Donnerstag, 11. Februar 2016

Brief 106 vom 9./15.2.1941


Meine liebe Frau!                                                                             O.U., den 9.2.1941     

Wieder haben wir Sonntag. Einen Tag, an dem man sich ausruhen kann. Man merkt es heute förmlich. An Wochentagen, da haben wir einen Autoverkehr durch unsere Straße und in der ganzen Stadt. Kolonnenweise fahren sie hier durch, vom kleinsten Personenwagen bis zum größten Lastzug. Heute ist es wie ausgestorben. Wir sind auch nicht böse darum. Ich habe mit meinem Kameraden Graser wieder mein sonntägliches Morgenbad genommen. Es hat uns außerordentlich gut getan. Notwendig ist es ja immer wieder, und letzten Endes soll man solche liebgewordenen Gewohnheiten nicht aufgeben.
Manchmal will es scheinen, als ob es hier auch auf den Frühling zugeht. Vor Tagen habe ich schon Schwärme von Staren gesehen, die sich noch in der Stadt aufhalten, bis das Wetter draußen für sie brauchbar ist. Heute ist ein ganz mildes Wetter und ein lauer Wind weht durch die Straße. Ich bin froh darum, denn dann wird die Versorgung der Stadt mit Kohle nicht zu einem gar so schwierigen Problem.
Gestern hat Graser seine Beförderung, die er in der Heimat erfahren hat, auch hier bestätigt erhalten. Er ist jetzt Sekretär und steht jetzt im Range eines Leutnants. Er hat sich mächtig darüber gefreut und wir auch mit. Diese ganze Beförderung ist ja auch noch eine Geldangelegenheit. Mit seinem Bekleidungsgeld und mit seiner Nachzahlung erhält er etwa 500.-RM ausbezahlt. Im Laufe der kommenden Tage wird wohl bei ihm nun damit eine Feier verbunden werden. Wie es nun mit meinem Kurs werden wird, bin ich gespannt. Ehe ich aber von dem Zustandekommen von Karlsruhe keinen Bescheid bekomme, nützt nun wieder jede Genehmigung von hier nichts. Ich werde es wieder mit dem bewährten Prinzip halten müssen, abwarten.
Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 5.2. Ich muß leider immer wieder lesen, dass die Post so unregelmäßig bei Dir eingeht. Den Weihnachtsbaum habt Ihr nun endgültig versorgt. Wegen der Schokolade will ich sehen, ob ich nochmals ein Paket bekommen kann. Bestimmt kann ich es nicht versprechen, aber Du weißt ja, dass ich Dir gerne so einen kleinen Wunsch erfülle, wenn es mir möglich ist.
Jetzt haben wir es hier auch soweit, dass die jüdischen Geschäfte gekennzeichnet worden sind. Alle haben ein großes gelbes Plakat in drei Sprachen mit einem großen blauen Stern. Diese Maßnahme ist ja vorwiegend wegen den Soldaten durchgeführt worden. Verschiedene lassen sich aber immer noch durch die billigeren Preise anlocken und gehen doch noch hinein. Der Ordnungsdienst hat da schon zu tun, um derartige Ausschreitungen zu verhindern. Es ist aber sehr wichtig gewesen, dass dies gemacht wurde, man sieht jetzt erst, wie viele es solche Geschäfte gegeben hat.
Ich grüße Euch alle wieder recht herzlich und sende Euch ebenso viele herzliche Küsse. Dein Ernst.

Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 15.2.1941    

Ich habe Deine Briefe laufend erhalten. Die letzten Tage war ich sehr in Anspruch genommen, vor allem auch deshalb, weil ich immer in der Spannung bin, dass ich weg komme. Heute ist nun die Bestätigung gekommen, dass ich von meinem Chef für 3 Monate beurlaubt werden kann. Es hat sich also etwas länger hinaus gezogen, wie ich dachte. Meine Reise werde ich also wahrscheinlich am Dienstag oder Mittwoch antreten, je nach dem, wie es der Dienst erlaubt. Ich werde erst zwei Tage zu Euch kommen und dann nach Karlsruhe fahren. Über alles Weitere können wir ja sprechen. Ich freue mich jedenfalls auf unser Wiedersehen.
Für heute grüße und küsse ich Euch alle und Dich besonders, wenn ich heim komme. Dein Ernst.

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