Mein liebes Mädel! O.U., den 25.10.1940
Eine Woche bin ich schon wieder hier. Wie
schnell doch die Zeit vergeht. An jedem kleinen Ereignis bleibt man aber doch
hängen um festzustellen, ob einem die Tage schnell oder langsam vergehen, ob
sich in diesem Zeitraum wichtiges oder weniger wichtiges ereignet hat und ob
man diese Zeit auch nutzbringend verwendet hat oder nicht. Doch durch diese
Feststellungen kommt man wohl zu keinem Ergebnis, ehe man sich´s versieht, ist
wieder eine Woche vergangen.
Trotz allem und solcher kleinen
Selbsttäuschungen kommt dann einmal das Gefühl, daß man doch ein Gefangener
seines Schicksals ist und daß man dem nicht entgehen kann. Wie wir auch in
unseren Schreiben übereinstimmend festgestellt hatten, kommen durch den
schnellen Flug der Zeit weitere Urlaubstage und später auch wieder einmal das
gänzliche Zusammensein in Aussicht.
Soeben erhalte ich Deinen lieben Brief vom
21./22., für den ich Dir wieder herzlich danke. Sei bitte vorsichtig bei der
Gartenarbeit und überanstrenge Dich nicht. Ich habe dies ja in früheren Briefen
wiederholt betont und denke deshalb, daß Du meine Mahnung beachten wirst. Jörg
war ja auch mit fleißig und ich freue mich, daß er sich zu Deiner Unterstützung
so gut anstellen läßt. Er kann aber auch mit Recht stolz sein, wenn Du ihm das
Wegtragen Deiner Briefe beauftragst.
Den von Dir erwähnten Vortrag über den
Schlieffen-Plan habe ich nicht gehört, er hätte mich aber zweifellos
interessiert. Ich habe zwar auch noch nie behauptet, daß Du dumm seiest, im Gegenteil,
aber ich finde, daß Dir das Studium der Schulungsbriefe nichts schaden kann.
Die eine Befürchtung habe ich nur, daß ich mich dann bald verstecken muß. Ich denke, daß Du mir aber freundlicherweise
Auskunft geben wirst, wenn ich einmal etwas zu fragen habe.
Ich sende Dir heute eine Postkarte mit,
die Dich sicher auch interessieren wird. Es ist dies eine Wachsbüste, die hier
im Museum steht, die Unterschrift lautet: der Wachskopf. Er verkörpert oder
besser gesagt, er soll den Menschen aus dieser Gegend darstellen und heißt
deshalb auch noch „Das Mädchen von Lille“. Es ist doch eine feine Arbeit,
findest Du nicht auch? Die Karte wurde mir vom Direktor des Museums selbst
verehrt.
Ich habe heute noch verschiedene
Schriftstücke beigefügt, die Dich auch interessieren werden und die Du mit
aufheben willst.
Am kommenden Sonntag werde ich sicherlich
wieder Hörer des Wehrmachtskonzerts sein, so daß wir auf diese Weise uns mit
unseren Gedanken treffen können. Es ist doch schön, was für uns alles getan
wird.
Recht viele herzliche Grüße und Küsse
sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.
Meine geliebte Frau! O.U. , den 26.10.1940
Jetzt ist es plötzlich kalt geworden, so
daß ich ab heute den Pullover anziehen muß. Es ist ja auch kein W under, denn
es sind ja nur noch wenige Tage, die uns vom November trennen. Es ist geradezu
phantastisch, wie schnell die Tage vorbei rutschen. Wir in unserer Lage können
ja schließlich nur froh darüber sein, daß man nicht lange Gelegenheit hat,
darüber nachzudenken.
Heute Nachmittag habe ich wieder
Bereitschaftsdienst. Ich bin also sozusagen in diese Tretmühle vollständig
eingegliedert. Der Dienst geht in der alten Ordnung weiter nur mit der kleinen
Abänderung, daß der Chef und ein Kamerad auf Urlaub sind. Denen wird es auch
nicht anders gehen wie mir, eines Tages stehen sie wieder hier und machen ein
langes Gesicht.
Ich muß Dir heute auch noch eine
betrübliche Mitteilung machen, meine wiederholten Bemühungen, Gummiband zu
erstehen, sind leider fehlgeschlagen. Falls ich aber einen derartigen Artikel
doch noch entdecken werde, werde ich nicht versäumen, mich dessen käuflich zu
bemächtigen. Du wirst denken, was für geschwollene Redensarten. Das stimmt, das
ist ja auch sonst nicht meine Art, aber man muß doch auch einmal sehen, wie das
klingt, damit man wieder den Unterschied herausmerkt.
Letzte Nacht war hier ziemlich bedeutender
Flugbetrieb, immerhin erheblich mehr, als ich ihn sonst gewohnt bin. Man kann
ja nicht immer unterscheiden, um welche Flieger es sich handelt, doch was ich
bis jetzt feststellen konnte, waren es unsere, die die klaren Nächte für ihre
Flüge ausnutzen.
