Montag, 31. Oktober 2016

Brief 186 vom 30./31.10.1941


Meine liebe Annie !                                                       30.10.41         

Die Kinder könnten jetzt rufen, „Es schneit, es schneit, der Nikolaus ist nicht mehr weit“. Ja, es hat den ersten Schnee gegeben.  Es ist auch sehr frisch und ziemlich windig. Die Kohlenfrage scheint jetzt für uns gelöst zu sein. Wir sollen nach der Berechnung pro Monat etwas über einen halben Zentner bekommen. Bei Zentralheizung im Haus und wenn 4 Mann zusammen wohnen kannst Du Dir denken, wie das sich ausgewirkt hatte. Nun erhielten wir schon kürzlich, woher wissen wir nicht, 20 Sacke Kohle. Heute heißt es nun, daß wir etwa 10 t Kohle bekommen sollen. Das hört sich schon entschieden besser an. Es ist nur zu wünschen, daß der Winter nicht gar zu kalt wird, dann wird es schon gehen. Ich hatte erst die Absicht, mir einen elektrischen Heizapparat hinstellen zu lassen, um wenigstens für die kälteren Tage noch eine zusätzliche Heizstelle da zu haben. Das wird ja nun nicht notwendig sein.  Mit meinem Rücken geht es ja wieder so einigermaßen in Ordnung. Nur bei dem schlechten Wetter spüre ich noch etwas.  Nun zu Deinem Schreiben vom 26., für das ich Dir recht herzlich danke. Ich werde ihn der Reihe nach beantworten. Also beim O.v.D. soll man nach Möglichkeit, wenn es sich um Sonntagsdienst handelt, den ganzen Tag auf der Kommandantur sein. Wir haben aber Telefon im Haus, dann kann man am Nachmittag nach hause gehen, denn man ist ja dann ohne weiteres erreichbar. Am späten Nachmittag bin ich dann ja hinüber gegangen. Pflicht ist aber, daß man bei diesem Dienst in der Nacht auf der Kommandantur schläft. Wegen der Geldsendung bin ich ohne weiteres einverstanden. Das reicht mir schon, wenn Du mir 40 RM schickst. Dagegen kannst Du an Vater ruhig die 45 RM bezahlen, denn die Filzschuhe habe ich Dir vorgestern schon gekauft. Sie sind zwar mit Ledersohle, aber ich hoffe, daß sie Dir zusagen. Ich hätte sie Dir sonst nur zugeschickt, ohne Dir vorher etwas davon zu schreiben, doch wenn Du Dir welche beantragen willst, dann ging es nicht anders, als daß ich Dir das mitteile.  Der Tommi mußte deshalb auf den Truppenübungsplatz, weil sämtliche Sonderführer, die noch nicht gedient haben, alle zur Ableistung einer Übung herangezogen werden. Es ist möglich, daß das mit den Kriegsverwaltungsbeamten auch kommt.  Ganz sicher ist es aber noch nicht. Heute schicke ich Dir wieder Zeitungen ab, die Dir sicher auch wieder Freude machen werden.  Ich denke, daß Du sie ganz gut gebrauchen kannst, wenn jetzt die Abende so lang werden. Denn es steht doch allerhand drin und mitunter ganz nette Sachen. Heute Abend gehe ich wieder ins Kino.  Es läuft ein Film mit Zarah Leander „Der Weg ins Freie“. Ich denke, daß er schon sehenswert ist. Vorgestern lief ja ein Film, der ganz unterhaltend war. Es hat diesmal nicht ganz so viel gefehlt wie sonst, dann ist man schon zufrieden, wenn einigermaßen der Zusammenhang gewahrt bleibt.  Für heute wieder recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.
Kurts Standort habe ich jetzt auch einmal festgestellt.  Wenn Du die Karte nimmst, dann suche einmal die Atlantikküste.  Das nördlichste Ende ist das Cap Finistere. Dann gehst Du südlich und kommst dann in die Gegend von Morbihan, da heißt eine Stadt Vannes und gleich nahe dabei liegt der Ort, wo Kurt ist.  Vielleicht findest Du es auf der Karte.

Meine liebe Frau !                                                           31.10.41

Deinen lieben Brief vom 27. habe ich vielmals dankend erhalten.  Du teilst mir nun darin mit, daß Du bis zu diesem Tage die ersten 8 Päckchen bekommen hast. Jetzt hast Du ja einen Teil des Zuckers da und kannst jetzt etwas mehr disponieren wie mit der Zuteilung, die Dir sonst zusteht. Der Rest wird inzwischen auch eingetrudelt sein. Die Zeitungen hast Du ja auch wieder erhalten. Mit diesen bekommst Du immer etwas Lesestoff.  Nach Deiner Schilderung ist das Wetter bei Euch ebenso schlecht wie hier. Es ist dann schon gut, daß die Brombeeren schon verschnitten sind, denn bei diesem Dreck und Matschwetter ist das keine Arbeit. Wenn das Wetter nicht passend ist, dann lasse mir lieber den Garten liegen, als daß Du Dich erkältest und mir dann nachher krank daliegst. Es ist ja dann mehr geschadet als gewonnen. Sei bitte so liebe und gib Achtung. Also von dem Rotwein trinkst Du ab und zu einmal. Wenn Du Dir etwas Zucker dazu nimmst, so schadet das gewiß nichts. Du mußt ihn eben so trinken, wie er Dir am besten schmeckt. Was das Essen der Kinder anbelangt, so ist es bei dem Markensystem nicht so einfach, ihnen immer etwas hinzustellen, das den Erfordernissen einer überstandenen Krankheit entspricht. Das Päckchen mit Butter und Käse wird Dir sicher zustatten kommen. Ich habe wieder einen Käse da, den ich dieser Tage mit abschicke. Er hilft Dir doch immer wieder mit ausgleichen. Eine Tube Zahnpasta werde ich einmal mit beilegen. Du mußt eben probieren, ob sie Dir zusagt.  Wenn ja, dann würde ich zusehen, daß ich noch welche bekomme. Den Meier haben sie jedenfalls erst einmal in Urlaub geschickt. Daß so etwas passieren konnte, ist immerhin  ein Teil seiner Schuld.  Daß sich der Hagenauer Ernst über diesen Vorgang gefreut hat, kann ich mir ohne weiteres denken, denn er konnte ja auch diese Brüder alle nicht leiden. Daß ihm der Fleig und der Meier mitgespielt haben, das wußte ich ja. Ich werde ja später immerhin noch erfahren, was da gegangen ist.  Über den unfreiwilligen Urlaub werden unsere beiden Schlawiner nicht böse sein. Ich weiß ja, daß sie auch in der Schule ihre Pflicht erfüllen und daß beide nicht ungern in die Schule gehen. Das freut mich auch, daß Jörg bis jetzt ganz ordentlich mitmacht. Es ist ja nicht unbedingt notwendig, daß er nun der beste in der Klasse ist, aber immerhin ist es einem doch ein Zeichen über den Stand der Leistungsfähigkeit und über den Stand ihres geistigen Zustands, wenn sie glatt und ohne viel weitere Nachhilfe mit kommen.  Gestern Abend war ich im Kino. Es wurde der Zarah-Leander-Film „Der Weg ins Freie“ gespielt, wie ich Dir das ja gestern auch schon mitgeteilt hatte.  Man kann aber ohne viel Übertreibung sagen, daß diese Frau eine gute Kunst bietet und daß es wahrscheinlich selten einen Film gibt, der enttäuscht. So auch dieser.  Wieder bin ich am Ende meines Blattes und für heute wieder am Ende meines Stoffes angelangt. Ich grüße und küsse Dich wie die Kinder recht herzlich und hoffe, daß Ihr alle wohlauf seid.  Dein Ernst.


