Montag, 31. Oktober 2016

Brief 186 vom 30./31.10.1941


Meine liebe Annie !                                                       30.10.41         

Die Kinder könnten jetzt rufen, „Es schneit, es schneit, der Nikolaus ist nicht mehr weit“. Ja, es hat den ersten Schnee gegeben.  Es ist auch sehr frisch und ziemlich windig. Die Kohlenfrage scheint jetzt für uns gelöst zu sein. Wir sollen nach der Berechnung pro Monat etwas über einen halben Zentner bekommen. Bei Zentralheizung im Haus und wenn 4 Mann zusammen wohnen kannst Du Dir denken, wie das sich ausgewirkt hatte. Nun erhielten wir schon kürzlich, woher wissen wir nicht, 20 Sacke Kohle. Heute heißt es nun, daß wir etwa 10 t Kohle bekommen sollen. Das hört sich schon entschieden besser an. Es ist nur zu wünschen, daß der Winter nicht gar zu kalt wird, dann wird es schon gehen. Ich hatte erst die Absicht, mir einen elektrischen Heizapparat hinstellen zu lassen, um wenigstens für die kälteren Tage noch eine zusätzliche Heizstelle da zu haben. Das wird ja nun nicht notwendig sein.  Mit meinem Rücken geht es ja wieder so einigermaßen in Ordnung. Nur bei dem schlechten Wetter spüre ich noch etwas.  Nun zu Deinem Schreiben vom 26., für das ich Dir recht herzlich danke. Ich werde ihn der Reihe nach beantworten. Also beim O.v.D. soll man nach Möglichkeit, wenn es sich um Sonntagsdienst handelt, den ganzen Tag auf der Kommandantur sein. Wir haben aber Telefon im Haus, dann kann man am Nachmittag nach hause gehen, denn man ist ja dann ohne weiteres erreichbar. Am späten Nachmittag bin ich dann ja hinüber gegangen. Pflicht ist aber, daß man bei diesem Dienst in der Nacht auf der Kommandantur schläft. Wegen der Geldsendung bin ich ohne weiteres einverstanden. Das reicht mir schon, wenn Du mir 40 RM schickst. Dagegen kannst Du an Vater ruhig die 45 RM bezahlen, denn die Filzschuhe habe ich Dir vorgestern schon gekauft. Sie sind zwar mit Ledersohle, aber ich hoffe, daß sie Dir zusagen. Ich hätte sie Dir sonst nur zugeschickt, ohne Dir vorher etwas davon zu schreiben, doch wenn Du Dir welche beantragen willst, dann ging es nicht anders, als daß ich Dir das mitteile.  Der Tommi mußte deshalb auf den Truppenübungsplatz, weil sämtliche Sonderführer, die noch nicht gedient haben, alle zur Ableistung einer Übung herangezogen werden. Es ist möglich, daß das mit den Kriegsverwaltungsbeamten auch kommt.  Ganz sicher ist es aber noch nicht. Heute schicke ich Dir wieder Zeitungen ab, die Dir sicher auch wieder Freude machen werden.  Ich denke, daß Du sie ganz gut gebrauchen kannst, wenn jetzt die Abende so lang werden. Denn es steht doch allerhand drin und mitunter ganz nette Sachen. Heute Abend gehe ich wieder ins Kino.  Es läuft ein Film mit Zarah Leander „Der Weg ins Freie“. Ich denke, daß er schon sehenswert ist. Vorgestern lief ja ein Film, der ganz unterhaltend war. Es hat diesmal nicht ganz so viel gefehlt wie sonst, dann ist man schon zufrieden, wenn einigermaßen der Zusammenhang gewahrt bleibt.  Für heute wieder recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.
Kurts Standort habe ich jetzt auch einmal festgestellt.  Wenn Du die Karte nimmst, dann suche einmal die Atlantikküste.  Das nördlichste Ende ist das Cap Finistere. Dann gehst Du südlich und kommst dann in die Gegend von Morbihan, da heißt eine Stadt Vannes und gleich nahe dabei liegt der Ort, wo Kurt ist.  Vielleicht findest Du es auf der Karte.

