Meine liebe Annie! O.U., den 29.10.1940
Deinen sowie Helgas Brief mit den
Zeichnungen von Jörg vom 24./25. bekam ich heute Mittag. Ich habe mir alles
gleich nach dem Mittagessen vorgenommen und auch schon verdaut. Ich danke Euch
recht herzlich für Eure lieben Nachrichten. Ihr habt Euch wieder sehr
angestrengt.
Ich möchte gleich vorwegnehmen, daß ich
heute ein Päckchen mit Kakao, Schokolade und dem größten Teil des gekauften
Gummis abgesandt habe. Hoffentlich kommt alles gut an. Zum weiteren möchte ich
Dir nun mitteilen, daß ich mich nun nach schwerem Ringen zu einem Mantel für
Dich entschlossen habe. Es bestand gestern ein Hörfehler. Es war nicht
exotisches, sondern äthiopisches Yemen. Du brauchst nicht gleich deswegen
lachen, denn diesen Konversationen in französischer Sprache kann man nicht
immer leicht folgen, jedenfalls freue ich mich, daß ich schon im Vergleich zum
Anfang meines Aufenthalts erhebliche Fortschritte in meinen Sprachkenntnissen
gemacht habe. Diese Feststellung stammt nicht allen von mir, sondern dies ist
mir auch schon von kompetenter Seite bestätigt worden. Ich freue mich aber
nicht allein deswegen, sondern auch darum, daß ich mich jetzt endlich
durchgerungen habe, mich für ein Stück zu entscheiden. Es ist ja so, daß Du nicht
selbst dabei bist, und Dir soll es auch passen und gefallen. Sei froh darüber,
daß ich Dich dieser Sorge enthoben habe, es war nicht so leicht, denn so etwas
kauft man ja nicht jedes Jahr. Hoffentlich hast du auch Gefallen daran. Ich
würde ihn Dir ja gerne jetzt schon zukommen lassen, denn so hättest Du doch
einen Nutzen davon.
Die Beschränkungen, die bestanden haben,
sind ja nun grundsätzlich aufgehoben; einige Artikel ausgenommen. Päckchen bis
zu 1 kg kann man ja jetzt in beliebiger Anzahl senden, ebenso kann man mehr wie
20 Pfd. mit in Urlaub nehmen, ausgenommen selbstverständlich Plünderungsgut.
Am Nachmittag erhielt ich nun noch Deinen
Brief vom 26., so daß ich heute von Euch reichlich mit Post bedacht worden bin.
Dieser Vorfall mit der Bertel zeugt ja ohne weiteres von der Geistesgröße
dieser Menschen. Eine ähnliche Heldin ist ja auch die Frau Synkovis. Das ist
doch die geschiedene Frau von dem Schmidt, der einmal bei Schupps gewohnt hat.
Von einer vorteilhaften Beeinflussung der dieser Frau anvertrauten Kinder bin
ich keineswegs voll überzeugt, denn sie hat sich ja lange nicht einmal um ihre
eigenen Kinder gekümmert. Du kannst auch in entsprechender Form Helga davon
unterrichten, daß diese Frau nicht in jeder Beziehung Autorität ist. Du siehst
ja, in welcher protzigen Weise sie auf die Massenabfertigung hinweißt. Dein
Handeln war auch hier wieder richtig und ich kann es nur unterstützten.
Ich freue mich darüber, wie Du unsre
Kinder auf so gute Literatur hinlenkst und daß sie auch Gefallen daran haben.
Am Abend habe ich mich noch einmal wegen
Franzosenhemden erkundigt und habe für Kurt und für mich zusammen 5 Stück
bestellt. Ich werde in diesen Tagen einige Kleinigkeiten für Euch wieder fertig
machen, denn ich denke, Du wirst mir dies nicht übel nehmen. Ich sitze jetzt bei
mir im Zimmer und schreibe noch den Brief an Dich fertig. Vorhin, als ich auf
dem Balkon stand, sah ich wieder unsere Sterne, denn wir haben wieder ganz
klare Nacht. Mein Kamerad Thomas hat mich heute wieder gebeten, Dir einen Gruß
auszurichten, was ich hiermit getan habe.
