Sonntag, 26. März 2017

Brief 232 vom 25./26.3.1942


Mein liebstes, bestes Mädel !                                            25.3.42       
            
Jetzt bin ich fertig mit Päckchenpacken. Es ist bereits ½ 12 Uhr, aber ich möchte Dir, obwohl ich schon etwas müde bin, doch erst auf Deine beiden lieben Briefe antworten, die Du am 21.  geschrieben hast. Ich habe heute über Mittag 3 Päckchen fertiggemacht und heute Abend 4. Das ist immer eine ziemliche Arbeit, aber ich freue mich, wenn ich etwas für Euch fertig machen kann, damit Du Dir immer noch etwas ausgleichen kannst. Ich bedauere sehr, daß sich das dann nicht mehr machen läßt, wenn ich hier wegkomme, vor allem wenn jetzt die Kürzungen eintreten. Es ist der restliche Zucker, das sind 3 Päckchen; in 2 Päckchen habe ich Zwieback verpackt, in einem Butter und im letzten Apfelsinen.  Hoffentlich kommt alles gut an.
Daß ich nichts Besonderes zu Ostern senden konnte, tut mir leid, aber ich habe Dir ja schon geschildert, daß es jetzt bedeutend schwieriger ist mit der Beschaffung dieser Sachen. Die Päckchen tragen die Nummern 29.  bis 35, die ich dann mit der Freitagspost absende. Mit diesem Brief sende ich wieder einige Zeitungen, Briefe uns sonstigen Kleinkram, den Du zu den anderen Sachen legst. 
Vorhin hatten wir wieder einmal Fliegeralarm, der inzwischen aber schon wieder abgeblasen ist.  Doch nun zu Deinen Briefen. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Ich empfinde daraus, daß Du Dir zu große Sorgen um mich machst. Vorerst muß ich ja nach Marburg, dort muß ich ja erst nochmals ausgebildet werden. Bis das alles soweit ist, vergehen doch noch Wochen. Bis dahin wird sich wieder manches zeigen. Ich weiß genau, daß Du Dich sehr tapfer halten wirst, ich habe aber auch das Empfinden, daß ich wiederkomme. Schon darum brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.
Ich schreibe Dir das nicht deshalb, um Dich einzulullen, sondern weil ich meine, das bestimmte Gefühl zu haben, daß es so ist. Ich möchte dir auf Deinen lieben Brief noch manches sagen, aber ich bin etwas abgespannt. Sei mir bitte darum nicht böse. Sobald ich aber in der richtigen Stimmung dazu bin, will ich es gern nachholen. Die Mitteilungen, die Du mir von Siegfried über seine Erfahrungen geschrieben hast, sind sehr interessant. Das mit den Kaffeepreisen stimmt. Man sollte es nicht glauben, was die Leute stehlen. Aber wer das Geld dazu hat, soll es machen. Ich für meinen Teil würde es sein lassen.  Was nun die Untersuchung unseres Jungen anbelangt, so ist es sehr bedauerlich, daß er dieses Erbteil von mir abbekommen hat. Ich hoffe, daß ihm dadurch keine Nachteile in seinem späteren Leben daraus entstehen. Wenn der Arzt aber der Ansicht ist, daß er sonst gut entwickelt sei, dann will ich soweit beruhigt sein. Daß er ihn vorsichtshalber nochmal eingerieben hat, ist ja gut, denn man kann nicht vorsichtig genug sein. Bei uns hat man früher wohl nicht hingesehen, aber das ist ja kein Beweis dafür, daß es früher immer richtig gemacht wurde. 
Daß die Kinder an der Märchenvorstellung so Freude hatten, war doch schön. Das wird Dich auch etwas abgelenkt haben.  Doch, mein liebes Mädel, nun muß ich Gute Nacht sagen. Es ist nun Mitternacht. Ich lege mich zu Bett. Hoffentlich schläfst Du schön. Sei mir vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Meine liebe Frau !                                                   26.3.42             

