Meine liebe Annie! O.U., den 23.10.1940
Die alte Bummelei bei der Post hat sich
während meines Urlaubs nicht geändert. Ich habe heute keinen Brief von Dir
bekommen, doch Du weißt ja, daß ich gewohnt bin, mich auf den anderen Tag zu vertrösten,
denn dann bekomme ich ja meistens doppelte Post. Ich habe Dich aber trotzdem
heute nicht zu kurz kommen lassen, denn ich habe heute wieder zwei Päckchen an
Dich abgesandt und zwei weitere für Dich fertig gemacht. die morgen zur
Absendung kommen. Sie enthalten Schokolade, Kaffee, Leder, Handschuhe, eine
Taschenlampenbatterie, Seife und Seifenflocken und noch einige Kleinigkeiten,
die Du so verwenden kannst. Über den Kaffee habe ich Dir ja gestern schon
geschrieben. Wir können jetzt 1 kg Päckchen senden in unbeschränkter Anzahl,
doch hat die Frankierung schon hier zu erfolgen. Was ich hier für Euch kaufen
kann, werde ich tun, denn ich glaube gerne, daß Du solche Sachen gebrauchen
kannst.
Wie ich hier erfahren habe, war die
Auskunft, die wir dort auf der Post bekommen haben, nicht ganz richtig. Es
dürfen monatlich Beträge in Höhe des Wehrsoldes
bis zu 50,-RM übersandt werden, was nun nicht bedeuten soll, daß Du mir jeden
Monat unbedingt 50,-RM schicken mußt. Du weißt ja, wie ich es meine, denn ich dachte
mir, es würde Dich interessieren, weil wir uns deswegen besonders erkundigt
hatten. Da ich gerade beim Geld und ähnlichen Dingen bin, kann ich Dir
mitteilen, daß wir jetzt Frontzulage bekommen. Heute habe ich etwas über 60,-RM
Nachzahlung bekommen, weil diese Zahlung rückwirkend genehmigt war. Ich hatte
ja schon damit gerechnet und werde diesen Betrag für Deinen Mantel mit
verwenden.
Vorhin habe ich wieder einmal im Kino, es
wurde der Film "Mutterliebe" gespielt, den wir daheim auch zusammen
gesehen hatten. Er hat mir heute genau so ausgezeichnet gefallen wie damals.
Von unserem Essen muß ich Dir noch eine
Besonderheit erzählen. Wir hatten gestern als Vorspeise Artischocken. Es war
mir ja ganz neu, wie das Zeug gegessen wird. Man bricht dieser Pflanze, die
vorher gekocht worden ist, die einzelnen Blätter weg und macht das weiche davon
weg. Am Ende bleibt dann noch ein Teil der jungen Frucht übrig. Diesen
Teil und die weichen Teile, die man
sich vorher vorbereitet hat, ißt man dann, nachdem man alles mit einer Soße aus
Essig und Öl übergossen und vermischt hat. Man hat einen großen Teller voller
Abfall und vorher sehr viel Arbeit, bevor man zum Essen kommt. Ich dachte mir,
man muß alles einmal mitgemacht haben und es ist ja gleich, wovor einem schlecht
wird.
Es ist wieder spät geworden, doch jetzt
lege ich mich ins Bett und werde die Zeitung noch fertig lesen; dabei warte ich
noch die letzten Nachrichten ab und werde dann schlafen. Schlafe Du wieder gut
und wache wieder gesund auf. Euch alle grüße ich recht herzlich, unseren beiden
Lausern gib jeden einen herzlichen Kuß. Dir sende ich wieder meine besonderen herzlichen
Grüße. Dein Ernst.
Vor einer Woche mußte ich nun von Euch
wieder fort. Oh, wie schnell verfliegt doch die Zeit. Man sieht daraus, daß es
im Urlaub allein nicht nur schnell vergeht, sondern auch sonst. Ich tröste mich
wieder damit, daß es im gleichen Tempo zum nächsten Urlaub geht.