Gute Nacht und mache nun auch die Funzel
aus. Schlafe gut und sei von Deinem Mann recht herzlich gegrüßt und geküßt Dein
Ernst. Unserer Helga und unserem Jörg jeden einen herzlichen Kuß.
Meine liebe kleine Frau! O.U. , den 30.10.1940
Wie es nun scheint, sind nun Unterredungen
im Gange, wonach auch die Abschließung eines Friedens mit Frankreich abgezielt
wird. Es wäre ja erfreuliche, wenn diese Episode durch einen Friedensvertrag
abgeschlossen würde. Ich glaube, daß er für Frankreich doch gerecht sein würde
und diesem Lande, trotzdem es unterlegen ist, nicht diese Kraft entzieht, die
man dem deutschen Volke entzogen hat und jetzt auch wieder entzogen hätte, wenn wir in der gleichen Lage wären, wie Frankreich.
Warten wir auch hier die Entwicklung der Dinge ab. Für uns gibt es ja nun noch
einen Gegner, wenn sich auch noch kleine nichtssagende Vasallenstaaten mit ihm
verbünden. Über den Ausgang dieser Kraftprobe sind wir uns ja alle sehr klar.
Eine Änderung in meinem Tagesprogramm ist
insoweit eingetreten, als ich, seit ich wieder zurück bin, mein Frühstück immer
daheim einnehme. Veranlassung dazu hat mir eigentlich der von Dir gebackene
Kuchen gegeben, den ich doch irgendwie verzehren mußte. Er ist nun inzwischen
alle geworden und jetzt habe ich mich über den Honigkuchen hergemacht, den Ihr
mir noch mitgegeben hattet. Wir kochen uns einen Tee und dazu essen wir das,
was wir haben. Ob ich später wieder den alten Stundenplan aufnehme, muß ich
erst einmal abwarten. Mein anderer Kamerad aus Freiburg ist ja noch im Urlaub,
so daß ich dann erst sehe, wie ich es weiter mache, wenn er zurückkommt. Jetzt
gehe ich dann zum Mittagessen und werde heute Nachmittag weiterschreiben,
vielleicht bekomme ich bis dahin auch noch einen Brief von Dir.
Übrigens heute kaufe ich noch 4 Flaschen
Öl. Ich denke, daß Du dafür schon Verwendung haben wirst. Leider kann ich es
Dir nicht schon jetzt zukommen lassen, weil es zu schwer ist. Ein Päckchen mit
Schokolade, Kaffee, Bonbon und dem restlichen Gummi ist wieder startbereit und
geht morgen an Dich ab.
Meine Fahrschule werde ich demnächst
wieder aufnehmen, denn unser Garagist hat mich schon danach gefragt, ob ich
weiter machen wollte, was ich ja nicht verneint habe.
Soeben habe ich Deinen Brief vom 26./27.
erhalten. Ich danke Dir recht herzlich dafür. Du schilderst mir, wie Du den
Sonntag verbracht hast. Inzwischen hast du ja meinen Brief vom Sonntag auch
erhalten und weißt ja, wo ich am Sonntag war.
Heute erhielt ich auch noch ein Bild von unserer Reise nach Paris. Ich
füge es Dir bei. Es ist zwar nicht sehr schön, doch als Andenken wird es schon
gehen.
Ich habe heute eigentlich nicht viel mehr
zu berichten. Ach so, auf das Zeugnis von Helga bin ich ja gespannt, es kann ja
sein, daß ich mich täusche, doch ich habe so das Gefühl, wie wenn sie etwas
nachgelassen hätte, denn sie war doch in ihrer Ansicht über ihr Verhältnis zur
Schule ziemlich gleichgültig. Es ist ja auch dann so recht, wenn sie nur
ordentlich ist. Es gibt ja schließlich immer einmal Zeiträume, wo die
Spannkraft etwas nachlässt, um dann später wieder in der alten Form zur Geltung
zu kommen. Warten wir also ab.
