Freitag, 18. Dezember 2015

Brief 90 vom 12/13.12.1940


Meine liebe Annie!                                                                      O.U., den 12.12.1940 

Heute kam nun Dein lieber Brief vom 6.12., über den ich mich wieder sehr gefreut habe und für den ich Dir herzlich danke. Die vier Briefe und zwei Päckchen waren sicher eine ziemliche Belastung. Hoffentlich ist dadurch Dein Haushalt nicht ganz in Unordnung geraten. Die Sache mit den Konserven ist ja nicht so schlimm. Dein Vorschlag um nachzusehen, was drin ist, weil Du die Aufschrift nicht verstehst, ist ja auch gangbar. Jedenfalls die Büchse mit der Aufschrift „Liebig“, die noch besonders in Papier verpackt ist, enthält Fleischextrakt. Wenn Dir die Deckchen aus Brügge gefallen, so ist ja der Zweck erreicht. Ich hätte z.Zt. gerne etwas anderes für Dich gekauft, doch ich war mit dem Gelde etwas knapp dran. Aber auch das Gesandte ist schließlich ein Andenken.
Die Schokolade ist ja schon unterwegs, die Du Dir gewünscht hast. Wegen einer weiteren Weste werde ich mich dann umsehen, wenn ich vom Urlaub zurück  bin. Die Angelegenheit wegen der scheinbar nicht angekommenen Päckchen hat sich ja restlos aufgeklärt. Es ist also alles in Ordnung. Über meine deutsche Schrift war ich tatsächlich selbst erstaunt, doch ich kann dir sagen, das war auch eine Arbeit. Man ist ganz ungelenk, vor allem, weil man keine Übung hat. Wie es scheint, hat er die Kinder überzeugt, was ja schließlich die Hauptsache ist. Du brauchst nun nicht gleich zu denken, daß ich mich nach Deinem Kompliment nun gleich auf deutsche Schrift umstelle, denn dann würdest Du reichlich weniger Post von mir erhalten können. Ich werde also in der üblichen Form weiter verfahren.
Ich nehme an, daß Du inzwischen Deine Ansicht über den schnellen Ablauf der Feiertage etwas geändert hast, oder siehst Du es nun nicht gerne, weil ich so außergewöhnlich schnell zu Urlaub gekommen bin, daß es Dir fast unwahrscheinlich erscheinen wird.
Wie ich lese, wart Ihr also inzwischen wieder einmal im Keller und außerdem habt Ihr so ausgesprochen schlechtes Wetter. Das Wetter ist bei uns auch komisch. Am Tage regnet es, was nur vom Himmel runter will und nachts ist es mondhell und sternenklar. Es ist gut, daß da niemand dran drehen kann.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt bis zum Wiedersehen am Sonntag über 8 Tage. Soweit es möglich ist, werde ich Dir etwaigen Ankunftstermin mitteilen. Es grüßt und küßt Dich nochmals Dein Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                       O.U., den 13.12.1940

Heute habe ich auch Dein Schreiben vom 9.12.40 erhalten, in dem Du Deiner Freude Ausdruck gibst, weil ich auf Urlaub komme. Da war Dir diese Mitteilung scheinbar nicht so unangenehm, wie ich erst und gestern auch noch vermutete. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, wie diese Mittelung auf Euch gewirkt hat. Auch Jörgs Temperamentsausbrüche kann ich mir ausmalen und Helga wird ja auch sehr überrascht gewesen sein. So wie es Euch gegangen ist, genau so war es bei mir. Ich konnte es auch fast nicht glauben. Na und über unseren Jagdausflug hast Du auch noch gelacht. Das war doch hoffentlich nicht Schadenfreude.
Gestern war ich wieder im Konzert, ich will nicht hoffen, daß das auf meine Gesundheit so nachteilige Folgen hat wie das letzte Konzert. Das Programm ist wieder beigefügt. Darauf ist allerdings ein Druckfehler, der fast wie ein Witz anmutet. Es heißt da D-Moll Dau, synfonische Dichtung, das hat mit D-Moll also nichts zu tun gehabt, denn es handelte sich hierbei um die Moldau. So etwas kann ja vorkommen. Am Abend werde ich heute ins Theater gehen, doch darüber schreibe ich Dir morgen. Das gestrige Programm hat mich auch wieder ganz und gar befriedigt. Es ist schon etwas Schönes mit guter Musik.
Im Laufe der nächsten Woche werde ich dann mein Briefschreiben einstellen, denn sonst kommen da noch Sachen an, wenn ich schon lange daheim bin. Soeben trafen Deine Faltkartons  ein, ich werde sie, soweit es noch notwendig ist, verwenden, die übrigen hebe ich dann auf.
An die Eltern habe ich gestern eine Karte geschrieben, daß ich Weihnachten auf Urlaub fahre und an Nanni schreibe ich auch noch, damit sie auch recht unterrichtet sind.
Ich war vorhin im Variete. Ich muß sagen, so bunt und unterhaltsam habe ich es selten gefunden. Es war wirklich ausgezeichnet und sehr viel zum Lachen.
Das mit dem Wetter, wie ich es Dir gestern berichtete, richtet sich wahrscheinlich ein , denn auch heute war am Tage unfreundliches Wetter und nun ist zur Nacht der Vollmond wieder herausgekommen. Er scheint so hell, daß fast alle Sterne dagegen verblassen.
Schlafe gut und wache gesund wieder auf. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich bis zum Wiedersehen, ebenso herzliche Küsse sendet Euch allen Dein  Ernst.    