Meine liebe Annie! O.U., den 24.10.1940
Deinen lieben Brief vom 19.10. habe ich
heute nun bekommen, meine Voraussicht von gestern ist also ganz zwangsläufig
eingetroffen. Da kannst Du erst einmal sehen, mit welchem Scharfsinn ich zu
Werke gegangen bin. Ich glaube, du hast jetzt bald eine Gemäldegalerie beieinander,
wenn Du Dir schon wieder Bilder hast
vergrößern lassen. Als ich übrigens hier bei dem Gongnie die Bilder von Dir zeigte, bin ich nicht schlecht
blamiert worden. Erst sagten alle, daß Du sehr gut aussehen würdest und manche
meinten, daß man sich wundern müßte, daß Du mich überhaupt gewollt hast. Ist
das nicht stark? Denen werde ich es aber bei Gelegenheit heimzahlen, oder
meinst Du nicht auch?
Schön ist es, daß Dich das Buch, was ich
mitbrachte, interessierte und Dir auch über den Sonntag mit hinweggeholfen hat.
Ich verstehe ja durchaus, daß es Dir im Allgemeinen lieber ist, wenn Du zu tun
hast. Vor allem, wenn man sich nicht durch etwas anderes ablenken kann.
Bezüglich des Mistes möchte ich dir
mitteilen, mache Dir nicht noch besonders Arbeit und überanstrenge Dich nicht.
Überlege es Dir vorher, ob du einer solchen schweren Arbeit auch gewachsen
bist.
Froh bin ich, daß Dir diese Unterwäsche so
gute Dienste jetzt leistet. Auf diese Weise ist Dir doch auch wieder geholfen.
Nun trafen heute noch Deine beiden lieben
Briefe vom 18. und 21. ein. Es tut mir leid, daß Du solche Lauferei mit dem
Briefe hattest. Da kann man aber wieder einmal sehen, was für blödsinnige
Weiber die lieben Kolleginnen sind. Es freut mich aber, wie ordentlich Du diese
Sache wieder in die Hand genommen und erledigt hast.
Der Helga muß ich auch heute wieder mein
Lob aussprechen über ihren schönen Brief, den sie mir heute wieder mitgeschickt
hat. Ich werde ihr bald darauf antworten, sie soll sich bitte noch etwas
gedulden.
Der Zeitungsausschnitt hat mich sehr
interessiert. Da werden wir Männer aber wieder einmal tüchtig rausgehauen.
Übrigens habe ich heute weitere zwei Päckchen an Dich abgesandt, so daß an Dich
insgesamt sechs Stücke unterwegs sind. Ich will hoffen, daß dich alles gut
erreicht.
Nun teilst Du mir noch mit, daß Du meinen
ersten Brief erhalten hast, was mich ungemein freut. Inzwischen sind ja weitere
bei Dir eingegangen.
Wegen des Mantels für Dich habe ich mich
nun schon verschiedentlich umgesehen. Es ist dabei so, daß man, je mehr man
sich unterrichtet, desto unschlüssiger wird man als vorher. Ich hatte mir hier
verschiedene schwarze angesehen und zwar Yemen. Es sieht sehr schön aus und
auch sehr gut gezeichnet. Gestern hatte ich schwarzes weibliches Fohlen und
heute braunes Fohlen angesehen. Den braunen hätte ich sofort gekauft, wenn er
nicht zu kurz für Dich gewesen wäre. Er war 3/4 lang und würde sich
wahrscheinlich gut ausnehmen. Für den mir heute angebotenen Mantel hätte ich
das Geld vollständig beieinander gehabt, ich werde jetzt sehen, was sich nun
noch bietet. Ich werde Dich weiter auf dem Laufenden halten. Für die Deinem
Brief beigefügten 5,-RM danke ich dir bestens, ich habe sie richtig erhalten.
Heute Abend war ich im französischen Kino.
Ich war wieder restlos enttäuscht, aber man kann auch bei dieser Gelegenheit
seine Studien machen.
Ich grüße Euch alle daheim und besonders
unsere Kinder, denen Du auf meine Rechnung wieder einen Kuß gibst. Ganz
besondere Grüße und Küsse erhältst Du auch heute wieder von Deinem Ernst.
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