Meine liebste Annie! 1.9.44
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Unseren 14. Hochzeitstag haben wir heute. Immer wieder muß
ich mich dieses Tages erinnern, als wir uns auf Körben gegenübersaßen und auf
unsere Möbel warteten. Wenn auch die Einleitung nicht so formgemäß war, wie man
sie sich allgemein vorstellt, so war die Fortsetzung doch immerhin von einer
Art, die zur beiderseitigen Zufriedenheit verlaufen ist. Wir haben uns durch
schwere Jahre durchgeschlagen und wir waren, wie ich das schon früher
wiederholt festgestellt habe, immer ganz glücklich dabei. Wir haben unsere
Kinder zu ganz ordentlichen Menschen erziehen können. Sonst sind wir soweit
inmmer noch gesund gewesen, was uns manche Schwierigkeiten leichter überstehen
ließ. Ich kann Dir nur an dieser Stelle immer und immer wieder meinen Dank
sagen für all Deine Liebe und Treue, die Du mir die ganzen Jahre gegeben hast.
Dank Deiner Sparsamkeit und Deiner ordentlichen Wirtschaftsführung sind wir
immer auch in knappen Jahren, ausgekommen und haben unseren gehabt.
Wenn ich auch nach Vaters Ansicht „einen Bock geschossen“ hatte, so kann
nicht, sondern auch er, feststellen, daß der geschossene Bock nicht schlecht
war und daß der Schuß sich dazu auch gelohnt hat. Ich bin all die Jahre
zufrieden mit Dir gewesen und soviel ich von Dir weiß, warst auch Du nicht
gerade unglücklich mit mir. Ich bin ja schon vor einigen Tagen auf diesen Anlaß
eingegangen, doch ich habe mich,
nochmals darauf zurück zu kommen. _ Gestern bin ich nun von Königsberg
abgefahren. Es war ein nicht zu beschreibender Betrieb auf der Bahn, wie ich
ihn sonst nicht kenne. Alles versuchte die Stadt zu verlassen, weil jeder
befrüchtete, daß sich noch weitere Angriffe wiederholen würden. Es war fast ein
Wunder, daß ich diesen Zug gestern abend noch erwischte. Ich bin erst einmal
bis Kurz (?) , vor Mitternacht bis Deutsch Eilau gefahren. Dort habe ich erst
einmal ? und heute morgen habe ich meine Weiterreise angetreten. Hier habe
ich nun befehl bekommen nach Schilfenwiese (?) weiterzurollen. Die letzten Zeilen waren kaum lesbar Dieses Nest liegt westlich Lomscha. Ich
nehme an, daß dieser Ort auf Deinen Karten eher verzeichnet ist. Dort liegt
zwar noch nicht meine Einheit, aber es wird von diesem Ort aus nicht mehr weit
sein. Ich werde Dich jedenfalls immer auf dem Laufenden halten. Den Ze
itungsartikel habe ich Dir heute mit beigelegt, nachdem ich hier einige
Briefumschläge kaufen konnte. Wenn die Dinge wirklich so liegen würden, dann
wäre es bestimmt schön, aber wir sind eben doch erst froher, wenn wir die
Tatsachen sehen könnten. Denn das Träumen von solchen Dingen ist doch nicht zu
ratsam, wenn man sich dann später von einer Wirklichkeit aufwecken lassen müßte. Immerhin ist es ganz interessant zu
lesen. _ Hier macht sich schon ein herbstlicher Wind auf, doch ist das Wetter
doch noch schön sonnig und warm. Aber hier in dem Kaffeehaus stehen schon
Astern auf dem Tisch, die uns schon an den Herbst gemahnen. Allzulange wird er
sich nicht verleugnen lassen.
Was ich noch berichten wollte ist, daß meine
Einheit ein Leipziger Regiment ist das Grenadierregiment, das schon früher
immer in Leipzig lag. Also auch beim HunderttausendMannHeer. Wenn man einmal
zum Ersatztruppenteil kommen könnte,
dann wäre ich immerhin in Leipzig. Aber das sind schließlich Dinge, die man nur
am Rand vermerkt. _ Ich schließe nun wieder mit vielen recht herzlichen Grüßen
und lieben Küssen an Euch meine drei Lieben. Sobald ich meine neue Anschrift
erfahre, gebe ich sie Dir gleich bekannt. Nochmals einen lieben Schmatz für
jeden von Euch sendet
Dein Ernst.
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