Freitag, 11. Dezember 2015

Brief 89 vom 10./11.12.1940


Liebste Frau !                                                                                   O.U., den 10.12.1940 

Es ist nun wieder Abend und nach dem Nachtessen habe ich mich auf mein Zimmer zurückgezogen. Erst habe ich verschiedene Zeitungen gelesen und Radio gehört und jetzt möchte ich Dir vor dem Schlafengehen noch meinen Brief schreiben, damit Du nicht zu kurz kommst. Obwohl ich heute keine Post erhalten habe, freue ich mich noch von gestern, wo Du noch im letzten Schreiben mitteilst, daß der Brief an die Kinder immerhin noch am 6. angekommen ist. Ebenso bedeutet es immer eine gewisse Erleichterung, wenn man liest, daß einige Päckchen ihren Bestimmungsort erreicht haben. Morgen werde ich ja von Dir sicher wieder etwas zu lesen bekommen. Die angekündigte Absendung der zwölf Päckchen ist also heute vollzogen worden. Wenn es gut geht, kommen sie vielleicht noch vor Weihnachten bei Dir an. Es ist hierbei nicht uninteressant, wenn man feststellt, daß ich über 60 Päckchen bis jetzt an Euch habe absenden können.
Das Wetter ist wieder sehr regnerisch geworden, so daß man ganz froh ist, wenn man so seine ordentliche Bude hat, die auch schon durchgeheizt ist. In Bezug auf die Heizung können wir uns ja noch nicht beklagen. Wir haben an unserer Dampfheizung einen Defekt gehabt, der ist aber kürzlich behoben worden, so daß in dieser Hinsicht alles in Ordnung ist.
Ich weiß nicht, wie die Möglichkeiten wegen des Fleisches für Weihnachten sind. Ich habe hier aber dieser Tage etwas von Gänsen gehört. Wenn ich genaueren Bescheid habe, werde ich Dir noch schreiben, ob ich eine mitbringe. Heute haben wir wieder einen Hasen geschenkt bekommen. Es fällt also immer wieder etwas ab. Wenn nicht die Transportschwierigkeiten wären, ließe sich manchmal etwas machen. Wir sind ja mit dem zufrieden, was wir haben und was wir erreichen konnten. Eines freut mich aber ungemein, und dies ist mein bevorstehender Weihnachtsurlaub. Ich will nur hoffen, daß alles glatt geht.
Vom Dienst kann ich Dir nichts weiter berichten, denn der geht gleichmäßig und ungehindert weiter. Wir fangen jetzt zwar 1/2 9 Uhr an und arbeiten bis 3/4 1 Uhr. Mittagessen ist immer noch von 1 - 2 Uhr. Anschließend halten wir bis gegen 3 Uhr unseren Mittagsschlaf. Dann verziehen wir uns wieder aufs Büro, um bis 6 Uhr wieder zu arbeiten. Meistens wird es 1/2 oder 3/4 sieben Uhr, bis wir soweit sind. Der Tommy hat dann die Angewohnheit, noch etwas mit nach Hause zu nehmen, so daß wir sehr oft um 10 Uhr noch einmal anfangen, etwas wegzuarbeiten oder miteinander zu besprechen. Die anfängliche geringe Beschränkung des Kraftfahrzeugumlaufs wird in gewisser Hinsicht immer mehr eingeschränkt. Doch fährt man allgemein hier immer noch mehr Auto wie im Reich. Ich glaube aber, daß es mit der Zeit hier auch weniger werden.
Ich grüße und küsse Euch alle recht vielmals. Besondere Grüße und Küsse bekommst Du heute und wenn ich zurückkomme von Deinem Ernst.  

