bin wohl froh, daß es sich nur als harmlos erwiesen hat. Nun bleibt wieder die Hoffnung, daß man nun endlich zum Zuge kommt. Ich bin aber nun fest überzeugt davon, daß Du mir schon bald nicht mehr glaubst, wenn ich Dir etwas von Urlaub schreibe. Ich mache es jetzt auch nicht mehr, sondern wenn ich tatsächlich es noch so weit bringe, fahre ich ohne irgendwelche Ankündigung und bin dann einfach da. 
Daß Siegfried so krank war, habe ich nicht gewußt und das ist auch in keinem seiner Briefe zum Ausdruck gekommen. Hoffentlich ist er wieder richtig auf dem Damm. Es ist eben immer etwas los. Daß Du die Marke vom Bauverein noch gefunden hast ist doch Zufall. Unter Umständen wäre sie vielleicht noch einige Zeit liegengeblieben, bis man sie entdeckt hätte. Ich denke schon, daß sie nun Dein Vater richtig erhalten wird. 
Eure Zähne sind sicherlich wieder in Ordnung.  Ich sollte meine auch einmal nachsehen lassen. Man hat hier nur keine richtige Gelegenheit dazu. Vor allem hat man nicht das richtige Vertrauen.
Wenn noch so ein Rodelschlitten ankommt, dann ist ja diese Streitfrage zwischen unseren beiden Stromern behoben.  Heute habe ich meinen Dienst wieder angetreten. Es geht immer im gleichen Trott weiter, solange bis man einmal abgelöst wird. Es ist immer wieder tagaus tagein dasselbe.  Über die mit gesandten Durchschläge Deiner Schreiben habe ich mich ebenfalls sehr gefreut. Ich bin so doch wenigstens immer auf dem Laufenden was Du geschrieben hast.  Für heute grüße und küsse ich Dich, mein liebes Mädel, recht oft und herzlich. Unseren beiden Lausern gib auch wieder einen recht herzlichen Kuß von ihrem Vater, von Deinem Ernst.

