Mein sehr liebes Mädel ! O.U., den 8.12.1940
Es ist wieder Sonntag, das Wetter ist
nicht gerade sehr einlandend, so daß ich heute eine feine Gelegenheit habe,
mich nützlich zu machen. Ich habe mir das Wunschkonzert angestellt und bin nun
fertig mit Päckchenpacken. Zwölf Stück habe ich wieder fertig und die werde ich
morgen oder übermorgen zur Absendung bringen. Die Aufstellung wegen der anderen
Päckchen, die Du mir gesandt hast, habe ich nochmals durchgesehen und mit
meiner Aufzeichnung verglichen. Es ist also alles angekommen. Nun kann ich Dir
noch mitteilen, daß ich am Freitag alle sechs Päckchen von Dir erhalten habe.
Ich danke Dir herzlich dafür. Ich habe sie aus dem Papier gepackt und mußte
feststellen, daß auf allen draufstand „für Weihnachten“. Da ich ja nun
wahrscheinlich heute in 14 Tagen bei Euch oder bald bei Euch sein werde, habe
ich mir gedacht, Dein Einverständnis im stillen voraussetzend, daß ich mir am
kommenden Sonntag die Päckchen ganz aufmache, denn sonst müßte ich womöglich
alles mit nach Hause nehmen, was eine Mordsschleppung wäre.
Wegen des Schreibens um Deine Angst bin
ich Dir gar nicht böse und ich habe durchaus Verständnis dafür. Vor allem, wenn ich mir vergegenwärtige, daß
Du mit Deinen Gedanken so ziemlich allein bist, außer wenn ich berücksichtige,
daß wir uns Briefe schreiben. Das ist aber alles nur Ersatz.
Die Eltern haben ja von mir inzwischen
Nachricht erhalten. Der Wunschzettel von Jörg ist sehr einfach, aber drastisch.
Man weiß gleich, was er will. Man muß sich zu helfen wissen. Ich werde versuchen,
ihm hier noch einige französische Soldaten zu erstehen, damit es für ihn
interessanter wird.
Das Wunschkonzert ist doch wieder
fabelhaft. Der Lommel ist doch eine Type. Gestern war ich wieder einmal im Kino
der Soldaten. Es war zwar ein leichter aber netter Film. Ich muß mich noch sehr
halten, damit ich mich nicht bald wieder ins Bett legen muß.
Nach dieser großen Packerei bin ich etwas
fertig und bin für heute so ziemlich am Ende meiner Kunst. Ich grüße und küsse
Euch, meine Lieben, recht herzlich. Dir mein liebes Mädel, sende ich besonders
herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.
Mein liebstes Mädel ! O.U., den 9.12.1940
Eigentlich hätte ich Deinen lieben Brief
vom 5.12. schon am Samstag erhalten sollen, doch er wurde mir erst heute früh
zugestellt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, auch über die Zeilen von Helga
und die Bilder von Jörg. Inzwischen ist ja auch das Schreiben vom Nikolaus an
die Kinder angekommen, worin er schreibt, warum er in diesem Jahr keine Zeit
hat.
Daß Dich mein Brief vom 28.11. so gefreut
hat, ist mir gleichzeitig eine Beruhigung im Hinblick auf Deine letzten
Schreiben. Um diese Jahreszeit ist es wahrhaftig nicht schön auf der Messe, und
wenn man daheim eine warme mollige Stube hat, so freut man sich doppelt darauf
bei diesem Wetter. Ich weiß noch sehr wohl, wie Du immer aufgeatmet hast, wenn
Du bei nassem oder kaltem Wetter in die warme Küche kamst. Bei uns war es ja
sonst immer sehr heimelig, so am Abend. Ich freue mich jedenfalls darauf, bald
mit Dir wieder zusammensitzen zu können.
Eins muß ich feststellen, Du tust ja sehr
viel für Deine Fortbildung. Du hast Dich jetzt an Goethe rangemacht, ja, wenn
ich ehrlich sein soll, so habe ich Dir mitzuteilen, daß auch ich noch nicht den
Faust gelesen habe. Wir waren also bis dahin gleich dumm, und jetzt bist Du
also gescheiter wie ich. Das ist also auch ein Zeichen des Krieges. Da muß ich
mich also erheblich anstrengen, um das alles nachzuholen, was ich während
dieser Zeit versäumt habe. Wenn Du mir derartige Mitteilungen machst, so interessiert
mich das wirklich sehr.
Daß Du für Weihnachten schon alles
beieinander hast, entspricht durchaus Deiner gewohnten Vorsorge. Den Baum wirst
Du zwar auch allein besorgen müssen, doch ich denke, daß Dir dies nichts ausmacht.
Heute habe ich die schriftliche Bestätigung erhalten, daß ich vom 22.12.40 bis
1.1.41 Urlaub habe. Ich denke, daß mir jetzt kaum noch jemand daran dreht. Die
Fragen und die Wünsche von Helga und Jörg sind ja ganz und gar kindlich, doch
man sieht, daß bei Jörg die Bescheidenheit keine große Rolle zu spielen hat.
Am Abend erhielt ich noch Deine beiden
Briefe vom 4. und 5./6.12. Auch dafür danke ich Dir recht sehr. Deine
Schilderung hat mich köstlich gefreut. Das sieht dem Strolch doch wieder
ähnlich. Na und wie ich sehe, ist es ja ohne Rute abgegangen und seine
Geschenke haben auch Freude bereitet. Dieses Ereignis wäre auch für dieses Jahr vorüber. Ich hätte mich zwar gefreut,
wenn ich hätte auch dabei sein können.
Dann fangen ja Helgas Ferien mit meinem
Urlaub an, bloß bei mir dauert er nicht so lange. Ja, Deine schnelle
Stellungnahme zur Urlaubsfrage freut mich sehr, doch junge Frau, ich muß Dir mitteilen,
Du kommst leider etwas zu spät, denn das ist ja alles schon überholt. Ich
brauche also zu Deiner Stellungnahme keine
Stellung mehr zu nehmen. Morgen gehen die gestern gepackten Päckchen weg. Ich
habe erst Briefmarken besorgen müssen. Es sind vorwiegend Konserven, dann noch
Schokolade, Seife und für Vater etwas Tabak. Ich habe noch 5 kg Kaffee (er ist
ungebrannt) gekauft, und nun steht mir auch noch 2 kg gebrannter Kaffee zu.
Diesen werde ich auch noch absenden. Das Lager unserer Kantine wird aufgelöst,
so daß dies wahrscheinlich der letzte Kaffee sein wird. Was ich dann noch da
habe, bringe ich dann mit. Ich habe deshalb diese Sachen alle ab gesandt, damit
die Schlepperei nicht gar zu groß ist. Recht herzliche Grüße und viele Küsse
sende ich Euch allen. Dir mein liebes Mädel, sei besonders herzlich gegrüßt und
geküßt von Deinem Ernst.
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