Meine liebe Frau!                                                                         O.U., den 11.12.1940

Auch heute hat die Post wieder einen Ruhetag für mich eingeschoben. Na ja, Du kennst ja unseren alten Stoßseufzer. Doch wie Du aus den beigefügten Durchschlägen siehst, habe ich mich heute endlich einmal drangemacht und an Kurt und Siegfried geschrieben. Ein Pech habe ich zwar dabei gehabt, die Adresse von Kurt habe ich verlegt. Auf einem Briefumschlag habe ich mir die Nummer 19655 notiert. Ich werde diesen Brief an die Adresse richten. Falls sie nicht stimmen sollte, bitte ich Dich, den beigefügten Durchschlag an Kurt weiterzuleiten, damit nicht noch mehr Zeit versäumt wird.
Heute habe ich auch die gesandten 25,-RM, die schon seit letzter Woche auf unserer Zahlmeisterei liegen, die ich aber wegen meiner Bettliegerei nicht abholen konnte, in Empfang genommen. Ich danke Dir dafür, ich werde sie zweckentsprechend verwenden. Ich habe mich heute deswegen gleich an die anderen Briefe noch gesetzt, weil heute wieder Pflichtessen stattfindet. So habe ich Zeit bis nach 9 Uhr. Von diesem Zeitpunkt ab kann ich dann ungehindert essen, denn dann hat sich unser General verzogen. Man muß immer wieder zusehen, wie man etwas Praktisches mit nützlichem verbinden kann. Ja, wenn man Soldat ist, muß man auf allerhand Schliche kommen, sonst kommt man unter den Schlitten.
Wie Du aus dem Durchschlag ersehen kannst, findet morgen wieder ein Konzert statt. Ich bin sicherlich wieder dabei, doch habe ich mir vorgenommen, wieder abzurücken, wenn das Theater kalt ist. In diesen Tagen muß ich nun noch ein Probepacken vornehmen, damit ich keine Schwierigkeiten habe mit meinen Koffern, denn die Tage sind dann schnell vorbei und es gibt doch manches wieder mitzunehmen.
Wie ich in den Briefe schon früher erwähnte, sind die Tage bisher noch nicht winterlich gewesen. Einzig und allein die kurzen Tage erinnern daran, daß man im Winter lebt. Doch in 14 Tagen haben wir den kürzesten Tag erreicht und dann geht es ja wieder aufwärts. Ich glaube, auch Du wirst froh darüber sein. Ich habe es bis jetzt allerdings noch nicht als sehr lästig empfunden, wenn die Tage kürzer sind, denn wenn man den ganzen Tag so beschäftigt ist, tritt einem das gar nicht so sehr in Erscheinung. Ich denke mir aber, daß Du weniger darüber erfreut sein wirst, schon mit Rücksicht auf die hohe Lichtrechnung.
Ich sende heute verschiedene Bilder und Schriftstücke wieder zurück, die Du ja mit aufheben kannst. Auch mein letzter Urlaubsschein ist mit angeschlossen. Recht herzliche Grüße und Küsse sende ich Euch allen. An Helga und Jörg kannst Du je einen Kuß in meinem Auftrag abgeben. Die Grüße von Vater lasse ich ebenso herzlich erwidern. Am Ende bist aber Du wieder besonders an der Reihe. Also nimm recht viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Dienstag, 8. Dezember 2015

Brief 88 vom 8./9.12.1940


Mein sehr liebes Mädel !                                                                      O.U., den 8.12.1940   