Brief 185 vom 28./29.10.1941


Meine liebe Frau !                                                        28.10.41   

Zwei Wochen bin ich wieder hier gelandet. Erst rechnet man mit Tagen, dann nach Monaten und dann geht’s wieder monatsweise. Die Zeit verfliegt ja wie im Nu. Wenn zwar der nächste Urlaub in Aussicht steht, weiß man ja nicht, aber man hofft immer wieder drauf.  Post habe ich gestern keine erhalten. Ich hoffe aber, daß sich der Gesundheitszustand unserer Kinder wieder soweit gebessert hat, daß sie wieder bald raus können, denn ich nehme nach Deinem letzten Brief an, daß sich der Zustand inzwischen nicht verschlechtert hat. Jörg wird froh sein, daß es ihn nicht so schwer gepackt hat. Wenn es nicht verlängert worden ist, so hat ja gestern die Schule wieder angefangen. Wahrscheinlich sind aber beide wieder soweit hergestellt.  Von meiner Fahrt nach Lille muß ich noch berichten. Du kannst Dich doch noch entsinnen, wie ich Dir letztes Jahr geschrieben hatte, daß die Bekannten bei der Ausgabe der ersten Lebensmittelkarten sagten, ja, die sind nicht für uns sondern die sind gut für die Soldaten bestimmt. Als ich nun letzten Samstag dort war, mußte ich nun hören, daß es ja nicht mehr so geht wie in früherer Zeit sondern daß die Versorgung schon merklich nachgelassen hat. Sie sagten mir, daß es nicht möglich sei, mir etwas zu essen zu machen, weil sie einfach nicht mehr bekommen. Ich habe so im Stillen beim mir denken müssen. Daß die großen Essereien nun auch aufgehört haben, so daß die Marken nicht allein nur für die Soldaten da sind. So ändern sich also auch hier die Zeiten.  Regnerisch und kühl ist jetzt das Wetter. Dazu geht ein kräftiger Wind. Die Büros sind überheizt, dagegen geht es in der Wohnung so einigermaßen, aber es ist alles dazu angetan, sich so eine richtige Erkältung zuzuziehen. Man muß eben Obacht geben. Heute sende ich das Päckchen Nummer 13 an Dich ab. Ich habe darin einen Käse und ein Pfund Butter verpackt. Außerdem habe ich noch zwei Filme beigelegt.  Hoffentlich kommt alles gut an und hast Du auch Verwendung dafür.
Es wird jetzt auch mit dem Käse schwerer, welchen zu bekommen.  Aber ich sehe schon zu was sich machen läßt. Mantelstoff habe ich jetzt auch in Aussicht, nun bin ich auf der Suche nach einer Schneiderin. Wenn ich dann die Maße habe, werde ich dann den Mantel in Auftrag geben.  Gestern war wieder Kino-Abend und heute auch wieder. Die Wochenschau ist ja das bester. Wie üblich fehlte im Hauptfilm wieder fast die Hälfte. Am besten ist es, wenn man in das französische Kino geht und sich dort die deutschen Filme ansieht.  Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder und hoffe, daß es mit den Kindern wieder auf dem Weg der Besserung steht. Ich sende Euch noch viele Küsse Dein Ernst.  

Meine beste Annie !                                                          29.10.41

Die Tage haben schon merklich abgenommen. Früh um 8 Uhr ist es noch dunkel und wenn hier ½ 9 Uhr der Dienst anfängt, wird innerhalb kurzer Zeit es bald soweit sein. Man braucht ja schon auf dem Büro für die ersten Morgenstunden Licht. Ja es geht schon gewaltig auf den Winter zu. Der Wind ist auch richtig frisch heute Morgen. Meist sind die Nächte ziemlich klar und es kühlt dann entsprechend aus. Unser schöner Baum, von dem ich Dir in einem Brief schrieb, muß bei dem Wind auch entsprechend Blätter lassen. Die Krone lichtet sich schon merklich und bald steht er wieder ohne Blätter da. Deine beiden Briefe vom 24. und 25.  erhielt ich gestern Abend. Ich danke Dir wieder recht herzlich dafür. Ich habe mich über die Mitteilung daß es unseren beiden Stromern gut geht, sehr gefreut. Dann ist es ja gut, wenn sie wieder herumtollen. Das ist ja schon immer der beste Maßstab für ihren Gesundheitszustand. Ich kann mir schon vorstellen, daß Du bei dem Erhalt des Briefes vom Amtsgericht erschrocken bist. Es hat sich dann ja nicht als so schlimm herausgestellt, so daß Dein Schreck nicht notwendig gewesen wäre. Mit der Winterbevorratung aus dem Garten bist Du nun ganz fertig, denn das Sauerkraut ist nun fertig, die Bohnen sind auch verlesen und sonst gibt es ja nichts mehr. Die gesandten Zeitungen haben Dir also gefallen. Das stimmt wohl, daß sie mehr kostet als unser Käseblatt, aber was nützt mir dann eine Zeitung, wenn nichts drinsteht. Im Übrigen muß ich sie ja nicht bezahlen, denn wir bekommen sie doch so geliefert. Du wirst wohl inzwischen wieder die anderen Zeitungen erhalten haben. Ich will zusehen, daß ich sie für die nächste Zeit laufend schicken kann.  Vater wird Dir nicht böse sein, wenn Du ihm die übrigen Fleischmarken überlassen hast.  Die Elsa hat es aber auch wieder eilig mit der Antwort gehabt. Wenn die Frau aber damit zufrieden ist, wenn Du ihr einige belanglose Worte von Zeit zu Zeit schreibst, so hat sie vielleicht ihre Freude daran und man hat vielleicht damit einem Menschen eine Freude gemacht.  Mit dem Inspektor ist das Verhältnis immer noch das gleiche. Wir sagen uns nur das, was unbedingt notwendig ist.  Jetzt will er ein bißchen den Chef markieren, doch mir begegnet er lieber von weitem. Wir zwei arbeiten sozusagen per Distanz. Es ist vielleicht auch besser so. Über allzu viele Arbeit brauche ich jetzt nicht zu klagen, denn er macht bald alles. Ich lasse ihm den Willen, ich denke, daß sich das mit der Zeit geben wird. Ich habe nur manchmal mit der Bevölkerung einen Kampf auszufechten, weil dieser Mann hier beispielsweise Bescheinigungen ausstellt, wozu er gar nicht befugt und ermächtigt ist. Interessant ist, wenn ein Fall vorgekommen ist, kommen die Leute gleich massenweise und verlangen das gleiche auch für sich. Man hat dann Mühe, dies wieder einzudämmen. Ich lasse ihn aber machen, was er will, er soll mich aber auch so handeln lassen, wie ich es für richtig befinde. Wegen jeder Frage meidet er mich und fragt lieber einen Soldaten von uns, weil er vielleicht denkt oder fühlen müßte, daß ich es besser weiß wie er. Na lassen wir das und machen für heute Schluß. Ich grüße und küsse Dich herzlich und hoffe, daß alles wohlauf und munter ist. Dein Ernst.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Brief 184 vom 26.10.1941


Meine liebste, beste Annie !                                                                                                26.10.41              

Heute habe ich nun Dienst und setze mich am Nachmittag ins Büro, um meine Post zu erledigen. Erstens will ich die eingegangenen Briefe von Dir beantworten, die ich heute erhalten habe. Deine Schreiben vom 21., 22. und 23. haben mir doch erst etwas Sorgen gemacht wegen des Gesundheitszustands der Kinder. Aus Deinem letzten Brief konnte ich erfreulicherweise lesen, daß das Schlimmste vorüber sei. Das hat sich ja schnell bei beiden zusammengezogen. Daß Jörg die Sache schneller überstanden hat, kommt wohl daher, weil er nicht so starkes Fieber hatte. Hoffentlich hat sich bei Helga die stärkere Krankheitserscheinung wieder so weit gegeben, daß sie wieder aufstehen kann. Es muß aber doch irgend so was ins der Luft liegen, denn man kann das doch nicht nur als Zufall bezeichnen, wenn sich so ähnliche Symptome zeigen, die auf eine solche schlimme Krankheit schließen lassen. Vielleicht waren die Abwehrkräfte im Körper noch stark genug, um sich dagegen zu wehren. Ich freue mich jedenfalls, daß Du immer so besonnen handelst und nichts Falsches unternimmst. Daß Du den Rat des Arztes zu Hilfe gezogen hast, ist bei einem derart plötzlichen und bösartigen Auftreten einer Verstimmung immer ratsam. Wenn sie meist auch nicht viel machen können, so ist es für einen selbst eine Beruhigung und man glaubt bei der persönlichen Verantwortung, man hat sein möglichstes getan. Daß Dir das nicht einerlei war, beide als Patienten da zu haben, ist mir ganz und gar verständlich. Ich bin nur froh, daß ich Dich immer bei den Kindern weiß und daß Du Dir die größte Mühe gibst, sie ordentlich und gesund zu erhalten. Dies ist mir eine große Beruhigung. Wenn bei beiden die Krankheit im Abebben ist, wollen wir zufrieden sein und wollen gleichzeitig hoffen, daß sich später nicht etwas Ähnliches zeigen wird.  Wegen mir brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen, denn ich habe mich wieder gefangen und habe meine nötige Ruhe, die ich auch zu solchen Sachen brauche, wieder gewonnen. Ich habe Dir ja schon geschrieben, daß der Kriegsverwaltungsrat im Urlaub ist und daß nun der Inspektor ihn vertritt. Es ist schon so, wie Du richtig vermutetest, daß der Kriegsverwaltungsrat nichts machen will, weil dieser Mann mir im Range höher steht. Er vergißt zwar, daß ich länger hier bin und dadurch auch gewisse Rechte erworben habe. Aber solche Sachen lassen mich jetzt wieder kalt.  Dieser Inspektor und ich, wir genießen uns beide mit Vorsicht. Er will mir gern mit seiner Erfahrung kommen, weil er meint, er sei der letzte. Ich sage mir aber, daß ich solche Vorschläge nicht brauche. Du wirst Dir denken können, wie sich das bei mir auswirkt, wenn ich einmal meinen dicken Kopf aufsetze. Aber ich glaube, daß er hier nötig ist, sonst tanzt mir dieser Mann auf der Nase herum. Ich bin ja im Großen und Ganzen mit den anderen auch verträglich und verstehe mich mit diesen soweit gut. Dies kommt aber daher, weil jeder auf den anderen Rücksicht nimmt.  Wenn dieser Mann dann denkt, daß dieses Rücksichtnehmen einseitig gestaltet sein muß, dann hat er sich eben geirrt. Es wird sich dann ja alles geben, wenn wir die versprochenen neuen Geschäftsräume bekommen. Aber wie gesagt, ich fühle mich innerlich wieder stark genug, um solchen Anfechtungen standzuhalten. Daß sich das mit meinem Rücken an dem Tag noch so ausgewirkt hat, konnte ich Euch doch nicht merken lassen, denn denke einmal, was für einen schönen Tag wir uns dann verdorben hätten. Man kann doch nicht immer gleich so pimplig sein. Wie Du nun schon aus meinen vorhergehenden Briefen gelesen hast, hat sich das doch so ziemlich wieder gelegt. Daß Du nach dem Tode Deiner lieben Mutter die innerliche Kraft gefunden hast, um alles wieder selbst meistern zu können, ist mir auch eine große Beruhigung. Ich weiß wohl, daß noch nicht alles deswegen vorbei ist. Aber wenn sich wieder solche trübe Stimmungen zeigen, so bist Du doch selbst in der Lage, sie wenigstens wieder zu überwinden.  Mit dem Garten kannst Du ja kurz treten, nachdem das meiste dort erledigt ist. Wenn sich Helga nach ihrem Aufstehen wieder Pudding wünscht, dann muß ich aber hier doch noch einmal ernsthaft zusehen, daß ich welchen bekomme. Dann hast Du doch wieder etwas Spielraum und kannst dann ab und zu einmal einen zwischenhinein kochen, was sonst nicht möglich wäre.  Ich glaube, daß sich das schon machen läßt. Übrigens Spätzle mit saurem Rahm und Gulasch würde ich auch ganz gern einmal wieder essen. Das ist aber eine Angelegenheit, die man für später aufheben muß. Mit dem Jungen von den Leimenstolls war es dann höchste Zeit. Ich hatte doch auch früher schon einmal gesagt, daß die Frau mit ihm zur Krüppelberatung gehen sollte. Der Dr. Endler in Singen ist ja Spezialist. Mit den Büsings scheint die Sache in ein entscheidendes Stadium zu kommen. Solange sich die Leute anständig benehmen, und die anderen Leute in Ruhe lassen, können die treiben, was sie wollen. Nur eines dürfen sie nicht vergessen, die Gemeinschaft dürfen sie nicht stören.  Daß Dich die Zeitungssendung gefreut hat, ist mir Veranlassung, Dir morgen wieder welche zusammenzupacken und an Dich abzusenden. Die zweite Sendung hast Du sicherlich auch schon erhalten. Also weiterhin viel Spaß damit.  Ich denke schon, daß das ganze, in die Zusatzversorgung gezahlte Geld zurückerstattet wird. Die 86,-RM können wir schon gebrauchen, wenn wir die ganz zurückbekommen. Ich denke, daß ich davon einen Teil mit abbekomme oder brauchst Du alles ganz allein.  Wie ich Dir bei meinem Urlaub schon sagte, habe ich hier ja auch meine Kameraden. Ihrer Veranlagung entsprechend sind sie auch ganz nett zu mir. Ich kann mich aber nicht des Eindrucks erwehren, daß es früher bei uns in Lille schöner war. Schöner natürlich den Umständen entsprechend. Denn ich muß immer wieder sagen, am schönsten ist es doch zuhause. Da ich nun nicht mit nach Paris gefahren bin, so habe ich mir gedacht, ich sehe einmal nach Lille hinüber. Vielleicht treffe ich noch den Tommi, bevor er nach dem Truppenübungsplatz fährt und gleichzeitig gucke ich nach Graser, wie es ihm geht. Ich bin dann gestern mit unserem Wagen am Nachmittag hinübergefahren. Das Wetter war herbstlich und sonnig, so daß einen das richtig aufgefrischt hat. Den Tommi habe ich leider nicht mehr angetroffen und von Graser dachte ich erst, er sei zu jemand gefahren, denn ich sah unterwegs so verschiedene über den Acker stolpern. Ich bin dann aber doch noch mit rangegangen und konnte dann feststellen, daß er daheim war. Er war sehr erfreut und wir haben uns dann schön zusammengesetzt. Da ich bei Graser nichts zu essen bekommen konnte, bin ich ins Soldatenheim gegangen. Dort gab es dann zum Abend gebratene Makkaroni und ein Stück Butterbrot.  Hinterher habe ich noch eine Tasse Kaffee getrunken und dann habe ich für alles 65 Pfennig bezahlt. Das ist doch nicht gerade teuer. Später haben wir uns wieder bei Graser getroffen und sind dann noch eine Weile zusammengesessen. Lorenz kam dann auch noch. Sie haben mich gleich begrüßt und zu uns gesetzt. Wie mir Graser aber sagte, hat sich wieder gezeigt, was das für ein Gauner ist. Er hat mit jedem immer noch Geschäfte gemacht und hat ihnen Kraftwagen ausgeliehen, obwohl das verboten ist. Bei der Gerichtsverhandlung ist er dann nicht zugegen gewesen, weil er nach Paris gefahren ist. Entschuldigt hat er sich auch nicht. Dann hat ihn das Gericht, als er wieder zurückkam, schnappen lassen und hat ihn für 5 Tage in den  Kerker gesetzt. Hinterher hat er noch eine Geldstrafe von 1000 RM bezahlen müssen und nun ist er wieder frei. Das macht dem aber nichts aus, denn er verdient das ja bald wieder. Das sind für den weiter nichts als Geschäftsunkosten.  Ich habe dann Graser gesagt, ich will mir eine Pistole kaufen. Er soll mir sagen, wie ich das unternehmen muß. Daraufhin sagte er zu mir, daß er mir zu einer verhelfen würde. Das hat er dann auch gleich getan. Jetzt habe ich also eine eigene Pistole. Ich muß mir dazu nur ein Magazin noch kaufen. Das kostet aber höchstens 2 - 3 RM. Damit habe ich dann immerhin rund 20 RM gespart. Jetzt bin ich doch nicht mehr auf die Gutmütigkeit der anderen angewiesen. Es ist doch anders so, als wenn man immer wieder denken muß, daß man die Waffe nur leihweise trägt. Ich habe mich jedenfalls mächtig darüber gefreut, daß ich nun etwas Eigenes habe. Den Revolver gebe ich dann sobald als möglich wieder zurück.  Ich bin dann gestern Abend noch bis gegen 2 Uhr mit Graser zusammen gewesen und wir haben so die verschiedenen Verhältnisse besprochen. Heute früh sind wir dann erst gegen 10 Uhr aufgestanden und mußten feststellen, daß es nur so goß. Ich bin um 12 Uhr zurück gefahren, so daß ich um 1 Uhr meinen Dienst hier pünktlich antreten konnte.  Nun habe ich aber heute eine Rekordleistung vollbracht. Ich bitte Dich, sei mir nicht böse darum, wenn ich Dir so viel geschrieben habe. Ich mache jetzt aber bestimmt Schluß. Sei Du recht herzlich und vielmals gegrüßt. Den Kindern wünsche ich, daß sie bald wieder gesund werden. Gib ihnen auch einige herzliche Küsse von Deinem Ernst.
Den Durchschlag meines Briefes an das Brautpaar lege ich Dir mit bei. Hoffentlich habe ich es richtig getroffen.  Ich habe mir jedenfalls Mühe gegeben den beiderseitigen Empfindungen gerecht zu werden.