Meine liebe Frau !                                                           31.10.41

Deinen lieben Brief vom 27. habe ich vielmals dankend erhalten.  Du teilst mir nun darin mit, daß Du bis zu diesem Tage die ersten 8 Päckchen bekommen hast. Jetzt hast Du ja einen Teil des Zuckers da und kannst jetzt etwas mehr disponieren wie mit der Zuteilung, die Dir sonst zusteht. Der Rest wird inzwischen auch eingetrudelt sein. Die Zeitungen hast Du ja auch wieder erhalten. Mit diesen bekommst Du immer etwas Lesestoff.  Nach Deiner Schilderung ist das Wetter bei Euch ebenso schlecht wie hier. Es ist dann schon gut, daß die Brombeeren schon verschnitten sind, denn bei diesem Dreck und Matschwetter ist das keine Arbeit. Wenn das Wetter nicht passend ist, dann lasse mir lieber den Garten liegen, als daß Du Dich erkältest und mir dann nachher krank daliegst. Es ist ja dann mehr geschadet als gewonnen. Sei bitte so liebe und gib Achtung. Also von dem Rotwein trinkst Du ab und zu einmal. Wenn Du Dir etwas Zucker dazu nimmst, so schadet das gewiß nichts. Du mußt ihn eben so trinken, wie er Dir am besten schmeckt. Was das Essen der Kinder anbelangt, so ist es bei dem Markensystem nicht so einfach, ihnen immer etwas hinzustellen, das den Erfordernissen einer überstandenen Krankheit entspricht. Das Päckchen mit Butter und Käse wird Dir sicher zustatten kommen. Ich habe wieder einen Käse da, den ich dieser Tage mit abschicke. Er hilft Dir doch immer wieder mit ausgleichen. Eine Tube Zahnpasta werde ich einmal mit beilegen. Du mußt eben probieren, ob sie Dir zusagt.  Wenn ja, dann würde ich zusehen, daß ich noch welche bekomme. Den Meier haben sie jedenfalls erst einmal in Urlaub geschickt. Daß so etwas passieren konnte, ist immerhin  ein Teil seiner Schuld.  Daß sich der Hagenauer Ernst über diesen Vorgang gefreut hat, kann ich mir ohne weiteres denken, denn er konnte ja auch diese Brüder alle nicht leiden. Daß ihm der Fleig und der Meier mitgespielt haben, das wußte ich ja. Ich werde ja später immerhin noch erfahren, was da gegangen ist.  Über den unfreiwilligen Urlaub werden unsere beiden Schlawiner nicht böse sein. Ich weiß ja, daß sie auch in der Schule ihre Pflicht erfüllen und daß beide nicht ungern in die Schule gehen. Das freut mich auch, daß Jörg bis jetzt ganz ordentlich mitmacht. Es ist ja nicht unbedingt notwendig, daß er nun der beste in der Klasse ist, aber immerhin ist es einem doch ein Zeichen über den Stand der Leistungsfähigkeit und über den Stand ihres geistigen Zustands, wenn sie glatt und ohne viel weitere Nachhilfe mit kommen.  Gestern Abend war ich im Kino. Es wurde der Zarah-Leander-Film „Der Weg ins Freie“ gespielt, wie ich Dir das ja gestern auch schon mitgeteilt hatte.  Man kann aber ohne viel Übertreibung sagen, daß diese Frau eine gute Kunst bietet und daß es wahrscheinlich selten einen Film gibt, der enttäuscht. So auch dieser.  Wieder bin ich am Ende meines Blattes und für heute wieder am Ende meines Stoffes angelangt. Ich grüße und küsse Dich wie die Kinder recht herzlich und hoffe, daß Ihr alle wohlauf seid.  Dein Ernst.


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