Es ist wieder Sonntag, das Wetter ist nicht gerade sehr einlandend, so daß ich heute eine feine Gelegenheit habe, mich nützlich zu machen. Ich habe mir das Wunschkonzert angestellt und bin nun fertig mit Päckchenpacken. Zwölf Stück habe ich wieder fertig und die werde ich morgen oder übermorgen zur Absendung bringen. Die Aufstellung wegen der anderen Päckchen, die Du mir gesandt hast, habe ich nochmals durchgesehen und mit meiner Aufzeichnung verglichen. Es ist also alles angekommen. Nun kann ich Dir noch mitteilen, daß ich am Freitag alle sechs Päckchen von Dir erhalten habe. Ich danke Dir herzlich dafür. Ich habe sie aus dem Papier gepackt und mußte feststellen, daß auf allen draufstand „für Weihnachten“. Da ich ja nun wahrscheinlich heute in 14 Tagen bei Euch oder bald bei Euch sein werde, habe ich mir gedacht, Dein Einverständnis im stillen voraussetzend, daß ich mir am kommenden Sonntag die Päckchen ganz aufmache, denn sonst müßte ich womöglich alles mit nach Hause nehmen, was eine Mordsschleppung wäre.
Wegen des Schreibens um Deine Angst bin ich Dir gar nicht böse und ich habe durchaus Verständnis dafür.  Vor allem, wenn ich mir vergegenwärtige, daß Du mit Deinen Gedanken so ziemlich allein bist, außer wenn ich berücksichtige, daß wir uns Briefe schreiben. Das ist aber alles nur Ersatz.
Die Eltern haben ja von mir inzwischen Nachricht erhalten. Der Wunschzettel von Jörg ist sehr einfach, aber drastisch. Man weiß gleich, was er will. Man muß sich zu helfen wissen. Ich werde versuchen, ihm hier noch einige französische Soldaten zu erstehen, damit es für ihn interessanter wird.
Das Wunschkonzert ist doch wieder fabelhaft. Der Lommel ist doch eine Type. Gestern war ich wieder einmal im Kino der Soldaten. Es war zwar ein leichter aber netter Film. Ich muß mich noch sehr halten, damit ich mich nicht bald wieder ins Bett legen muß.
Nach dieser großen Packerei bin ich etwas fertig und bin für heute so ziemlich am Ende meiner Kunst. Ich grüße und küsse Euch, meine Lieben, recht herzlich. Dir mein liebes Mädel, sende ich besonders herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst.


Mein liebstes Mädel !                                                                 O.U., den 9.12.1940

Eigentlich hätte ich Deinen lieben Brief vom 5.12. schon am Samstag erhalten sollen, doch er wurde mir erst heute früh zugestellt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, auch über die Zeilen von Helga und die Bilder von Jörg. Inzwischen ist ja auch das Schreiben vom Nikolaus an die Kinder angekommen, worin er schreibt, warum er in diesem Jahr keine Zeit hat.
Daß Dich mein Brief vom 28.11. so gefreut hat, ist mir gleichzeitig eine Beruhigung im Hinblick auf Deine letzten Schreiben. Um diese Jahreszeit ist es wahrhaftig nicht schön auf der Messe, und wenn man daheim eine warme mollige Stube hat, so freut man sich doppelt darauf bei diesem Wetter. Ich weiß noch sehr wohl, wie Du immer aufgeatmet hast, wenn Du bei nassem oder kaltem Wetter in die warme Küche kamst. Bei uns war es ja sonst immer sehr heimelig, so am Abend. Ich freue mich jedenfalls darauf, bald mit Dir wieder zusammensitzen zu können.
Eins muß ich feststellen, Du tust ja sehr viel für Deine Fortbildung. Du hast Dich jetzt an Goethe rangemacht, ja, wenn ich ehrlich sein soll, so habe ich Dir mitzuteilen, daß auch ich noch nicht den Faust gelesen habe. Wir waren also bis dahin gleich dumm, und jetzt bist Du also gescheiter wie ich. Das ist also auch ein Zeichen des Krieges. Da muß ich mich also erheblich anstrengen, um das alles nachzuholen, was ich während dieser Zeit versäumt habe. Wenn Du mir derartige Mitteilungen machst, so interessiert mich das wirklich sehr.
Daß Du für Weihnachten schon alles beieinander hast, entspricht durchaus Deiner gewohnten Vorsorge. Den Baum wirst Du zwar auch allein besorgen müssen, doch ich denke, daß Dir dies nichts ausmacht. Heute habe ich die schriftliche Bestätigung erhalten, daß ich vom 22.12.40 bis 1.1.41 Urlaub habe. Ich denke, daß mir jetzt kaum noch jemand daran dreht. Die Fragen und die Wünsche von Helga und Jörg sind ja ganz und gar kindlich, doch man sieht, daß bei Jörg die Bescheidenheit keine große Rolle zu spielen hat.
Am Abend erhielt ich noch Deine beiden Briefe vom 4. und 5./6.12. Auch dafür danke ich Dir recht sehr. Deine Schilderung hat mich köstlich gefreut. Das sieht dem Strolch doch wieder ähnlich. Na und wie ich sehe, ist es ja ohne Rute abgegangen und seine Geschenke haben auch Freude bereitet. Dieses Ereignis  wäre auch für dieses Jahr vorüber. Ich hätte mich zwar gefreut, wenn ich hätte auch dabei sein können.
Dann fangen ja Helgas Ferien mit meinem Urlaub an, bloß bei mir dauert er nicht so lange. Ja, Deine schnelle Stellungnahme zur Urlaubsfrage freut mich sehr, doch junge Frau, ich muß Dir mitteilen, Du kommst leider etwas zu spät, denn das ist ja alles schon überholt. Ich brauche also zu Deiner  Stellungnahme keine Stellung mehr zu nehmen. Morgen gehen die gestern gepackten Päckchen weg. Ich habe erst Briefmarken besorgen müssen. Es sind vorwiegend Konserven, dann noch Schokolade, Seife und für Vater etwas Tabak. Ich habe noch 5 kg Kaffee (er ist ungebrannt) gekauft, und nun steht mir auch noch 2 kg gebrannter Kaffee zu. Diesen werde ich auch noch absenden. Das Lager unserer Kantine wird aufgelöst, so daß dies wahrscheinlich der letzte Kaffee sein wird. Was ich dann noch da habe, bringe ich dann mit. Ich habe deshalb diese Sachen alle ab gesandt, damit die Schlepperei nicht gar zu groß ist. Recht herzliche Grüße und viele Küsse sende ich Euch allen. Dir mein liebes Mädel, sei besonders herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Samstag, 5. Dezember 2015

Brief 87 vom 4./6.12.1940


Meine liebe Annie!                                                                      O.U., den 4.12.1940

Es ist wieder Nachmittag und es wird nun wieder Zeit, daß ich mich an meinen heutigen Brief mache. Wir haben heute Abend unser Pflichtessen, so daß ich beim Essen bis etwa gegen 9 oder 1/2 10 Uhr festgehalten bin, dann werde ich mich ungesäumt nach Hause begeben und mich ins Bett legen. Es kann sein, daß ich vorher noch einige Päckchen vorbereite, doch das hängt ganz davon ab, wie ich Lust dazu habe. Das Päckchen Nr. 10 mit vier Tafeln Schokolade habe ich heute an Dich aufgegeben. Ebenso habe ich zwei Zeitungen an Dich ab gesandt, mit den Artikeln, die ich kürzlich schon erwähnte.
Deine beiden Briefe vom 29. und 30.11. habe ich heute bekommen und dafür danke ich Dir wieder. Deinen Wunsch wegen des Weihnachtsurlaubs habe ich Dir ja inzwischen beantwortet. Die Päckchen werde ich alle in Empfang nehmen. Auch mit den anderen Päckchen hast Du es recht gemacht. Ob der Pullover für Vater richtig ist, muß ich Deinem Urteil überlassen.
Im Keller wart Ihr zur Abwechslung auch wieder einmal Aus unserer Mästerei könntest Du schon Mist erhalten, doch gibt es nur 1 Kg-Päckchen und ob die Post sie annimmt, ist fraglich. Wie ich Dir schon geschrieben habe, hat sich vom Winter noch nicht viel gezeigt. Das Wetter ist sehr wechselhaft und teilweise sogar ungesund.
Von der Zeitungsnotiz habe ich Kenntnis genommen und bin sehr erfreut von der Stadtverwaltung auch etwas zu bekommen.
Seit heute haben wir für unseren Wagen wieder einen französischen Fahrer  bekommen. Es ist also alles da für uns.
Deinen Wunsch, Dir etwas von unserem Dienst zu berichten, werde ich gerne nachkommen, soweit dies angänglich ist.
Ich möchte für heute schließen und Dir meine herzlichsten Grüße und Küsse übermitteln. Helga und Jörg gib wieder einen herzlichen Kuß. Dein Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                    O.U., den 6.12.1940