Deinen lieben Brief vom Sonntag habe ich erhalten. Vielmals danke ich Dir dafür. Du hast ja nun auch schon auf meine Briefe geantwortet, die Du inzwischen erhalten hast. Bald war nun schon wieder Sonntag und den Sonntag darauf haben wir schon Ostern. Von den Festen merkt man ja nicht viel, es sei denn, daß man in den Geschäften einige kleine Sachen ausgestellt sieht. 
Daß Dir alles doch so plötzlich kommt, obwohl Du nun darauf vorbereitet bist, kann ich gut verstehen. Mir ging es ja ebenso. Ich war gerade aus dem Zug ausgestiegen und da erfuhr ich schon, daß meine Versetzung eingelangt sei. Ich hatte fast Lust, gleich mit dem nächsten Zug wieder wegzufahren. Man ist doch überrascht, daß es dann so schnell geht. Nun habe ich mich aber damit abgefunden.  Es ist ein Befehl, den man eben ausführen muß. Ich weiß, daß Du beruhigt bist, solange ich mich noch hier aufhalte. Wie ich Dir aber schon geschrieben habe, werde ich erst einige Zeit in Deutschland bleiben, denn mich kann ja niemand so wegschicken. Es wird also immer noch einiger Zeit bedürfen, bis ich in Marsch gesetzt werden kann. Bis dahin ist ja dann auch die Kälte im Osten sicherlich ganz gebrochen.
Hier ist es jedenfalls so, daß der Frühling sich mit Macht durchsetzen will. Wir haben jetzt ganz annehmbares Wetter, wenn es am morgen meist noch etwas frisch ist, so setzt sich die Sonne schon im Laufe des Vormittags durch. Die Welt sieht gleich ganz anders aus, wenn die Sonne scheint, als wenn es so neblig und regnerisch ist. Man kann gerade jetzt im Frühjahr schon immer noch etwas mehr Sonne vertragen, wie dann im Sommer. 
Daß Ihr zum Tag der Wehrmacht geht, ist ja schön. Daß das für die Kinder eine interessante Abwechslung ist, kann ich mir ohne weiteres vorstellen.  Es wird ja wieder allerhand zu sehen geben. Im Übrigen ist das ja ein Erlebnis für sie, so den ganzen Vormittag herumstreifen zu können. Vor allem wird nach den Aussprachen von Jörg zu schließen, das Floßfahren vielmehr das Schlauchbootfahren für ihn ein Erlebnis sein.
Daß Ihr nicht dort eßt, ist wohl z.T. richtig, Du bist dann so an die Mittagszeit gebunden und zwingst Dich dann eher zum Nachhausegehen. Andererseits hast Du eben Dein eigenes Essen daheim, doch Du brauchst dann nicht zu kochen. Aber lasse es nur so. Ich bin jedenfalls in Gedanken bei Dir und den Kindern, wenn Ihr in der Kaserne herumstrolcht. Weit ist es ja nicht von unserer Wohnung aus.
Das Foto habe ich auch sehr natürlich gefunden und es ist an sich gut getroffen. Wenn die Beleuchtung dazu noch etwas besser gewesen wäre, würde es noch besser ausgefallen sein. Ich habe es Dir ja bereits geschrieben, daß mir das Bild wirklich gut gefällt, vor allem kann ich mich noch gut dabei erinnern, wie wir unter den Bäumen bei Katharinen herumgestiegen sind, bis wir soweit waren. 
Für die Grüße der Kinder und für den kleinen Blumenstrauß danke ich besonders noch einmal. Dir und den Kindern sende ich viele  Grüße und Küsse.  Dein Ernst.

Donnerstag, 23. März 2017

Brief 231 vom 20./23.3.1942


Meine liebe Annie !                                                     20.3.42     

Deinen lieben Brief vom 17. mit den beilgelegten Bildern habe ich erhalten. Ich kann wirklich zufrieden sein mit der Postversorgung. Hoffentlich hast Du auch heute meinen Brief bekommen, ich würde es für Dich sehr wünschen. Die Bilder sind soweit ganz ordentlich geworden. Sie sind immerhin  eine schöne Erinnerung an die Urlaubstage, die uns dadurch nicht in Vergessenheit kommen werden. Es waren doch zwei schöne Spaziergänge so im Schnee und die übrigen Tage waren auch ganz schön.
Die Sache, die Du mir von Helga geschrieben hast, ist direkt rührend. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie ich im Garten geschafft habe und wie sie mich immer gefragt hat, ob sie etwas helfen könnte. Sie war auch viel Zeit bei mir und ich habe sie dann auch gern mithelfen lassen, damit man ihr den Willen nicht nimmt. 
Leider muß ich Dir mitteilen, daß mein Päckchen mit Butter wieder zurückgekommen ist, weil es zu schwer war. Man sieht jetzt so genau darauf, daß das Gewicht nicht überschritten wird. Ich mache es gleich zur nächsten Post mit fertig. Verarbeiten kannst Du sie ja auf alle Fälle. Bis es weggeht, lege ich es bei uns in den Kühlschrank.  Gestern erhielt ich die Mitteilung, daß der Konstanzer, den ich hier kennenlernte, der Salzmann, in Metz gestoben sei. Er hat einen Herzschlag bekommen. Es geht eben manchmal schnell. Er hatte doch immer die Absicht gehabt, noch einmal hier vorbei zu kommen, dazu hat es dann aber nicht mehr gelangt. 
An Siegfried hatten wir ja während meines Urlaubs geschrieben. Ich denke, daß er meinen Brief inzwischen erhalten hat. Das ist bei ihm ja wahrscheinlich auch ein ziemlich langer Weg, bis er seine Post erhält, vor allem, wenn man sieht, wenn seine Briefe an Dich bei Dir angekommen sind. 
Morgen und am Sonntag werde ich nach B.  fahren, um den Tommi zu besuchen. Er hat mich angerufen und gebeten, ich soll bei ihm vorbeikommen. Wie ich dann zum Schreiben komme, weiß ich noch nicht.  Für heute sende ich Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                       23.3.42             

Mit großer Verspätung traf ich gestern Abend um 11 Uhr hier mit dem Zug wieder ein. Der Zug hatte für die Strecke von 35 km etwa 3 ½ Stunden gebraucht. Es ist fast nicht glaublich, wenn man es nicht selbst gesehen hat, wie die Leute gehamstert haben. Die Bahnbehörden haben sich mit diesem Zustand abgefunden und die Behörden, die für den Verpflegungsdienst verantwortlich sind, scheinen sich damit abgefunden zu haben. Die Zugabteile sind bis unter die Decke mit Kartoffelsäcken vollgepackt. In den Gepäckabteilen steht alles voller Fahrräder, weil die Leute vorher bis zur Bahn noch über Land fahren und mit ihrem Rad weitertransportieren. Es ist unvorstellbar, was da weggeschleppt wird. Man gibt sich die größte Mühe, um die Kartoffeln zu erfassen, die angebaut worden sind und hier werden sie tonnenweise jeden Sonntag und Wochentag verschoben. Man staunt nur, was auf den Fahrrädern und in den Kinderwagen alles verpackt wird. Ich hatte Dir ja früher schon beim gleichen Anlaß darüber geschrieben, man wundert sich aber jedes Mal aufs neue, wenn man das sieht. Froh kann man sein, wenn bei uns die Verteilung doch einigermaßen so ist, daß jedem fast das gleiche zukommt. Wenn sich, wie man allenthalben hört und jetzt auch liest, daß allgemeine Kürzungen in der Lebensmittelversorgung vorgenommen werden. Ich mache mir ja auch schon Gedanken, wie sich das auswirken wird, denn das ist nicht so einfach für Euch. 
Mit Thomas habe ich mich wieder einmal richtig ausgesprochen. Es war wirklich sehr nett bei ihm und er hat sich sehr viel Mühe gegeben. Er sagt, daß er sich gefreut habe, daß ich vor meiner Abreise noch einmal zu ihm rübergekommen sei.  Mir war es ja auch ein Vergnügen. 
Deine beiden lieben Briefe vom 16. und 19. fand ich gestern hier in meiner Wohnung vor. Über das mit gesandte Bild von Dir habe ich mich aber sehr gefreut.  Das gefällt mir sehr gut. Da lachst Du so freundlich wie sonst auch. Es sieht auch so natürlich aus. Wie gesagt, es hat mir sehr gefreut, daß Du so gut getroffen bist. Schade ist nur, daß es nicht so ganz scharf ist.
Daß es Helga wieder soweit ordentlich geht, ist ja erfreulich, vor allem wenn man hinterher erst erfährt, daß es nicht ganz so einfach war. Mit der Schule werden sie ja jetzt, wie es mir scheint, wieder mehr herangenommen werden. Was die Schulzeit anbelangt, stimmt diese nunmehr wohl ohne weiteres, hoffen wir, daß auch sonst noch etwas dabei herauskommt. Es ist aber auch viele nachzuholen, wenn sie so lange gefeiert haben.  Die Erinnerung an die Urlaubstage ist auch schön. Am Samstag mußte ich auch an den Spaziergang nach Katherinen denken. Welcher Unterschied. Dort so schöne Landschaft, Schnee, frühlingshaftes Wetter und hier nichts wie Ebene, Schmutz, Fördertürme und Schornsteine. Ein Kontrast, wie man sich ihn stärker nicht denken kann.
Ich habe Dir heute gleich am Vormittag geschrieben, damit der Brief noch mit der Post mitgeht.  Heute Abend ist Kino. Heute und morgen wird an je einem Tag gespielt “Wetterleuchten um Barbara „ und noch ein anderer Film.  Beide Filme habt Ihr ja auch gesehen.  Nun aber recht herzliche und viele Grüße und Küsse sendet Dir für heute Dein Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                          23.3.42        

Ich bin nun schon wieder eine Woche hier. Das ist doch ein ziemliches Tempo, mit dem die Zeit vergeht. Es stellt sich nun auch langsam heraus, wann nun mein Abreisetermin kommt. Heute ist mein Nachfolger eingetroffen. Es ist festgelegt worden, daß ich noch 10 Tage zu seiner Einarbeitung hier bleiben soll. Das wird also kurz vor Ostern sein. Ob der Kommandant mich dann noch über Ostern hier haben will, weiß ich noch nicht. Das ist aber nicht entscheidend. Unser Inspektor ist etwas niedergeschlagen von dem Eindruck, den er über den Neuen gehabt hat, doch das läßt mich kalt. Der Neue, der von der OFK kommt wie ich letzte Jahr auch, macht nur immer wieder die Feststellung, daß man das, was man dort hatte, hier nicht hat. Er kommt nicht aus dem Wundern heraus. Mir soll dies alles gleich sein. Es muß sich eben auch wieder herumschlagen wie ich auch. Wie er damit fertig wird ist dann seine Sache. 
Von Dir erhielt ich heute keine Post, dagegen traf der Brief Deines Vaters ein, von dem Du ja auch Durchschlag erhalten hast. Dieser Ton ist doch etwas anderes als wie er sonst manchmal war. Wunderst Du Dich nicht auch darüber? Die Vorsorge mit dem Wörterbuch ist ja voreilig, aber er freut sich, daß er wieder etwas extra machen kann. Ich habe mich gefreut, daß er doch so bald wieder geschrieben hat.  Morgen habe ich nochmal OvD. Wahrscheinlich wird das das letzte Mal sein für meine militärische Dienstzeit. Ich hatte mich erst davon drücken wollen, aber es ging nicht. Es wird hoffentlich nichts Besonderes eintreten, so daß ich keine große Arbeit habe.  Vorhin war ich im Kino. Es wurde der Film „Wetterleuchten um Barbara“ gespielt. Der Film war nicht schlecht, aber in dieser Beziehung sind eben schon andere Filme gedreht worden, die besser waren. Ich habe mich aber gefreut, ihn kennen zulernen, weil Ihr ihn doch auch gesehen habt. Die Wochenschau, die gegeben wurde, hatten wir zusammen in Konstanz besucht. So treffen sich die Dinge immer wieder. 
Mit der morgigen Post schicke ich weitere 6 Päckchen ab. 5 mit Zucker und in einem habe ich Zwieback und den einen Teil der Butter verpackt, die mir beim letzten Versand wieder zurückgegeben worden war. Das eine Päckchen, was mir zurückgegeben wurde, habe ich umgepackt und das geht dann auch noch mit weg. Hoffentlich geht alles gut ab und hoffentlich kommt alles gut an.  Wichtiges habe ich heute eigentlich nicht mehr mitzuteilen. Durch die Packerei ist es spät geworden. Sei Du darum herzlich gegrüßt und geküßt. Gib unseren Kindern einen herzlichen Kuß von Deinem Ernst.

Brief 230 vom 18./19.3.1942


Meine liebe Annie !                                                   18.3.42       

Die Tage gehen herum, schon wieder kommen wir dem anderen Wochenende zu. Das geht wie im Nu. Bis wann ich nun hier wegkomme, steht noch nicht fest. Es ist also immer noch bei demselben wie ich es Dir schon gestern und vorgestern mitteilte. Offenbar will man mich doch noch solange hier behalten wie vorgesehen.
Ich werde wie immer abwarten, dann komme ich am besten dabei weg.  Einige Einkäufe habe ich heute wieder getätigt. Den Vorschaltwiderstand habe ich bekommen. Der Händler machte das harmloseste Gesicht, wie wenn das ganz selbstverständlich wäre. Er sagte noch, ob ich den Apparat wieder mitgebracht hätte, damit er ihn wieder machen kann. Bei ihm hatte die Reparatur nur 1,-RM gekostet. Ich habe ihm gleich sagen lassen, wie er sich das denn dachte. Wegen der Ersatzröhren habe ich ihn auch gleich noch gefragt. Er ist da der Ansicht, daß sich nur 2 von den Röhren schneller abnutzen. Das Stück kostet 10,-RM. Ich habe jetzt erst die 2 bestellt, damit man mit diesen dann nicht in Verlegenheit kommt. Den Widerstand sende ich Dir gleich am Freitag mit weg, damit Du ihn bald erhältst und den Apparat benutzen kannst. 
Zwieback habe ich auch bekommen, so daß ich am Freitag alle Päckchen auf den Weg schicken muß. Auch für ein Kilo Butter wirst Du mir nicht böse sein das erhalten zu können. Ich für meinen Teil bekomme wieder welche, so daß Du Dir keine Sorgen machen brauchst. Für diesen Absendungstag würde es wohl langen, was ich wegschicken muß. In der nächsten Woche geht dann wieder etwas mit ab.
Mit dem Geld für nächsten Monat muß Du erst noch warten, denn man weiß nicht, wie lange das geht. Ich werde es dann anders erledigen müssen, was ich hier noch zu bezahlen habe, damit ich alles abdecke. 
Das Wetter ist sehr wechselhaft und richtig aprilmäßig. Man ist es nicht mehr gewohnt, aber es wird sich schon wieder machen.  Ich sende Dir einen recht herzlichen Gute-Nacht-Gruß und bitte Dich, den Kindern einen herzlichen Kuß von mir zu geben. Du selbst nimm aber viele Küsse noch entgegen von Deinem Ernst.

Meine liebe Frau !                                                             19.3.42          

Heute habe ich schon Deinen ersten Brief erhalten. Ich hoffe, daß Du auch morgen, spätestens übermorgen von mir Nachricht haben wirst. Ich danke Dir vielmals dafür, daß Du mir gleich wieder so prompt geschrieben hast. Platz habe ich im Zug immer gehabt.  Einmal schön und einmal weniger schön. Zuletzt von Maastricht an bin ich dann wieder 2. Klasse gefahren, weil für Feldwebel ein besonderer Wagen bereitgestellt war.  Einen ganzen Teil der Fahrt habe ich so hingedämmert, denn von Schlafen konnte ja keine Rede sein und den Rest habe ich entweder gelesen oder zum Fenster hinausgesehen. Nun bin ich nicht, wie vorausgesehen war, schon morgen unterwegs, sondern es wird noch einige Tage dauern. Aber wie ich Dir schon mitteilte, gebe ich Dir rechtzeitig Bescheid. 
Ich habe bis jetzt 4 Päckchen fertiggemacht. Sie laufen unter der Nummer 19 bis 22. In zwei habe ich Zucker verpackt, in einem 1 Kilo Butter und im vierten befinden sich Zwieback und Fruchtstangen. Ich hoffe, daß alles gut ankommt. Weiteren Zucker werde ich am Dienstag auf den Weg bringen. Außerdem habe ich den Vorschaltwiderstand abgeschickt. Er  ist nicht so schwer und ich denke, daß er nicht so lange braucht, bis er ankommt. Er wiegt auch nicht soviel, so daß ich ihn unfrankiert absenden konnte.  Wenn Du ihn anschaltest, kannst Du ja eigentlich nichts verkehrt machen. Ich will Dir aber zur Vorsicht gleich nochmals zeigen, wie es aussehen muß.(Es folgt eine Zeichnung)  Ich denke, daß nun nichts mehr fehlgehen kann, denn dieser Widerstand sei für alle Stromarten. Hoffen wir also das Beste. 
Daß Ihr im Anschluß nach meiner Abreise ins Kino gegangen seid, war mir sehr recht, denn dann hattet Ihr für das erste eine Ablenkung. Na, und wenn den Kindern der Film Freude gemacht hat, so war es für Dich doch immer so, daß Du daran denken konntest, wie wir zusammen dort waren. Daß die Aufnahmen auf Vater auch einen Eindruck gemacht haben, ist ja sehr recht, denn dann ist es für ihn nicht umsonst.  Nach diesem Tage kann ich mir schon denken, daß die Kinder müde waren. Sie haben ja jetzt wieder ihre Ablenkung, denn ich glaube, daß die Schule sie schon wieder in Anspruch nehmen wird. Aus dem Wunsch von Helga, daß sie wieder heimgehen könnten, wird ja wohl nicht geworden sein. Das geht ja auch nicht, nachdem sie fast ein Vierteljahr Ferien gehabt haben.  Sei Du und die Kinder recht vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem Dich liebenden Ernst.

Brief 229 vom 16./17.3.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                              16.3.42      

Vorhin bin ich ziemlich pünktlich angekommen. Nun sitze ich wieder hier auf meiner Bude. Ich habe mir erst einmal wieder alles hergerichtet und mich ein wenig frisch gemacht. Nun ist es fast so, wie ich schon so viele Abende hier gesessen bin und an Dich geschrieben habe. Von der langen Reise ist mir das Sitzfleisch etwas weich geworden, doch das gibt sich wieder. Die Fahrt ist soweit planmäßig verlaufen, nur in Charleroi haben wir etwa eine Stunde warten müssen, weil die Lokomotive nicht mehr mitmachen wollte. Darum bin ich auch erst gegen 7 Uhr hier eingetroffen. Am Bahnhof traf ich zufällig gleich meinen Kameraden Wittenburg. Da er doch auf dem Geschäftszimmer Dienst tut, habe ich ihn gleich gefragt, ob für mich in der Zwischenzeit etwas eingegangen ist, was er mir dann auch bestätigte.
Ich soll bis zum 20.3. nach Marburg in Marsch gesetzt sein. Das wäre bis zum kommenden Freitag. Vorhin traf ich nun unseren Inspektor, der mir sagte, daß ich unmöglich vor dem 1.April wegfahren könnte. Ich werde ja nun sehen, was der Kommandant morgen sagen wird. Für mich steht ja fest, daß ich nicht mehr viel Interesse an dieser Arbeit hier habe. Ich tue, was gerade notwendig ist, aber mehr nicht. Es ist mir schon gesagt worden, daß meine Sachen alle liegen geblieben sind. Das macht mir aber wenig Kummer, denn da soll sich mein Nachfolger damit rumplagen. Dazu bin ich ja nicht zurückgekommen, um die Rückstände aufzuarbeiten, die andere nicht fertiggebracht haben. Das mag als selbstsüchtiger Standpunkt von anderer Seite angesehen werden, doch wenn ich hier weg bin, fragt kein Mensch mehr nach mir. Ich will daher zusehen, daß ich erst einmal noch den Tommi besuche und vielleicht auch noch Graser. Ich bin jedenfalls recht froh, daß ich meinen Urlaub noch gehabt habe und daß es damit doch noch ganz gut geklappt hat. Denn ich stelle mir vor, daß es mir sehr ärgerlich gewesen wäre, wenn ich hätte hier abrücken müssen, ohne vorher bei Euch gewesen zu sein. So habe ich Dir alles persönlich erklären können. Man hat ja sowieso damit gerechnet und nun findet man sich eher hinein. Wenn einem alles doch wieder plötzlich kommt. Schließlich muß man sich hineinfinden.
Ich will Dir auch gleich mitteilen, daß ich meine Tasche mit den Fotos hier vorgefunden habe, Du brauchst deshalb nicht mehr zu suchen. Ich bin froh, sie gleich gefunden zu haben.  Ich erinnere mich auch jetzt, daß ich dachte, ich lasse sie hier, weil ich schon keinen Platz mehr hatte. Die Bilder, die wir während des Urlaubs gemacht hatten, habe ich mir heute schon einige Male angesehen und mich darüber gefreut.
Ich werde noch etwas von dem Zucker verpacken, denn ich weiß ja noch nicht genau, wie lange ich hier noch bleibe. Du schreibst auf jeden Fall hierher an meine alte Adresse bis ich Dir entsprechenden Bescheid gebe. Hier würde ich dann auch Weisung geben, was mit meiner Post zu geschehen hat, wenn ich vorzeitig wegkommen sollte.  Schlaft Ihr meine Lieben, recht gut und bleibt mir gesund.
Ich werde es schon wieder schaffen, wenn mir die Stimmung gegenwärtig auch noch nicht dazu ist. Aber es wird schon werden. Dir danke ich nochmals für alles, was Du während der Urlaubstage geopfert und mir an Liebe gegeben hast. Bevor man in Urlaub fährt hat man immer so viel vor, was man zu tun beabsichtigt und wie wenig wird daraus. Was will man sich alles erzählen und was hat man sich alles zu sagen. Vieles bleibt zwar trotzdem unausgesprochen. Am Anfang ballt sich soviel zusammen, daß man erst alles auf einmal sagen möchte und dann kommt man so allmählich in das Fahrwasser hinein, in das man normalerweise gehört. Dann fallen einem ab und zu ein paar Brocken ein , was man noch erzählen wollte. Doch dann scheint einem alles nicht mehr so wichtig, weil man sich freut, wieder einmal daheim zu sein. Erst wenn man dann wieder fort und unterwegs ist, dann fällt einem ein, daß man dies oder jenes hätte auch noch sagen können. Eines steht aber immer fest, daß man erst beim Abschied mal merkt, wie gern man sich hat und was man daheim immer zurückläßt.
Für Deine Briefe vom 24. Und 25.2., die ich vorhin hier vorfand, danke ich Dir noch recht herzlich. Ich konnte noch einmal lesen, wie sehr Du Dich auf meinen Urlaub gefreut hattest, doch wie Du schon nicht mehr recht glauben wolltest, was ja durchaus verständlich war. Ich bin nur froh, daß ich in dieser Beziehung nicht jetzt enttäuschen brauchte. Habe darum nochmals für alles recht herzlichen Dank, mit was Du die wenigen Tage mir verschönt hast. Bleib nur recht gesund, mein liebes Mädel, ich denke viel an Dich und die Kinder. Außerdem sende ich Dir viele herzliche Grüße und Küsse. Dein Ernst 

