Montag, 31. Oktober 2016

Brief 185 vom 28./29.10.1941


Meine liebe Frau !                                                        28.10.41   

Zwei Wochen bin ich wieder hier gelandet. Erst rechnet man mit Tagen, dann nach Monaten und dann geht’s wieder monatsweise. Die Zeit verfliegt ja wie im Nu. Wenn zwar der nächste Urlaub in Aussicht steht, weiß man ja nicht, aber man hofft immer wieder drauf.  Post habe ich gestern keine erhalten. Ich hoffe aber, daß sich der Gesundheitszustand unserer Kinder wieder soweit gebessert hat, daß sie wieder bald raus können, denn ich nehme nach Deinem letzten Brief an, daß sich der Zustand inzwischen nicht verschlechtert hat. Jörg wird froh sein, daß es ihn nicht so schwer gepackt hat. Wenn es nicht verlängert worden ist, so hat ja gestern die Schule wieder angefangen. Wahrscheinlich sind aber beide wieder soweit hergestellt.  Von meiner Fahrt nach Lille muß ich noch berichten. Du kannst Dich doch noch entsinnen, wie ich Dir letztes Jahr geschrieben hatte, daß die Bekannten bei der Ausgabe der ersten Lebensmittelkarten sagten, ja, die sind nicht für uns sondern die sind gut für die Soldaten bestimmt. Als ich nun letzten Samstag dort war, mußte ich nun hören, daß es ja nicht mehr so geht wie in früherer Zeit sondern daß die Versorgung schon merklich nachgelassen hat. Sie sagten mir, daß es nicht möglich sei, mir etwas zu essen zu machen, weil sie einfach nicht mehr bekommen. Ich habe so im Stillen beim mir denken müssen. Daß die großen Essereien nun auch aufgehört haben, so daß die Marken nicht allein nur für die Soldaten da sind. So ändern sich also auch hier die Zeiten.  Regnerisch und kühl ist jetzt das Wetter. Dazu geht ein kräftiger Wind. Die Büros sind überheizt, dagegen geht es in der Wohnung so einigermaßen, aber es ist alles dazu angetan, sich so eine richtige Erkältung zuzuziehen. Man muß eben Obacht geben. Heute sende ich das Päckchen Nummer 13 an Dich ab. Ich habe darin einen Käse und ein Pfund Butter verpackt. Außerdem habe ich noch zwei Filme beigelegt.  Hoffentlich kommt alles gut an und hast Du auch Verwendung dafür.
Es wird jetzt auch mit dem Käse schwerer, welchen zu bekommen.  Aber ich sehe schon zu was sich machen läßt. Mantelstoff habe ich jetzt auch in Aussicht, nun bin ich auf der Suche nach einer Schneiderin. Wenn ich dann die Maße habe, werde ich dann den Mantel in Auftrag geben.  Gestern war wieder Kino-Abend und heute auch wieder. Die Wochenschau ist ja das bester. Wie üblich fehlte im Hauptfilm wieder fast die Hälfte. Am besten ist es, wenn man in das französische Kino geht und sich dort die deutschen Filme ansieht.  Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder und hoffe, daß es mit den Kindern wieder auf dem Weg der Besserung steht. Ich sende Euch noch viele Küsse Dein Ernst.  

Meine beste Annie !                                                          29.10.41

Die Tage haben schon merklich abgenommen. Früh um 8 Uhr ist es noch dunkel und wenn hier ½ 9 Uhr der Dienst anfängt, wird innerhalb kurzer Zeit es bald soweit sein. Man braucht ja schon auf dem Büro für die ersten Morgenstunden Licht. Ja es geht schon gewaltig auf den Winter zu. Der Wind ist auch richtig frisch heute Morgen. Meist sind die Nächte ziemlich klar und es kühlt dann entsprechend aus. Unser schöner Baum, von dem ich Dir in einem Brief schrieb, muß bei dem Wind auch entsprechend Blätter lassen. Die Krone lichtet sich schon merklich und bald steht er wieder ohne Blätter da. Deine beiden Briefe vom 24. und 25.  erhielt ich gestern Abend. Ich danke Dir wieder recht herzlich dafür. Ich habe mich über die Mitteilung daß es unseren beiden Stromern gut geht, sehr gefreut. Dann ist es ja gut, wenn sie wieder herumtollen. Das ist ja schon immer der beste Maßstab für ihren Gesundheitszustand. Ich kann mir schon vorstellen, daß Du bei dem Erhalt des Briefes vom Amtsgericht erschrocken bist. Es hat sich dann ja nicht als so schlimm herausgestellt, so daß Dein Schreck nicht notwendig gewesen wäre. Mit der Winterbevorratung aus dem Garten bist Du nun ganz fertig, denn das Sauerkraut ist nun fertig, die Bohnen sind auch verlesen und sonst gibt es ja nichts mehr. Die gesandten Zeitungen haben Dir also gefallen. Das stimmt wohl, daß sie mehr kostet als unser Käseblatt, aber was nützt mir dann eine Zeitung, wenn nichts drinsteht. Im Übrigen muß ich sie ja nicht bezahlen, denn wir bekommen sie doch so geliefert. Du wirst wohl inzwischen wieder die anderen Zeitungen erhalten haben. Ich will zusehen, daß ich sie für die nächste Zeit laufend schicken kann.  Vater wird Dir nicht böse sein, wenn Du ihm die übrigen Fleischmarken überlassen hast.  Die Elsa hat es aber auch wieder eilig mit der Antwort gehabt. Wenn die Frau aber damit zufrieden ist, wenn Du ihr einige belanglose Worte von Zeit zu Zeit schreibst, so hat sie vielleicht ihre Freude daran und man hat vielleicht damit einem Menschen eine Freude gemacht.  Mit dem Inspektor ist das Verhältnis immer noch das gleiche. Wir sagen uns nur das, was unbedingt notwendig ist.  Jetzt will er ein bißchen den Chef markieren, doch mir begegnet er lieber von weitem. Wir zwei arbeiten sozusagen per Distanz. Es ist vielleicht auch besser so. Über allzu viele Arbeit brauche ich jetzt nicht zu klagen, denn er macht bald alles. Ich lasse ihm den Willen, ich denke, daß sich das mit der Zeit geben wird. Ich habe nur manchmal mit der Bevölkerung einen Kampf auszufechten, weil dieser Mann hier beispielsweise Bescheinigungen ausstellt, wozu er gar nicht befugt und ermächtigt ist. Interessant ist, wenn ein Fall vorgekommen ist, kommen die Leute gleich massenweise und verlangen das gleiche auch für sich. Man hat dann Mühe, dies wieder einzudämmen. Ich lasse ihn aber machen, was er will, er soll mich aber auch so handeln lassen, wie ich es für richtig befinde. Wegen jeder Frage meidet er mich und fragt lieber einen Soldaten von uns, weil er vielleicht denkt oder fühlen müßte, daß ich es besser weiß wie er. Na lassen wir das und machen für heute Schluß. Ich grüße und küsse Dich herzlich und hoffe, daß alles wohlauf und munter ist. Dein Ernst.

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