Montag, 24. Oktober 2016

Brief 183 vom 24./25.10.1941


Meine liebste Annie !                                                                                  24.10.41    

Herrlich scheint heute Morgen die Sonne, doch es ist sehr frisch draußen. Es geht ja nun schon stark auf den November zu. Wenn es sich dann am Tage erwärmt, glaubt man manchmal, daß es noch nicht ganz soweit ist, aber man muß es schon glauben. Bis jetzt ist es bei uns immer noch in der Wohnung geheizt. Wir müssen zusehen, daß die uns zur Verfügung gestellten Kohlen weit genug reichen.  Wenn uns das Wetter gnädig ist, kann das wohl schon gehen, aber wenn lange und scharfe Kälte kommt, kann das schon auf Schwierigkeiten stoßen. Man kann ja hier auch nicht auf lange Zeit denken, drum hält man sich immer an die Gegenwart und denkt, das andere wird sich dann schon geben.  Gestern Abend war ich wieder einmal im Kino. Es wurde der Film „Manege“ gespielt. Dieser Film ist nicht schlecht und hat mir ganz gut gefallen. Er ist eben ein ausgesprochener Zirkusfilm und deshalb sehr abwechslungsreich.  Vorhin habe ich mit dem Tommi telefoniert. Er teilte mir mit, daß er für 8 Wochen auf den Truppenübungsplatz muß. Er wird erst gegen Weihnachten wieder zurückkommen. Ich glaube, daß es ihm besonders schwerfallen wird, wenn er auch sonst ein zäher Kerle ist, dem man nicht gleich ansieht, daß er doch allerhand aushalten kann.  Ich bin ja gespannt, wie er es durchhält.  Post habe ich gestern nicht bekommen. Es kann aber sein, daß ich nur noch so aller 3 Tage bedacht werde. Aber das läßt sich nun einmal nicht ändern.  Wegen Puddingpulver habe ich schon nachgefragt und ich glaube, daß ich welches bekommen werde. Ebenfalls habe ich nochmals an die Mandeln gedacht. Sobald ich das Zeug habe, schicke ich es Dir zu.  Für heute weiß ich nicht mehr viel zu berichten. Laß mich deshalb bitte schließen. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende auch viele Küsse Dein Ernst
Zu Deiner Beruhigung kann ich Dir mitteilen, daß nach nunmehr 2 Wochen meine Rückenproblem ziemlich vorbei ist. Es hat sich nun schon ganz wesentlich gebessert. Am Anfang der Woche war es ja einmal so schlecht, daß ich noch einen Arzt aufsuchen wollte, aber seitdem hat es sich von Tag zu Tag gebessert. Heute ist es, wie ich schon oben mitteilte, ziemlich vorbei. Jetzt fällt mir noch ein, daß Du mir einmal die Maße mitschicken mußt, die Du für Deinen Mantel brauchst, den ich hier dann machen lassen will. Stoff habe ich wahrscheinlich schon in Aussicht. 

Meine liebe Annie !                                                         25.10.41

Herzlich danke ich Dir für Deinen Brief vom 20., in dem Du mir den Eingang meiner ersten Briefe vom 15. und 16. bestätigst. Es beruhigt mich insoweit, denn nun erhältst Du doch wieder laufend Nachricht. Daß ich Dir nicht gerade viel erfreuliche Sachen mitteilen konnte, liegt nun einmal in der Natur der Sache, aber Du brauchst keine Angst zu haben, Ärgern lasse ich mich nicht und wie sie es vielleicht manchmal gerne haben würden. Mit dem Platz hat sich die Sache ja nun soweit geregelt, denn das schrieb ich Dir ja vor einigen Tagen. Was den Hund anbelangt hast Du wohl recht. Übrigens hat er, als ich in Urlaub war, einmal der Putzfrau bei uns das Frühstück weggefressen und das andere Mal dem Kriegsverwaltungsrat  die Wurst. Es war nur gut, daß es ihm nicht gesagt worden ist, denn sonst hätte sich dieser Mann umgebracht.  Daß er aber auch manchmal noch Flegelmanieren an sich hat,  hat er neulich Abend wieder gezeigt. Beim Abendbrot hat er die ganze Zeit geguckt, ob etwas für ihn abfällt. Es war zwar nicht viel, was er bekommen konnte. Als wir dann so ziemlich fertig mit dem Essen sind, geht er im Eßzimmer vor, hebt den Fuß und legt die schönste Pfütze in das Zimmer. Als wir ihn dann anriefen, wußte er sofort, daß das nicht statthaft ist und versteckte sich unter dem Tisch. Dann hat ihn aber unser Doktor hergenommen und hat ihn vermöbelt, daß er nicht schnell genug den Ausgang finden konnte.
Über die Vorgänge beim Fürsorgeamt Konstanz habe ich mich nun gar nicht geärgert. Im Gegenteil, es hat bei mir ein leises Schmunzeln ausgelöst und ein Gefühl der Schadenfreude konnte ich nicht ganz unterdrücken. Daß der Pflug sich nun gleich deshalb hat das Leben nehmen müssen, war  ja nicht unbedingt notwendig. Eines ist aber sicher, daß auch hier wieder der Beweis gegeben ist, daß auch diesen „Meiers“ nicht die Bäume in den Himmel wachsen. Daß das vielen Herren bei der Stadtverwaltung wieder Wasser auf die Mühle ist, kann ich mir ohne weiteres erklären. Ich denke da in erster Linie an den Hellstern. Ich habe Dir aber früher auch schon derartige Andeutungen gemacht, es bestand nur nicht die Möglichkeit, ihm das in irgendeiner Weise nachzuweisen. Gespannt bin ich zwar, wer in diese Sache vielleicht noch mit verwickelt ist und ob er sich wieder aus der Schlinge rausziehen kann. Aber es kann sein wie es will, etwas wird immer wieder an ihm hängen bleiben. Denn daß er früher schon so mit Möbeln gehandelt hat und daß er auch verschiedene Bilder in seine Wohnung gebracht hat, das war mir damals schon reichlich klar. Ich wußte zwar nicht, wie er sie erworben hatte. Hoffentlich wird bei dieser Gelegenheit einmal richtig ausgeräuchert.  Ich denke, daß sich Eberhard, unser Direktor, über diese Nachricht freuen wird. Es ist weiterhin bedauerlich, daß er nun noch Ortsgruppenleiter ist, denn das wirft doch auch einen Schatten auf die Partei. Aber es sind eben alles so Leute, die beim Umsturz seinerzeit mit so hoch geschwemmt worden sind.  Ich habe heute schon Mittag Deinen Brief erhalten und beantworte ihn deshalb auch gleich heute Nachmittag, denn die Arbeit, die ich da liegen habe, interessiert mich so wenig, daß ich so ohne weiteres liegen lasse. Im Übrigen ist es jetzt wesentlich ruhiger geworden, dann leiste ich mir das schon einmal.  Heute erzählte mir auch ein Kamerad von seinem Bruder, der vor Petersburg liegt, daß seit dem 12. dieses Monats eine geschlossene Schneedecke liegt.
Wie groß und wie weit die Entfernungen doch sind, kann man schon aus dem entnehmen, wenn er schreibt, daß sie, obwohl sie nun schon längere Zeit vor der Stadt liegen, immer noch Artilleriefeuer von hinten bekommen. Man hat doch wiederholt vergeblich versucht, diese Stellung auszumachen, es hat sich aber als unmöglich herausgestellt. Jetzt sagt man sich, wenn man sie nicht durch Zufall herausbekommt, so wird ihnen schon einmal die Munition ausgehen und dann werden die sich dann schon aus den Wäldern herausmachen, wenn es ihnen zu langweilig wird. Wie wird es dann dort aussehen, wenn diese Stadt einmal fallen wird.
Schön ist es bei mir im Zimmer, wenn jetzt so am Mittag, wenn ich heimkomme, die Sonne scheint. Die hellgrüne Tapete macht sich dann ganz freundlich und es ist dann auch ganz gemütlich. Gestern war es nur so, daß ich während der ganzen Mittagszeit das Fenster auflassen konnte, ohne daß es kalt wurde. Meist lese ich dann bis zu den Mittagsnachrichten um 2 Uhr die Zeitung und dann gehe ich entweder in die Stadt und erledige so das, was ich zu erledigen habe, oder ich schlafe eine Weile. Aber bei so schönem Wetter stimmt einen gleich alles besser. Man weiß ja nicht, wie lange es dauern wird, bis wieder das miese neblige und unfreundliche Wetter einsetzen wird.  An Siegfried werde ich erst am Sonntag schreiben, denn ich bin noch nicht in der Stimmung dazu und am Sonntag werde ich hoffentlich auch eher Zeit Dazu haben.
Heute habe ich Euch eine ganze Masse verzapft. Ich will deshalb nun schließen. Genau vor einem Monat habe ich schon mächtige Reisegedanken gehabt. Es verfliegt doch nur so die Zeit. Ich sende Dir, mein liebes Mädel, recht viele Grüße und herzliche Küsse. Grüße und küsse auch die Kinder herzlich von Deinem Ernst

Samstag, 22. Oktober 2016

Brief 182 vom 22./23.10.1941


Meine liebe Frau !                                                                                       22.10.41    

Auch gestern hat die Post mich im Stich gelassen. Aber ich werde eben weiter warten. Ich habe gestern Graser anrufen wollen, mußte aber hören, daß er sich den Magen verdorben hat und deshalb nicht im Dienst sei. Den Tommi hatte ich dann anschließend angerufen, er muß wahrscheinlich ab Sonntag für die nächsten 8 Wochen auf einen Truppenübungsplatz. Er ist zwar nicht sehr begeistert, denn er ist ja nun ziemlich 10 Jahre älter wie ich, aber er wird es so nehmen müssen, wie es bestimmt wird. Er wollte mich für den kommenden Samstag/Sonntag nach Lille einladen, wie ich aber gestern auf dem Dienstplan feststellen mußte, bin ich für den Sonntag als OvD eingeteilt, so daß damit also nichts wird. Ich habe mir ja die Pariser Reise aus dem Kopf geschlagen, weil man nur gewissermaßen als Herde durch die Stadt geführt wird. Ich wäre zu gern einmal allein durch die Stadt gepilgert. Nun durch die Diensteinteilung ist ja alles geregelt. Heute habe ich wieder 3 Päckchen fertiggemacht und morgen kommen die letzten dran. Heute habe ich 7 bis 9 abgeschickt. Wegen Käse habe ich übrigens schon nachgefragt. Sobald ich wieder welchen bekomme, lasse ich ihn Dir zugehen. Die Filme habe ich bereits gekauft. Auch wegen der Taschenlampenbatterien habe ich nachgefragt. Man muß hier zwar auch die alten abliefern, aber ich soll noch welche bekommen. Wenn ich diese Sachen beieinander habe, schicke ich sie auch ab.
Das Wetter hat sich seit gestern wieder etwas aufgeklärt. Heute Morgen war es ziemlich kühl, aber der Jahreszeit entsprechend muß das ja so sein. Gestern war ich hier im Soldatenkino. Es wurde „Der Sündenbock“ gespielt. Warum das so hieß, habe ich leider vergeblich überlegt. Die Wochenschau die hier gespielt wurde, haben wir zusammen in Konstanz gesehen. Der Beifilm, der Mexiko schildern sollte, war auch nichts Bedeutendes.  Mit meinem Rücken scheint es sich so nach und nach doch zu geben. Es ist zwar noch nicht ganz gut, aber es geht schon wesentlich besser.  Die Ausstreuungen, die erst vorhanden waren, sind jetzt weggefallen und haben sich jetzt alles mehr auf einen Punkt konzentriert.
Wesentlich dabei ist, daß ich jetzt wenigstens wieder so einigermaßen laufen kann. Ich denke, daß sich das mit der Zeit auch noch geben wird. Das Rasiermesser habe ich heute an den Besteller hier abgeliefert. Ich habe von ihm dafür zwar 8,-RM verlangt, aber für die Mühe und für das Mitbringen muß ich ja schließlich auch etwas bekommen. Er war aber ganz zufrieden damit und sagte, daß das richtig sei. Also war doch wieder jemandem geholfen worden. Heute ist es nun eine Woche her, seit ich den Dienst aufgenommen habe. Das ist also alles für heute. Seid Ihr daheim alle recht herzlich begrüßt, besonders aber Du und die Kinder von Deinem Ernst

Mein liebes Mädel !                                                              23.10.41

