Samstag, 29. Februar 2020

Brief 552 vom 16.9.1944

Du mein liebstes Mädel, das ich so gern habe!                                       16.9.44          

Auf den gestern abgehenden Brief konnte ich Dir schon unsere Feldpostnummer angeben. Heute will ich Dir das noch einmal bestätigen. Ich hatte vorgestern unser Regiment gefunden und mußte gleich eine Absetzbewegung mitmachen. Die führte uns bis in den Ort, bis in den Ort, bis zu dem uns noch vor einigen Tagen die Eisebahn gebracht hatte. Da war ja auch alles im Abrücken begriffen, die Herren von der Partei und vom Zoll, die hier vorher sicherlich keine schlechten Tage verlebt hatten, suchten nun das Weite. Wir blieben die Nacht über beim Regiment und am kommenden Morgen hieß es, daß wir unsere Weiterleitung abwearten sollten. Wir hielten uns nun den ganzen Tag im Keller eines der Häuser auf, die hier spe ziell für die Deutschen erst gebaut worden sind. Die hielten auch dem Russenfeuer ganz schön stand. Zur Nacht sind wir dann zu unserm Bataillonweitergeleitet worden. Dort traf ich auch einige der früheren Kameraden wieder. Von unserem früheren Lehrgang habe ich bis jetzt aber noch niemand gesehen. Was aus denen geworden ist und wo die stecken, ist mir bis jetzt noch nicht bekann geworden. Wir wurden mit noch anderen Kameraden als Reserve zurückbehalten und verbrachten einen Teil im Keller eines von diesem Stab besetzten Hauses. Es ließ sich auch erst ganz schön an, das Schlafen auf den STrohhülsen zur Verpackung von Flaschen, doch gegen Morgen setzte unser Feind ein tolles Feuer vor den Laden. Bemerken muß ich, daß wir mit unserer gesamten Einheit einen Brückenkopf über den Fluß gebildet hatten. Die anderen waren schon vorhergehend übergesetzt. Wir wurden jedenfalls gezwungen, uns heute früh wieder abzusetzen. Das war nun insofern wenig angenehm, als wir durch den Fluß Narew mußten. Ein Großteil der Kameraden konnte nicht schwimmen, doch glücklicherweise ließ sich der Fluß an einer Furt durchwaten. Dort ging es an der tiefsten Stelle bis über die Hüften, aber das ist nich weiter schlimm, denn man ist froh, wenn man aus der näheren Gefahrenzone heraus ist. Unangenehm war nun, daß wir die Kleider auf dem Leib trocknen lassen mußten. Das ist jetzt gegen Abend wieder soweit. Es war jedenfalls ein toller Zauber. Wir liegen nun wieder in einer ausgebauten Stellung Westpreußens. Morgen werden wir uns auf etwas gefaßt machen. Doch hoffen wir, daß wir auch alles wieder auferstehen. Das ist so die Lage, die ich hier angetroffen haben. Nach den wunderschönen Urlaubstagen mit Euch zusammen, ist das schon ein ganz großer Kontrast, in den man sich erst wieder hineinfinden muß. Ich glaube aber, daß ich es schon schaffen werde. Soweit es die Lage erlaubt, werde ich mich Deinem Wunsch entsprechend schützen, denn leichtsinnig darf man nicht sein. Man weiß ja nicht, wie lange dieses Theater noch geht. Fast alle Kameradenm, mit denen ich über die Lage schon gesprochen haben, sind der Ansicht, daß der Zeitraum nicht mehr allzulange bemessen sein kann. Also ganz die Meinung, die ich Dir selbst mitteilen konnte.  
 Heute jährt sich nun auch der Tag zum 14.  mal, seit wir die Hochzeitsfeier in Freiburg halten konnten. Wenn wir es zwar auch nicht leicht hatten, aber die Lage war doch für uns immer noch viel viel schöner, als wir sie jetzt mitmachen müssen. Ich denke auch gerade an die Speisekarte, die wir erst kürzlich aus den vielen Sachen mit herauskramten, die Dein Vater uns übersandte. Man konnte doch unbeschwerter leben. Wie schön wäre das, wenn wir diese Zeit erst wieder da hätten,. Na, wir werden noch einmal tüchtig den Daumen drücken. Jetzt weißt Du ja meine neue Anschrift, dann kann ich ja von Dir in einiger Zeit mit Nachricht rechnen. Ich freue mich jedenfalls schon darauf. Hast Do noch die Nummer von der Abwicklungsstelle da, die nach meiner neuen Anschrift fragte?   
Soviel ich noch im Gedächtnis habe, hieß sie 14902 A Abwicklungsstelle. Wenn das stimmt, dann kannst Du sie ja von dort aus auf einer Postkarte mitteilen. Ich werde hier bei meiner Einheit entsprechend Meldung machen, was die Einheit hat wissen wollen.  Wie geht es Euch denn? Geht Helga noch fleißig zur Schule und hat sie für Jörg auch wieder angefangen? Hast Du einmal die Fahrt nach Wallhausen gewagt? Doch darüber berichtest Du mir ja sowieso Ich lege Dir die Papiere von meinem letzten Urlaub mit bei, denn ich benötige sie hier nicht mehr. Du kannst sie ja mit aufheben, wenn Du willst.  Du wwirst Deine ersten Mistfahrten auch hinter Dir haben. Ich hoffe, daß es geklappt hat. 
Mit dem Wetter sind wir wieder so einigermaßen ordentlich dran. Neulich waren wir ja einmal eingeregnet. An diese SAchen muß man sich erst gewöhnen. Ich vergaß Dir noch zu berichten, daß ich in Soldau wieder im Kino war und mir dort den Film „Nora“ angesehen hatte, den Du wohl auch schon sahst. Ich muß sagen, daß er mir sehr gut gefallen hat. Ich glaube, Dir wohl auch.
Meinen heutigen Gruß will ich abschließen mit recht lieben Küssen für Dich, mein liebster Schatz. Gib auch den Kindern jedem einen Batz und einen Kuß und grüße Vater ebenfalls bitte von mir. Bis man dazu kommt, den anderen meine neue Anschrift mitzuteilen, das weiß ich noch nicht. Vielleicht kannst Du da mit etwas abnehmen.  Nochmals Dir einen herzlichen lieben Kuß von 

Deinem Ernst.

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