Freitag, 1. April 2016

Brief 115 vom 1./4.4.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                  Karlsruhe, den 1.4.41     

Deinen lieben Brief vom 29./30.3. habe ich gestern Abend schon bekommen. Ich Danke Dir recht herzlich dafür. Er hat mir in allen seinen Teilen gut gefallen, nicht wie Du am Ende Deines Schreibens feststellst, daß er etwa unrichtig wäre und ich mich über manches ärgern würde. Dies ist nicht der Fall.
Gefreut hat mich Deine Schilderung über die Kinder und vor allem die weisen und interessanten Aussprüche von unserem Kleinsten. Man kann also sehen, wie er sich die Sachen überlegt. Ja ich finde auch, daß das nichts schadet, wenn sie sich für solche Sachen interessieren. Man merkt aber auch, wie er sich zu helfen weiß. 
Wegen des Zwiebelsamens kann ich hier einmal nachsehen. Du mußt mir nur Bescheid geben, damit wir nicht doppelt kaufen.
Wegen der Frauenschaft halte ich es für ratsam, daß Du den Eintritt so lange ablehnst, so lange ich nicht daheim bin. Wie das dann später wird, werden wir dann sehen. Letzten Endes handelt es sich ja doch nur um das Geld.
In meinem letzten Schreiben habe ich vergessen, die gewünschten Marken beizufügen. Ich hole es hiermit nach. Die Eier, hatte ich gedacht, kann man zu Ostern mit gebrauchen. Den Rest wirst Du schon verwenden können.  Angeschlossen sende ich Dir einen Vordruck. Lasse diesen bitte bei der Polizei abstempeln. Es muß darauf bescheinigt werden, daß Du in Konstanz wohnst. Nach Abstempelung schickst Du mir das Formular wieder zurück. Auf diese Weise muß ich doch nicht alles Fahrgeld bezahlen, das macht dann auch wieder etwas aus in den Kosten. Doch damit ich überhaupt kommen kann, ist es ratsam, daß Du mir zivile Kleider schickst, damit ich auf der Bahn nicht auffalle. Es ist mir an sich gleich, was Du schickst. Vielleicht den Anzug und den neuen  Mantel oder den alten Mantel. Du wirst selbst sehen, wie sich das am besten machen läßt. Übrigens meine Wäsche brauchst Du mir nicht wieder hersenden, denn ich komme ja inzwischen zu Euch hin. Eine Krawatte und ein Hemd müßte ich zwar auch haben. Ich bringe dann den großen Koffer mit und nehme schon Sachen mit heim, damit ich, wenn ich hier fertig bin, nicht alles zu schleppen habe.
Morgen gehe ich wieder zum Zahnarzt. Bis jetzt hat sich die Geschwulst gegeben. Ich will nun sehen, was er morgen sagt.
Ihr wart also am Sonntag wieder im Wald. Das war sicher schön, wenn sich das Wetter gemacht hat; hier hat es ja am Nachmittag wieder angefangen mit regnen. Am Samstag und gestern hat es Regen mit Schnee gegeben. Heute war es so einigermaßen. In der Vorgärten blühen  ja schon fest Krokus und Goldregen.  Vereinzelt sieht man Hyazinthen. Auch sonst, Bäume und Sträucher treiben fest, man sieht, daß es mit aller Gewalt Frühling werden will.
Im Kurs ist, wie ich schon früher schrieb, alles auf Tempo eingestellt. Manchmal hat man den Eindruck, es geht einfach nicht mehr, der Kopf ist ganz hohl. Teilweise kann man seine Sachen lesen wie man will, es bleibt einfach nichts sitzen.  Andermal glaubt man, alles fressen zu können. Es ist ja auch viel Zeug, was einem da in dieser kurzen Zeit geboten wird. Genau so geht es einem bei dem Gedanken an die Prüfung. An manchen Tagen glaubt man, daß es schon reichen wird und einige Tage darauf ist man der Ansicht, es muß schief gehen, weil man nicht alles weiß. Aber ich sage mir, mehr wie lernen kann man nicht.  Man muß eben sehen, was sitzen bleibt.
Den Umständen entsprechend geht es mir soweit gut. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Unsere beiden Stromer werden wohl einigermaßen folgen. Ich grüße Euch, meine drei, recht herzlich und sende Euch viele Küsse.  Nimm Du mein liebes Mädel Deine Grüße und Küsse mit besonderer Herzlichkeit entgegen von Deinem Ernst.