Mein liebes Mädel !                                                     17.3.42              

Nun habe ich heute meinen Dienst wieder angetreten. Es war alles so wie ich mir es vorgestellt habe. Es lag alle Arbeit noch an meinem Platz und wie sie angefallen ist. Doch das kümmert mich nicht mehr groß, vor allem wenn ich weiß, daß unser Kriegsverwaltungsrat in diesen Tagen schon wieder in Urlaub gehen kann. Warum soll ich mir hier auf dieser Zwischenstation noch soviel vornehmen. Ich werde das von mir abschieben, was mich nicht mehr kümmern braucht, denn was nützen mir alle die Maßnahmen, die hier getroffen werden, denn ich kann sie ja doch nicht mehr verwenden.  Wahrscheinlich werde ich noch bis Ende dieses Monats hier bleiben. Als ich mich heute beim Kommandanten zurückmeldete sagte er, daß er mich erst gehen läßt, wenn mein Nachfolger eingearbeitet sei. Der Mann ist bis jetzt noch nicht hier, so daß noch einige Tage vergehen werden. Mir soll das gleich sein. Ich bettle niemand darum, daß man mich hier noch länger festhält, dann bin ich auch Keinem Dank dafür schuldig. Das habe ich auch gleich gesagt. Man hat es mir erst schlecht angekreidet, aber das macht ja nichts, denn ich habe auch nicht viele Freundlichkeiten hier bei diesem Verein erfahren. So wie die Dinge aussehen, wird man mich vor Ende dieses Monats nicht hier weglassen.
Wenn sich trotzdem etwas anderes ereignen sollte, gebe ich Dir sofort Bescheid. Ich werde es schon schaffen, da brauchst Du Dir keine Gedanken machen. 
Heute Abend habe ich einen schönen Film gesehen. Wir sahen ihn in meinem vorletzten Urlaub in der Voranzeige. „Ich klage an“ heißt er und ich entsinne mich, daß Du ihn damals gern gesehen hättest.  Er war aber auch wirklich sehenswert. Die Wochenschau, die hier lief, hatten wir zusammen gesehen, so daß ich auf diese Art auch an unseren gemeinsamen Ausgang erinnert wurde. 
Gestern Abend habe ich noch 5 Päckchen vorgepackt. Die brauchen nur noch Papier, dann können sie auf den Weg geschickt werden. Es ist bereits spät heute Abend, denn ich wurde vorhin von unserem Inspektor, der mir früher meist sehr schlecht gesinnt war, zu einer Flasche Wein eingeladen. Du weißt ja, das ist der Mann, mit dem ich die leidige Affäre wegen des Kaffees hatte. Von mir aus soll das alles vergessen sein, wenn er sich auch jetzt anständig benimmt. Das scheint jetzt der Fall zu sein; doch man kann sich irren.  Dich grüße ich vielmals und recht herzlich für heute.  Außerdem sende ich Dir und den Kindern viele Küsse. Dein Ernst.