Gestern habe ich einen Brief auslassen müssen, was mir eigentlich leid getan hat. Da ich Deinen Brief vom 1.12. erhielt, in dem Du mich nach meinen sehr guten Bekannten  fragst und mir einen stillen Vorwurf machst, daß Du doch so wenig weißt, obwohl wir uns viel schreiben. Vorerst möchte ich Dir noch erklären, warum ich gestern nicht  schreiben konnte.
Letzte Woche teilte ich Dir doch schon mit, daß ich mich nicht ganz wohl gefühlt habe. Ich dachte auch, ich hätte es überstanden, doch als ich am Montag im Theater war, mußten wir feststellen, daß nicht geheizt war und daß es durchzog. Das hat mir den Rest gegeben und zwar so, daß ich mich gestern ins Bett legen mußte und heute bin ich erst am Nachmittag aufgestanden. Ich hatte mich ganz elend erkältet, was sich dann in der Kreuzgegend zusammen gezogen hatte. Ich hoffe nun, daß ich es überhauen habe und werde mich in den nächsten Tagen sehr schonen, damit mein Weihnachtsurlaub durch eine Krankheit nicht in Frage gestellt wird.
Doch nun zu Deiner Frage. Ich hätte sie Dir lieber mündlich beantwortet, doch ich möchte versuchen, Dich davon zu überzeugen, daß die Dinge anders aussehen, wie Du sie Dir vorgestellt hast. Brieflich ist dies nicht gerade sehr einfach und es entsteht gern ein falsches Bild von dem, was man sagen will. Ich kenne hier die Familie Laureyns und die Familie Gaugnie. Bei Gaugnie ist vielfach ein Ehepaar, das ein Geschäft hat. Dort habe ich auch schon verschiedentlich gekauft. Dr. Thomas hat sich nun wiederholt verpflichtet gefühlt, die Leute einzuladen, weil er doch fast jeden Abend sich dort aufhält und weil ihm diese Leute öfter Besorgungen abgenommen haben. Aus dieser Einladung heraus haben diese Familien wieder ihrerseits eine Verpflichtung abgeleitet. Da Dr. Thomas, Graser und ich gewissermaßen das Kleeblatt sind, gehören wir also auch dazu. Wie Du also schon herausmerken wirst, ruht der größere Teil der Bekanntschaft beim Tommy, denn auch der unterhält sich ja auch fast ausschließlich mit ihnen, während Graser und ich stille Teilhaber sind. Ich profitiere nur insoweit, daß ich mich schon sehr an die Sprache gewöhnt habe und bisher auch schon viel lernte. Aus dieser Bekanntschaft haben weder wir, noch die Leute irgendwelche Vorteile bekommen, was Du Dir ja bei meiner Einstellung, die Du ja kennst, und die immer noch unverändert ist, auch selbst erklären kannst.
Ich kann Deine Frage wohl verstehen und ich bin Dir deswegen in keiner Weise böse. Ich hoffe ja auch, daß ich Dir bald persönlich alle noch offenstehenden Fragen beantworten kann. Ich bin auch überzeugt davon, daß Du den Kopf nicht hängen lassen wirst.
Ich möchte mich heute nicht gleich übernehmen und bitte Dich, mit diesem Schreiben vorlieb zu nehmen. Ich grüße Euch alle recht herzlich und sende Euch viele kräftige Küsse. Dein Ernst.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Brief 86 vom 2./3.12.1940


Meine liebe Frau!                                                                             O.U., den 2.12.1940  

Bevor ich Dir vom Sonntag erzähle, muß ich Dir von einem Streich berichten, den wir uns am Samstag geleistet haben und aus dessen Folgen Du sehen kannst, was für einen prima Chef wir haben und wie der für unsere Gesundheit besorgt ist. Meine zwei Kameraden und ich waren am Samstag zu einem Essen eingeladen. Es gab ein echt französisches Essen mit etlichen Vorspeisen, den nötigen Getränken und als Hauptgang gab es, wie hier meist üblich, Huhn. Es war aber alles gut angemacht und appetitlich, so daß wir dem, was so zwischendurch an Getränken gereicht wurde, auch etwas  zugesprochen haben. Dann folgten noch die Nachspeisen, alles genau in der Reihenfolge, wie ich sie Dir früher auch schon geschrieben habe. Dr. Thomas war nicht gerade sehr gut aufgelegt, so daß wir den letzten Gang, den Sekt, ausgelassen haben. Wir sind vorzeitig dort aufgebrochen und trafen so kurz nach Mitternacht wieder daheim ein. Wir haben dann noch einige Kognaks getrunken, ein weiterer Kamerad, der bei uns auch noch im Hause wohnt, war auch gerade heimgekommen. Der ist unser Pianist. Für uns war das Veranlassung, in unser Musikzimmer zu gehen. Dort haben wir vier gesungen, was in unseren Kräften stand. Da wir ja allein in unserem Hause wohnen, kannst Du Dir denken, daß wir getan haben, was wir konnten. So gegen 3 Uhr haben wir uns dann ins Bett begeben, aber nicht ohne unseren Parademarsch im Flur zu klopfen. Eins möchte ich hierzu noch erwähnen, neben uns wohnt unser Chef und der ist seit Anfang letzter Woche aus dem Urlaub zurück. Am anderen Morgen, so gegen 10 Uhr sind wir aufgestanden und haben gerade beraten, ob wir baden gehen wollen, als es bei uns klingelt was die Klingel hergibt. Mein Kamerad Graser und ich bekamen Befehl, uns sofort beim Chef zu melden. Also, schnell fertig gemacht und angetreten. Gewaschen und rasiert waren wir noch nicht. Unser Chef begrüßte uns auch gleich sehr freundlich und sagte:
„Meine Herrn, ich nehme an, daß sie gut geschlafen und gefrühstückt haben, ich lade sie ein, sofort mit mir zur Jagd zu gehen“. Wir haben darauf gesagt, daß uns das eine Ehre sei und den guten Schlaf und das Essen haben wir bestätigt. Wir sind dann mit dem Wagen raus gefahren und von 11 bis 13 Uhr über Äcker und Felder, durch Busch und über Gräben gestolpert. Ich muß sagen, es war ein sehr schöner Morgen. So richtig novemberlich. Der Nebel verwusch das Bild der Landschaft, der Acker war leicht gefroren und die Gräser zeigten Raureif. Die Sonne stand ganz weiß im Nebel. Interessant war dabei noch, da wir uns in der Nähe der belgischen Grenze befanden, daß wir uns die ganze Zeit in der Befestigungslinie bewegten. Bunker die einsam und verlassen dastanden, das Gelände durchschnitten von tiefen Gräben als Tankfallen. Überall Stacheldraht. So kriegerisch das alles auch anmutet, es zeigt, nachdem alles nicht erhalten wird und dadurch teilweise verfällt, wie unnötig und zwecklos alles war. Doch nun zurück zu unserer Jagd. Ich war erstaunt, wie viele Rebhühner da waren und was für eine große Anzahl Hasen über die Äcker hoppelten. Das Jagdglück war uns auch hold, wir brachten fünf Hasen und zwei Rebhühner mit nach Hause. Unser Chef dachte sich für den Radau der vergangen Nacht zu entschädigen, doch da war er an der falschen Adresse, bei zwei solchen Naturburschen war das nur Öl in das Feuer. Wir haben uns auch weidlich gefreut, als er zu uns sagte: „Ich will nicht hoffen, daß sie in der vergangenen Nacht so einen Krach vollführt haben“, was wir selbstverständlich sofort verneinten und sagte, daß seien die anderen gewesen, denn wir sind um 11 Uhr ins Bett gegangen. Er hat sich immer wieder gefreut und versucht, darauf hinzusticheln, bis wir ihm sagten, daß dieser Ausflug für uns ein Vergnügen gewesen sei und wir dies nicht als Strafe betrachten würden und wenn er damit jemand bestrafen wollen, hätte  er ausgerechnet die beiden Unschuldigen erwischt. Als wir ihm das gesagt hatten, war er geschlagen.
Wie ich schon vorweg genommen habe, für unser leibliches wohl war etwas getan worden, wenn wir auch mit einem anständigen Hunger nach Hause gekommen sind. Ich habe mich dann an die Herrichtung meiner Kleider gemacht, denn die hatten ein Aufbügeln wieder einmal bitter nötig. Dazu habe ich dann teilweise das Wunschkonzert gehört. Nach dieser Schilderung wirst Du sicher denken, ich sei, nachdem ich nicht mehr unter Deinen Schutz stehe, außer Rand und Band geraten und meine guten Sitten hätte ich ganz vergessen. Zu Deiner Beruhigung kann ich Dir aber mitteilen, daß dem nicht so ist.
Die Post hat auch mit mir wieder einmal ein Einsehen gehabt, denn sie überließ mir heute Deine Briefe vom 25., 26., 27. und 28.11., sowie noch ein Päckchen vom Marinesturm. Ich habe eine ganze Zeit zu tun gehabt um alles zu verdauen. Trotzdem, es war mir nicht zuviel und ich habe mich dabei auch nicht übernommen. Nachdem ich Dir heute schon so viel geschrieben habe, werde ich Dir erst morgen diese Briefe beantworte, denn ich muß Dir noch eine unangenehme Mitteilung machen. Ungeschickt von mir ist es nun, daß ich sie mir bis zum Schluß aufgespart habe. Mir gehrt es aber scheinbar genau so, wie Du mit dem Mistbreiten. Es dreht sich um den Urlaub und das möchte ich Dir möglichst schonend beibringen, denn ich muß auf Anordnung meines Chefs doch schon am 22.12. abfahren und bis einschließlich 1.1.41 abends bleiben. Ich weiß, daß Dir das nicht so einfach ist und bitte Dich, dies Dir nicht so schwer zu Herzen zu nehmen. Unser Chef hat sich die Liste vorlegen lassen und hat selbst gesehen, daß ich dabei schlecht wegkommen würde. Er hat verschiedene kleine Änderungen vorgenommen und nun kann ich doch zu Euch kommen, vorausgesetzt, daß keine unerwarteten Ereignisse eintreten. Das ist doch fein. Das ist der offizielle Sonderurlaub für Weihnachten und es langt sogar noch zu Sylvester. Ich freue mich, daß ich Dir dies noch mitteilen kann.
Ich gebe Euch allen einen recht herzhaften Kuß, und nehmt dazu noch viele liebe Grüße entgegen. Du mein liebes Mädel kommst wieder besonders an die Reihe. Dein Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                     O.U., den 3.12.40  

