Mein
liebes Mädel! O.U., den 2.Februar 1941
Ich freue mich wieder mit
Dir, dass Dir die Dir vorenthaltenen Briefe nun, wenn auch außer der Reihe,
zugestellt werden. In Deinem Brief vom 29., den ich gestern erhielt, hast Du
mir mitgeteilt, dass Du meine Briefe vom 15., 16. und 22.1. erhalten hast. Die
anderen werde sicher auch inzwischen bei Dir angekommen sein.
Daß Helga so Freude an der
Musik hat, ist mir eine Genugtuung. Wenn sie Lust hat, kann sie, wie wir es
schon besprochen hatten, eine Blockflöte bekommen. Dies Instrument soll sich
verhältnismäßig leicht lernen lassen. Wenn es ihr Spaß macht, soll sie von mir
aus das Vergnügen haben. Wegen mir kannst Du ihr auch eine größere
Mundharmonika anschaffen, damit sie etwas rechtes hat, nachdem sie schon über
die ersten Anfänge hinaus ist. Tu also, was Du für am nützlichsten hältst.
Bei Euch ist es wieder kälter
geworden. Heute hat es sich nach den vorangegangenen nebligen und regnerischen
Tagen schön aufgeklärt. Die Sonne hat schön geschienen und der Himmel war so
schön tiefblau. Es erscheint direkt als eine Seltenheit, wenn der Tag einmal
nicht so grau und trübe ist.
Wegen der Umstellung auf
unsere früheren Verhältnisse brauchst Du Dir bestimmt keine Sorgen zu machen.
Wenn ich auch einmal später von hier erzählen sollte, so musst Du dies nicht
für bare Münze nehmen. Glaube mir, nachdem wir aus einfachen Verhältnissen
gekommen sind, macht mir dies keine Schwierigkeiten, mich wieder
zurückzugewöhnen. Anders wären doch die Dinge, wenn es umgekehrt gewesen wäre.
Zudem ist es doch so, dass sich neben der wahrscheinlichen Hebung des
allgemeinen Lebensstandards, sich auch für mich die Möglichkeit bietet,
entsprechend meinen Kenntnissen und Fähigkeiten irgendwo unterzukommen. Eine
Veränderung käme dann selbstverständlich nicht anders in Frage, wenn eine
Verbesserung für mich für mich dabei wäre. Im Übrigen kannst Du Dich darauf
verlassen, dass ich meine drei daheim nicht vergesse und dass ich sie lieb
behalte. Bevor ich Deinen gestrigen Brief erhielt, habe ich mich, obwohl die
vergangene Zeit fast jeden Abend bei Gauguies war, verschiedene Abende dort
nicht mehr sehen lassen und bin gleich nach dem Essen heim gegangen. Es hat
zwar einiges Aufsehen erregt, aber Du weißt ja, wenn ich mir einmal was in
meinen dicken Schädel gesetzt habe, so muß das durchgeführt werden. Na, Du
kennst ihn ja in anderer Beziehung selbst zur Genüge.
Ist Siegfried so schwach in
den Nerven, dass er sich nur mit einem unserer Borzeln in die Stadt wagt? Etwas
mehr Schneid hätte ich ihm schon zugetraut. Heute hat ja das letzte
Urlaubsstündlein für ihn bei Euch geschlagen. Seine Zusätze unter Deinen
Briefen fand ich übrigens sehr inhaltsreich und nichtssagend. Lassen wir ihn
so, wie er ist, wir sind doch keine Menschenverbesserer. Ich nehme an, dass Du
in einer Art froh sein wirst, wenn Du wieder allein bist, abgesehen davon, dass
ich jetzt nicht da sein kann.
Von meinen Kameraden soll ich
Dich herzlich grüßen, ebenfalls von der Familie Gauguie. Ich selbst grüße Euch
recht herzlich und sende Euch viele Küsse. In fester Verbundenheit bin ich
immer Dein Ernst.
Meine liebe Frau! O.U., den 3.Februar 1941
Ich erhielt heute Deine
beiden lieben Briefe vom 30. und 31.1.1941 und danke Dir recht herzlich dafür.
Bevor ich jedoch auf diese eingehe, muß ich Dir von einem weiteren Brief
berichten, der heute bei mir ankam. Die Stadt hat mir heute geschrieben, ob ich
an einem dreimonatlichen Lehrgang für den mittleren Dienst teilnehmen will, der
zwischen dem 6. und 15. 2. beginnen soll. Ich habe diesen Brief meinem Chef
vorgelegt, der jedoch anfänglich Bedenken hegte, doch mir am Ende riet, ich
soll ein Gesuch um Beurlaubung für diese Zeit einreichen. Wie ich die Dinge bei
ihm gesehen habe, glaubt er zwar, mir wenig Hoffnung machen zu können. Ich habe
mir nun nochmals alles überlegt und auch mit meinen Kameraden darüber
gesprochen. Ich werde der Stadt in zusagendem Sinne schreiben, und hier
versuchen, in gleichem Sinne zu wirken, um los zu kommen. Ob es zwar gelingt,
weiß ich noch nicht. Über das Ergebnis meiner Bemühungen werde ich Dich stets
auf dem Laufenden halten. Es wird sich ja zeigen, was ich hier erreiche.
Wie bei Euch, hat seit
gestern auch bei uns die Witterung umgeschlagen. Es weht ein kalter Wind und
die Temperatur steht auf -3°. Es freut mich, dass Du wieder einige Male im Kino
warst. Ich bin heute auch wieder einmal drin gewesen. „Renate im Quartett“
wurde gespielt, was sehr nett und unterhaltend war. Ja, es ist doch ein
wesentlicher Unterschied zwischen deutschen und französischen Filmen. Am Samstag
war ich mit dem Tommy auf Freikarte in einem französischen Film. Als ich wieder
rausging, musste ich mich erst fragen, was wollten die eigentlich? Wenn ich
draußen während dieser Zeit eine weiße Wand angestarrt hätte, wäre ich genauso
weit gewesen.
Siegfrieds Bemerkung unter
seinem letzten Brief, dass Du ihn nicht mit nimmst, weil Du Dich seiner
Aufsicht entziehen willst, ist zwar sehr unpassend und auch unnötig. Du hast es
gewiß nicht nötig, solche Aufsicht anzunehmen. Ich habe auch ohne ihn ein großes
Vertrauen zu Dir und nicht einmal Angst, dass etwas vorfällt, wie er schreibt.
Ich will mich auch nicht weiter darüber ärgern, denn er ist ja nun bereits
wieder in Leipzig.
Über die jeweiligen Grüße und
Küsse von unseren beiden Stromern freue ich mich jedes Mal. Sage ihnen meinen
besten Dank und ich erwidere sie ebenso herzlich und kräftig. Dich selbst aber
grüßt und küsst in gleicher Weise Dein Ernst.
Abschrift der Stadt füge ich
zu Deiner Information mit bei. Du wirst sie schon lesen können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen