Montag, 1. Februar 2016

Brief 103 vom 2./3.2.1941


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U., den 2.Februar 1941         

Ich freue mich wieder mit Dir, dass Dir die Dir vorenthaltenen Briefe nun, wenn auch außer der Reihe, zugestellt werden. In Deinem Brief vom 29., den ich gestern erhielt, hast Du mir mitgeteilt, dass Du meine Briefe vom 15., 16. und 22.1. erhalten hast. Die anderen werde sicher auch inzwischen bei Dir angekommen sein.
Daß Helga so Freude an der Musik hat, ist mir eine Genugtuung. Wenn sie Lust hat, kann sie, wie wir es schon besprochen hatten, eine Blockflöte bekommen. Dies Instrument soll sich verhältnismäßig leicht lernen lassen. Wenn es ihr Spaß macht, soll sie von mir aus das Vergnügen haben. Wegen mir kannst Du ihr auch eine größere Mundharmonika anschaffen, damit sie etwas rechtes hat, nachdem sie schon über die ersten Anfänge hinaus ist. Tu also, was Du für am nützlichsten hältst.
Bei Euch ist es wieder kälter geworden. Heute hat es sich nach den vorangegangenen nebligen und regnerischen Tagen schön aufgeklärt. Die Sonne hat schön geschienen und der Himmel war so schön tiefblau. Es erscheint direkt als eine Seltenheit, wenn der Tag einmal nicht so grau und trübe ist.
Wegen der Umstellung auf unsere früheren Verhältnisse brauchst Du Dir bestimmt keine Sorgen zu machen. Wenn ich auch einmal später von hier erzählen sollte, so musst Du dies nicht für bare Münze nehmen. Glaube mir, nachdem wir aus einfachen Verhältnissen gekommen sind, macht mir dies keine Schwierigkeiten, mich wieder zurückzugewöhnen. Anders wären doch die Dinge, wenn es umgekehrt gewesen wäre. Zudem ist es doch so, dass sich neben der wahrscheinlichen Hebung des allgemeinen Lebensstandards, sich auch für mich die Möglichkeit bietet, entsprechend meinen Kenntnissen und Fähigkeiten irgendwo unterzukommen. Eine Veränderung käme dann selbstverständlich nicht anders in Frage, wenn eine Verbesserung für mich für mich dabei wäre. Im Übrigen kannst Du Dich darauf verlassen, dass ich meine drei daheim nicht vergesse und dass ich sie lieb behalte. Bevor ich Deinen gestrigen Brief erhielt, habe ich mich, obwohl die vergangene Zeit fast jeden Abend bei Gauguies war, verschiedene Abende dort nicht mehr sehen lassen und bin gleich nach dem Essen heim gegangen. Es hat zwar einiges Aufsehen erregt, aber Du weißt ja, wenn ich mir einmal was in meinen dicken Schädel gesetzt habe, so muß das durchgeführt werden. Na, Du kennst ihn ja in anderer Beziehung selbst zur Genüge.
Ist Siegfried so schwach in den Nerven, dass er sich nur mit einem unserer Borzeln in die Stadt wagt? Etwas mehr Schneid hätte ich ihm schon zugetraut. Heute hat ja das letzte Urlaubsstündlein für ihn bei Euch geschlagen. Seine Zusätze unter Deinen Briefen fand ich übrigens sehr inhaltsreich und nichtssagend. Lassen wir ihn so, wie er ist, wir sind doch keine Menschenverbesserer. Ich nehme an, dass Du in einer Art froh sein wirst, wenn Du wieder allein bist, abgesehen davon, dass ich jetzt nicht da sein kann.
Von meinen Kameraden soll ich Dich herzlich grüßen, ebenfalls von der Familie Gauguie. Ich selbst grüße Euch recht herzlich und sende Euch viele Küsse. In fester Verbundenheit bin ich immer Dein Ernst.

Meine liebe Frau!                                                                   O.U., den 3.Februar 1941     

Ich erhielt heute Deine beiden lieben Briefe vom 30. und 31.1.1941 und danke Dir recht herzlich dafür. Bevor ich jedoch auf diese eingehe, muß ich Dir von einem weiteren Brief berichten, der heute bei mir ankam. Die Stadt hat mir heute geschrieben, ob ich an einem dreimonatlichen Lehrgang für den mittleren Dienst teilnehmen will, der zwischen dem 6. und 15. 2. beginnen soll. Ich habe diesen Brief meinem Chef vorgelegt, der jedoch anfänglich Bedenken hegte, doch mir am Ende riet, ich soll ein Gesuch um Beurlaubung für diese Zeit einreichen. Wie ich die Dinge bei ihm gesehen habe, glaubt er zwar, mir wenig Hoffnung machen zu können. Ich habe mir nun nochmals alles überlegt und auch mit meinen Kameraden darüber gesprochen. Ich werde der Stadt in zusagendem Sinne schreiben, und hier versuchen, in gleichem Sinne zu wirken, um los zu kommen. Ob es zwar gelingt, weiß ich noch nicht. Über das Ergebnis meiner Bemühungen werde ich Dich stets auf dem Laufenden halten. Es wird sich ja zeigen, was ich hier erreiche.
Wie bei Euch, hat seit gestern auch bei uns die Witterung umgeschlagen. Es weht ein kalter Wind und die Temperatur steht auf -3°. Es freut mich, dass Du wieder einige Male im Kino warst. Ich bin heute auch wieder einmal drin gewesen. „Renate im Quartett“ wurde gespielt, was sehr nett und unterhaltend war. Ja, es ist doch ein wesentlicher Unterschied zwischen deutschen und französischen Filmen. Am Samstag war ich mit dem Tommy auf Freikarte in einem französischen Film. Als ich wieder rausging, musste ich mich erst fragen, was wollten die eigentlich? Wenn ich draußen während dieser Zeit eine weiße Wand angestarrt hätte, wäre ich genauso weit gewesen.
Siegfrieds Bemerkung unter seinem letzten Brief, dass Du ihn nicht mit nimmst, weil Du Dich seiner Aufsicht entziehen willst, ist zwar sehr unpassend und auch unnötig. Du hast es gewiß nicht nötig, solche Aufsicht anzunehmen. Ich habe auch ohne ihn ein großes Vertrauen zu Dir und nicht einmal Angst, dass etwas vorfällt, wie er schreibt. Ich will mich auch nicht weiter darüber ärgern, denn er ist ja nun bereits wieder in Leipzig.
Über die jeweiligen Grüße und Küsse von unseren beiden Stromern freue ich mich jedes Mal. Sage ihnen meinen besten Dank und ich erwidere sie ebenso herzlich und kräftig. Dich selbst aber grüßt und küsst in gleicher Weise Dein Ernst.
Abschrift der Stadt füge ich zu Deiner Information mit bei. Du wirst sie schon lesen können.

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