Nun kommt die Beantwortung der vielen gestrigen Post dran. Also der Reihe nach.
Mit dem Geld, was Du mir schicken willst, werde ich schon auskommen. Ich möchte nicht haben, daß Du Dich wegen mir restlos verausgabst. Der Tommy hat sich auch einen Mantel machen lassen und hat dafür etwa 70,-RM bezahlen müssen. Ich hoffe, kaum mehr bezahlen zu müssen. Ob ich ihn noch bis Weihnachten fertig machen lassen kann, muß ich erst einmal abwarten.
Daß Du Mundharmonika spielst, wundert mich nicht sehr, doch bin ich außerordentlich erfreut darüber, denn wenn ich wieder einmal auf Urlaub kommen sollte, können wir doch unser eigenes Wunschkonzert veranstalten. Ich lache Dich doch deswegen nicht aus, wenn Du mir Deine Freude darüber mitteilst, sondern höchstens an.
Die Elsa ist ja sehr anhänglich und es ist sehr nett, wenn sie Dir immer wieder schreibt. Sie muß doch sehr viel Sympathie für Dich haben.
Daß Dir Jörg mit so kleinen Arbeiten zur Hand geht ist sehr erfreulich, und man sieht doch, daß er älter und vernünftiger wird. Du kannst ihm mein Lob ruhig mitteilen. Verständlich ist ja, daß Helga nicht immer so mithelfen kann und ich weiß, daß sie auch mit zupackt, wenn sie Zeit dazu hat.
Wegen der WHW-Briefmarken, laß es nur bei den 2 Sätzen, das reicht vollauf. Die beiden Päckchen habe ich Dir ja bereits bestätigt und soviel ich weiß, habe ich das Danken dafür auch nicht vergessen.
Nun komme ich gleich zu meinen Päckchen. Die Nummern 3 - 7 sind gestern abgegangen und 8 und 9  heute. Weitere sind in Vorbereitung. Meistens sind´s Konserven und andere Lebensmittel und in einem ist der Pullover für Vater drin. Von den Sardinen könnt Ihr ja essen, und damit kennst Du Dich ja auch aus. Bei den anderen Konserven gebe ich Dir Bescheid. Ebenso kannst Du den Liebig Fleischextrakt verwenden, wenn Du willst, denn es sind davon auch zwei Büchsen da.
Gestern war ich wieder im Theater. Restlos gelangweilt. Ich weiß, daß man in Bezug auf Lustspiele manchmal sehr weitherzig sein  muß, doch wenn man die „sprühenden“ Witze so an den Haaren herbeiziehen muß, dann kann einem der Abend leid tun. Doch das kann passieren, daß einmal eine Niete zwischendurch dabei ist. Manche Leute freuen sich auch über solche Sachen.
Heute Abend war ich nochmals beim Berliner Philharmonie Kammerorchester. Ja, so ein Abend ist ganz etwas anderes. Wenn auch einmal ein Stück dabei ist, das man mit schwerer Musik bezeichnen kann. Gestern waren wieder Händel, Haydn, Gluck, Strauß und Tschaikowski an der Reihe. Am besten hat mir die sogenannte Feuerwerkmusik von Händel gefallen und dann die Teile aus der Abschiedssymphonie von Haydn. Auch das Ständchen des Leporello von Gluck, das ich zum ersten Male hörte, war in seiner Zartheit ausgezeichnet. Den Abschluß bildete diesmal der Walzer „An der schönen blauen Donau“ von Strauß, der vom Dirigenten auch zu den Klassikern rechnet.
Nach der gestrigen Masseneinkunft von Post, konnte ich ja nicht erwarten, daß das heute so weiter geht. Es  ist auch nicht weiter gegangen. Zu den Geldsendungen möchte ich noch bemerken, daß es vielleicht ungünstig ist, wenn Du erst am 15. noch eine größere Summe absendest, weil dann zu befürchten ist, daß es mich nicht mehr rechtzeitig erreicht. Überlege Dir dies selbst einmal und handle nach Deinem Gutdünken.
Ich sende Dir recht viele herzliche Grüße und Küsse für heute. Dein Ernst.