Einmal muß ich ja recht behalten mit meiner Voraussicht. Gestern hat sie zugetroffen. 3 Briefe habe ich gleich auf einmal bekommen, über die ich mich sehr gefreut habe. Es sind Deine Briefe vom 17./19.10., die ich erhalten habe. Du hast Dich nun gleich noch über die Brombeeren hergemacht. Recht hast Du, wenn Du sie jetzt noch soweit verschnitten hast, da es das Wetter noch zugelassen hat. Ich kann mir denken, daß es jetzt wieder anders aussieht. Hoffentlich hast Du Dir nicht zuviel Splitter eingezogen und keinen Schaden weiter getan. Ich weiß, daß es eine Mordsarbeit ist. Wenn Du jetzt nicht genügend Kunstdünger bekommst, so muß Du Dich mit dem einteilen. Die Angelegenheit wegen des Geldes der Frau Graser ist ja nun erledigt. Ja mit der Heirat von Siegfried und Erna, das ist nun so eine Geschichte, die plötzlich kommt. Ich werde aber abwarten, bis ich von Leipzig Bescheid bekomme, bevor ich ihnen schreibe. Wegen des Geschenks warten wir ab, bis sie ihren Wunsch geäußert haben. Daß Dir das Schreiben aus diesem Grund nicht so einerlei ist, verstehe ich wohl.
Du hast das ja nun auch hinter Dir  daß die Kinder noch die ganze Woche schulfrei haben, werden sie wohl mit Freude vermerkt haben. Ich schrieb Dir ja auch schon, was  in Friedrichshafen oder Lindau für eine Krankheit herrscht, dann ist es schon besser, wenn man die Schule noch diese Woche ausfallen läßt, bevor man das Risiko eingeht, daß die ganze Stadt von einer Epidemie betroffen wird. Denn gerade in der Schule, wo so viele Kinder beieinander sitzen, ist die Gefahr der Ansteckung ungemein größer. Die Kinder sehen dies ja von einer anderen Seite und dabei haben sie vollkommen recht, denn wir haben es ja auch nicht anders gemacht. Schön ist es, daß Dir Jörg mitgeholfen hat.  Er ist nun auch schon groß genug, daß er das mitmachen kann. Ich freue mich, daß er seine Mutter nicht so allein hat schaffen lassen. Ich weiß, daß man sie nicht immer anspannen kann, aber mithelfen müssen sie von Zeit zu Zeit, damit sie merken, daß alles nicht ganz von allein kommt. Im Allgemeinen sind sie willige Kerle, wenn sie auch manchmal maulen, aber das macht ja nichts. Es hat ja doch nicht viel Zweck, denn machen müssen sie es ja doch. 
Mit dem Herrn Pflug hat es ja auch ein schnelles Ende genommen. Das wird einen Rummel beim Amt gegeben haben. Das Motiv zur Tat wird ja doch nach und nach durchsickern. 
Das wird den Kindern Freude gemacht haben, als Du mit ihnen „Mensch hau ab“ und „Mensch ärgere Dich nicht“ gespielt hast. Denn das macht ihnen doch immer Spaß. Daß unser Bengel langsam auch gescheiter wird, zeigt sich ja dadurch, daß er nicht mehr soviel Theater macht beim Haareschneiden. Übrigens Haareschneiden. Heute früh war ich auch. Ich schiebe es zwar nicht so lange raus, weil ich auch Angst habe, sondern man kommt nicht immer weg und andermal ist besetzt. Etwas Dampf habe ich zwar auch, aber aus einem anderen Grund. Wenn ich nämlich dort hinkomme  es sind dort 4 Gesellen beschäftigt  so fängt der eine immer gern an zu erzählen, weil er weiß, daß ich die Sprache etwas verstehe. Er meint nun immer, ich müßte ihm in der gleichen beredten Art antworten. Das fällt mir nun etwas schwer, denn das was ich kann, ist doch immer noch mehr oder weniger ein Radebrechen. Er hat es bis jetzt aber immer noch nicht aufgegeben. Heute früh kam ich nun hin und einer seiner Kollegen hat mich nun bedient. Der Dienst fing dort gerade an und wie es so üblich ist, wird dann immer erst erzählt, was Neues passiert ist. Der, der mich bediente, schimpfte über irgendeine Sache und die anderen hörten nun zu. Auf einmal stellte der eine fest, daß ich doch derjenige sei, der die Sprache versteht und macht seinen Kollegen sofort darauf aufmerksam. Der wollte es scheinbar erst gar nicht glauben, doch dann fragte er irgendetwas, um eine Bestätigung dafür zu bekommen, daß der andere recht hat. Die habe ich ihm dann auch gegeben. Du müßtest mal sehen, wie schnell er auf ein anderes Thema überwechselte. Es war auch gar nicht so schlimm, denn auf uns hat er nicht geschimpft, doch man merkte, daß es ihm sichtlich unangenehm war.
Heute schicke ich die Päckchen 10 bis 12 an Dich ab. Damit habe ich nun sämtlichen Zucker ab gesandt. Ich habe mich nochmals erkundigt, ob noch welcher da ist, aber es ist nichts zu machen.  Ob es später wieder welchen gibt, weiß ich noch nicht. Sag mal, soll ich Dir von der französischen Zahnpasta mal eine Tube mitschicken. Sie ist zwar nicht so wie unsere und ist noch dazu rot gefärbt. Ich wollte Dich nur darauf aufmerksam machen. Man bekommt sie zwar auch nicht mehr so, aber das was ich brauche erhalte ich schon noch. Ich habe heute auch wieder Zeitungen ab gesandt. Hoffentlich bekommst Du sie dann auch bald.  Ich glaube, daß es mit meinem Rücken nun langsam aufhört. Es ist zwar noch nicht ganz vorbei, wie ich Dir das gestern schon mitteilte, doch es läßt merklich nach.  Herzliche Grüße und viel Küsse sende ich Euch allen, Dir und den Kindern sende ich noch viele Küsse besonders und hoffe, daß Ihr alle zusammen gesund seid.  Dein Ernst 
Gestern hatten wir zur Abwechslung wieder mal Fliegeralarm. Es war zweimal hintereinander. Man muß aber feststellen, daß die Engländer ihre Einflüge ganz wesentlich  eingeschränkt haben. Vielleicht waren ihnen die Abschüsse, die wir erzielten, doch zu hoch.



Donnerstag, 20. Oktober 2016

Brief 181 vom 20./21.10.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                         20.10.41              

Heute habe ich nun vorerst wieder meinen alten Platz eingenommen, darum ist es mir auch ermöglicht, Dir meine Briefe wieder handschriftlich zu verfertigen. Gestern bekam ich gleich 3 Briefe von Dir und zwar die vom 13., 14. und 15. Heute erhielt ich den vom 16.10. Ich danke Dir für alle vielmals. Ich habe ja allerhand zu lesen gehabt, dann die Durchschläge Deiner Briefe und die Schreiben von Kurt und von Deinem Vater lagen ja auch noch bei. Nicht zuletzt will ich Helga noch für ihren lieben Brief danken, den sie mir geschrieben hat. Der hat mir ebenfalls viel Freude gemacht.
Doch ich will nun Deine Schreiben der Reihe nach beantworten.  Damit hast Du recht getan, wenn Du Dir einige Reclamhefte gekauft hast. Wenn Du sie ausgelesen hast, kannst du sie mir ja ruhig zuschicken. Daß sich die Kinder mit den Bonbons etwas beruhigt haben und daß sie sich sonst so tapfer benommen haben, freut mich sehr, was Du ihnen auch ruhig mitteilen kannst. Meine Karte ist also bald bei Dir angekommen. Ich hoffe, daß es Dir eine Beruhigung gewesen ist. Es war ja immerhin ein kleines Zeichen. An meinem Bestimmungsort bin ich ja früher angekommen, als ich erwartet hatte. Über den Verlauf der Fahrt hatte ich Dir ja auch schon berichtet. Ihr habt im Garten weiter abgeräumt. Das ist auch wieder eine schöne Arbeit gewesen. Mit Frau Steinmehl ist es aber schnell gegangen. Das Verhalten des Mannes ist ja auch etwas mehr wie eigenartig. Aber was können wir dabei machen. Wir wollen nicht, daß man sich in unsere Angelegenheiten reinmischt, dann machen wir das bei anderen auch nicht.
Die Kälte hat sich aber  bei Euch schon ziemlich stark gezeigt. Nachdem es nun stark auf den Monat November zugeht, muß man ja schließlich damit rechnen. Da kann ich also immer noch von Glück sagen, wenn ich noch so schönes Wetter im Urlaub gehabt habe. Wie ich Dir aber schon sagte, das sind mit die letzten schönen Tage gewesen, die ich gehabt habe.  Das Fräulein Hermann habe ich wohl gekannt.  Die war ja viele Male bei mir auf der Dienststelle, weil sie krank war, wurde sie auch vom Fürsorgeamt teilweise unterstützt.
Nachdem Du jetzt das Kellerfenster auch ausgeräumt hast und die Kartoffeln versorgt sind, ist ja im Keller so ziemlich alles erledigt.  Du hast ja nun inzwischen von anderwärts auch verschiedene Post erhalten. Kurt hat Dir ganz nett geschrieben, was mich persönlich für Dich sehr freut. Dein Vater hat Dir auch noch verschiedene Sachen zugehen lassen. Ich glaube gern, daß er sich jetzt sehr einsam fühlt. Wenn er Dir so schreibt, daß Du nicht zu kurz kommen würdest, so habe ich manchmal das Gefühl, als wenn er denken würde, man wartet nur darauf, daß man auch bei diesen Verteilungen richtig bedacht wird. Wir sind ja wirklich nicht so scharf darauf. Wenn er es zwar so schickt, um es Dir zu überlassen, weil Du mehr mit Deiner Mutter verwachsen bist wie Erna und weil er gern möchte, daß es auf die Art weiter geehrt wird, was Deine Mutter gehabt und getragen hat, so ist mir dies durchaus erklärlich. Bloß wir haben es ja nicht nötig, daß wir auf Erbschaften warten müssen, geschweige denn auf den Tod eines Angehörigen oder Verwandten. Du selbst hast Dich ja auch sehr angestrengt, um all denen zu schreiben, die Du mit Briefen bedenken willst. Dora wird hoffentlich zufrieden sein, wenn sie etwas Kaffee bekommen hat. Es besteht wahrscheinlich die Möglichkeit, hier welchen käuflich zu erwerben, ich weiß zwar noch nicht, was er kostet und ob es ihr dann recht ist, wenn ich ihr welchen dann zuschicke und dann den Preis verlange. Auch die andern werden sicherlich alle mit Dir zufrieden sein, wenn Du soviel geschrieben hast.  Für die Übersendung des Zeitungsausschnitts danken ich Dir vielmals. Es hat mich wirklich sehr interessiert. Auch der Abschnitt von Duelli. Das Geld an Frau Graser hast Du also inzwischen abgeschickt, so daß diese Angelegenheit sich erledigt hat.
Heute vor einer Woche bin ich bei Euch abgerückt. Man wundert sich, wie schnell die Wochen so vergehen. Aber wir müssen eben immer wieder denken, daß wir damit auch dem nächsten Urlaub näher kommen.  Ich habe heute die Päckchen 1 - 3 an Dich zur Absendung gebracht. Morgen gehen die nächsten 3 ab. Ich möchte mein Lager so nach und nach hier räumen, denn es liegt mir hier sonst alles herum und Du kannst es andererseits brauchen. Denke doch bitte einmal mit daran und kaufe mir wieder einige Inspiroltabletten, damit ich mir die Blechbüchse wieder auffüllen kann, die Du mir mitgegeben hast. Wenn ich wieder sonst für Euch etwas habe, werde ich Dir dies wieder zusenden.  Heute habe ich Dir wieder einmal einen längeren Brief geschrieben. Ich sende Dir und den anderen viele recht herzliche Grüße und Küsse. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid und daß Ihr alle wohlauf seid. Dein oft an Dich denkender Ernst. 
Zeitungen habe ich heute ebenfalls an Dich ab gesandt. Ich glaube, daß ich diese jetzt öfter tun werde, denn es läßt sich ganz gut machen.

Mein liebes Mädel!                                                                        21.10.41

Heute bringe ich die Päckchen 4 - 6 zur Absendung. Damit habe ich die Hälfte des noch hier lagernden Zuckers abgeschickt. Der Rest folgt noch dieser Tage. Hoffentlich kommt alles gut bei Dir an. Nachdem ich die Tage vorher so gut mit Post bedacht worden bin, will ich nicht unverschämt sein und nicht meutern, wenn ich gestern nichts von Dir bekommen habe. Wahrscheinlich erhalte ich heute wieder einen Brief von Dir. Seit unser Kriegsverwaltungsrat in Urlaub ist, geht es ziemlich ruhig bei uns zu. Sein Vertreter, der Inspektor, macht ja manchmal ganz tolle Zicken, doch ich gebe ja nicht meinen Namen dafür her. Ich will zwar nicht mit meiner Erfahrung anfangen, die ich nun einmal schon gewonnen habe, aber der Mann macht wohl alles wie er es für richtig befindet. Ob es dann aber richtig ist, das ist ja eine andere Frage.
Solange ich aber nicht gefragt werde, lasse ich den Karren laufen wie er läuft. Warum soll ich mich zu diesem Mann in Gegensatz stellen.  Das Verhältnis zwischen ihm und mir ist sowieso schon gespannt genug. Du kannst Dir sicher vorstellen, daß mir die Freude an der Arbeit dadurch ziemlich verleidet ist, aber im Augenblick kann ich hier nichts Besseres tun, als alles treiben lassen. Obwohl der Mann in der Beherrschung der deutschen Sprache kein großer Held ist, läßt man ihn ruhig so weitermachen. Vielleicht werden es auch die anderen einmal merken. Ich kümmere mich jetzt in keiner Weise mehr in dem Maße um die Dinge, die hier geschehen, denn dieser Mann glaubt ja hier, den Kram schmeißen zu müssen. Ich lasse ihn gern dabei. Eines  steht ja fest, daß mir dieser Mann nichts vormachen kann. Wenn ich dann mein abgeschlossenes Arbeitsgebiet habe, mache ich meinen Laden so wie ich ihn haben will. Bis zum Einzug in das neue Gebäude, was wir hier bekommen sollen, kann ich ja warten. Bei dem Tempo, was hier herrscht, kann sich das schon noch eine Weile hinziehen.  Ich habe Dir heute zwar vorwiegend von dem Klatsch erzählt, doch nach irgendeiner Seite muß man ja seinem Herzen Luft machen. Mache Dir aber keine Gedanken darüber, denn ich werde mit diesen Scheichen schon fertig werden und ich sage mir immer wieder, wenn es ihnen mit mir nicht paßt, sollen sie mich wieder in die Heimat schicken.  Heute bekam ich durch Zufall ein Lehrbuch der französischen Sprache. Ich habe es mir gekauft und werde mich dem Studium etwas widmen. Ich sehe, daß ich schon so viel kann, um das fortgeschrittene Buch mir vorzunehmen.  Ich sende Dir und den Kindern recht viele Grüße. In Gedanken weilt oft bei Dir Dein Ernst

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Brief 180a Zwischenspiel

In der Zeit der Pause, die gerade jetzt eintritt, weil meine Großmutter mit den Kindern zu ihren Verwandten nach Leipzig gefahren ist und gleichzeitig mein Großvater in Konstanz in eine leere Wohnung kommt, nutze ich die Lücke nun, um ein paar Bilder aus der damaligen Zeit zu posten.

 Athen mit Akropolis in Kriegszeiten 

 Am Meer in der Nähe von Athen

Auf der Akropolis, Ernst ist der ganz rechts

 In Brügge. Ernst ist der in der Mitte.

In den Festungsanlagen bei Lille

In Lille. Ernst steht rechts neben dem "Chef".

Von den Franzosen versenkte Schiffe blockieren den Hafen.

Zerbombte Innenstadt von Lille.