Mein liebes Mädel!                                                                                  Karlsruhe, den 4.4.1941

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1.4. für den ich Dir vielmals Danke. Gestern hatte ich mit meiner Zahngeschichte wieder zu tun. Am Mittwoch war ich wieder bei dem Dentisten, der mir eine neue Einlage gemacht hatte. Am Nachmittag fing die Geschichte an zu schwellen und gegen Abend bekam ich wieder Beschwerden. Am anderen Morgen wollte ich gleich hin gehen, damit die Angelegenheit behoben wird, doch ich bin erst zum Lernen gegangen. Gegen Mittag habe ich ihn dann wieder aufgesucht und er sagte mir, daß es vielleicht ratsam sei, wenn er die Einlage raus nimmt. Das hat er dann auch getan, doch auch am Nachmittag wurde es nicht besser, so daß ich in der letzten Stunde wegging und auf Anraten des Lernkameraden einen Zahnarzt aufsuchte. Der war aber einberufen, der zweite hatte keine Zeit und verwies mich für heute früh zu einem seiner Kollegen. Hinzufügen muß ich noch, daß mich der erste Dentist morgen operieren wollte und mir dann zwei Tage Bettruhe verordnen wollte. Ich kann dies gegenwärtig nicht brauchen, weil es hier hart auf hart geht. Auch aus diesem Grund hatte ich mich entschlossen, einen Zahnarzt aufzusuchen. Er hat dann die Schwellung eingespritzt und dann aufgemacht. Heute früh bin ich dann endlich beim 3. angekommen. Er hat mir, nachdem ich ihm die Vorgeschichte erzählte, die Sache angesehen. Es hat sich dann gezeigt, obwohl es nicht seine Absicht war, mich das merken zu lassen, daß von der Einlage oben durch die Wurzel etwas durchgedrungen war und wie ich annehme zu der gegenwärtigen Entzündung geführt hat. Er hat mich nun für morgen früh wieder bestellt und dann in Aussicht genommen, mich noch zu einem Spezialisten zu schicken, der dann den Kiefer röntgen soll. Für diese Behandlung brauche ich nun nochmals einen Schein, den ich zu besorgen bitte. Ich kann mir bei der jetzigen Lage im Kurs nicht leisten, zwei Tage vom Unterricht fernzubleiben.
Wie gestern in der letzten Stunde bekannt gegeben worden sein soll, werden während des Unterrichts Arbeiten geschrieben, für die Bewertung und Prüfungsarbeiten angesehen werden. Ich muß mich daher jetzt nochmals ran halten. Nach der Bekanntgabe von gestern ist es so, daß am 22. sogar die Prüfung vorbei sein muß. Man merkt auch schon, daß es stark auf das Ende zugeht.
Die Wiener Marken habe ich alle komplett, da brauchst Du nicht mehr dafür sorgen. 
Ich bin gestern Abend und heute früh aus den oben geschilderten Gründen nicht dazu gekommen, Dir zu schreiben.  Erst hatte ich mich in die Orangerie hinsetzen wollen, doch da fiel mir ein, daß ich noch Lebensmittelmarken holen mußte, so daß ich erst diese besorgen mußte. Nun habe ich mich gleich beim Essen hingesetzt, damit Du von mir Bescheid bekommst.
Bis auf den Zahn geht es mir soweit gut. Jörg soll sich anständig benehmen und nicht so einen großen Mund haben. Ich wäre sonst gezwungen, ihn bei meinem nächsten Besuch durch zu möbeln, oder ich müßte, um mich nicht ärgern zu müssen, über Ostern hier bleiben.
Die Marken hast Du ja inzwischen bekommen.
Gestern sind wieder 2zwei aus dem Lehrgang fortgekommen. Für die ist es ja ärgerlich, so kurz vorher abberufen zu werden.
Für heute sende ich Dir recht herzliche Sonntagsgrüße. Euch allen sende ich aber herzliche Grüße und Küsse in treuer Liebe Dein Ernst.

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