Samstag, 22. Oktober 2016

Brief 182 vom 22./23.10.1941


Meine liebe Frau !                                                                                       22.10.41    

Auch gestern hat die Post mich im Stich gelassen. Aber ich werde eben weiter warten. Ich habe gestern Graser anrufen wollen, mußte aber hören, daß er sich den Magen verdorben hat und deshalb nicht im Dienst sei. Den Tommi hatte ich dann anschließend angerufen, er muß wahrscheinlich ab Sonntag für die nächsten 8 Wochen auf einen Truppenübungsplatz. Er ist zwar nicht sehr begeistert, denn er ist ja nun ziemlich 10 Jahre älter wie ich, aber er wird es so nehmen müssen, wie es bestimmt wird. Er wollte mich für den kommenden Samstag/Sonntag nach Lille einladen, wie ich aber gestern auf dem Dienstplan feststellen mußte, bin ich für den Sonntag als OvD eingeteilt, so daß damit also nichts wird. Ich habe mir ja die Pariser Reise aus dem Kopf geschlagen, weil man nur gewissermaßen als Herde durch die Stadt geführt wird. Ich wäre zu gern einmal allein durch die Stadt gepilgert. Nun durch die Diensteinteilung ist ja alles geregelt. Heute habe ich wieder 3 Päckchen fertiggemacht und morgen kommen die letzten dran. Heute habe ich 7 bis 9 abgeschickt. Wegen Käse habe ich übrigens schon nachgefragt. Sobald ich wieder welchen bekomme, lasse ich ihn Dir zugehen. Die Filme habe ich bereits gekauft. Auch wegen der Taschenlampenbatterien habe ich nachgefragt. Man muß hier zwar auch die alten abliefern, aber ich soll noch welche bekommen. Wenn ich diese Sachen beieinander habe, schicke ich sie auch ab.
Das Wetter hat sich seit gestern wieder etwas aufgeklärt. Heute Morgen war es ziemlich kühl, aber der Jahreszeit entsprechend muß das ja so sein. Gestern war ich hier im Soldatenkino. Es wurde „Der Sündenbock“ gespielt. Warum das so hieß, habe ich leider vergeblich überlegt. Die Wochenschau die hier gespielt wurde, haben wir zusammen in Konstanz gesehen. Der Beifilm, der Mexiko schildern sollte, war auch nichts Bedeutendes.  Mit meinem Rücken scheint es sich so nach und nach doch zu geben. Es ist zwar noch nicht ganz gut, aber es geht schon wesentlich besser.  Die Ausstreuungen, die erst vorhanden waren, sind jetzt weggefallen und haben sich jetzt alles mehr auf einen Punkt konzentriert.
Wesentlich dabei ist, daß ich jetzt wenigstens wieder so einigermaßen laufen kann. Ich denke, daß sich das mit der Zeit auch noch geben wird. Das Rasiermesser habe ich heute an den Besteller hier abgeliefert. Ich habe von ihm dafür zwar 8,-RM verlangt, aber für die Mühe und für das Mitbringen muß ich ja schließlich auch etwas bekommen. Er war aber ganz zufrieden damit und sagte, daß das richtig sei. Also war doch wieder jemandem geholfen worden. Heute ist es nun eine Woche her, seit ich den Dienst aufgenommen habe. Das ist also alles für heute. Seid Ihr daheim alle recht herzlich begrüßt, besonders aber Du und die Kinder von Deinem Ernst

Mein liebes Mädel !                                                              23.10.41

