Meine
liebe Frau! O.U., den 9.2.1941
Wieder haben wir Sonntag.
Einen Tag, an dem man sich ausruhen kann. Man merkt es heute förmlich. An
Wochentagen, da haben wir einen Autoverkehr durch unsere Straße und in der
ganzen Stadt. Kolonnenweise fahren sie hier durch, vom kleinsten Personenwagen
bis zum größten Lastzug. Heute ist es wie ausgestorben. Wir sind auch nicht
böse darum. Ich habe mit meinem Kameraden Graser wieder mein sonntägliches
Morgenbad genommen. Es hat uns außerordentlich gut getan. Notwendig ist es ja
immer wieder, und letzten Endes soll man solche liebgewordenen Gewohnheiten
nicht aufgeben.
Manchmal will es scheinen,
als ob es hier auch auf den Frühling zugeht. Vor Tagen habe ich schon Schwärme
von Staren gesehen, die sich noch in der Stadt aufhalten, bis das Wetter
draußen für sie brauchbar ist. Heute ist ein ganz mildes Wetter und ein lauer
Wind weht durch die Straße. Ich bin froh darum, denn dann wird die Versorgung
der Stadt mit Kohle nicht zu einem gar so schwierigen Problem.
Gestern hat Graser seine
Beförderung, die er in der Heimat erfahren hat, auch hier bestätigt erhalten.
Er ist jetzt Sekretär und steht jetzt im Range eines Leutnants. Er hat sich
mächtig darüber gefreut und wir auch mit. Diese ganze Beförderung ist ja auch
noch eine Geldangelegenheit. Mit seinem Bekleidungsgeld und mit seiner
Nachzahlung erhält er etwa 500.-RM ausbezahlt. Im Laufe der kommenden Tage wird
wohl bei ihm nun damit eine Feier verbunden werden. Wie es nun mit meinem Kurs
werden wird, bin ich gespannt. Ehe ich aber von dem Zustandekommen von
Karlsruhe keinen Bescheid bekomme, nützt nun wieder jede Genehmigung von hier
nichts. Ich werde es wieder mit dem bewährten Prinzip halten müssen, abwarten.
Gestern erhielt ich Deinen
lieben Brief vom 5.2. Ich muß leider immer wieder lesen, dass die Post so
unregelmäßig bei Dir eingeht. Den Weihnachtsbaum habt Ihr nun endgültig
versorgt. Wegen der Schokolade will ich sehen, ob ich nochmals ein Paket
bekommen kann. Bestimmt kann ich es nicht versprechen, aber Du weißt ja, dass
ich Dir gerne so einen kleinen Wunsch erfülle, wenn es mir möglich ist.
Jetzt haben wir es hier auch
soweit, dass die jüdischen Geschäfte gekennzeichnet worden sind. Alle haben ein
großes gelbes Plakat in drei Sprachen mit einem großen blauen Stern. Diese
Maßnahme ist ja vorwiegend wegen den Soldaten durchgeführt worden. Verschiedene
lassen sich aber immer noch durch die billigeren Preise anlocken und gehen doch
noch hinein. Der Ordnungsdienst hat da schon zu tun, um derartige
Ausschreitungen zu verhindern. Es ist aber sehr wichtig gewesen, dass dies
gemacht wurde, man sieht jetzt erst, wie viele es solche Geschäfte gegeben hat.
Ich grüße Euch alle wieder
recht herzlich und sende Euch ebenso viele herzliche Küsse. Dein Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 15.2.1941
Ich habe Deine Briefe laufend
erhalten. Die letzten Tage war ich sehr in Anspruch genommen, vor allem auch
deshalb, weil ich immer in der Spannung bin, dass ich weg komme. Heute ist nun
die Bestätigung gekommen, dass ich von meinem Chef für 3 Monate beurlaubt
werden kann. Es hat sich also etwas länger hinaus gezogen, wie ich dachte.
Meine Reise werde ich also wahrscheinlich am Dienstag oder Mittwoch antreten,
je nach dem, wie es der Dienst erlaubt. Ich werde erst zwei Tage zu Euch kommen
und dann nach Karlsruhe fahren. Über alles Weitere können wir ja sprechen. Ich
freue mich jedenfalls auf unser Wiedersehen.
Für heute grüße und küsse ich
Euch alle und Dich besonders, wenn ich heim komme. Dein Ernst.