Donnerstag, 11. Februar 2016

Brief 105 vom 6./7.2.1941


Meine liebe Annie!                                                                           O.U., den 6.2.1941    

Gestern kam ich leider nicht dazu, Dir zu schreiben. Kamerad Graser hat plötzlich so eine Art Mundfäule bekommen, so dass er daheim bleiben musste. Ich habe ihm seine Arbeit abgenommen, weil die anderen Kollegen, die dafür noch in Frage gekommen wären, so „überlastet“ sind. Heute hat nun für einen halben Tag ein anderer einspringen müssen. Ich kann nun wieder einen Teil meiner Arbeit nachholen. Morgen wird Graser sicher wieder zurück kommen, wenn es ihm einigermaßen besser geht.
Ich habe Dir die Durchschläge meiner Schreiben mit beigefügt, die Dir zur Unterrichtung in den Angelegenheiten dienen sollen. Der Chef hat noch dazu geschrieben, dass ich hier das Kraftfahrwesen bearbeite, und dass ich ein fleißiger und tüchtiger Mitarbeiter sei. Er hielte die Teilnahme an dem Kurs für meine weitere Ausbildung für notwendig. Ich muß ja auch noch abwarten, was ich für Bescheid von Konstanz erhalte.
Deine beiden Briefe vom 2. und 3.2. habe ich heute erhalten. Ich danke Dir herzlich dafür. Außerdem erhielt ich noch Deine kleine Sendung mit Pralinen, über die ich mich auch wieder gefreut habe. Während Siegfrieds Urlaub hast Du Dir nun verschiedene Filme ansehen können, was ich sehr begrüße, denn sonst ist es ja schon schwer für Dich, loszukommen.
Als wir heute früh aufwachten, war alles verschneit. Es lag eine Schneedecke von etwa 10cm. Es hat den ganzen Tag teilweise sturmartig runterfallen lassen, was nur ging. Erst gegen Abend hat es etwas nachgelassen. Der Verkehr wird ja dadurch nicht unwesentlich behindert. An verkehrsreichen Stellen ist schon der schlimmste Matsch.
Ich bitte Dich heute, mit meinem kurzen Schreiben vorlieb zu nehmen. Es wird Morgen sicherlich zu mehr reichen. Herzlich grüßet und küsst Dich und die Kinder Dein Ernst.


Gutes Mädel!                                                                                         O.U., den 7.2.1941   

Aus Deinem Brief vom 3.2., den ich heute erhielt, habe ich in Bezug auf Siegfried genau das herausgelesen, was ich geahnt und vorausgesehen hatte. Als ich den Brief von den Eltern las und sie schrieben, dass sie Oma zu sich heim nehmen wollen, habe ich mir gleich gedacht, das gibt bei Siegfried eine Katastrophe. Nach Deiner Schilderung ist es auch nicht weit davon entfernt gewesen. Ich bin nur gespannt, wie sich da die Dinge entwickeln. Hoffentlich kommt es zu einer beiderseitig befriedigenden Lösung. Ich würde es auch im Interesse Deiner Mutter wünschen. Es besteht für uns aber keine Möglichkeit und auch keine Befugnis, in die Verhältnisse einzugreifen. Schließlich sollte Siegfried auch wissen, was er tut, obwohl er sich nach so vielen Irrungen nun einmal so oder so entscheiden sollte. Doch bei uns ist es ja so, dass wir nicht groß mitreden können.
Ich kann mir gut vorstellen, wie Du auf Deine Art die Dir überflüssig erscheinenden Gespräche Siegfrieds abgebogen hast. Es freut mich, dass es auch ihm in unserem Haus gefallen hat. Bis jetzt kann sich auch noch niemand darüber beschweren, dass er nicht gastfreundlich aufgenommen worden ist, soweit er sich an unsere Hausordnung gehalten hat. Da hat er wahrscheinlich einen ziemlich regen Briefwechsel gehabt. Es hat mich nur sehr gefreut, dass die Tage für Dich soweit friedlich verlaufen sind. Daß es ihm bei uns gefallen hat, geht ja schon daraus hervor, dass er nur einen Tag Nachurlaub bei Dir eingegeben hat; oder ist es das beklemmende Gefühl bei ihm gewesen, Tatsachen zu begegnen, die ihm nicht angenehm sind. Na, lassen wir die Dinge laufen, wir werden schon wieder hören.
Unser Schnee hat uns heute auch wieder ganz plötzlich verlassen. Nur einige Haufen mit Schneematsch und einige Pfützen zeugen noch davon. Ich lasse Dir heute ein Stoffmuster mit zugehen. Von dieser Sorte habe ich mir einen Mantel bestellt. Er soll etwa 45 /50 RM kosten. Ich denke, dass ich das mit abtragen werde. Sende es mir doch bitte wieder zurück, zum Vergleichen bei der Fertigstellung. Wegen des Geldes überlasse ich Dir es, was Du entbehren kannst. Bei uns sind hier die Verhältnisse ziemlich unklar. Wir wissen nicht, ob in den nächsten Wochen unsere Dienststelle der Oberfeld- oder der Feldkommandantur zugewiesen wird. Unser Chef hat die Absicht, in die Heimat zurück zu gehen, so dass diese Maßnahme notwendig wird. Wegen mir sind die Dinge ja auch noch unklar, ob ich für den Kurs freigegeben werde und zweitens, ob der Lehrgang überhaupt steigt. Wie immer werden wir es auch hier machen, wir warten ab. Dir hatte ich, so viel ich in Erinnerung habe, schon mitgeteilt, dass ich gegen den Bezug der Frauenwarte nichts einzuwenden habe, doch bitte ichn Dich, darauf zu achten, dass Du kein großes Abonnement eingehst.
Was machen unsere beiden Stromer? Sind sie auch brav und musst Du Dich nicht fest mit ihnen ärgern? Helga soll nur schön weiter lernen und Jörg soll nicht so einen dicken Kopf haben. Du selbst bleib schön gesund und sei recht vielmals gegrüßt und geküsst von Deinem Ernst.

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