Mittwoch, 21. Oktober 2015

Brief 70 vom 21./22.10.1940


Meine geliebte Frau!                                                            O.U., den 21.10.1940  

Den Sonntag habe ich nun wieder hinter mir und der Arbeitsbetrieb nimmt wieder seinen Anfang. In der Maschinerie bin ich nun bald wieder drin und der Urlaub klingt als schöne Erinnerung an unser gemeinsames Erleben zurück. Letzte Woche um die Zeit mußten wir uns langsam darauf vorbereiten, daß ich wieder von Euch fort muß und wir hätten uns gerne darüber hinweg getäuscht, aber die Zeit läuft in diesem Falle unerbittlich weiter.
Gestern am Nachtmittag war ich, wie wir letzten Sonntag schon besprochen hatten, Mithörer des Wehrmachts-Wunschkonzertes. Wie ich Dir schon bei anderer Gelegenheit einmal erklärte, nimmt man an derartigen Dingen ganz anders teil, wie in der Heimat selbst. Wenn dann Stücke kommen, wie das Matrosenlied aus dem Fliegenden Holländer, so ist das sehr schön, vor allem, weil man sich dann denken kann, daheim hört jemand dasselbe und denkt auch das gleiche. Man fühlt sich schon mit der Heimat verbunden, obgleich man doch hier mit den Kameraden zusammen lebt, die auch die gleiche Sprache sprechen wie ich. Es ist aber nicht das, sondern das persönliche, was uns hier verbindet und dann derartige Gefühle und Stimmung aufklingen läßt.
Ich hatte mich zuerst zu uns in den Hof setzen wollen, denn Garten kann man dazu nicht sagen. Ohne Antenne wollte der Apparat nicht das hergeben, was ich wollte, so daß ich dann trotz des schönen Wetters wieder auf meine Bude gegangen bin. Ich habe es wirklich nicht zu bereuen brauchen, denn da habe ich mich auf meinem selbstkonstruierten Patentsofa langgelegt und dabei noch verschiedene Zeitungen wieder durchgeschmökert.
Am Abend habe ich dann bescheiden bei Gonguie, dem Restaurant, von dem ich Dir schon erzählt habe, gesessen und bin dann mit einem Kameraden noch ins Kino gegangen. In der Nacht hatte ich verschiedene Angriffe von Stukas (Schnaken) abzuwehren. 
Heute habe ich nun zwei Päckchen für Dich fertig gemacht und zwar eins mit Leder, eine Bluse und ein Jäckchen. Im anderen habe ich Dir nochmals Kaffee gesandt und noch ein Paar Strümpfe beigefügt. Wenn Du der Ansicht bist, daß Du Deinen Eltern welchen abgeben willst, etwa 1/2 - 1 Pfund, so habe ich nichts dagegen  einzuwenden. Du kannst ja schreiben, daß ich welchen mit auf Urlaub gebracht hätte. Ich bin aber dafür, daß Du ihn Dir bezahlen läßt, ich denke etwa 2,50 - 3,-RM das Pfund. Du kannst das Geld ja behalten oder kaufst mir 20-Pfennig-Briefmarken dafür, denn die Päckchen, die wir jetzt heimsenden, müssen wir gleich hier frankieren und hier sind sie nicht leicht erhältlich. Hoffentlich kommt alles gut an. Weitere Sachen werde ich folgen lassen.
Mein liebes Mädel, sei weiter genau so standhaft wie Du die vergangenen Monate auch gewesen bist und laß Dich nur nicht unterkriegen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 22.10.1940

Deine beiden lieben Briefe vom 16. und 17. erreichten mich heute Nachmittag. Über die Zusätze von den Kindern habe ich mich sehr gefreut. Vor allem auch darüber, daß sich Jörg trotz Überwindung der bei ihm in dieser Hinsicht noch bestehenden Schwierigkeiten eine ganze Seite voll geschrieben hat. Auch darüber, daß sich Helga meine Mahnung zum Fleiß so beherzigt hat, und als Erfolg dafür einen Fleißstrich buchen konnte.
Ich kann mir Deine Gefühle ohne weiteres nachfühlen, die Dich bewegten, als ich von Euch wieder scheiden mußte. Doch wir wollen diese Wunden nicht immer wieder von neuem aufreißen und wollen, wie Du selbst schreibst, tapfer sein und die Zähne zusammenbeißen. Ich danke Dir dafür, mit welcher Genauigkeit Du die einzelnen Phasen meiner Reise gemerkt hast. Wenn Du anläßlich meines Urlaubs auch in Bezug auf die Arbeit etwas Entspannung gehabt hast, so hattest Du Dir dies auch schon durch Dein tapferes Aushalten verdient. Es hat mich gefreut zu lesen, daß es mit den Kindern besser bzw. wieder gut geht.
Für die mir im zweiten Brief gesandten Bilder danke ich Dir recht herzlich, denn darüber habe ich mich sehr gefreut. Sind wir doch da alle wieder zusammen und zeugen sie doch von unserem Zusammensein. Obwohl es doch schon ziemlich schwache Beleuchtung war, bin ich mit dem Erfolg soweit zufrieden. Du bist ja auch ganz gut getroffen und ich kann mir diese Bilder auch immer wieder ansehen und mich darüber freuen.
Die Prospekte sind heute gleichfalls angekommen. Ja Du sorgst doch in liebevoller Weise immer wieder für mich. Ich hoffe, daß es Dir inzwischen gelungen ist, den Brief an Frl. A. los zu werden. Daß Du das Geld nun gerade an einer Kette umhängst, hatte ich nicht erwartet, aber wenn Du es vorher richtig gereinigt hast, will ich ja nichts dagegen haben.
Ich wollte heute beizeiten nach hause gehen, um den Brief an Dich zu schreiben. Doch kaum waren wir daheim, läutete es und wir wurden zu einer Brandstelle gerufen. Der Regen strömte nur so von oben herunter. Wir sind dann mit unserem Wagen, der uns noch während meines Urlaubs zugewiesen wurde, losgefahren. Naß sind wir zwar geworden bis wir wieder daheim waren, aber den Brief werde ich trotz der vorgerückten Stunde, versüßt mit Radiobegleitung, fertig schreiben. Ich habe hier heute Fett bekommen, das ich Dir gerne zusenden möchte. Bei meinem Urlaub habe ich auf dem kleinen Schränkchen diese fettdichten Honigbehälter gesehen. Wenn Du mir von diesen einige zusenden würdest. Ich werde es aufspeichern und Dir dann zugehen lassen. Morgen werde ich Dir wieder einige Päckchen zugehen lassen. Über den Inhalt werde ich Dir morgen berichten.
Gute Nacht mein liebes Mädel und schlafe gut. Sei recht oft gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Unseren beiden Rangen herzliche Grüße und Küsse.

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