Freitag, 11. Dezember 2015

Brief 89 vom 10./11.12.1940


Liebste Frau !                                                                                   O.U., den 10.12.1940 

Es ist nun wieder Abend und nach dem Nachtessen habe ich mich auf mein Zimmer zurückgezogen. Erst habe ich verschiedene Zeitungen gelesen und Radio gehört und jetzt möchte ich Dir vor dem Schlafengehen noch meinen Brief schreiben, damit Du nicht zu kurz kommst. Obwohl ich heute keine Post erhalten habe, freue ich mich noch von gestern, wo Du noch im letzten Schreiben mitteilst, daß der Brief an die Kinder immerhin noch am 6. angekommen ist. Ebenso bedeutet es immer eine gewisse Erleichterung, wenn man liest, daß einige Päckchen ihren Bestimmungsort erreicht haben. Morgen werde ich ja von Dir sicher wieder etwas zu lesen bekommen. Die angekündigte Absendung der zwölf Päckchen ist also heute vollzogen worden. Wenn es gut geht, kommen sie vielleicht noch vor Weihnachten bei Dir an. Es ist hierbei nicht uninteressant, wenn man feststellt, daß ich über 60 Päckchen bis jetzt an Euch habe absenden können.
Das Wetter ist wieder sehr regnerisch geworden, so daß man ganz froh ist, wenn man so seine ordentliche Bude hat, die auch schon durchgeheizt ist. In Bezug auf die Heizung können wir uns ja noch nicht beklagen. Wir haben an unserer Dampfheizung einen Defekt gehabt, der ist aber kürzlich behoben worden, so daß in dieser Hinsicht alles in Ordnung ist.
Ich weiß nicht, wie die Möglichkeiten wegen des Fleisches für Weihnachten sind. Ich habe hier aber dieser Tage etwas von Gänsen gehört. Wenn ich genaueren Bescheid habe, werde ich Dir noch schreiben, ob ich eine mitbringe. Heute haben wir wieder einen Hasen geschenkt bekommen. Es fällt also immer wieder etwas ab. Wenn nicht die Transportschwierigkeiten wären, ließe sich manchmal etwas machen. Wir sind ja mit dem zufrieden, was wir haben und was wir erreichen konnten. Eines freut mich aber ungemein, und dies ist mein bevorstehender Weihnachtsurlaub. Ich will nur hoffen, daß alles glatt geht.
Vom Dienst kann ich Dir nichts weiter berichten, denn der geht gleichmäßig und ungehindert weiter. Wir fangen jetzt zwar 1/2 9 Uhr an und arbeiten bis 3/4 1 Uhr. Mittagessen ist immer noch von 1 - 2 Uhr. Anschließend halten wir bis gegen 3 Uhr unseren Mittagsschlaf. Dann verziehen wir uns wieder aufs Büro, um bis 6 Uhr wieder zu arbeiten. Meistens wird es 1/2 oder 3/4 sieben Uhr, bis wir soweit sind. Der Tommy hat dann die Angewohnheit, noch etwas mit nach Hause zu nehmen, so daß wir sehr oft um 10 Uhr noch einmal anfangen, etwas wegzuarbeiten oder miteinander zu besprechen. Die anfängliche geringe Beschränkung des Kraftfahrzeugumlaufs wird in gewisser Hinsicht immer mehr eingeschränkt. Doch fährt man allgemein hier immer noch mehr Auto wie im Reich. Ich glaube aber, daß es mit der Zeit hier auch weniger werden.
Ich grüße und küsse Euch alle recht vielmals. Besondere Grüße und Küsse bekommst Du heute und wenn ich zurückkomme von Deinem Ernst.  

Meine liebe Frau!                                                                         O.U., den 11.12.1940

Auch heute hat die Post wieder einen Ruhetag für mich eingeschoben. Na ja, Du kennst ja unseren alten Stoßseufzer. Doch wie Du aus den beigefügten Durchschlägen siehst, habe ich mich heute endlich einmal drangemacht und an Kurt und Siegfried geschrieben. Ein Pech habe ich zwar dabei gehabt, die Adresse von Kurt habe ich verlegt. Auf einem Briefumschlag habe ich mir die Nummer 19655 notiert. Ich werde diesen Brief an die Adresse richten. Falls sie nicht stimmen sollte, bitte ich Dich, den beigefügten Durchschlag an Kurt weiterzuleiten, damit nicht noch mehr Zeit versäumt wird.
Heute habe ich auch die gesandten 25,-RM, die schon seit letzter Woche auf unserer Zahlmeisterei liegen, die ich aber wegen meiner Bettliegerei nicht abholen konnte, in Empfang genommen. Ich danke Dir dafür, ich werde sie zweckentsprechend verwenden. Ich habe mich heute deswegen gleich an die anderen Briefe noch gesetzt, weil heute wieder Pflichtessen stattfindet. So habe ich Zeit bis nach 9 Uhr. Von diesem Zeitpunkt ab kann ich dann ungehindert essen, denn dann hat sich unser General verzogen. Man muß immer wieder zusehen, wie man etwas Praktisches mit nützlichem verbinden kann. Ja, wenn man Soldat ist, muß man auf allerhand Schliche kommen, sonst kommt man unter den Schlitten.
Wie Du aus dem Durchschlag ersehen kannst, findet morgen wieder ein Konzert statt. Ich bin sicherlich wieder dabei, doch habe ich mir vorgenommen, wieder abzurücken, wenn das Theater kalt ist. In diesen Tagen muß ich nun noch ein Probepacken vornehmen, damit ich keine Schwierigkeiten habe mit meinen Koffern, denn die Tage sind dann schnell vorbei und es gibt doch manches wieder mitzunehmen.
Wie ich in den Briefe schon früher erwähnte, sind die Tage bisher noch nicht winterlich gewesen. Einzig und allein die kurzen Tage erinnern daran, daß man im Winter lebt. Doch in 14 Tagen haben wir den kürzesten Tag erreicht und dann geht es ja wieder aufwärts. Ich glaube, auch Du wirst froh darüber sein. Ich habe es bis jetzt allerdings noch nicht als sehr lästig empfunden, wenn die Tage kürzer sind, denn wenn man den ganzen Tag so beschäftigt ist, tritt einem das gar nicht so sehr in Erscheinung. Ich denke mir aber, daß Du weniger darüber erfreut sein wirst, schon mit Rücksicht auf die hohe Lichtrechnung.
Ich sende heute verschiedene Bilder und Schriftstücke wieder zurück, die Du ja mit aufheben kannst. Auch mein letzter Urlaubsschein ist mit angeschlossen. Recht herzliche Grüße und Küsse sende ich Euch allen. An Helga und Jörg kannst Du je einen Kuß in meinem Auftrag abgeben. Die Grüße von Vater lasse ich ebenso herzlich erwidern. Am Ende bist aber Du wieder besonders an der Reihe. Also nimm recht viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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