Brief 224 vom 7.2.42


Meine liebe gute Frau !                                                  7.2.42                                                   

Die Ereignisse der vergangenen Zeit und besonders die letzten Tage haben mich ziemlich durcheinander gebracht, so daß ich keine Lust, keine Stimmung, um nicht gleich zu sagen, keine innerliche Kraft hatte, Dir zu schreiben.
Du muß nun nicht denken, daß sich wunder welche schweren Dinge ereignet haben. Aber ich war physisch nicht in der Lage, meiner Pflicht, die ich mir auferlegt habe, nachzukommen. Alles kann ich nicht schreiben, was mich am Schreiben verhinderte, doch das was sich schriftlich erledigen läßt, will ich versuchen, Dir klar zu machen. 
Seit Anfang dieser Woche habe ich mich nicht ganz wohl gefühlt. Worauf das zurückzuführen war, konnte ich mir nicht erklären. Ich hatte mich erst sehr über die neueste Urlaubssperre geärgert. Durch das Auftreten des einen Typhusfalles ist nun die ganze Stadt in Aufregung versetzt worden. Ich habe am Sonntag mit einem meiner Kameraden eine Sauftour unternommen, nur um über diesen Ärger hinweg zu kommen. Wie das immer so ist, das hilft wohl für den Moment, aber später sind die gleichen Schwierigkeiten wieder da.  Am Mittwoch war es mir dann überhaupt miserabel zumute, denn ich hatte am Morgen einen starken Durchfall bekommen. Er hielt dann auch den ganzen Tag über an, so daß ich am Nachmittag dem Dienst fern blieb, um mich zu schonen. Ich bekam gegen Abend etwas Fieber. Meine Kameraden erkundigten sich dann am anderen Morgen nach mir, weil ich weder zum Abendbrot noch zum Frühstück kam.  Ich sagte, ich will abwarten, wie sich die Dinge im Laufe des Tages entwickeln würden.
Bei Verschlechterung des Zustandes würde ich einen Arzt aufsuchen. Die hatten dann Bedenken und sagten, daß sie wenigstens dem Kameraden Meldung machen würden, wie es mit mir steht. Kurz vor dem Mittagessen kam dann ein anderer Kamerad von mir und sagte, daß er Befehl vom Spieß hätte, sich mit mir beim Arzt untersuchen zu lassen. Ich bin dann auch nachmittags zum Arzt. Der hat dann auch nichts weiter getan, als von mir eine Stuhlprobe verlangt.  Als ich diese gestern früh abgab, sagte er zu mir, ich soll mich solange ins Revier legen, bis das Ergebnis der Untersuchung bekannt wird.  Jeder, der ein bißchen Durchfall hat, wird gleich als Typhusverdächtiger angesehen. Interessant ist, daß alle einem nur mit Respekt begegnen, weil sie meinen, sie würden angesteckt werden. Heute Abend soll nun das Untersuchungsergebnis ankommen. 
Dem Arzt und dem Pflegepersonal habe ich schon arg zugesetzt. Ich glaube, daß sie mich gern wieder gehen lassen. Die Verpflegung hier ist unter aller Sau. Wenn die noch gut wäre, könnte man sich es noch überlegen, ein wenig Kranker zu spielen. Es besteht für mich in Bezug auf die Unterbringung bestimmt kein Grund zur Klage. Ich habe mein eigenes Zimmer, die Soldaten und der Arzt können mir im Hinblick auf meine Dienststellung nichts anhaben.  Fieber und Puls werden eifrig gemessen. Beides ist aber normal.
Der Arzt hat ja mehr Angst, wie es eigentlich notwendig ist.  Dies rührt aber sicherlich daher, wie ich annehme, daß er in dem einen Fall die Sache nicht richtig erkannt hat und nun alles, was ihm einigermaßen danach aussieht, unter seine Fuchtel nimmt.  Dieser ärztlichen Entscheidung muß man sich unterwerfen, ob man will oder nicht. Ja, das wäre die Sache. 
Ich darf nicht daran denken, daß ich heute schon ziemlich daheim wäre, wenn nicht der ganze Rummel dazwischengekommen wäre. Jetzt sitze oder liege ich hier herum und muß die Zeit verstreichen lassen, ohne etwas zu erreichen. Meine mitgenommene Energie habe ich schon ziemlich ausgelassen. Ich hoffe fest, daß ich heute aus diesem Bau herauskomme.  Daß ich nicht früher geschrieben habe, hat seinen Grund darin, daß ich Dich nicht mehr beunruhigen wollte als notwendig war. Außerdem habe ich Dir ja gleich am Anfang geschildert, daß ich einfach nicht die physische Kraft dazu aufbringen konnte.  Heute, wo ich mich wieder gefangen habe, ist mir das alles leichter, das zu schreiben. Man braucht eben so seine Zeit, bis man sich über gewisse Dinge hinwegsetzt. Ich glaube, daß ich es soweit geschafft habe. 
Deinen lieben Brief vom 1. habe ich gestern ausgehändigt erhalten. Als Ausgleich hast Du nun auch einen langen Brief gestartet. Ich habe mich sehr darüber gefreut, da ich gerade wieder in meine trübe Stimmung hinein einen so ausführlichen Brief von Dir erhielt. Daß auch die fragwürdigen Früchte so geschmeckt haben, freut mich. Bei uns stehen sie im Laden als „Grapefruit“ und hier nennt man die Dinger „Pampelmous“. Wenn ich hier aus diesem Bau wieder herauskomme, werde ich mir davon noch einige zu Gemüte ziehen. 
Gestern habe ich ein Päckchen ab gesandt mit 2 Pfund Butter. Ich hatte sie in Urlaub mitbringen wollen. Bis ich aber hier wegfahren kann, ist so ungewiß. Ich habe sie deshalb zusammengepackt und abgeschickt, damit sie nicht schlecht wird. Hoffentlich kommt sie auch an, denn es wäre schade darum, wenn sie verloren ginge, wo Du doch so was brauchen kannst. 
Eben kam unsere Putzfrau vorbei und wollte mir ein Rebhuhn bringen. Ich habe sie aber zurückgeschickt, weil ich hoffe, daß ich nachher noch raus komme. Eine Pampelmuse, die sie mir mitbrachte, habe ich aber gleich verzehrt, denn ich hatte einen festen Appetit darauf und Durst hatte ich auch. Wie einem doch manchmal ein Wunsch in Erfüllung geht, wenn man es am wenigsten ahnt.  Dem Unteroffizier bin ich jetzt abgerückt und bin jetzt heimgegangen zum essen. Das Untersuchungsergebnis konnte noch nicht erlangt werden. Mir geht es soweit wirklich gut. Es fehlt mir absolut nichts. Aber diese Gefangenschaft wegen nichts gefällt mir nicht.  Morgen schreibe ich Dir mehr. Für heute viele Grüße und recht herzliche Küsse sendet Dir Dein Ernst.

Mittwoch, 1. Februar 2017

Brief 223 vom 30.1./2.2./3.2.1942


Meine liebe Frau !                                                         30.1.42                                                 

Ich bin heute wieder reichlich mit Post von Dir bedacht worden.  Heute früh hat man mir erst Deinen Brief vom 24. ausgehändigt, der gestern schon angekommen war. Mit der Nachmittagspost bekam ich nun noch Deine beiden Schreiben vom 25. und 26. Außerdem ging noch ein Brief von Deinem Vater ein, von dem Du ja auch einen Durchschlag erhalten hast. Wie ich lesen muß, habt Ihr auch diesen Wettersturz mitgemacht. Bei uns ist es ja ähnlich.
Unseren Lauser kann ich mir gut bei dem hohen Schnee vorstellen. Bei diesen Sachen ist er ja nicht umzukriegen. Den Erfolg seines Freudentanzes kann ich mir gut ausmalen. Er ruht ja nicht eher, bis er vollständig naß ist. Du schreibst weiter von einem Sturm.  Bei mir ist es heute Abend genau so. Das Fenster hat es vorhin zugehauen und die Fensterläden schlägt es hin und her. Das Licht geht mir zwar noch nicht aus. Ich brauche also nicht bei Kerzenlicht hier zu sitzen, abgesehen davon, daß ich keine da habe. Ich könnte es zwar auch nicht gebrauchen, denn ich sitze wieder einmal auf OvD. Ich bin zwar froh, daß ich heute noch drangekommen bin, dann brauche ich in der nächsten Woche nicht daran zu glauben, denn dann hat man doch noch manches vor.
Der Brief, in dem ich schreibe, wann ich wahrscheinlich auf Urlaub kommen werde, ist nun unterwegs. Heute mußte einer von uns plötzlich auf Urlaub fahren, da wurde ich gefragt, ob ich meinen Urlaub um 10 Tage verschieben könnte. Ich habe gar nicht darauf geantwortet.  Bis jetzt bleibt es also noch bei dem alten Termin. Es liegt aber immer noch eine Woche dazwischen, bis mein Termin kommt. Ich will nur die Ohren steif halten. 
Der Bericht über das eingefrorene Wasser und die Abflußmöglichkeit hat doch so gewirkt, wie ich beabsichtigt hatte. Ich wollte Dir ja das Tragikkomische zeigen.  Das ist doch nicht dumm, wenn Du darüber gelacht hast, im Gegenteil, es freut mich selbst, wenn ich lese, daß Du darüber hast lachen müssen. Mit der Kokosnuß ist es so, daß es z.Zt. keine gibt. Dieses Problem hat sich damit von selbst gelöst.
Daß die neue Lehrerin von Helga mehr Verständnis auch für das Schreiben aufbringt, freut mich sehr, vor allem, weil Helga dabei nicht schlecht war. Es wäre schade gewesen, wenn sie sich auf diese Weise ihre Handschrift verderben  würde. Es ist aber genau das gleiche, was ich auch geschrieben habe. Denn es fehlt den Kindern noch das Gefühl für die Größeneinteilung.
Besorge doch, wenn möglich, ein wenig Dachpappe oder etwas Blech, das man dann auf das Starenkästchen aufnageln kann. Das kann man schon wieder in Ordnung bringen. Da nun das Päckchen  mit dem Tabak und den übrigen Waren angekommen ist, hast Du nun das Päckchen für Deinen Vater fertig machen können. Daß Ihr die anderen Sachen auch alle verwerten könnt, ist mir immer eine Freude. Die Kinder werden ja um die Bonbons nicht böse sein. Die Fruchtstangen sind wohl auch immer noch alle geworden. 
Heute grüße ich Dich wieder recht herzlich und bleibt mir alle zusammen recht gesund. Nimm Du noch viele herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst. 

Mein liebes gutes Mädel !                                                2.2.42        

Durch das plötzliche Auftreten eines Typhusfalles in unserer Einheit ist für uns mit sofortiger Wirkung eine Urlaubssperre verhängt worden. Ich bin seit gestern voller Wut und kann mir aber selbst nicht helfen. Andererseits muß ich mir immer wieder sagen, daß es einfach nicht geht, denn es ist nun einmal eine Notwendigkeit, wenn man seine Angehörigen nicht der Gefahr einer Ansteckung aussetzen will. Wie viele Tage dadurch mein Urlaub hinausgeschoben wird, kann ich Dir nicht sagen, ich werde aber sofort versuchen zu fahren, sobald die Sperre für uns aufgehoben ist.
Es tut mir weh, daß ich Dir schon wieder diesen Schmerz bereiten muß und ich hätte gern noch gewartet mit dieser Nachricht in der Hoffnung darauf, daß vielleicht die Sperre bis zu meinem Reisetag aufgehoben wird. Aber nachdem ich Dir schon mein Kommen angemeldet hatte, wirst Du sonst Ende dieser Woche auf mich warten und Du weißt dann nicht, was los ist. Durch diese Hinausschiebung ist der Urlaub  aber noch nicht aufgehoben sondern nur aufgeschoben. Nimm es darum bitte nicht so tragisch und tröste Dich damit, daß ich doch bald kommen werde.
Aber so ist es immer, man lebt immer so lange in Spannung bis man unterwegs ist und vorher darf man nicht glauben, daß man in Urlaub kommt. Aber was nützt mir die ganze Spannung und die ganze Wut, ich muß mir auch wieder darüber hinweghelfen.  Nimm damit wieder für heute mit diesem fernen Gruß vorlieb. Es geht nun einmal nicht anders und wir müssen wieder warten. Küssen kann ich Dich auch nur von fern. Sei mir bitte nicht böse, mein liebes Mädel. Für heute bin ich wie immer Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                                         3.2.42       

Ich will meine Schreiberei nicht unterbrechen, weil ich nicht weiß, wann ich nun heimkommen kann. Zum viel schreiben reicht mir die Lust nicht, weil ich einfach nicht in diese Stimmung kommen kann, die ich dazu brauche. Ich hatte mich so gefreut, endlich einmal aus diesem Saftladen heraus zu kommen. Zur Zeit habe ich aber kein Glück wie es scheint, in letzter Zeit geht mir alles daneben. Angefangen von der Beurlaubung zum Lehrgang über den Ärger der vergangenen Zeit bis zum jetzigen Urlaub. Aber was nützt dabei das ganze Knurren, wenn man doch nicht ändern kann.  Wir müssen eben abwarten, genauso, wie wir es immer tun müssen.  Eine der großen Tugenden, die man beim Militär haben muß, ist ja das Warten. Wenn man das nicht kann, kommt man unter die Räder. 
Das Wetter ist immer noch sehr winterlich. Heute schneit es schon den ganzen Tag und es sieht noch nicht so aus, als wenn es schon aufhören wollte. Kalt ist es auch genügend, so daß der Schnee liegen bleibt. Die Straßen sehen wohl sauberer aus, solange alles zugeschneit ist, aber vor dem Matsch hat man doch immer einen gewissen Respekt. 
Gestern Abend war ich wieder im Kino und habe mir den Film „Mutter“ angesehen. In diesem Film sang der italienische Sänger Gigli. Der Film war soweit gut und ich habe es bestimmt nicht bereut, daß ich ihn mir angesehen habe, denn er war wirklich gut.  Von Siegfried erhielt ich dieser Tage einen Brief, daß er mein Päckchen mit der Bluse erhalte hätte. Er bedankt sich dafür und schreibt mir gleichzeitig, daß er das Geld an Dich absenden will. Sende mir doch bitte den Betrag, den Du mir immer zugesandt hast, bald ab. Ich werde es so regeln, daß ich das Geld von einem Kameraden abnehmen lasse, wenn ich nicht hier wäre. Ich möchte nur noch verschiedene kleine Sachen abwickeln. 
Was machen unsere Kinder und wie geht es Dir, mein liebes Mädel. Ich hoffe, daß ich Dir mit meinem gestrigen Brief nicht zuviel Schmerz bereitet habe. Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Ich bitte Dich gleichzeitig, mir noch einige Briefmarken zusenden zu wollen, damit ich meine Päckchen wieder wegschicken kann.