Meine Lieben daheim, ich grüße Euch recht
herzlich. Dich mein liebes Mädel aber wieder besonders und füge gleichzeitig
noch viele Küsse hinzu. Dein Ernst.
Helga und Jörg einen Kuß von ihrem Vater.
Meine liebe Annie! O.U. den 31.10. 1940
Wenige Tage dauert es nun noch und dann
bin ich schon 4 Monate in Lille, wie viele werden mir noch bevorstehen, oder wird
es einmal ganz plötzlich gehen, daß man von hier weg und vielleicht wieder nach
Hause kommt. Morgen ist nun schon der 1.November und bei Euch wird so halber
Feiertag sein, die Franzosen haben hier morgen und auch Sonntag, was uns zwar
nicht stört, zu arbeiten.
Für heute bin ich zu unserem
Fahrbereitschaftsleiter zum Abendessen eingeladen worden, so daß es möglich
ist, daß es etwas später wird. Ich kann Dir ja morgen darüber schreiben.
Das Wetter ist hier jetzt sehr
wechselhaft, vor einigen Tagen war es ziemlich kühl am Morgen, tagsüber klärte
es sich dann gut auf, so daß es mir in der Sonne schön angenehm war. Heute ist
es sehr windig und warm dazu. Wir würden dazu sagen, es sein föhnig. Das trifft
ja hier nicht zu, denn Föhn kommt ja von den Bergen, doch davon ist weit und
breit nichts zu sehen.
Bei solchem Wetter ist es dann auch kein
Wunder, wenn die Platanen in unserer Straße und vor dem Haus die Blätter
verlieren. Es ging manchen Leuten scheinbar nicht schnell genug, weil überall
jetzt die Bäume zugestutzt werden. So bieten sie den Winter über einen
trostlosen Anblick. Etwa wie ein Mensch, dem man die Hände abgehackt hat und
der nun anklagend die Stümpfe in den Himmel reckt. Die ärmere Bevölkerung ist
zwar für diese unerwartete Holzernte sehr dankbar gewesen, denn es wurde alles
mitgenommen, was nur irgendwie brennbar erschien. Mir kommt so dabei der
Gedanke, wie wir früher selbst in schwieriger Lage Woche für Woche gegangen
sind, um unseren Bedarf an Brennmaterial im Wald zu sammeln. Ja, es ist gut,
finde ich, wenn man die schwierigen Zeiten nicht vergißt, denn daran kann man
ja immer wieder erkennen, wie man sie überwunden hat und daß man sie auch
gemeistert hat.
Einen Brief habe ich heute nicht bekommen,
doch das betrübt mich insoweit nicht sehr, weil ich dann dafür am anderen Tag
zwei bekomme, denn Du schreibst ja jeden Tag an mich.
Nächste Woche bekomme ich die bestellten Hemden. Die für Kurt werde ich dann
auch gleich heimschicken, dann liegen sie mir hier nicht herum. Ich muß
feststellen, daß die Preise für Waren aller Art hier unverhältnismäßig
gestiegen sind. Am Anfang hat man immer erst gedacht, mit seinem Geld könnte
man die halbe Welt aufkaufen, jetzt liegen die Dinge ja schon ganz anders.
Zudem hat man immer wieder neue Wünsche vor allem auch, weil jetzt keinerlei
Beschränkung für uns mehr besteht. Ich habe mir gedacht, daß ich für Helga zu
Weihnachten einen Stoff zu einem Winterkleid kaufe und für Jörg werde ich
zusehen, daß ich einen anständigen Anzug bekomme. Hast Du besondere Wünsche? Na,
wie steht´s damit, raus mit der Sprache.
Für heute bin ich wieder am Ende meiner
Weisheit angelangt. Euch allen daheim sende ich wieder meine herzlichsten
Grüße. Dir, meine liebe Frau, sende ich die noch dazu nötigen Küsse. Dein
Ernst.
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