Einmal muß ich ja recht behalten mit meiner Voraussicht. Gestern hat sie zugetroffen. 3 Briefe habe ich gleich auf einmal bekommen, über die ich mich sehr gefreut habe. Es sind Deine Briefe vom 17./19.10., die ich erhalten habe. Du hast Dich nun gleich noch über die Brombeeren hergemacht. Recht hast Du, wenn Du sie jetzt noch soweit verschnitten hast, da es das Wetter noch zugelassen hat. Ich kann mir denken, daß es jetzt wieder anders aussieht. Hoffentlich hast Du Dir nicht zuviel Splitter eingezogen und keinen Schaden weiter getan. Ich weiß, daß es eine Mordsarbeit ist. Wenn Du jetzt nicht genügend Kunstdünger bekommst, so muß Du Dich mit dem einteilen. Die Angelegenheit wegen des Geldes der Frau Graser ist ja nun erledigt. Ja mit der Heirat von Siegfried und Erna, das ist nun so eine Geschichte, die plötzlich kommt. Ich werde aber abwarten, bis ich von Leipzig Bescheid bekomme, bevor ich ihnen schreibe. Wegen des Geschenks warten wir ab, bis sie ihren Wunsch geäußert haben. Daß Dir das Schreiben aus diesem Grund nicht so einerlei ist, verstehe ich wohl.
Du hast das ja nun auch hinter Dir  daß die Kinder noch die ganze Woche schulfrei haben, werden sie wohl mit Freude vermerkt haben. Ich schrieb Dir ja auch schon, was  in Friedrichshafen oder Lindau für eine Krankheit herrscht, dann ist es schon besser, wenn man die Schule noch diese Woche ausfallen läßt, bevor man das Risiko eingeht, daß die ganze Stadt von einer Epidemie betroffen wird. Denn gerade in der Schule, wo so viele Kinder beieinander sitzen, ist die Gefahr der Ansteckung ungemein größer. Die Kinder sehen dies ja von einer anderen Seite und dabei haben sie vollkommen recht, denn wir haben es ja auch nicht anders gemacht. Schön ist es, daß Dir Jörg mitgeholfen hat.  Er ist nun auch schon groß genug, daß er das mitmachen kann. Ich freue mich, daß er seine Mutter nicht so allein hat schaffen lassen. Ich weiß, daß man sie nicht immer anspannen kann, aber mithelfen müssen sie von Zeit zu Zeit, damit sie merken, daß alles nicht ganz von allein kommt. Im Allgemeinen sind sie willige Kerle, wenn sie auch manchmal maulen, aber das macht ja nichts. Es hat ja doch nicht viel Zweck, denn machen müssen sie es ja doch. 
Mit dem Herrn Pflug hat es ja auch ein schnelles Ende genommen. Das wird einen Rummel beim Amt gegeben haben. Das Motiv zur Tat wird ja doch nach und nach durchsickern. 
Das wird den Kindern Freude gemacht haben, als Du mit ihnen „Mensch hau ab“ und „Mensch ärgere Dich nicht“ gespielt hast. Denn das macht ihnen doch immer Spaß. Daß unser Bengel langsam auch gescheiter wird, zeigt sich ja dadurch, daß er nicht mehr soviel Theater macht beim Haareschneiden. Übrigens Haareschneiden. Heute früh war ich auch. Ich schiebe es zwar nicht so lange raus, weil ich auch Angst habe, sondern man kommt nicht immer weg und andermal ist besetzt. Etwas Dampf habe ich zwar auch, aber aus einem anderen Grund. Wenn ich nämlich dort hinkomme  es sind dort 4 Gesellen beschäftigt  so fängt der eine immer gern an zu erzählen, weil er weiß, daß ich die Sprache etwas verstehe. Er meint nun immer, ich müßte ihm in der gleichen beredten Art antworten. Das fällt mir nun etwas schwer, denn das was ich kann, ist doch immer noch mehr oder weniger ein Radebrechen. Er hat es bis jetzt aber immer noch nicht aufgegeben. Heute früh kam ich nun hin und einer seiner Kollegen hat mich nun bedient. Der Dienst fing dort gerade an und wie es so üblich ist, wird dann immer erst erzählt, was Neues passiert ist. Der, der mich bediente, schimpfte über irgendeine Sache und die anderen hörten nun zu. Auf einmal stellte der eine fest, daß ich doch derjenige sei, der die Sprache versteht und macht seinen Kollegen sofort darauf aufmerksam. Der wollte es scheinbar erst gar nicht glauben, doch dann fragte er irgendetwas, um eine Bestätigung dafür zu bekommen, daß der andere recht hat. Die habe ich ihm dann auch gegeben. Du müßtest mal sehen, wie schnell er auf ein anderes Thema überwechselte. Es war auch gar nicht so schlimm, denn auf uns hat er nicht geschimpft, doch man merkte, daß es ihm sichtlich unangenehm war.
Heute schicke ich die Päckchen 10 bis 12 an Dich ab. Damit habe ich nun sämtlichen Zucker ab gesandt. Ich habe mich nochmals erkundigt, ob noch welcher da ist, aber es ist nichts zu machen.  Ob es später wieder welchen gibt, weiß ich noch nicht. Sag mal, soll ich Dir von der französischen Zahnpasta mal eine Tube mitschicken. Sie ist zwar nicht so wie unsere und ist noch dazu rot gefärbt. Ich wollte Dich nur darauf aufmerksam machen. Man bekommt sie zwar auch nicht mehr so, aber das was ich brauche erhalte ich schon noch. Ich habe heute auch wieder Zeitungen ab gesandt. Hoffentlich bekommst Du sie dann auch bald.  Ich glaube, daß es mit meinem Rücken nun langsam aufhört. Es ist zwar noch nicht ganz vorbei, wie ich Dir das gestern schon mitteilte, doch es läßt merklich nach.  Herzliche Grüße und viel Küsse sende ich Euch allen, Dir und den Kindern sende ich noch viele Küsse besonders und hoffe, daß Ihr alle zusammen gesund seid.  Dein Ernst 
Gestern hatten wir zur Abwechslung wieder mal Fliegeralarm. Es war zweimal hintereinander. Man muß aber feststellen, daß die Engländer ihre Einflüge ganz wesentlich  eingeschränkt haben. Vielleicht waren ihnen die Abschüsse, die wir erzielten, doch zu hoch.



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