Brief 222 vom 26./27./29.1.1942


Mein liebes Mädel !                                                      26.1.42                                                     

Nach dem vielen Briefsegen, den ich in den vergangenen Tagen erhielt, bin ich heute nun einmal nicht bedacht worden. Aber ich will Dir noch von anderen Sachen erzählen, wozu ich gestern nicht gekommen bin.
Da erhielt ich noch einen Brief von Siegfried, in dem er mir seine Erlebnisse schildert, die er in Rußland während seines letzten Transports hatte, die mir sehr interessant waren.  Dein Vater will, wie er in dem kurzen Schreiben mitteilt, Dir auch darüber berichten.
Dann erhielt ich von Nannie noch ein Päckchen mit einem Buch, das ich schon gestern ziemlich ausgelesen habe. Es handelt sich von einer Flucht eines deutschen aus der russischen Gefangenschaft. Es heißt „Der Wolf“ und ist mir sehr interessant. Ich schicke es Dir bald mit zu. In ihrem Schreiben teilt sie mir unter anderem mit, daß der Kaffee nicht eingetroffen sei. Mir ist das ärgerlich und peinlich zugleich.  Wie sie mir aber weiter mitteilt, hat ihr Paula ein Fläschchen Kirschwasser zugesandt. Als das Kistchen bei ihr ankommt, ist das Kästchen leer, aber sonst wieder ordnungsgemäß zugemacht worden. 
Das ist doch allerhand, daß so auf der Post geklaut wird, das sollte man doch nicht für möglich halten. Ich hätte ihr das bißchen Kaffee gerne gegönnt, aber man traut sich ja nicht mehr dort etwas hin zuschicken, weil man annehmen muß, es kommt weg. So eine Schweinebande, die so etwas klaut, sollte doch die Krätze an den Hals bekommen und jeder Schluck und jeder Bissen sollte stundenlang hängen bleiben bis denen fast die Luft ausgeht.  Ändern läßt sich das zwar nicht mehr, denn weg ist es nun einmal.
Ich schicke heute ein paar Hefte mit, die ganz nette Bilder haben. Ich denke, daß sie Euch auch gefallen werden. Tageszeitungen habe ich auch noch einige beigefügt. Wir bekommen sie ja immer etwas später, weil die Transportlage nicht ganz so günstig ist. 
Heute früh hatten wir ganz ordentliches Wetter, aber gegen Nachmittag kam ein starker Wind auf und seitdem ist es wieder kalt. Ich glaube, daß es heute Nacht wieder stärkeren Frost geben wird. Das Wetter ist hier ja wechselhaft und so, wie wir es bei uns in unserer Gegend nicht kennen. Das kommt daher, weil wir hier teilweise unter dem Einfluß vom Festlandklima und teilweise unter den Einwirkungen des Seeklimas stehen. Man muß eben zusehen, wie man dabei durchkommt. Für heute ein herzliches Gute Nacht und Dir und den Kindern viele Küsse. Dich grüße ich besonders herzlich. Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                                27.1.42          