Für uns ist es jetzt so ziemlich aus mit
den Sonntagsreisen. Morgen ist zwar wieder eine Fahrt nach Paris, aber es wird
bei diesem kurzen Aufenthalt auch nicht mehr geboten werden können wie bei
meinem seinerzeitigen Besuch. Ich werde mich also morgen wieder auf die faule Haut
legen und Radio hören. Im Übrigen wird sich schon noch eine Beschäftigung
finde. Am Morgen muß ich sowieso wieder einmal kräftig baden.
Ich habe den Eltern heute auch noch
geschrieben, so daß diese Briefschuld auch wieder bereinigt ist. Den
Durchschlag habe ich beigefügt. Ich weiß heute nicht mehr viel zu berichten und
möchte deshalb schließen.
Sei Du recht herzlich gegrüßt und nimm
viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 28.10.1940
Für Deine Briefe vom 22. und 23./24., die
ich heute erhielt, danke ich Dir recht sehr. Du hast wieder recht lieb
geschrieben, so daß ich mich recht gefreut habe. In meinem letzten Brief hatte
ich so etwas geschrieben von Fliegern usw., daß man meist nicht wüßte, was es
für welche wären. Ja, das war wahr wahrscheinlich eine Herausforderung, denn in
der Nacht vom Samstag auf Sonntag hat unsere Flak ganz nett geballert, so daß
bald klar war, wer da oben war.
Es war eine ganz klare Nacht und von
meinem Fenster aus sah man wunderbar den großen Wagen. Es ist doch schön, wenn
man so etwas Gemeinsames hat, was einem so gewissermaßen persönlich gehört.
Heute früh war ganz dichter Nebel und am Vormittag hat es sich dann aufgeklärt,
so daß jetzt in mein Arbeitszimmer die Sonne ganz warm herein scheint. Gestern
früh war ich, wie ich Dir schon schrieb, zum Baden, was mir ganz ausgezeichnet
gefallen hat. Doch vorher, so gegen 8 Uhr, war ich schon mit dem Auto in einem
Vorort, wo Markt abgehalten wird. Ich hatte gehört, daß es dort noch Gummi zu
kaufen gibt. Ich habe auch welchen mitgenommen, war aber außerordentlich
überrascht über die hohen Preise. Es ist dies zweierlei, ich denke, daß Du
Verwendung dafür hast. Eines bitte ich Dich aber, behandle ihn als Luxus, denn
das Quantum, was ich Dir sende, kostet bald 5,-RM. Ich weiß zwar nicht, was man
bei uns dafür zahlte, doch wie schon gesagt, ich finde es außerordentlich
teuer.
Zum Mittagessen sind wir mit unserem Wagen
nach Roubaix gefahren. Auf der Heimfahrt hatten wir noch etwas zu erledigen, so
daß wir gegen 5 Uhr erst wieder daheim waren. Ich habe mir noch den Rest des
Wehrmachtskonzerts mit angehört und bin dann nach dem Essen noch ins Kino
gegangen. So war auch dieser Sonntag wieder vorbei.
Heute habe ich wieder einige Artikel
gekauft. Ich werde noch in diesen Tagen alles fertig machen und wieder
absenden. Kaffee, Kakao, Schokolade und Seife. Gestern habe ich auch noch
Bonbon erstanden, die ich den Päckchen für Euch mit beifügen werde. Die ganze
Mantelangelegenheit hat mich in den
vergangenen Tagen nicht schlafen
lassen. Ich habe mich in den verschiedensten Geschäften umgesehen und glaube,
daß ich mich heute endgültig entscheiden werde. Es wird also
höchstwahrscheinlich einer aus Yemen
sein. Dies ist eine exotische Rehart und hat eine ganz fabelhafte Zeichnung.
Die Farbe selbst wird Dich auch interessieren, sie ist schwarz und die
Zeichnung hat einen Schatten ins grau. Ich werde ihn heute eine Frau einmal anziehen
lassen, die etwa Deine Figur und auch fast Deine Haarfarbe hat um danach zu
beurteilen, ob er für Dich auch das Richtige sein wird. Schließlich kauft man
ja so ein Stück im Leben nicht sehr oft, und dann hat man doch den Wunsch, daß
es Dir paßt. Ich werde Dir morgen wahrscheinlich berichten.
Im Garten hast Du wieder tüchtig
gearbeitet, wofür ich Dir wieder bestens danke. Bezüglich des Baumes beantworte
ich Deine Frage dahingehend, daß noch ein Leimring darum gehört. Leim ist noch
in einer Blechschachtel ohne Aufschrift im Keller vorhanden. Pergamentpapier
(Ersatz) kannst Du beim Stadler kaufen. Wegen Filzschuhen für Dich werde ich
versuchen, hier für dich noch welche zu kaufen.
Ich möchte nun für heute wieder schließen
und Euch allen recht herzliche Grüße und Küsse, Du mein liebes Mädel, wie immer
ganz besonders herzliche Grüße und Küsse senden von Deinem Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen