Freitag, 30. Oktober 2015

Brief 73 vom 29./30./31.10.1940


Meine liebe Annie!                                                                O.U., den 29.10.1940      

Deinen sowie Helgas Brief mit den Zeichnungen von Jörg vom 24./25. bekam ich heute Mittag. Ich habe mir alles gleich nach dem Mittagessen vorgenommen und auch schon verdaut. Ich danke Euch recht herzlich für Eure lieben Nachrichten. Ihr habt Euch wieder sehr angestrengt.
Ich möchte gleich vorwegnehmen, daß ich heute ein Päckchen mit Kakao, Schokolade und dem größten Teil des gekauften Gummis abgesandt habe. Hoffentlich kommt alles gut an. Zum weiteren möchte ich Dir nun mitteilen, daß ich mich nun nach schwerem Ringen zu einem Mantel für Dich entschlossen habe. Es bestand gestern ein Hörfehler. Es war nicht exotisches, sondern äthiopisches Yemen. Du brauchst nicht gleich deswegen lachen, denn diesen Konversationen in französischer Sprache kann man nicht immer leicht folgen, jedenfalls freue ich mich, daß ich schon im Vergleich zum Anfang meines Aufenthalts erhebliche Fortschritte in meinen Sprachkenntnissen gemacht habe. Diese Feststellung stammt nicht allen von mir, sondern dies ist mir auch schon von kompetenter Seite bestätigt worden. Ich freue mich aber nicht allein deswegen, sondern auch darum, daß ich mich jetzt endlich durchgerungen habe, mich für ein Stück zu entscheiden. Es ist ja so, daß Du nicht selbst dabei bist, und Dir soll es auch passen und gefallen. Sei froh darüber, daß ich Dich dieser Sorge enthoben habe, es war nicht so leicht, denn so etwas kauft man ja nicht jedes Jahr. Hoffentlich hast du auch Gefallen daran. Ich würde ihn Dir ja gerne jetzt schon zukommen lassen, denn so hättest Du doch einen Nutzen davon.
Die Beschränkungen, die bestanden haben, sind ja nun grundsätzlich aufgehoben; einige Artikel ausgenommen. Päckchen bis zu 1 kg kann man ja jetzt in beliebiger Anzahl senden, ebenso kann man mehr wie 20 Pfd. mit in Urlaub nehmen, ausgenommen selbstverständlich Plünderungsgut.
Am Nachmittag erhielt ich nun noch Deinen Brief vom 26., so daß ich heute von Euch reichlich mit Post bedacht worden bin. Dieser Vorfall mit der Bertel zeugt ja ohne weiteres von der Geistesgröße dieser Menschen. Eine ähnliche Heldin ist ja auch die Frau Synkovis. Das ist doch die geschiedene Frau von dem Schmidt, der einmal bei Schupps gewohnt hat. Von einer vorteilhaften Beeinflussung der dieser Frau anvertrauten Kinder bin ich keineswegs voll überzeugt, denn sie hat sich ja lange nicht einmal um ihre eigenen Kinder gekümmert. Du kannst auch in entsprechender Form Helga davon unterrichten, daß diese Frau nicht in jeder Beziehung Autorität ist. Du siehst ja, in welcher protzigen Weise sie auf die Massenabfertigung hinweißt. Dein Handeln war auch hier wieder richtig und ich kann es nur unterstützten.
Ich freue mich darüber, wie Du unsre Kinder auf so gute Literatur hinlenkst und daß sie auch Gefallen daran haben.
Am Abend habe ich mich noch einmal wegen Franzosenhemden erkundigt und habe für Kurt und für mich zusammen 5 Stück bestellt. Ich werde in diesen Tagen einige Kleinigkeiten für Euch wieder fertig machen, denn ich denke, Du wirst mir dies nicht übel nehmen. Ich sitze jetzt bei mir im Zimmer und schreibe noch den Brief an Dich fertig. Vorhin, als ich auf dem Balkon stand, sah ich wieder unsere Sterne, denn wir haben wieder ganz klare Nacht. Mein Kamerad Thomas hat mich heute wieder gebeten, Dir einen Gruß auszurichten, was ich hiermit getan habe.
Gute Nacht und mache nun auch die Funzel aus. Schlafe gut und sei von Deinem Mann recht herzlich gegrüßt und geküßt Dein Ernst. Unserer Helga und unserem Jörg jeden einen herzlichen Kuß.


Meine liebe kleine Frau!                                                         O.U. , den 30.10.1940

Wie es nun scheint, sind nun Unterredungen im Gange, wonach auch die Abschließung eines Friedens mit Frankreich abgezielt wird. Es wäre ja erfreuliche, wenn diese Episode durch einen Friedensvertrag abgeschlossen würde. Ich glaube, daß er für Frankreich doch gerecht sein würde und diesem Lande, trotzdem es unterlegen ist, nicht diese Kraft entzieht, die man dem deutschen Volke entzogen hat und jetzt auch wieder entzogen hätte, wenn  wir in der gleichen Lage wären, wie Frankreich. Warten wir auch hier die Entwicklung der Dinge ab. Für uns gibt es ja nun noch einen Gegner, wenn sich auch noch kleine nichtssagende Vasallenstaaten mit ihm verbünden. Über den Ausgang dieser Kraftprobe sind wir uns ja alle sehr klar.
Eine Änderung in meinem Tagesprogramm ist insoweit eingetreten, als ich, seit ich wieder zurück bin, mein Frühstück immer daheim einnehme. Veranlassung dazu hat mir eigentlich der von Dir gebackene Kuchen gegeben, den ich doch irgendwie verzehren mußte. Er ist nun inzwischen alle geworden und jetzt habe ich mich über den Honigkuchen hergemacht, den Ihr mir noch mitgegeben hattet. Wir kochen uns einen Tee und dazu essen wir das, was wir haben. Ob ich später wieder den alten Stundenplan aufnehme, muß ich erst einmal abwarten. Mein anderer Kamerad aus Freiburg ist ja noch im Urlaub, so daß ich dann erst sehe, wie ich es weiter mache, wenn er zurückkommt. Jetzt gehe ich dann zum Mittagessen und werde heute Nachmittag weiterschreiben, vielleicht bekomme ich bis dahin auch noch einen Brief von Dir.
Übrigens heute kaufe ich noch 4 Flaschen Öl. Ich denke, daß Du dafür schon Verwendung haben wirst. Leider kann ich es Dir nicht schon jetzt zukommen lassen, weil es zu schwer ist. Ein Päckchen mit Schokolade, Kaffee, Bonbon und dem restlichen Gummi ist wieder startbereit und geht morgen an Dich ab.
Meine Fahrschule werde ich demnächst wieder aufnehmen, denn unser Garagist hat mich schon danach gefragt, ob ich weiter machen wollte, was ich ja nicht verneint habe.
Soeben habe ich Deinen Brief vom 26./27. erhalten. Ich danke Dir recht herzlich dafür. Du schilderst mir, wie Du den Sonntag verbracht hast. Inzwischen hast du ja meinen Brief vom Sonntag auch erhalten und weißt ja, wo ich am Sonntag war.  Heute erhielt ich auch noch ein Bild von unserer Reise nach Paris. Ich füge es Dir bei. Es ist zwar nicht sehr schön, doch als Andenken wird es schon gehen.
Ich habe heute eigentlich nicht viel mehr zu berichten. Ach so, auf das Zeugnis von Helga bin ich ja gespannt, es kann ja sein, daß ich mich täusche, doch ich habe so das Gefühl, wie wenn sie etwas nachgelassen hätte, denn sie war doch in ihrer Ansicht über ihr Verhältnis zur Schule ziemlich gleichgültig. Es ist ja auch dann so recht, wenn sie nur ordentlich ist. Es gibt ja schließlich immer einmal Zeiträume, wo die Spannkraft etwas nachlässt, um dann später wieder in der alten Form zur Geltung zu kommen. Warten wir also ab.
Meine Lieben daheim, ich grüße Euch recht herzlich. Dich mein liebes Mädel aber wieder besonders und füge gleichzeitig noch viele Küsse hinzu. Dein Ernst.
Helga und Jörg einen Kuß von ihrem Vater.


Meine liebe Annie!                                                                 O.U. den 31.10. 1940

Wenige Tage dauert es nun noch und dann bin ich schon 4 Monate in Lille, wie viele werden mir noch bevorstehen, oder wird es einmal ganz plötzlich gehen, daß man von hier weg und vielleicht wieder nach Hause kommt. Morgen ist nun schon der 1.November und bei Euch wird so halber Feiertag sein, die Franzosen haben hier morgen und auch Sonntag, was uns zwar nicht stört, zu arbeiten.
Für heute bin ich zu unserem Fahrbereitschaftsleiter zum Abendessen eingeladen worden, so daß es möglich ist, daß es etwas später wird. Ich kann Dir ja morgen darüber schreiben.
Das Wetter ist hier jetzt sehr wechselhaft, vor einigen Tagen war es ziemlich kühl am Morgen, tagsüber klärte es sich dann gut auf, so daß es mir in der Sonne schön angenehm war. Heute ist es sehr windig und warm dazu. Wir würden dazu sagen, es sein föhnig. Das trifft ja hier nicht zu, denn Föhn kommt ja von den Bergen, doch davon ist weit und breit nichts zu sehen.
Bei solchem Wetter ist es dann auch kein Wunder, wenn die Platanen in unserer Straße und vor dem Haus die Blätter verlieren. Es ging manchen Leuten scheinbar nicht schnell genug, weil überall jetzt die Bäume zugestutzt werden. So bieten sie den Winter über einen trostlosen Anblick. Etwa wie ein Mensch, dem man die Hände abgehackt hat und der nun anklagend die Stümpfe in den Himmel reckt. Die ärmere Bevölkerung ist zwar für diese unerwartete Holzernte sehr dankbar gewesen, denn es wurde alles mitgenommen, was nur irgendwie brennbar erschien. Mir kommt so dabei der Gedanke, wie wir früher selbst in schwieriger Lage Woche für Woche gegangen sind, um unseren Bedarf an Brennmaterial im Wald zu sammeln. Ja, es ist gut, finde ich, wenn man die schwierigen Zeiten nicht vergißt, denn daran kann man ja immer wieder erkennen, wie man sie überwunden hat und daß man sie auch gemeistert hat.
Einen Brief habe ich heute nicht bekommen, doch das betrübt mich insoweit nicht sehr, weil ich dann dafür am anderen Tag zwei bekomme, denn Du schreibst ja jeden Tag an mich.
Nächste Woche  bekomme ich die bestellten Hemden. Die für Kurt werde ich dann auch gleich heimschicken, dann liegen sie mir hier nicht herum. Ich muß feststellen, daß die Preise für Waren aller Art hier unverhältnismäßig gestiegen sind. Am Anfang hat man immer erst gedacht, mit seinem Geld könnte man die halbe Welt aufkaufen, jetzt liegen die Dinge ja schon ganz anders. Zudem hat man immer wieder neue Wünsche vor allem auch, weil jetzt keinerlei Beschränkung für uns mehr besteht. Ich habe mir gedacht, daß ich für Helga zu Weihnachten einen Stoff zu einem Winterkleid kaufe und für Jörg werde ich zusehen, daß ich einen anständigen Anzug bekomme. Hast Du besondere Wünsche? Na, wie steht´s damit, raus mit der Sprache.
Für heute bin ich wieder am Ende meiner Weisheit angelangt. Euch allen daheim sende ich wieder meine herzlichsten Grüße. Dir, meine liebe Frau, sende ich die noch dazu nötigen Küsse. Dein Ernst.

Montag, 26. Oktober 2015

Brief 72 vom 25./26./28.10.1940


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U., den 25.10.1940   

Eine Woche bin ich schon wieder hier. Wie schnell doch die Zeit vergeht. An jedem kleinen Ereignis bleibt man aber doch hängen um festzustellen, ob einem die Tage schnell oder langsam vergehen, ob sich in diesem Zeitraum wichtiges oder weniger wichtiges ereignet hat und ob man diese Zeit auch nutzbringend verwendet hat oder nicht. Doch durch diese Feststellungen kommt man wohl zu keinem Ergebnis, ehe man sich´s versieht, ist wieder eine Woche vergangen.
Trotz allem und solcher kleinen Selbsttäuschungen kommt dann einmal das Gefühl, daß man doch ein Gefangener seines Schicksals ist und daß man dem nicht entgehen kann. Wie wir auch in unseren Schreiben übereinstimmend festgestellt hatten, kommen durch den schnellen Flug der Zeit weitere Urlaubstage und später auch wieder einmal das gänzliche Zusammensein in Aussicht.
Soeben erhalte ich Deinen lieben Brief vom 21./22., für den ich Dir wieder herzlich danke. Sei bitte vorsichtig bei der Gartenarbeit und überanstrenge Dich nicht. Ich habe dies ja in früheren Briefen wiederholt betont und denke deshalb, daß Du meine Mahnung beachten wirst. Jörg war ja auch mit fleißig und ich freue mich, daß er sich zu Deiner Unterstützung so gut anstellen läßt. Er kann aber auch mit Recht stolz sein, wenn Du ihm das Wegtragen Deiner Briefe beauftragst.
Den von Dir erwähnten Vortrag über den Schlieffen-Plan habe ich nicht gehört, er hätte mich aber zweifellos interessiert. Ich habe zwar auch noch nie behauptet, daß Du dumm seiest, im Gegenteil, aber ich finde, daß Dir das Studium der Schulungsbriefe nichts schaden kann. Die eine Befürchtung habe ich nur, daß ich mich dann bald verstecken muß.  Ich denke, daß Du mir aber freundlicherweise Auskunft geben wirst, wenn ich einmal etwas zu fragen habe.
Ich sende Dir heute eine Postkarte mit, die Dich sicher auch interessieren wird. Es ist dies eine Wachsbüste, die hier im Museum steht, die Unterschrift lautet: der Wachskopf. Er verkörpert oder besser gesagt, er soll den Menschen aus dieser Gegend darstellen und heißt deshalb auch noch „Das Mädchen von Lille“. Es ist doch eine feine Arbeit, findest Du nicht auch? Die Karte wurde mir vom Direktor des Museums selbst verehrt.
Ich habe heute noch verschiedene Schriftstücke beigefügt, die Dich auch interessieren werden und die Du mit aufheben willst.
Am kommenden Sonntag werde ich sicherlich wieder Hörer des Wehrmachtskonzerts sein, so daß wir auf diese Weise uns mit unseren Gedanken treffen können. Es ist doch schön, was für uns alles getan wird.
Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.


Meine geliebte Frau!                                                           O.U. , den 26.10.1940

Jetzt ist es plötzlich kalt geworden, so daß ich ab heute den Pullover anziehen muß. Es ist ja auch kein W under, denn es sind ja nur noch wenige Tage, die uns vom November trennen. Es ist geradezu phantastisch, wie schnell die Tage vorbei rutschen. Wir in unserer Lage können ja schließlich nur froh darüber sein, daß man nicht lange Gelegenheit hat, darüber nachzudenken.
Heute Nachmittag habe ich wieder Bereitschaftsdienst. Ich bin also sozusagen in diese Tretmühle vollständig eingegliedert. Der Dienst geht in der alten Ordnung weiter nur mit der kleinen Abänderung, daß der Chef und ein Kamerad auf Urlaub sind. Denen wird es auch nicht anders gehen wie mir, eines Tages stehen sie wieder hier und machen ein langes Gesicht.
Ich muß Dir heute auch noch eine betrübliche Mitteilung machen, meine wiederholten Bemühungen, Gummiband zu erstehen, sind leider fehlgeschlagen. Falls ich aber einen derartigen Artikel doch noch entdecken werde, werde ich nicht versäumen, mich dessen käuflich zu bemächtigen. Du wirst denken, was für geschwollene Redensarten. Das stimmt, das ist ja auch sonst nicht meine Art, aber man muß doch auch einmal sehen, wie das klingt, damit man wieder den Unterschied herausmerkt.
Letzte Nacht war hier ziemlich bedeutender Flugbetrieb, immerhin erheblich mehr, als ich ihn sonst gewohnt bin. Man kann ja nicht immer unterscheiden, um welche Flieger es sich handelt, doch was ich bis jetzt feststellen konnte, waren es unsere, die die klaren Nächte für ihre Flüge ausnutzen.
Für uns ist es jetzt so ziemlich aus mit den Sonntagsreisen. Morgen ist zwar wieder eine Fahrt nach Paris, aber es wird bei diesem kurzen Aufenthalt auch nicht mehr geboten werden können wie bei meinem seinerzeitigen Besuch. Ich werde mich also morgen wieder auf die faule Haut legen und Radio hören. Im Übrigen wird sich schon noch eine Beschäftigung finde. Am Morgen muß ich sowieso wieder einmal kräftig baden.
Ich habe den Eltern heute auch noch geschrieben, so daß diese Briefschuld auch wieder bereinigt ist. Den Durchschlag habe ich beigefügt. Ich weiß heute nicht mehr viel zu berichten und möchte deshalb schließen.
Sei Du recht herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.





Meine liebe Annie!                                                                   O.U., den 28.10.1940

Für Deine Briefe vom 22. und 23./24., die ich heute erhielt, danke ich Dir recht sehr. Du hast wieder recht lieb geschrieben, so daß ich mich recht gefreut habe. In meinem letzten Brief hatte ich so etwas geschrieben von Fliegern usw., daß man meist nicht wüßte, was es für welche wären. Ja, das war wahr wahrscheinlich eine Herausforderung, denn in der Nacht vom Samstag auf Sonntag hat unsere Flak ganz nett geballert, so daß bald klar war, wer da oben war.
Es war eine ganz klare Nacht und von meinem Fenster aus sah man wunderbar den großen Wagen. Es ist doch schön, wenn man so etwas Gemeinsames hat, was einem so gewissermaßen persönlich gehört. Heute früh war ganz dichter Nebel und am Vormittag hat es sich dann aufgeklärt, so daß jetzt in mein Arbeitszimmer die Sonne ganz warm herein scheint. Gestern früh war ich, wie ich Dir schon schrieb, zum Baden, was mir ganz ausgezeichnet gefallen hat. Doch vorher, so gegen 8 Uhr, war ich schon mit dem Auto in einem Vorort, wo Markt abgehalten wird. Ich hatte gehört, daß es dort noch Gummi zu kaufen gibt. Ich habe auch welchen mitgenommen, war aber außerordentlich überrascht über die hohen Preise. Es ist dies zweierlei, ich denke, daß Du Verwendung dafür hast. Eines bitte ich Dich aber, behandle ihn als Luxus, denn das Quantum, was ich Dir sende, kostet bald 5,-RM. Ich weiß zwar nicht, was man bei uns dafür zahlte, doch wie schon gesagt, ich finde es außerordentlich teuer.
Zum Mittagessen sind wir mit unserem Wagen nach Roubaix gefahren. Auf der Heimfahrt hatten wir noch etwas zu erledigen, so daß wir gegen 5 Uhr erst wieder daheim waren. Ich habe mir noch den Rest des Wehrmachtskonzerts mit angehört und bin dann nach dem Essen noch ins Kino gegangen. So war auch dieser Sonntag wieder vorbei.
Heute habe ich wieder einige Artikel gekauft. Ich werde noch in diesen Tagen alles fertig machen und wieder absenden. Kaffee, Kakao, Schokolade und Seife. Gestern habe ich auch noch Bonbon erstanden, die ich den Päckchen für Euch mit beifügen werde. Die ganze Mantelangelegenheit hat mich  in den vergangenen Tagen  nicht schlafen lassen. Ich habe mich in den verschiedensten Geschäften umgesehen und glaube, daß ich mich heute endgültig entscheiden werde. Es wird also höchstwahrscheinlich  einer aus Yemen sein. Dies ist eine exotische Rehart und hat eine ganz fabelhafte Zeichnung. Die Farbe selbst wird Dich auch interessieren, sie ist schwarz und die Zeichnung hat einen Schatten ins grau. Ich werde ihn heute eine Frau einmal anziehen lassen, die etwa Deine Figur und auch fast Deine Haarfarbe hat um danach zu beurteilen, ob er für Dich auch das Richtige sein wird. Schließlich kauft man ja so ein Stück im Leben nicht sehr oft, und dann hat man doch den Wunsch, daß es Dir paßt. Ich werde Dir morgen wahrscheinlich berichten.
Im Garten hast Du wieder tüchtig gearbeitet, wofür ich Dir wieder bestens danke. Bezüglich des Baumes beantworte ich Deine Frage dahingehend, daß noch ein Leimring darum gehört. Leim ist noch in einer Blechschachtel ohne Aufschrift im Keller vorhanden. Pergamentpapier (Ersatz) kannst Du beim Stadler kaufen. Wegen Filzschuhen für Dich werde ich versuchen, hier für dich noch welche zu kaufen.
Ich möchte nun für heute wieder schließen und Euch allen recht herzliche Grüße und Küsse, Du mein liebes Mädel, wie immer ganz besonders herzliche Grüße und Küsse senden von Deinem Ernst.

Brief 71 vom 23./24.10.1940


Meine liebe Annie!                                                                         O.U., den 23.10.1940 

Die alte Bummelei bei der Post hat sich während meines Urlaubs nicht geändert. Ich habe heute keinen Brief von Dir bekommen, doch Du weißt ja, daß ich gewohnt bin, mich auf den anderen Tag zu vertrösten, denn dann bekomme ich ja meistens doppelte Post. Ich habe Dich aber trotzdem heute nicht zu kurz kommen lassen, denn ich habe heute wieder zwei Päckchen an Dich abgesandt und zwei weitere für Dich fertig gemacht. die morgen zur Absendung kommen. Sie enthalten Schokolade, Kaffee, Leder, Handschuhe, eine Taschenlampenbatterie, Seife und Seifenflocken und noch einige Kleinigkeiten, die Du so verwenden kannst. Über den Kaffee habe ich Dir ja gestern schon geschrieben. Wir können jetzt 1 kg Päckchen senden in unbeschränkter Anzahl, doch hat die Frankierung schon hier zu erfolgen. Was ich hier für Euch kaufen kann, werde ich tun, denn ich glaube gerne, daß Du solche Sachen gebrauchen kannst.
Wie ich hier erfahren habe, war die Auskunft, die wir dort auf der Post bekommen haben, nicht ganz richtig. Es dürfen monatlich  Beträge in Höhe des Wehrsoldes bis zu 50,-RM übersandt werden, was nun nicht bedeuten soll, daß Du mir jeden Monat unbedingt 50,-RM schicken mußt. Du weißt ja, wie ich es meine, denn ich dachte mir, es würde Dich interessieren, weil wir uns deswegen besonders erkundigt hatten. Da ich gerade beim Geld und ähnlichen Dingen bin, kann ich Dir mitteilen, daß wir jetzt Frontzulage bekommen. Heute habe ich etwas über 60,-RM Nachzahlung bekommen, weil diese Zahlung rückwirkend genehmigt war. Ich hatte ja schon damit gerechnet und werde diesen Betrag für Deinen Mantel mit verwenden.
Vorhin habe ich wieder einmal im Kino, es wurde der Film "Mutterliebe" gespielt, den wir daheim auch zusammen gesehen hatten. Er hat mir heute genau so ausgezeichnet gefallen wie damals.
Von unserem Essen muß ich Dir noch eine Besonderheit erzählen. Wir hatten gestern als Vorspeise Artischocken. Es war mir ja ganz neu, wie das Zeug gegessen wird. Man bricht dieser Pflanze, die vorher gekocht worden ist, die einzelnen Blätter weg und macht das weiche davon weg. Am Ende bleibt dann noch ein Teil der jungen Frucht übrig. Diesen Teil  und die weichen Teile, die man sich vorher vorbereitet hat, ißt man dann, nachdem man alles mit einer Soße aus Essig und Öl übergossen und vermischt hat. Man hat einen großen Teller voller Abfall und vorher sehr viel Arbeit, bevor man zum Essen kommt. Ich dachte mir, man muß alles einmal mitgemacht haben und es ist ja gleich, wovor einem schlecht wird.
Es ist wieder spät geworden, doch jetzt lege ich mich ins Bett und werde die Zeitung noch fertig lesen; dabei warte ich noch die letzten Nachrichten ab und werde dann schlafen. Schlafe Du wieder gut und wache wieder gesund auf. Euch alle grüße ich recht herzlich, unseren beiden Lausern gib jeden einen herzlichen Kuß. Dir sende ich wieder meine besonderen herzlichen Grüße. Dein Ernst.
Vor einer Woche mußte ich nun von Euch wieder fort. Oh, wie schnell verfliegt doch die Zeit. Man sieht daraus, daß es im Urlaub allein nicht nur schnell vergeht, sondern auch sonst. Ich tröste mich wieder damit, daß es im gleichen Tempo zum nächsten Urlaub geht.


Meine liebe Annie!                                                                   O.U., den 24.10.1940

Deinen lieben Brief vom 19.10. habe ich heute nun bekommen, meine Voraussicht von gestern ist also ganz zwangsläufig eingetroffen. Da kannst Du erst einmal sehen, mit welchem Scharfsinn ich zu Werke gegangen bin. Ich glaube, du hast jetzt bald eine Gemäldegalerie beieinander, wenn Du  Dir schon wieder Bilder hast vergrößern lassen. Als ich übrigens hier bei dem Gongnie die Bilder  von Dir zeigte, bin ich nicht schlecht blamiert worden. Erst sagten alle, daß Du sehr gut aussehen würdest und manche meinten, daß man sich wundern müßte, daß Du mich überhaupt gewollt hast. Ist das nicht stark? Denen werde ich es aber bei Gelegenheit heimzahlen, oder meinst Du nicht auch?
Schön ist es, daß Dich das Buch, was ich mitbrachte, interessierte und Dir auch über den Sonntag mit hinweggeholfen hat. Ich verstehe ja durchaus, daß es Dir im Allgemeinen lieber ist, wenn Du zu tun hast. Vor allem, wenn man sich nicht durch etwas anderes ablenken kann.
Bezüglich des Mistes möchte ich dir mitteilen, mache Dir nicht noch besonders Arbeit und überanstrenge Dich nicht. Überlege es Dir vorher, ob du einer solchen schweren Arbeit auch gewachsen bist.
Froh bin ich, daß Dir diese Unterwäsche so gute Dienste jetzt leistet. Auf diese Weise ist Dir doch auch wieder geholfen.
Nun trafen heute noch Deine beiden lieben Briefe vom 18. und 21. ein. Es tut mir leid, daß Du solche Lauferei mit dem Briefe hattest. Da kann man aber wieder einmal sehen, was für blödsinnige Weiber die lieben Kolleginnen sind. Es freut mich aber, wie ordentlich Du diese Sache wieder in die Hand genommen und erledigt hast.
Der Helga muß ich auch heute wieder mein Lob aussprechen über ihren schönen Brief, den sie mir heute wieder mitgeschickt hat. Ich werde ihr bald darauf antworten, sie soll sich bitte noch etwas gedulden.
Der Zeitungsausschnitt hat mich sehr interessiert. Da werden wir Männer aber wieder einmal tüchtig rausgehauen. Übrigens habe ich heute weitere zwei Päckchen an Dich abgesandt, so daß an Dich insgesamt sechs Stücke unterwegs sind. Ich will hoffen, daß dich alles gut erreicht.
Nun teilst Du mir noch mit, daß Du meinen ersten Brief erhalten hast, was mich ungemein freut. Inzwischen sind ja weitere bei Dir eingegangen.
Wegen des Mantels für Dich habe ich mich nun schon verschiedentlich umgesehen. Es ist dabei so, daß man, je mehr man sich unterrichtet, desto unschlüssiger wird man als vorher. Ich hatte mir hier verschiedene schwarze angesehen und zwar Yemen. Es sieht sehr schön aus und auch sehr gut gezeichnet. Gestern hatte ich schwarzes weibliches Fohlen und heute braunes Fohlen angesehen. Den braunen hätte ich sofort gekauft, wenn er nicht zu kurz für Dich gewesen wäre. Er war 3/4 lang und würde sich wahrscheinlich gut ausnehmen. Für den mir heute angebotenen Mantel hätte ich das Geld vollständig beieinander gehabt, ich werde jetzt sehen, was sich nun noch bietet. Ich werde Dich weiter auf dem Laufenden halten. Für die Deinem Brief beigefügten 5,-RM danke ich dir bestens, ich habe sie richtig erhalten.
Heute Abend war ich im französischen Kino. Ich war wieder restlos enttäuscht, aber man kann auch bei dieser Gelegenheit seine Studien machen.
Ich grüße Euch alle daheim und besonders unsere Kinder, denen Du auf meine Rechnung wieder einen Kuß gibst. Ganz besondere Grüße und Küsse erhältst Du auch heute wieder von Deinem Ernst.

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Brief 70 vom 21./22.10.1940


Meine geliebte Frau!                                                            O.U., den 21.10.1940  

Den Sonntag habe ich nun wieder hinter mir und der Arbeitsbetrieb nimmt wieder seinen Anfang. In der Maschinerie bin ich nun bald wieder drin und der Urlaub klingt als schöne Erinnerung an unser gemeinsames Erleben zurück. Letzte Woche um die Zeit mußten wir uns langsam darauf vorbereiten, daß ich wieder von Euch fort muß und wir hätten uns gerne darüber hinweg getäuscht, aber die Zeit läuft in diesem Falle unerbittlich weiter.
Gestern am Nachtmittag war ich, wie wir letzten Sonntag schon besprochen hatten, Mithörer des Wehrmachts-Wunschkonzertes. Wie ich Dir schon bei anderer Gelegenheit einmal erklärte, nimmt man an derartigen Dingen ganz anders teil, wie in der Heimat selbst. Wenn dann Stücke kommen, wie das Matrosenlied aus dem Fliegenden Holländer, so ist das sehr schön, vor allem, weil man sich dann denken kann, daheim hört jemand dasselbe und denkt auch das gleiche. Man fühlt sich schon mit der Heimat verbunden, obgleich man doch hier mit den Kameraden zusammen lebt, die auch die gleiche Sprache sprechen wie ich. Es ist aber nicht das, sondern das persönliche, was uns hier verbindet und dann derartige Gefühle und Stimmung aufklingen läßt.
Ich hatte mich zuerst zu uns in den Hof setzen wollen, denn Garten kann man dazu nicht sagen. Ohne Antenne wollte der Apparat nicht das hergeben, was ich wollte, so daß ich dann trotz des schönen Wetters wieder auf meine Bude gegangen bin. Ich habe es wirklich nicht zu bereuen brauchen, denn da habe ich mich auf meinem selbstkonstruierten Patentsofa langgelegt und dabei noch verschiedene Zeitungen wieder durchgeschmökert.
Am Abend habe ich dann bescheiden bei Gonguie, dem Restaurant, von dem ich Dir schon erzählt habe, gesessen und bin dann mit einem Kameraden noch ins Kino gegangen. In der Nacht hatte ich verschiedene Angriffe von Stukas (Schnaken) abzuwehren. 
Heute habe ich nun zwei Päckchen für Dich fertig gemacht und zwar eins mit Leder, eine Bluse und ein Jäckchen. Im anderen habe ich Dir nochmals Kaffee gesandt und noch ein Paar Strümpfe beigefügt. Wenn Du der Ansicht bist, daß Du Deinen Eltern welchen abgeben willst, etwa 1/2 - 1 Pfund, so habe ich nichts dagegen  einzuwenden. Du kannst ja schreiben, daß ich welchen mit auf Urlaub gebracht hätte. Ich bin aber dafür, daß Du ihn Dir bezahlen läßt, ich denke etwa 2,50 - 3,-RM das Pfund. Du kannst das Geld ja behalten oder kaufst mir 20-Pfennig-Briefmarken dafür, denn die Päckchen, die wir jetzt heimsenden, müssen wir gleich hier frankieren und hier sind sie nicht leicht erhältlich. Hoffentlich kommt alles gut an. Weitere Sachen werde ich folgen lassen.
Mein liebes Mädel, sei weiter genau so standhaft wie Du die vergangenen Monate auch gewesen bist und laß Dich nur nicht unterkriegen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 22.10.1940

Deine beiden lieben Briefe vom 16. und 17. erreichten mich heute Nachmittag. Über die Zusätze von den Kindern habe ich mich sehr gefreut. Vor allem auch darüber, daß sich Jörg trotz Überwindung der bei ihm in dieser Hinsicht noch bestehenden Schwierigkeiten eine ganze Seite voll geschrieben hat. Auch darüber, daß sich Helga meine Mahnung zum Fleiß so beherzigt hat, und als Erfolg dafür einen Fleißstrich buchen konnte.
Ich kann mir Deine Gefühle ohne weiteres nachfühlen, die Dich bewegten, als ich von Euch wieder scheiden mußte. Doch wir wollen diese Wunden nicht immer wieder von neuem aufreißen und wollen, wie Du selbst schreibst, tapfer sein und die Zähne zusammenbeißen. Ich danke Dir dafür, mit welcher Genauigkeit Du die einzelnen Phasen meiner Reise gemerkt hast. Wenn Du anläßlich meines Urlaubs auch in Bezug auf die Arbeit etwas Entspannung gehabt hast, so hattest Du Dir dies auch schon durch Dein tapferes Aushalten verdient. Es hat mich gefreut zu lesen, daß es mit den Kindern besser bzw. wieder gut geht.
Für die mir im zweiten Brief gesandten Bilder danke ich Dir recht herzlich, denn darüber habe ich mich sehr gefreut. Sind wir doch da alle wieder zusammen und zeugen sie doch von unserem Zusammensein. Obwohl es doch schon ziemlich schwache Beleuchtung war, bin ich mit dem Erfolg soweit zufrieden. Du bist ja auch ganz gut getroffen und ich kann mir diese Bilder auch immer wieder ansehen und mich darüber freuen.
Die Prospekte sind heute gleichfalls angekommen. Ja Du sorgst doch in liebevoller Weise immer wieder für mich. Ich hoffe, daß es Dir inzwischen gelungen ist, den Brief an Frl. A. los zu werden. Daß Du das Geld nun gerade an einer Kette umhängst, hatte ich nicht erwartet, aber wenn Du es vorher richtig gereinigt hast, will ich ja nichts dagegen haben.
Ich wollte heute beizeiten nach hause gehen, um den Brief an Dich zu schreiben. Doch kaum waren wir daheim, läutete es und wir wurden zu einer Brandstelle gerufen. Der Regen strömte nur so von oben herunter. Wir sind dann mit unserem Wagen, der uns noch während meines Urlaubs zugewiesen wurde, losgefahren. Naß sind wir zwar geworden bis wir wieder daheim waren, aber den Brief werde ich trotz der vorgerückten Stunde, versüßt mit Radiobegleitung, fertig schreiben. Ich habe hier heute Fett bekommen, das ich Dir gerne zusenden möchte. Bei meinem Urlaub habe ich auf dem kleinen Schränkchen diese fettdichten Honigbehälter gesehen. Wenn Du mir von diesen einige zusenden würdest. Ich werde es aufspeichern und Dir dann zugehen lassen. Morgen werde ich Dir wieder einige Päckchen zugehen lassen. Über den Inhalt werde ich Dir morgen berichten.
Gute Nacht mein liebes Mädel und schlafe gut. Sei recht oft gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Unseren beiden Rangen herzliche Grüße und Küsse.

Brief 69 vom 17./20.10.1940


Meine liebe Frau!                                                                    O.U., den 17.10. 1940  

Mit etwa 2 Std. Verspätung bin ich wieder in dem Kaff hier angelangt. Wenn ich fahrplanmäßig hier eingetroffen wäre, hätte ich heute noch diesen Brief wegschaffen können, so muß ich es morgen früh gleich tun. Ich muß mich nun wieder auf das Schreiben beschränken, doch möchte ich Dir als erstes mich nochmals für alle Liebe, die Du mir während meiner kurzen Urlaubstage entgegengebracht hast, recht herzlich danken.
Bis nach Maastricht ging die Fahrt ziemlich glatt, nur hier oben in Belgien und Frankreich fing die Bummelei an, doch auf der Rückfahrt hat man es ja nicht so eilig, wie wenn man den Urlaub antritt, wenn einem zum Schluß das lange Sitzen auf der Bahn auch über wird.
Ich möchte Euch heute gleich noch bitten, laß Euch den Abschied nicht zu schwerfallen, denn wir haben ja die feste Zuversicht, daß ich in nicht allzu langer Zeit wieder zu Euch kommen kann. Wollen wir nur wünschen, daß wir alle dann noch gesund sind. Der Krieg wird schließlich auch keine Ewigkeit dauern, so daß wir dann alle wieder glücklich beisammen sein können.
Bis jetzt bin ich noch allein im Haus; ich habe noch keinen meiner Kameraden gesehen. Sobald ich meinen Brief beendet habe, werde ich mich gleich zu Bett legen, denn ich bin von der langen Reise ermüdet und morgen früh fängt wieder der Dienst an.
Ich grüße Euch für heute alle meine Lieben daheim und bitte Euch nochmals, halte den Kopf auch in den kommenden Tagen  hoch und freut Euch mit mir, daß wir die Urlaubstage so schön und froh verbringen konnten. Indem ich Dir nochmals für alles, was Du mir während dieser Tage gegeben hast, danke, grüße und küsse ich Dich recht herzlich Dein Ernst.


Meine liebe Frau !                                                             O.U., den 20 Oktober 1940

Wie schnell doch die Tage vergehen. Heute ist es nun schon wieder der fünfte Tag, seit wir uns zum dritten Male trennen mußten. Wie schön wäre es, wenn man sagen könnte, es sei die letzte Trennung, doch soweit man die Lage übersehen  und beurteilen kann, wird dieser Wunsch doch noch nicht gleich in Erfüllung gehen. Doch hoffen dürfen wir ja immer und auch wünschen, wie lange wir uns aber noch in die Verhältnisse schicken müssen, werden wir wohl höheren Orts überlassen müssen.
Ich bin innerlich so froh, daß ich die wenigen Tage bei Euch verbringen konnte und bin Euch, wie ich Dir in meinem letzten Brief schon mitteilte, für alles dankbar, was Ihr mir gutes getan habt. Es waren wieder schöne Stunden, die wir miteinander verbringen konnten und wenn ich gerade an den letzten Sonntag denke, wie wir auf der Mainau waren, wie wir an den verschiedenen uns so wohlbekannten Plätzen waren, auf dem Tabor und bei St. Katharinen, so wird mir in Erinnerung an diesen schönen Tag ganz wohl.
Ich habe mich die Tage hier noch nicht so ganz rein finden wollen, wo ich wieder hier war, doch die Pflicht verlangt es und die Arbeit bleibt ja mir dann doch am Ende liegen. Gerade diese Pflicht ist es, die dann den Menschen wieder anhält und daran erinnert, daß er nicht für sich allein da ist, sondern für die Gemeinschaft. In diesem Sinne ist die Arbeit dann zuletzt nicht allein Selbstzweck, sondern sie heilt.
Als ich wieder zurück kam, fand ich alle Deine lieben Briefe vor, die inzwischen an mich eingelaufen waren. Es waren diese vom 26. und 27.9. In dem vom 26. fand ich die restlichen 5,-RM vor, für die ich Dir hiermit bestens danke. Weiter lagen da die Briefe vom 1., 2., 3. und 4. Oktober, die sich ja alle durch die persönliche Aussprache erledigt haben. Es hat mich aber gefreut, alles noch einmal nach zu erleben, was Du mir schon selbst erzählt hattest. Ich danke Dir nochmals für Deine lieben Zeilen. Nun sind wir ja wieder soweit, daß wir uns wieder das schreiben müssen, was wir uns zu sagen haben. Es ist ja nur ein Behelfsmittel, doch in Ermanglung anderer Möglichkeiten, ist man schon darum froh. Meinen ersten Brief hatte ich gleich meinem Kameraden mitgegeben, der von hier in Urlaub fuhr, damit Du gleich bzw. eher Nachricht bekommen solltest, als auf dem normalen Feldpostwege.
Von Dir werden nun auch schon wieder Schreiben an mich unterwegs sein. Eines möchte ich Euch, wie schon damals, bitten, laßt Euch den Abschied nicht so schwer fallen, es wird sich die Möglichkeit schon wieder bieten, daß ich wieder einmal zu Euch kommen kann.
Am ersten Tag hatte ich mir gleich eine Art Hexenschuß zugezogen. Bei uns waren alle Zimmer übermäßig geheizt, so daß ich dann in der Nacht das Fenster aufmachen mußte. Wahrscheinlich hatte ich mich noch aufgedeckt und dabei verkühlt. Ich konnte die vergangenen zwei Tage kaum Luft holen, so schmerzhaft war es. Jetzt ist es so ziemlich im abflauen begriffen und ich denke, daß es morgen ganz weg sein wird.
Von Nanni bekam ich gestern einen Brief. Ihr Schreiben macht mir nicht gerade den Eindruck, als ob es ihr besonders rosig ginge. Mit diesem Mann, allein da oben ohne weitere Menschen mit denen man sich einmal aussprechen kann, diesen Zustand stelle ich mir auch nicht beneidenswert vor. Wie freut es mich im Vergleich dazu auf unser Verhältnis hinzuweisen. Wir haben alles miteinander erarbeitet und haben zufrieden miteinander gelebt und alles hat man sich sagen können. Ich werde ihr demnächst wieder antworten und ihr ein Bild von mir mitschicken.
In diesen Tagen habe ich mich nach den verschiedenen Sachen umgesehen, von denen wir gesprochen hatten und die Dur Dir auch teilweise gewünscht hattest. So habe ich noch etwas Sohlenleder erhalten, ich habe es auch soweit vorbereitet mit der Verpackung, es handelt sich nur noch um das Gewicht, das ich dann morgen fest stellen werde. Ich werde versuchen, noch welches zu kaufen, das ich dann bei Gelegenheit mit zuschicken werde.
Außerdem habe ich Dir noch eine Bluse besorgt und eine leichte Weste, die ich Dir dann auch mit zugehen lasse. Die Kombination, die ich bestellt hatte, ist inzwischen auch eingetroffen. Gestern habe ich nun Dir und mir je ein Paar Handschuhe gekauft. Die für Dich werde ich dann meinen Päckchen mit beipacken. Wegen der Umhänge für die Kinder habe ich mich nochmals erkundigt, sie sind aber inzwischen noch nicht eingetroffen, Wahrscheinlich werde ich aber inzwischen so welche anfertigen lassen. Für mich habe ich auch noch einen hellen leichten Mantel bestellt. Er wird extra angefertigt und wird etwa 25,-RM kosten. Das ist aber dann etwas ganz besonderes. Auch wegen des Mantels für Dich habe ich mich schon erkundigt. Etwas Passendes habe ich schon gesehen, doch habe ich mich noch nicht entschlossen, was ich kaufen werde, jedenfalls werde ich den Kauf in diesen Tagen tätigen.
Wenn ich auch gestern nicht geschrieben habe, so ist dies darauf zurückzuführen, daß ich gar nicht in der Stimmung war, Dir etwas Passendes zu schreiben, doch wie Du aus allem ersiehst, habe ich immer an Euch gedacht. Geld werde ich außer dem, was wir daheim noch zurückgelegt hatten, vorerst nicht brauchen, denn wir bekommen, wie ich erfahren habe, rückwirkend ab 1.August Frontzulage mit 1,-RM täglich ausbezahlt. Für den Fliegerbesuch mit Bombenabwurf, von dem ich Dir doch erzählt hatte, wurde uns schon dieser Betrag ausbezahlt.
Liebes Mädel, ich grüße Euch alle, die Ihr daheim seid, recht herzlich, Du sei aber wie immer vielmals geküßt und gegrüßt von Deinem Ernst, der viel an Dich denkt.

Freitag, 2. Oktober 2015

Brief 68 vom 01./02.10.1940


Meine liebe Annie!                                                                      O.U., den 1.Oktober 1940 

Post ist zwar heute auch noch nicht gekommen, doch hoffe ich etwas mit der Abendpost zu erhalten. Außer vom schönen, aber kühlen Wetter könnte ich vorerst nichts berichten. Wenn ich vom Urlaub wieder schreiben würde, könntest Du nur falsche Hoffnungen bekommen, so lasse ich auch dieses Thema vorläufig bei Seite liegen, bis ich Genaueres erfahre. Es wäre also alles berichtet, was zu berichten wäre.
Ich muß also wieder einmal auf Eindrücke zurückgreifen, die bei uns daheim unbekannt sind. Da ist mir hier ein Typ von Straßenhändler aufgefallen, der, wie ich gehört habe, zum Straßenleben in Frankreich gehört. Er hat über der Schulter so 20 - 30 Tischdecken gehängt, die er nun an den Mann zu bringen versucht. Tatsächlich halten sie sich meistens an Männer und jetzt vorwiegend an Soldaten. Es sind dies Decken, die ziemlich bunt sind und aus starken Garnen hergestellt wurden. Es werden sehr hohe Preise verlangt und auffallend ist dabei, daß bei einem Herunterhandeln der Preise um 50 % die Händler doch noch verdienen. Der Handel spielt sich ja meistens auf der Straße und in den Wirtschaften ab. Wahrscheinlich verdienen diese Leute aber immer noch entsprechend.
In den Gastwirtschaften wird hier entsprechend den Essensgewohnheiten der Franzosen auch getrunken. Vor dem Essen trinkt man hier einen Aperitif. Er soll den Appetit anregen und dann die Verdauung fördern. Es ist dies eine Art Likör, den es je nach Geschmacksart und -richtung, sowie auch nach der Preislage verbraucht wird. Doch damit hat man noch nicht genug für die Verdauung getan, denn nach dem Essen trinkt der Franzose einen „Digestif“. Auch das ist wieder ein Alkohol. Von ersterem habe ich schon wiederholt getrunken und zwar meistens dann, wenn wir zwischen Dienstschluß und dem Mittagessen noch genügend Zeit haben.
Den Franzosen ist es aber von Gesetzes wegen gestattet, nur an bestimmten Tagen in der Woche diese Getränke zu sich zu nehmen, weil sie, wie es heißt, nicht der Gesundheit dienlich, sonder schädlich sind. Nach dem, was ich aber beobachten konnte, hat sich weder der Gast noch der Wirt danach gerichtet. Es ist hier so, wenn nicht hinter jedem Menschen ein Schutzmann steht, wird kaum etwas gemacht und auch dann möchte ich noch an der prompten Ausführung der staatsbürgerlichen Pflichten zweifeln.
Deinen lieben Brief vom 28.9., in dem von den vielen Äpfeln die Rede ist, habe ich soeben erhalten. Ich danke Dir bestens dafür, Du hast ja damit allerhand Arbeit gehabt und daß Du davon redlich müde bist, kann ich mir denken. Ich lese aber auch daraus, daß Du auf Deine ganze Ernte stolz bist. Ich denke doch, daß Ihr mit dem ganzen Segen im Laufe der Zeit fertig werdet, oder bedarf es besonderer Anstrengungen?
Eins wundert mich zwar, daß Ihr fast dauernd so schlechtes Wetter habt. Wir können in der letzten Zeit hierüber nicht klagen. Es soll für die hiesige Gegend zwar auch ein außergewöhnliches Wetter sein. Der Junge aus dem Haus hat sich dann aber angestrengt. Was hast du ihm denn dafür gegeben?
Sei wieder vielmals und herzlich gegrüßt, außerdem sende ich Dir viele Küsse. Gib unseren beiden Stromern jedem einen herzlichen Kuß von ihrem Vater. Denke Du auch weiterhin an Deinen Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 2.Oktober 1940

Gestern Abend war ich wieder im Theater und habe mir das Stück angesehen, von dem ich wieder den Theaterzettel beifüge. Es war sehr nett und auch insoweit interessant, als es hier in unserer Gegend spielt. Das beste war aber dabei, was sich gestern das gesamte Publikum geleistet hat und zwar solche Leute, die behaupten, vom Theater etwas zu verstehen und auch die anderen. Nach dem vorletzten Akt hatte es den Anschein, als ob das Stück zu Ende wäre, alles erhebt sich von seinem Platz und wendet sich dem Ausgang zu. Die meisten Menschen waren schon draußen, als es auf einmal heißt, es kommt ja noch ein Akt. Das Gelächter kannst du Dir vorstellen, als sich alles wieder auf seinen Platz einfand. Da kannst du erst einmal sehen, was für ein kunstsachverständiges Publikum beieinander war. Doch jeder wollte nachher gewußt haben, daß noch nicht Schluß war.
Mit meinem Urlaub habe ich in den letzten Tagen wieder den größten Ärger gehabt. Ich hatte beabsichtigt, etwa am 8. hier abzureisen, so daß ich etwa im Laufe des Mittwochs  bei Euch eintreffen würde. Nun war sich unser Chef noch nicht ganz klar darüber, wann er mich gehen lassen will, nachdem er jetzt so lange gezögert hat. Heute Nachmittag heißt es nun, ich soll gleich am Freitag fahren. Mir kommt dieser plötzliche Umschwung höchst ungelegen, weil ich darauf nicht vorbereitet bin. Ich muß nun zusehen, wie ich dies alles wieder passend bringe. Vielleicht bin ich sogar eher bei Euch, als der Brief ankommt. Ich werde abwarten, wie es der Zufall mit etwas Nachhilfe will. Wie es gegenwärtig aussieht, ist also damit zu rechnen, daß ich für kurze Zeit hier einmal abtrudeln kann.
Post habe ich heute keine erhalten, so daß ich auch nichts zu beantworten habe. Ich möchte es heute kurz machen, damit der Brief noch mit weg geht.
Ich grüße und küsse Euch alle recht herzlich und Dich besonders Dein Ernst. 

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Die nächsten Briefe wurden erst wieder ab 17.10.1940 geschrieben, weil Ernst Rosche 14 Tage auf Heimaturlaub war.  

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