Heute habe ich wieder einige Mandarinen gekauft, doch ich getraue sie mir nicht abzusenden, weil ich befürchte, daß sie mir erfrieren. Ich hoffe, daß die, die unterwegs sind, nicht mehr zu sehr leiden. Sollten sie doch angefroren sein, so wird nur helfen, wenn Du sie in kaltes Wasser eine Weile legst. Ich werde sie also diesmal selbst verzehren, sobald das Wetter es aber wieder zulassen sollte, werde ich wieder etwas absenden. 
Post kam heute für die ganze Einheit nicht an. Diesmal waren also alle betroffen.  Bei diesem schlechten Wetter leidet der Transport ungemein, denn das gibt doch Schwierigkeiten bei dieser anhaltenden Kälte. Heute haben wir wieder 9 Grad Frost gehabt. Nachdem nun die längste Zeit die Kälte angedauert hat, sollen wir doch noch Dampfheizung bekommen. Einige Arbeiter haben sich schon sehen lassen. Da kann man noch damit rechnen, daß in diesem Winter die Heizung noch gemacht wird.
Ja man findet sich langsam in das Tempo hinein, denn die Leute machen sich nicht viel daraus, wenn man auch noch so tobt. Wir können das bei unserer Auffassung der Arbeit nicht verstehen. Man kann die Menschen nicht so nach unserem Geschmack und nach unseren Bedürfnissen umbiegen, weil das Tempo schon zu lange in diesem Volk wurzelt.  Wesentliches hat sich heute hier nicht ereignet, von dem man berichten könnte, Post bekam ich auch nicht, so daß es mir heute ein wenig an Stoff fehlt. Nimm darum mit diesem Gruß vorlieb. Ich bitte Dich, unseren Kindern recht herzliche Küsse zu übermitteln. Du selbst nimm noch viele herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Meine liebe Annie !                                               29.1.42          

Die Post hat mich heute nicht mit einem Gruß von Dir bedacht.  Doch ich muß mich ja darauf umstellen, daß ich meine Briefe von Dir nicht mehr einzeln bekomme. Darum freue ich mich schon heute auf die nächste Massensendung.
Wenn ich Massensendung schreibe, so meine ich damit bei weitem nicht Massenware, denn damit möchte ich Deine Briefe wirklich nicht vergleichen, denn sie sind mir immer etwas Persönliches von Dir. Jeder Brief von Dir bedeutet mir einen Gruß und ist mir immer ein sichtbares Zeichens Deines Gedenkens.  Ich hoffe nun fest, daß keine Komplikationen bis zu meinem in Aussicht gestellten Urlaub eintreten werden. Man ist ja nicht sicher, ob nicht irgendwie eine Sperre von irgendwoher verfügt wird. Erst wenn man auf der Bahn sitzt oder noch besser, wenn man den Urlaub hinter sich hat, kann man sagen, man hat welchen gehabt. Vorher hängt es ja immer von so vielen unbestimmten Faktoren ab, die man nicht gern in Rechnung stellt und die man nicht gern beachten möchte. Aber wir haben ja schon so viele Enttäuschungen in dieser Beziehung erleiden müssen, wie ich Dir gestern schon schrieb, so daß wir diese Enttäuschung auch noch hinnehmen müßten. Wir wollend darum unser Herz festhalten, damit wir uns erst dann richtig freuen, wenn es soweit ist. 
Heute Abend war ich erst im Kino. Es gab einen leichten Film. Es war dies nichts Besonderes und nichts Überragendes. Er hieß „Die Scheidungsreise“. Zur Abwechslung ist es nicht gerade schlecht, es ist aber auch nichts Besonderes. Zu berichten hätte ich heute nichts Wichtiges. Zum Abend fing es wieder einmal an zu schneien.  Die Kälte besteht mehr in der Schärfe. Es kann aber immer noch einmal kommen. Darum warten wir wieder ab.  Für heute sage ich Dir Gute Nacht und grüße Dich und die Kinder recht herzlich. Dir sende ich noch viele herzliche Küsse. Dein Ernst.